Taktik-Nachlese zum Spiel SCP-FCK

Die DBB-Analyse: Qualität und ein Quäntchen Glück

Die DBB-Analyse: Qualität und ein Quäntchen Glück


Mit dem zweiten Sieg in Folge hat der 1. FC Kaiserslautern die null Punkte aus den ersten beiden Saisonspielen wettgemacht. Das 2:1 beim SC Paderborn ist vor allem Ausdruck neu gewonnener Qualität durch die Sommertransfers.

Die Trainer beider Mannschaften sind eigentlich dafür bekannt, dass sie gerne mal überraschen, was Grundordnung und personelle Besetzung ihrer Startelf angeht. Dies hielt sich bei beiden diesmal in Grenzen. Paderborns Lukas Kwasniok präsentierte wie zuletzt eine 4-4-2-Formation, die auf dem Papier altbacken aussehen mag, in der aber sehr viel Bewegung drin ist, da Stürmer und offensiven Flügelspieler permanent rotieren. Überraschend allerdings: Für David Kinsombi begann Sebastian Klaas, der erstmals nach 15 Monaten wieder in der Startelf stand. Und die Sturm-Rakete Sirlord Conteh nahm zunächst auf der Bank Platz. Für ihn lief, ebenfalls erstmals in dieser Saison, Robert Leipertz auf.

Dirk Schuster baute erwartungsgemäß den zuletzt gesperrten Boris Tomiak wieder in seine Dreier-Abwehrkette ein. Ganz vorne begann diesmal Ragnar Ache, später ersetzte ihn Terrence Boyd, vor Wochenfrist gegen Elversberg war’s genau umgekehrt. Die gewählte Formation wird in den meisten Darstellungen als 3-4-1-2 angegeben. Korrekter wäre, zumindest in den ersten 60 Minuten, ein 3-4-2-1, denn Marlon Ritter und Kenny Redondo bewegten sich vor allem gegen Ball meist auf einer Höhe in den Halbräumen hinter Ache, um das Paderborner Spiel auf die Außenbahnen zu leiten.

Gegner spielt, FCK guckt zu: Ja, geht das denn schon wieder so los?

Erst drei Minuten waren gespielt, als die Gastgeber eine Ballbesitzphase von sage und schreibe 3:20 Minuten mit einer Toraktion von Filip Bilbija abschlossen, die der erneut starke FCK-Schlussmann Julian Krahl parierte. Bereits da schien sich der Spielablauf abzuzeichnen, den mancher Fan befürchtet hatte: Tief stehende, passive Lautrer gegen einen SC Paderborn, der das Leder zirkulieren lässt, bis es irgendwann im Netz der Gäste landet.

Auf Schalke vor drei Wochen gestalteten die Pfälzer die Anfangsminuten wesentlich forscher, doch die schlussendlich deutliche 0:3-Niederlage schien ihnen jede Freude am Risiko geraubt zu haben. Sogar im Heimspiel gegen Elversberg, das immerhin mit einem 3:2-Sieg endete, hatten sie sehr zurückgezogen begonnen.

Ein Hoffnungsschimmer: Diese zögerlichen Anfangsminuten waren auch nicht im Sinne des Trainers. Denn auch der ärgerte sich hinterher über die "gefühlt zehn Prozent Ballbesitz" zu Beginn, was noch nicht einmal übertrieben war. Laut "Wyscout"-Datenbank verzeichneten die Roten Teufel in der Startviertelstunde einen Ballbesitzanteil von 13 Prozent. Ein absoluter Tiefstwert.

Glücklicherweise aber blieb es nicht so. Nach einer halben Stunde verschoben sich die Anteile. Wie sehr, verdeutlicht diese "Wyscout"-Grafik, die die Entwicklung über die gesamte Spielzeit visualisiert.

Ballbesitz Paderborn-FCK

Es ist zu erkennen: Bis zur 60. Minute war der FCK besser im Spiel. Und diese Phase schloss er mit seinen beiden Treffern ab.

"Ballbesitz" bedeutet nicht unbedingt "das Spiel im Griff haben"

Überhaupt bot gerade diese Begegnung zweier Mannschaften mit zwei konträren fußballerischen Ansätzen reichlich Anschauungsmaterial dafür, dass "Ballbesitz" als Indikator für die Phrase "das Spiel im Griff haben" nur bedingt taugt. Am Ende sollte die Statistik, trotz der zwischenzeitlichen Hochphase, nur 34 Prozent Ballbesitz für den Sieger aus Kaiserslautern ausweisen - ebenfalls ein Tiefstwert für "Schusterball".

