Neues vom Betzenberg

Gegner-Check Hertha: Die Alte Dame trifft - und wackelt

Gegner-Check Hertha: Die Alte Dame trifft - und wackelt

Foto: Imago Images

Zum Jahresabschluss "uffem Betze" nochmal ein Traditionsduell. Hertha BSC kommt. Nach wie vor mit vielen Sorgen im Gepäck, wie der 1. FC Kaiserslautern aber auch mental gestärkt durch ein Erfolgserlebnis im DFB-Pokal.

Anspruch und Wirklichkeit: Abstieg, Ausverkauf, Kampf um die Lizenz, weiterhin Schulden, Wechsel in den Funktionärsgremien, noch laufende juristische Auseinandersetzungen mit ehemaligen Beschäftigten und, und, und: Was die Alte Dame im Einzelnen alles belastet hat oder immer noch belastet, würde allein einen mehrseitigen Bericht benötigen. "Wir sind ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte", brachte Präsident Kay Bernstein es mal auf den Punkt, und ergänzte ebenso treffend: "Hertha hat zu lange das große Rad gedreht." Eine gute Idee war sicherlich, unter diesen Voraussetzungen zunächst mal kein Saisonziel zu definieren. Der Start in die Saison verlief mit drei Niederlagen in Serie eigentlich schon erwartungsgemäß schlecht. Danach folgten auf hoffnungsfroh stimmende Siege deprimierende Niederlagen. Seit nunmehr fünf Spieltagen sind diese allerdings ausgeblieben, und es kristallisiert sich heraus: Der Kader, der mit Ablösen in Höhe von rund fünf Millionen Euro nach Abgängen in Höhe von rund 30 Millionen Euro zusammengestellt wurde, ist gut genug, um sich locker in die obere Tabellenhälfte hochzuschrauben - wenn das Kernteam sich endlich stabilisiert. Am vergangenen Wochenende feierte die Mannschaft von Trainer Pal Dardai einen 5:1-Sieg gegen den starken Aufsteiger aus Elversberg. Unter der Woche warf die Hertha den Hamburger SV aus dem Pokal, nach einem 5:3 im Elfmeterschießen. Nach 120 Minuten stand's 3:3.

Die Neuen: Dodi Lukébakio, Jessic Ngankam, Omar Alderete, Oliver Christensen, Marco Richter, Santiago Ascacíbar ... Die Liste derer, die gingen, umfasst über 20 zum Teil klangvolle Namen. Von denen, die kamen, hat sich zumindest einer bereits einen solchen gemacht: Haris Tabakovic, für 500.000 Euro von Austria Wien verpflichtet, ist mit derzeit neun Treffern der zweitbeste Torschütze der Liga. Mit vier Toren und zwei Assists ebenfalls gut dabei ist Offensivspieler Smail Prevljak, der ablösefrei aus dem belgischen Eupen an die Spree wechselte. Der Ex-Kieler Fabian Reese sicherte sich erwartungsgemäß den Platz am linken Flügel, war am Pokal-Mittwoch gegen den HSV der alles überragende Akteur. Routinier Toni Leistner, ein ehemaliger Unioner, der aus St. Truiden nach Berlin zurückkehrte, stieg bereits zum Kapitän auf und gilt in der Innenverteidigung als Bank. Zuletzt gegen Elversberg aber fehlte er wegen Oberschenkelproblemen. Mit Flügelspieler Marten Winkler und Pascal Klemens hat Dardai auch schon zwei vielversprechenden Youngstern Gelegenheit gegeben, sich in der Ersten Mannschaft festzuspielen. Aus dieser rausgerutscht ist in den vergangenen Wochen Michal Karbownik, der Engländer aus Brighton, der vergangene Saison an Düsseldorf ausgeliehen und eigentlich als Stammkraft auf der linken Verteidigerseite vorgesehen war. Mehr als bisher erreicht erwarten sich sicher auch der schwedische Mittelfeldspieler Bilal Hussein, für 675.000 Euro aus Athen gekommen, und der aus Piräus verpflichtete Grieche Andreas Bouchalakis, beide kamen zuletzt nur von der Bank. Der Ex-Fürther Jeremy Dudziak fällt seit Wochen verletzt aus, ebenso wie Trainersohn Palkó Dárdai, der zu Beginn der Saison noch regelmäßig in der Startelf stand. Der ehemalige Karlsruher Keeper und Ur-Herthaner Marius Gersbeck hat bislang nur als Straftäter Schlagzeilen gemacht muss sich aktuell hinter dem jungen Tjark Ernst anstellen.

