Der neue FCK-Trainer im Porträt

Dimitrios Grammozis: Der Wiederentdeckte

Dimitrios Grammozis: Der Wiederentdeckte


2021 heißbegehrtes Trainertalent, 2023 bereits anderthalb Jahre ohne Job. Dimitrios Grammozis hat die brutale Härte dieses Geschäfts schon ausgiebig kennengelernt. Der 1. FC Kaiserslautern bietet ihm nun die Chance zum Neustart.

Bevor die absehbaren Klagen anheben von wegen, was hat dieser Dimitrios Grammozis bislang denn schon vorzuweisen: Der 1. FC Kaiserslautern mag erst die dritte Profi-Station in der Trainerkarriere des heute 45-Jährigen sein, aber er hat schon einmal eine Mission übernommen, die noch viel schwieriger war als die, der er sich jetzt stellt. Im Grunde war's eine "Mission Impossible", als er im März 2021 den FC Schalke 04 übernahm.

Nach 23 Spieltagen, in denen die Königsblauen mit nur neun Punkten abgeschlagen auf dem letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga dümpelten - was sollte er nach seiner Verpflichtung da noch bewegen? Grammozis war bereits der fünfte Chefcoach, den die Gelsenkirchener in jener Spielzeit anheuerten. Vor ihm hatten David Wagner, Manuel Baum, Huub Stevens und Christian Gross auf ihrer Trainerbank gesessen.

Das klingt, als hätte der designierte Absteiger nur nach einem Dummen mit Lizenz gesucht, der das Trauerspiel bis Mai zu Ende führt, auf dass er dann, von den absehbaren finalen Niederlagen verbrannt, den Stab an den nächsten Übungsleiter weiterreichte, damit dieser als unverbrauchte Kraft frisch ans Werk gehen konnte. So aber war's nicht gedacht vom damaligen Sportchef Peter Knäbel. Grammozis sollte noch in der Restsaison damit beginnen, fürs anstehende Zweitliga-Jahr ein neues Schalke zu erschaffen, so trostlos die kommenden Wochen auch zu werden schienen.

Dass der Neue zu seiner Vorstellung erstmal tat, als könne er tatsächlich das Unmögliche noch möglich machen, war nichts als Show. "Ich weiß, worauf ich mich einlasse", versicherte der neue Coach allen, die ihn fragten, wieso er sich auf ein solches Himmelfahrtskommando einlasse. "Das ist kein normaler Verein. Ich sehe Schalke 04 als große Herausforderung." Das dürfte am Betze nicht anders sein. "Die Energie, die dieser Verein ausstrahlt, wollen wir auch auf dem Platz sehen", kündigte der Deutsch-Grieche zu seiner Vorstellung in der Pfalz an.

Zum ersten Sieg mit Schalke gab's Lob vom Obernerd

Zu seinem Debüt führte er sein Team zu einem torlosen Unentschieden gegen Mainz, vier Wochen später fuhr er mit einem 1:0 über den Tabellen-11. Augsburg den zweiten Saisonsieg ein. Das Spiel wurde für "11 Freunde" von Deutschlands führendem Taktiknerd Tobias Escher begutachtet, und der bescheinigte dem angehenden Zweitligisten, mit Grammozis auf einem guten Weg zu sein.

Langsam, aber sicher, so Escher, finde sich die so lange von sämtlichen Vorgängern gesuchte Kompaktheit. Aus ihrem neuen 5-2-3-System heraus wagten die Schalker zwar nicht das höchste Pressing, "sondern fokussieren sich auf die Verdichtung der Räume im Zentrum". Klingt nach dem, was derzeit auch beim FCK gefragt ist.

In der "Defensive eine gewisse Kompaktheit herstellen", beschrieb Grammozis seine Ansprüche bei seiner Vorstellung vor drei Tagen. "Wir wollen uns aber nicht einigeln, sondern auch selber was fürs Spiel tun, mit Ball Torchancen kreieren, längere Ballbesitzphasen haben." Fingerzeige in diese Richtung waren bei seinem Betze-Debüt tags drauf, dem 2:0-Pokalsieg über Nürnberg, durchaus zu erkennen.