Doch die Werte relativieren sich, desto gewissenhafter man sie auseinanderdröselt. Ein Lautrer Ballbesitz dauerte im Schnitt elf Sekunden, ein Paderborner 20, also fast doppelt so lange. Die Gastgeber erreichten bei 54 Prozent ihrer Ballbesitze die gegnerische Hälfte, die Gäste bei 42 Prozent. Also immer noch ein klares Plus für die Ostwestfalen, aber bereits deutlich weniger krass.

Doch schaut man auf die Ballbesitzphasen, die mit einem Besuch im gegnerischen Strafraum endeten, stehen nur noch elf Prozent beim SCP, neun Prozent beim FCK gegenüber. Also beinahe Gleichstand. Und jetzt kommt’s: Bei Torschüssen innerhalb des Strafraums liegen die Pfälzer mit 5:3 vorne. Und von denen brachten sie drei auf den Kasten, ihre Gastgeber nur zwei. Nach Eckbällen hat Lautern übrigens ebenfalls 2:1 gewonnen. Sodass auch für dieses Spiel gilt: Mit Ballbesitz ist’s wie mit Beton - es kommt drauf an, was man draus macht.

Dennoch: Solche zurückhaltenden Anfangsphasen müssen nicht sein. Wobei sich sogar auch diese Aussage noch relativieren ließe. Ihre beste Tor-Aktion verzeichneten die Paderborner nach 29 Minuten, als es ihnen gelang, bei einer langen Pass-Stafette in die eigene Hälfte hinein den gegnerischen Defensivblock hinten ein wenig rauszulocken. Mit einer schnellen Kombination durch die Mitte spielte Florent Muslija Klaas frei, der allein auf den FCK-Kasten zulief. Doch Keeper Krahl vereitelte auch diese Chance. Wäre der Abwehr-Verband tief stehen geblieben, wäre es dazu niemals gekommen.

Lautern lässt sich lange Zeit, doch die ersten Tor-Aktionen sind ordentlich

Wie sich die Schuster-Elf das Spiel eigentlich vorgestellt hatte, wurde nach etwa 20 Minuten deutlich. Der zentrale Abwehrmann Kevin Kraus rückte nun ein wenig nach vorne, um die Paderborner Kombinationen in der Zone vor dem Strafraum zu stören. Und Tomiak schickte Tymo Puchacz mit einem tiefen Pass die linke Außenlinie entlang, der flankte, und im hinteren Rückraum des langen Ecks versuchte sich Ritter an einer Kopie von Jean Zimmers 3:2-Siegtreffer gegen Elversberg. Klappte aber nicht so ganz. Zwei Minuten später war Ache durch, stand aber knapp im Abseits, sonst hätte über eine "Notbremse" geredet werden müssen. Und in der 38. Minute köpfte der Mittelstürmer eine Redondo-Flanke nur ganz knapp übers Tor.

Damit hatte der FCK noch in Hälfte Eins ganz schön aufgeholt, was die Torchancen-Qualität angeht - und das mit nur 29 Prozent Ballbesitz.

In die zweiten 45 Minuten starteten die Roten Teufel, die diesmal in einem sehr gewöhnungsbedürftigen Gelbgrün unterwegs waren, dann richtig stark. Das hatte zwei Ursachen: Eine insgesamt forschere, mutigere Gangart - und Richmond Tachie, der für Redondo gekommen war. In der vergangenen Spielzeit selbst noch Paderborner, empfahl sich der Neuzugang nachdrücklich für weitere Startelf-Einsätze. Vor allem das Zusammenspiel mit Ache scheint ihm zu liegen. Gekrönt wurde dieses mit seiner Flanke, die Ache zum 2:0 einköpfte.

Ache, Ache, immer wieder Ache

Sechs Minuten zuvor waren die Gäste in Führung gegangen. Da jagte Ache mit der Stirn eine Flanke von Puchacz Richtung SCP-Tor. Keeper Jannik Huth konnte nur abklatschen, Ritter staubte ab. Sah nach Abseits aus, war es aber nicht. Laurin Curda hatte es, auf der Rechtsverteidiger-Position nah der Torlinie stehend, aufgehoben. Pech für den Jungen, der in der vergangenen Runde noch Regionalliga spielte.