Die Formation: Pal Dardai bevorzugt ein 4-2-3-1, wobei der Mann hinter der einzigen und unumstrittenen Sturmspitze Tabakovic meist ebenfalls gelernter Stürmer und mit einem dementsprechendem Vorwärtsdrang ausgestattet ist, so dass die Grundformation auch als 4-4-2 gelesen werden könnte. Gegen Elversberg zuletzt füllte diese Rolle nicht Prevljak aus, sondern Oldie Florian Niederlechner, und der traf direkt drei Mal. Talent Winkler hat auf dem rechten Flügel dem nicht minder begabten Derry Scherhant weichen müssen, der bereits vergangene Saison für die Hertha debütierte. Links ist Reese gesetzt. Im hinteren zentralen Mittelfeld behaupten sich seit einiger Zeit mit Klemens und dem zweiten Trainersohn Márton Dárdai ebenfalls zwei Youngster. Die Viererkette vor Keeper Ernst stand mit dem Engländer Jonjoe Kenny, dem erst 19-jährigen Linus Gechter, Routinier Marc Oliver Kempf und dem Niederländer Deyovaisio Zeefuik. Gegen den HSV am Mittwoch durfte Karbownik mal wieder ran, dafür blieb Kempf 90 Minuten auf der Bank. Leistner wurde im Lauf des Spiels eingewechselt.

Zahlenspiele: Mit bislang 31 erzielten Treffern stellt die Hertha die erfolgreichste Offensive der Liga. Dagegen sind 25 Gegentreffer Mittelmaß - aber immerhin sieben weniger, als der FCK bislang kassiert hat. Innenverteidiger Kempf gewinnt nach dem Karlsruher Marcel Franke die meisten Kopfballduelle, Flügelstürmer Reese schlägt. Zudem führen die Berliner das eher kuriose Ranking der Pfosten- und Lattentreffer an - neunmal schon haben sie Alu getroffen. Drittbester sind sie auf dem Tableau der "gewonnenen Zweikämpfe" - ob das allerdings ein Erfolgskriterium ist, ist fraglich, da es von Tabellenschlusslicht Osnabrück angeführt wird. Die Sprintfreudigkeit der Alten Dame sollte FCK-Coach Dimitrios Grammozis viel eher alarmieren, denn da stellt sie ebenfalls das drittbeste Liga-Team nach Elversberg und Kiel.

Fazit: Nach den Pokal-Auftritten unter der Woche wird die Frage sein, wie die Trainer am Samstag rotieren lassen. Dardai hatte am Mittwochabend gegenüber der Startelf des vergangenen Wochenendes nur einmal gewechselt, Grammozis zweimal. Normalerweise wäre im dritten und letzten Spiel innerhalb von acht Tagen nun mehr Rotation zu erwarten - dass das nicht unbedingt der Fall sein muss, hat in der vorangegangenen Englischen Woche Dirk Schuster gezeigt, der gegen Fürth im dritten Spiel keine Veränderung vornahm, dieses dann aber auch mit 0:2 verlor. Auch wenn es nicht unbedingt "sportlich" ist, darauf zu verweisen: Größter Vorteil der Lautrer ist, dass die Hertha erst am Mittwoch spielte und dabei bis ins Elfmeterschießen gehen musste, ehe nun am Freitag/Samstag schon wieder eine weite Auswärtsreise ansteht. Mit Leistner und Kempf hat Dardai zwei routinierte Abwehrkräfte an der Hand, die diese Woche noch keine vollen Distanzen gehen mussten. Die könnten am Betze nun erste Wahl sein, ebenso Prevljak, der ohnehin eigentlich Stammspieler ist. Und Lautern? Da hofft natürlich alles auf Ragnar Ache von Beginn an. Oder ansonsten eben wieder als vielleicht spielentscheidender Joker. Wechsel im Abwehrverbund gegenüber dem 2:0 am Dienstagabend gegen Nürnberg wären wohl weniger wünschenswert, da dieser sicher nach chaotischen Wochen und dem ersten "zu null" seit einer gefühlten Ewigkeit stabilisieren muss. Tut er das, geht auch was. Die Offensiv-Ausbeute der Herthaner mag zuletzt imposant gewesen, hinten aber sind sie zu packen, wie am Mittwoch auch der HSV feststellen durfte.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Übersicht: Kompletter Team-Status des 1. FC Kaiserslautern

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