Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCH

Die DBB-Analyse: Operation geglückt, Patient tot

Die DBB-Analyse: Operation geglückt, Patient tot


Der 1. FC Kaiserslautern musste gegen Hansa Rostock wieder mal einen tiefstehenden Gegner bespielen. Das machte er besser als zuletzt, verlor aber dennoch 0:1. Was Mannschaft und Trainer allerdings nicht entmutigen sollte.

Veranschaulichen wir es mal so: Die Roten Teufel wirkten an diesem Samstag wie Assistenzärzte, die bei einer Operation erstmals selbst das Skalpell führen dürfen. Sie haben das richtige Besteck zur Verfügung, wissen damit umzugehen, sind vom Chefarzt gut vorbereitet und werden von diesem auch während der OP unterstützt - der Patient aber geht am Ende dennoch ex. Weshalb? Weil dann doch die Routine des Chef-Chirurgen fehlte, vor allem dessen ruhige Hand beim entscheidenden Schnitt.

Ja, sie haben es "im Prinzip" richtig gemacht. Und, nein, hier soll nichts schön geredet werden. Der FCK hat zum dritten Mal in dieser Saison ein Heimspiel verloren, torlos geblieben ist er am Betzenberg nun schon zum vierten Mal. Angesichts der sich fortsetzenden Nullnummern in der Fremde - da sind es nunmehr sechs am Stück - scheint es mit der Qualität in der Offensive eben doch nicht so weit her zu sein, wie es die montäglich erscheinende "Kicker"-Statistik Glauben macht. Auf der nämlich rangieren die Lautrer aktuell auf Rang 3 in puncto Chancenverwertung. Zwischenzeitlich waren sie sogar auch schon mal Erster.

Und ja, wieder mal waren die Männer in Rot gezwungen, einen tief stehenden Gegner zu bespielen. Und wieder einmal steht am Ende ein Ergebnis, demzufolge dies nicht gelungen ist. Was die Kritikerblase, die sich in den Fanforen mittlerweile gebildet hat, einmal mehr in ihrer Annahme bestätigen dürfte, unter Dirk Schuster funktioniere, wenn überhaupt, nur Underdog-Fußball, und dass es so etwas wie Weiterentwicklung unter diesem Coach nicht geben könne.

Wir behaupten dennoch: Trotz der Niederlage hat die Mannschaft ihre bislang beste Saisonleistung gegen einen extrem defensiv orientierten Gegner gezeigt.

Die Startelf überrascht nicht personell, aber mit ihrer Spielanlage

Schuster war allerdings schon mit seiner Startelf nicht unbedingt auf Wohlwollen bei einigen Fans gestoßen, von denen wieder einmal über 40.000 das Fritz-Walter-Stadion füllten. Die viel geforderten Philipp Klement und Philipp Hercher saßen erneut nur auf der Bank. Für sie starteten abermals Daniel Hanslik und Ben Zolinski, die der Trainer wohl wegen ihrer Laufstärke und ihrer taktischen Disziplin bevorzugt. Zudem fiel Kevin Kraus kurzfristig aus. Drum bildeten Robin Bormuth und Boris Tomiak die Innenverteidigung. Die wiederum waren schon so oft nebeneinander unterwegs, dass mit Abstimmungsproblemen nicht ernsthaft zu rechnen war.

Was die Spielanlage anging, rückten die Gastgeber dann jedoch vom Anpfiff an von allem ab, was Schuster-Skeptiker so erwarteten. Sie attackierten den Gegner früh in dessen Hälfte und hatten dazu auch ihre Standardformation angepasst. Marlon Ritter etwa positionierte sich nicht neben Julian Niehues auf der Sechs, sondern weiter vorne neben Hanslik, und aus diesem 4-1-4-1-System heraus rückte er häufig zu Terrence Boyd in die Spitze auf, um einen der Rostocker Innenverteidiger zu bedrängen. Ritter selbst tat die modifizierte Rolle gut, er war wesentlich besser im Spiel als zuletzt.