Am ersten Treffer mit dem Kopf entscheidend beteiligt, anschließend das nunmehr dritte eigene Saisontor markiert, ebenfalls allesamt mit dem Schädel. Die ersten beiden Buden hatten ihm Redondo und Zimmer serviert. Bis Ache die erste Puchacz-Flanke einnickt, kann es nur noch eine Frage der Zeit sein. Ritter ist ebenfalls immer in der Lage, einen wie ihn im Zentrum zu bedienen, ebenso Philipp Klement, so er denn wieder mal randarf - dieses Mal war er nicht einmal im Kader, rein aus sportlichen Gründen und nicht wegen sonstwas, wie Schuster klarstellte.

Will sagen: Der noch nichtmal zu 100 Prozent fitte Ragnar Ache könnte in Lautern eine ideale Mitspieler-Schar gefunden haben, um seine große Stärke auszuspielen und sich und den Anhang so richtig glücklich zu machen.

Die ewig lange Nachspielzeit - nicht gut fürs Nervenkostüm

Acht Minuten nach Aches 2:0 fiel dann der Anschlusstreffer. Ein Schlenzball von Muslija aus dem linken Halbfeld landete im langen Eck. Der eingewechselte Adriano Grimaldi, der sich zunächst als Torschütze feiern ließ - ebenfalls hart an der Abseitslinie lauernd - war wohl knapp nicht mehr mit dem Kopf am Ball.

Paderborn war dadurch jedenfalls wieder dran. Und hatte offiziell noch 17 Minuten, um den Ausgleich zu erzielen. Zu denen dann noch neun Minuten Nachspielzeit obendrauf kamen. Ein paar verletzungsbedingte Verzögerungen hatte es sicherlich gegeben, aber ob diese extra langen Zugaben aufgrund neuer DFB-Vorgaben an die Schiedsrichter nun tatsächlich zur Regel werden? Abwarten. Fürs Nervenkostüm sind diese Überlängen jedenfalls nichts.

Auf den Anschlusstreffer folgt die "Druckphase" - tatsächlich?

In einigen Spielberichten ist von einer "Druckphase" die Rede, die die Gastgeber in den Schlussminuten nochmal aufgebaut hätten. Tatsächlich? Fakt ist, die Kwasniok-Jungs hatten auch in dieser Zeit viel Ballbesitz, aber nur bis an den gegnerischen Strafraum. In diesem waren in einigen Szenen auch mal zehn von elf grünen Teufeln versammelt, um Kopfbälle abzuräumen. Doch so richtige Aufreger gab’s nicht mehr zu durchleiden. Der xGoals-Wert von 0,14 für den SCP in der zweiten Halbzeit spricht für sich. Und den Betze-Buben gelang es zwischenzeitlich immer wieder, durch kluges und laufintensives Vorwärtsverteidigen den Ball vom eigenen Tor wegzuhalten.

Sodass unterm Strich ein 2:1-Sieg bleibt, für den es ohne Frage auch ein Quäntchen Glück brauchte - aber wo im Leben braucht es das nicht? Der noch mehr aber mit Qualität zu erklären ist, gerade auch mit neu dazu gewonnener. Wie die Neuzugänge Tobias Raschl, Ache, Puchacz und nun auch Tachie dieses FCK-Team weiter voranbringen können, ist immer deutlicher zu erkennen. Noch nicht beurteilen lässt sich Nikola Soldo, der seinen Einstand mit einem Kurzeinsatz gab. Und so, wie sich die anderen Neuen bislang schlagen, kann man auf Afeez Aremu nur gespannt sein.

Tachie: Nur 45 Minuten auf dem Platz, aber die meisten Duelle

Zu den Grafiken. Auch der xG-Timeline zufolge siegt Lautern verdient. Wobei auch hier relativiert werden muss. Ritters Abstauber aus gefühlt einem halben Meter Abstand zum Tor ist nah an einer sogenannten "Hundertprozentigen", die es bekanntlich gar nicht gibt, und verursacht einen entsprechenden Ausschlag.

xG-Dynamik Paderborn-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Sieht ein bisschen linkslastig aus. Der Ritter-Spot bestätigt, was wir oben erklärt haben. Er war weniger ein Zehner denn ein rechter Halbstürmer.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Gastgeber. Wir sagten es bereits: Viel Ballzirkulation hintenrum. Vorne werden die Linien empfindlich dünner.

Passmap Paderborn

Und hier die beliebte Überkreuz-Übersicht über die geführten Duelle. Sieh an: Der in der Halbzeit eingewechselte Ex-Paderborner Tachie war in die meisten Zweikämpfe verstrickt, gestaltete diese gar nicht mal erfolgreich, bereitete aber das 2:0 vor.

Zweikampf-Duelle Paderborn-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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