Weiter lobte Tobias Escher, dass Grammozis mit der Nominierung junger Nachwuchskräfte wie Malick Thiaw bereits die Verjüngung der Mannschaft vorantreibe, aber auch einem Oldie wie dem 37-Jährigen Klaas-Jan Huntelaar nochmal ordentlich Beine gemacht habe. In Kaiserslautern bietet der Punkt "Talententwicklung" dem neuen Trainer die wohl beste Gelegenheit, etwas besser zu machen als seine Vorgänger. Seit Sascha Hildmanns Abgang im Jahr 2019 hat kein Nachwuchskicker aus der U21 mehr dauerhaft den Sprung zu den Profis geschafft.

Mit Darmstadt die beste Halbserie ever gespielt

Nach diesem 1:0 gegen Augsburg schienen Peter Knäbels Pläne zu reifen. Er selbst war als Sportvorstand übrigens auf Jochen Schneider gefolgt. Auch der hatte Grammozis bereits im Auge, zuerst als Wagner-, später als Baum-Nachfolger. Und im Sommer zuvor hatte der Hamburger SV mit einer Verpflichtung des Deutsch-Griechen geliebäugelt. Man sieht: Der damals 42-Jährige galt in diesen Tagen als heißer Tipp auf dem deutschen Trainermarkt. Weshalb?

Grammozis hatte in der Saison 2019/2020 Darmstadt 98 auf Rang 5 geführt und damit in knapp 15 Monaten deutlich vorangebracht. Von 52 Punkten hatte die Lilien allein 32 in der Rückrunde eingefahren. So viele in einer Halbserie hatte selbst Erfolgstrainer Dirk Schuster nie geholt. Der war mit den Hessen zwischen 2013 und 2016 von der Dritten in die Erste Liga durchmarschiert. Schuster war es auch, den Grammozis im Februar 2019 beerbt hatte, nachdem dessen zweite Amtszeit in Darmstadt weniger erfolgreich verlaufen war. In der Saison davor hatte er die Lilien allerdings noch vor dem Gang in die 3. Liga bewahrt, den stattdessen der 1. FC Kaiserslautern antreten musste.

Darmstadts Torjäger Serdar Dursun urteilte über seinen Coach nach der Spielzeit 2019/20, die nur vier Punkte hinter den Aufstiegsplätzen endete: "Dimitrios ist ein bodenständiger, guter und fleißiger Typ. Als Trainer ist er sehr akribisch und arbeitet wirklich sehr hart, legt viel Wert auf Details. Er will viel aus seinen Spielern herausholen, möchte, dass sie viel marschieren und schnell den Weg nach vorne suchen", zitierte "transfermarkt.de" den damals 29-Jährigen, der in 47 Partien unter Grammozis 22-mal getroffen hatte.

Ungewöhnlich: Die Mannschaft spielte diese starke Rückserie, obwohl ihr bereits seit Februar bewusst war, dass ihr Coach sie im Sommer verlassen würde. Er hatte sich mit den Verantwortlichen nicht auf eine Vertragsverlängerung einigen können. Sein Team hatte er dennoch weiter im Griff. Da muss die Chemie wohl gestimmt haben.

Hochstätter: "Ein harter Hund - im positiven Sinne"

Auf Grammozis aufmerksam geworden waren die Lilien-Bosse, als dieser noch die Junioren des VfL Bochum coachte. Dem Verein, bei dem er 2013 seine Profi-Karriere ausklingen ließ. Den Weg ins Traineramt ebnete ihm daraufhin dessen damaliger Sportvorstand Christian Hochstätter.

Was er an Grammozis schätze, verriet der später dem Fußball-Portal "Spox": "Dimi ist als Spieler immer voran gegangen, hat die Ärmel hochgekrempelt und sein Team mitgenommen." Er sei "ein konsequenter Mann, der weiß, was er will. Er ist imstande, seine Jungs für seine Sache und für das, was er vorhat, zu begeistern." Dabei helfe ihm, dass er "nicht als Diktator fungiert", sondern im ständigen Austausch mit seinen Spielern stehe, dabei stets ein umgänglicher und angenehmer Mensch bleibe. Aber: Man dürfe sich von seiner sympathischen Fassade nicht blenden lassen: "Dahinter verbirgt sich ein harter Hund - im positiven Sinne."

Bis 2019 betreute Grammozis nahezu alle Bochumer Junioren-Teams, zuletzt die U19, in der er unter anderm das Top-Talent Armel Bella-Kotchap unter seinen Fittichen hatte, dessen Marktwert aktuell mit 20 Millionen Euro taxiert wird. Derzeit ist der 21-Jährige vom FC Southampton an den PSV Eindhoven ausgeliehen. Im März 2018 erwarb Grammozis die Fußballlehrer-Lizenz an der Sportschule in Köln. Womit für ihn der Weg in die deutschen Profi-Ligen frei war - bei einem entsprechenden Angebot. Darmstadt 98 griff zu.