Nicht viele Tor-Aktionen, aber guter Zugriff auf zweite Bälle

Opoku begann diesmal auf der linken Seite, Zolinski rechts, erst nach einer halben Stunde tauschten die beiden mal vorübergehend. Der Wechsel bekam Opoku ebenfalls blendend, auf dem linken Flügel ist er nochmal einen Tick stärker.

Und wo blieben die Tor-Aktionen? Okay, die stellten sich nicht gerade im Sekundentakt ein und waren auch nicht von erster Güte. Doch die Spielanlage war ohne Frage die richtige. Ein erster Kopfball Boyds nach einem Flanken-Lupfer Opokus wurde deswegen möglich, weil Ritter eine zu kurz abgewehrte Ecke direkt wieder zu Opoku weitergeleitet hatte. Ritters fein anzuschauender Schlenzer aus 16 Metern, der nur knapp am Tor vorbeistrich, schloss nach einer halben Stunde eine Angriffsphase ab, nach der sich die Lautrer kurz zuvor gleich zwei Mal hintereinander zu kurz abgewehrte Bälle aus dem Strafraum direkt wieder erobert hatten. Und Hendrick Zucks Rückraumgeschoss aus halblinker Position war die Folge eines von Opoku schnell und präzise ausgeführten Einwurfs auf den halbrechts einlaufenden Ritter. Davor war der Gegner auf seiner linken Abwehrseite durch entschlossenes Aufrücken festgenagelt worden.

Das Erobern zweiter Bälle funktionierte also und auch die 64 Prozent Ballbesitz, die die Statistiken fürs Schuster-Team nach der ersten Hälfte auswiesen, kamen keinesfalls nur durch Hintenrum-Spielen zustande. Unter anderem tat sich Jean Zimmer mit zwei gelungenen diagonalen Seitenwechseln auf Opoku hervor. Wobei der Capitano auch schon nach drei Minuten für einen kleinen Herzinfarkt-Moment gesorgt hatte, als er mit einem missglückten Rückpass Hansa-Stürmer Kai Pröger auf die Reise schickte.

Volle Kontrolle nach 40 Minuten - und dann fällt das 0:1

Ansonsten aber hatte der FCK die Partie nach 40 Minuten voll im Griff. Offensiv fielen die Gäste nur auf, wenn sie bei Eckbällen ihr wuchtigstes Personal im Pfälzer Strafraum platzierten. Nach einem damit einhergehenden Gerangel um einen hohen Ball hatte Mittelfeldspieler Nils Fröling das Leder mal ans Außennetz gesetzt: Ein Warnschuss, der ankündigte, was sechs Minuten später Wirklichkeit werden sollte: Die Rostocker gingen in Führung. Trotz allem.

Ob Andreas Luthe Frölings Flattergeschoss aus über 20 Metern tatsächlich nur wegfausten konnte oder ob ihm nicht vielleicht doch eine Abwehr zur Seite hätte gelingen können - darüber dürfen sich die echten und die selbsternannten Torwartspiel-Experten in dieser Community die Köpfe zermartern. Fakt ist, dass das Leder nach vorne wegsprang, Pröger es halbrechts an der Strafraumgrenze annehmen durfte und einschoss. Festgehalten sei aber auch: Tomiak hatte es Fröling davor viel zu leicht gemacht, sich in Schussposition zu bringen. Und Zuck war bei Prögers Linksschuss zwar am Mann, schaffte es aber auch nicht, den Schuss abzublocken.

Hercher und Klement kommen - doch die "Jokertime" fällt diesmal aus

Damit ging’s mit einer überraschenden Gäste-Führung in die Pause. Schuster brachte jetzt mit Klement und Hercher die Scorer, die sich viele schon von Anfang an gewünscht hätten. Die deuteten dann auch schon nach ein paar Minuten an, dass wieder einmal Joker-Time angesagt sein könnte. Doch Klements Schuss nach Zusammenspiel mit Hercher konnte Hansa-Keeper Markus Kolke wegfausten.