Beim FCK erlebte er die letzten Auftritte auf internationaler Bühne

Als Spieler war der gebürtige Wuppertaler für den KFC Uerdingen, den 1. FC Köln, bei Rot-Weiß Essen sowie bei Vereinen in Zypern und Griechenland aktiv. Und, natürlich, fünf Jahre für den 1. FC Kaiserslautern. Als er im Sommer 2000 an den Betzenberg wechselte, hieß sein Trainer Otto Rehhagel. Seinen Ausstand gab er im April 2005 bei einem 2:0-Auswärtssieg der Roten Teufel in Bielefeld. Auf der Bank saß Hans-Werner Moser, nachdem unmittelbar zuvor Kurt Jara entlassen worden war. Seine Chefs dazwischen: Andreas Brehme und Erik Gerets.

In der Bundesliga kam er für den FCK 92-Mal zum Einsatz, obendrauf kommen rund zwei Dutzend Einsätze im DFB-Pokal und Uefa-Cup. Zwischen 2001 und 2004 kickte er gemeinsam mit Kaiserslauterns heutigem Geschäftsführer Thomas Hengen. Dabei erzielte Grammozis, der auf beiden Außenverteidiger-Positionen und im defensiven Mittelfeld zuhause war, drei Treffer. Öfter musste er wegen Gelb-Roter oder glatt Roter Karten pausieren, etwa auch beim DFB-Pokal-Finale 2003, als seine Lautrer ziemlich sang- und klanglos 1:3 den Bayern unterlagen. "Meine Art und Weise, wie ich Fußball gespielt habe, hat mich auch als Trainer geprägt. Ich verlange immer einhundert Prozent - von mir selbst, aber auch von meiner Mannschaft."

Bis 2003 bestritt der FCK auch seine letzten Auftritte auf der internationalen Bühne. Grammozis stand bei nahezu allen mit auf dem Platz. Besonders in Erinnerung dürfte ihm das 3:0 im Oktober 2000 gegen die Glasgow Rangers geblieben sein, wo er dem tschechischen Sturmhünen Vratislav Lokvenc den dritten Treffer auflegte. Auch die beiden 1:0-Siege gegen den PSV Eindhoven im März 2001 sind vielen FCK-Fans unvergessen.

Die Mission auf Schalke dauerte nur ein Jahr - Jetzt der Neustart

Doch zurück zum Anfang unserer Geschichte. Zum Schalker Neuaufbau, der dem Jungtrainer im März 2021 in die Hände gelegt wurde. Grammozis' Mission endete fast genau ein Jahr später, nach einer 3:4-Heimniederlage gegen Hansa Rostock. Schalke sackte damit auf Rang 6 ab - und der Trainer musste gehen. Zwei Wochen später übernahm Vereinsikone Mike Büskens und führte die Königsblauen mit sieben Siegen in acht Partien auf einen Aufstiegsplatz.

Seither wartete das ein Jahr zuvor noch heißbegehrte Trainertalent auf eine neue Bewährungschance. Die Auszeit nutzte der gebürtige Wuppertaler und mittlerweile dreifache Familienvater, um sich Frau und Kindern zu widmen. Untätig in Sachen Fußball war er jedoch nicht: "Ich war viel in den Stadien unterwegs, habe mir Videos angeschaut und mit meinem Co-Trainer Sven Piepenbrock Spiele die Mannschaften der Ersten und Zweiten Liga analysiert." Mit dem 41-jährigen Piepenbrock arbeitete Grammozis bereits auf Schalke und in Darmstadt zusammen. Nun steht er ihm am Betzenberg zur Seite.

Der somit nun beiden die Gelegenheit für einen Neustart in der Liga bietet, in der sie ihre Qualitäten schon einmal nachweisen durften. Eine Chance, die nicht jeder zunächst hochgehypte Jungtrainer nach dem ersten Karriereknick bekommt. So mancher "neue Nagelsmann" ist danach wieder geräuschlos in der Versenkung verschwunden. Dass Grammozis wie in Darmstadt damals auf Dirk Schuster folgt, mag Zufall sein, kann aber auch gutes Omen gewertet werden.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

Chronologie im DBB-Forum: Dimitrios Grammozis neuer Trainer des FCK

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