Ansonsten bot sich ein ähnliches Bild wie in Hälfte eins, nur rückten die Gastgeber noch heftiger an. Dass sie energischer Richtung Tor drängten, als sie das bislang in vergleichbaren Partien taten, belegen auch zwei Werte, die "bundesliga.de" veröffentlichte: Im bisherigen Saisonverlauf benötigten die Roten Teufel im Schnitt bislang 16,5 Sekunden, um sich ein einmal verlorenen Ball zurückzuholen. Diesmal schafften sie es nach 10,3 Sekunden. Dazu hatten sie eine Passquote von 85 Prozent. Bei den Ballstafetten gab es zwar immer mal auch Stockfehler zu sehen, doch die landeten in der Regel im Aus. Die Kontersicherung stimmte im Großen und Ganzen, wie auch der Blick auf xG-Timeline unten zeigt. Für Hälfte zwei weist sie für die Gäste kaum Ausschläge aus. Und das, obwohl Schuster später mit Tyger Lobinger noch eine weitere Offensivkraft für den nach hinten absichernden Sechser Niehues brachte.

Dass es trotz des breit aufgebauten Drucks, der nicht nur von den Flügeln, sondern insbesondere auch von Klement mit einigen guten Zuspielen durchs Zentrum hochgehalten wurde, in den zweiten 45 Minuten ebenfalls nicht zu allzu vielen "klaren" Torchancen reichte, lag an der enormen physischen Präsenz, mit der die Rostocker ihren Strafraum verteidigten. Außerhalb arbeitete die Kogge mit einer sehr variablen Defensivreihe, sie präsentierte sich mal mit Fünfer-, dann wieder mit Viererkette. Bezeichnend: Der einzige nennenswerte statistische Vergleich, den die Gäste am Ende gewannen, ist die Zweikampfbilanz. Die aber gestalteten sie mit 57 : 43 allerdings recht eindeutig für sich.

An einem normalen Tag hätte es gereicht - aber was ist schon normal?

Der FCK kam auch bei seinen insgesamt 14 Ecken nicht durch, zumindest nicht im ersten Versuch. Am nächsten am Ausgleich dran war Boyd nach knapp 80 Minuten, als er nach Zuck-Flanke endlich mal zum Kopfball kam - da hatte ihm der unerbittliche Rick van Drongelen tatsächlich mal einen halben Meter Freiraum gelassen. Doch Kolke machte den Köpper aus sechs Metern mit einem fantastischen Reflex zunichte. Auch bei einem weiteren Hinterhaltsschuss von Zuck war der Hansa-Schlussmann auf dem Posten. Herchers Kopfballtreffer nach Klement-Flanke indes fand wegen Abseits leider zurecht keine Anerkennung.

Keine Frage: An einem "normalen" Tag hätte das reichen müssen, um mindestens den Ausgleich zu erzielen. Aber welche Tage sind im Zweitliga-Fußball schon "normal"? Was bleibt, ist zunächst einmal eine Erkenntnis fürs Phrasenschwein: In einem solchen Spiel wäre es wichtig gewesen, den ersten Treffer zu erzielen.

Weder als Phrase noch als Schönrederei abtun sollte man dagegen Dirk Schusters Äußerung in der Pressekonferenz, im spielerischen Bereich seien in dieser Partie bei seiner Mannschaft durchaus Fortschritte zu sehen gewesen. Das ist absolut richtig - auch wenn das Ergebnis natürlich enttäuscht.

Die Passmaps: So sehen Sieger eben nicht aus

Die xG-Timeline bestätigt diese Darstellung: Auch wenn es kein Torchancen-Festival war. Ein, zwei Treffer waren drin. Dieses Team kann auch mit einer dominanten Spielanlage punkten.

xG-Plot FCK-Rostock

Die Positions- und Passgrafik. Opokus Flügel war der starke Flügel, das überrascht nicht. Die Positionierung des Zolinski-Spots verwirrt allerdings ein wenig.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Postions- und Passgrafik: So sehen Sieger normalerweise nicht aus. Aber was heißt das schon in dieser Liga.

Passmap Rostock

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 301 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken