Taktik-Nachlese zum Spiel SVD-FCK

Die DBB-Analyse: Pech und Patzer spielen Doppelpass

Die DBB-Analyse: Pech und Patzer spielen Doppelpass


35 Minuten lang machte der 1. FC Kaiserslautern vieles besser als in seinen jüngsten Auswärtsauftritten. Doch Pech und Patzer brachten ihn in Rückstand, und dann ging nichts mehr gegen ein Darmstadt 98, das einfach aggressiver war.

"Wir wollten Fußball spielen", formulierte FCK-Coach Dirk Schuster hinterher, mit welchem Anspruch sein Team am Böllenfalltor starten wollte. Das signalisierte durchaus auch die Grundordnung, in der er sich zum Anpfiff formierte. Mit Kenny Redondo und Aaron Opoku liefen endlich wieder zwei offensive Flügelstürmer auf, auf die hatte Schuster auswärts zuletzt verzichtet. Und nicht nur das: Die beiden positionierten sich bei Ballbesitz sogar ganz vorne an der Abseitslinie. Mittelfeldspieler Marlon Ritter bildete keine Doppelsechs mit Nicolai Rapp, sondern schob sich neben den offensiveren Philipp Klement. Somit ergab sich ein 4-1-2-3. So offensiv hatte sich Lautern in dieser Saison noch nie präsentiert. Allerdings: Nur auf dem Papier.

Die drei Stürmer, das zeigte sich schnell, bewegten sich gegen den Ball in Gegners Hälfte zwar schon auf die drei Abwehrspieler der Lilien zu, als "Pressing" ließ sich das jedoch nicht ernsthaft bezeichnen. Das Trio wollte offenbar nur zu frühen Abspielen verleiten, die Balleroberung war weiter tief im Feld geplant.

Dafür deutete Opoku schon zwei Minuten an, wie gut den Roten Teufeln belebtes Flügelspiel tut: Er vernaschte auf der rechten Seite Emir Karic und versuchte flach auf Terrence Boyd zu flanken, was jedoch misslang.

Immer gut anspielbar: Lieberknechts Offensiv-Triangel

Und was hatte sich Lilien-Züchter Torsten Lieberknecht einfallen lassen? Der hatte wegen den drohenden Ausfällen von Fabian Schnellhardt und Mathias Honsak bis zuletzt an seiner Startelf-Besetzung knoddeln müssen, und gab dann zuerst mal Rätsel auf. Filip Stojilkovic, Phillip Tietz und Braydon Manu starteten gemeinsam. Zwei Mittelstürmer und einer, der gern auch mal über außen kommt, wie sollte das zusammenpassen?

Nach ein paar Minuten war zu erkennen: Das Offensivtriangel überließ die Seiten den beiden Schienenspielern Karic und dem zurückgekehrten Matthias Bader. Selbst kamen die Drei ihren Mitspielern im Zentrum immer wieder entgegen, vor allem in den Halbräumen vor dem Sechzehner. Tietz bewegte sich vornehmlich auf der Zehn, rotierte aber oft mit den beiden anderen. Große Toraktionen entstanden trotz dieses Verwirrspiels in den ersten dreißig Minuten allerdings nicht. Der Ball zappelte zwar einmal im Lautrer Netz, doch da hatte Schiedsrichter Sven Jablonski bereits abgepfiffen. Manu hatte zuvor gefoult.

Toller Spielzug von Lautern - Es sollte leider der einzige bleiben

Fürs einzige fußballerische Highlight im ersten Drittel sorgten die Roten Teufel. Ausgangspunkt war ein Einwurf von Hendrick Zuck in der eigenen Hälfte, bei dem die weit aufgerückten Darmstädter konzentriert die Räume zustellten. Aber Boris Tomiak, Rapp, Klement, Boyd, Ritter und wieder Zuck und Klement kombinierten sich ebenso schnell wie präzise durch die Enge. Am Ende kam Klement am linken Flügel frei zum Flanken, und der in der Mitte eingelaufene Ritter setzte den anschließenden Kopfball knapp am Tor vorbei. Großartiger Spielzug. Der auf diesem Niveau aber die einzige des FCK in der gesamten Partie blieb.

Mit der Szene war auch Klement endlich im Spiel, mit dem Schuster zu Beginn gar nicht zufrieden war. Schon früh schickte er daher Daniel Hanslik zum Warmlaufen, "um Druck aufzubauen", wie der Coach später erzählte. Hanslik musste dann doch 84 Minuten warten, bis er Klement ersetzen durfte. Als schon nach 20 Minuten Kenny Redondo verletzt raus musste, kam Ben Zolinski. Einer, der als Flügelspieler nicht den Speed Redondos hat, sondern seine Aufgaben eher mit gutem taktischem Verständnis löst.

Der Einwurf: Die allzeit unterschätzte Standardsituation

Ebenfalls bezeichnend für den weiteren Spielverlauf: Die Szene wurde von einem Einwurf eingeleitet. Eine Standardsituation, denen Statistik-Nerds eher wenig Aufmerksamkeit widmen. Wie wichtig sie für ein Spiel sein können, zeigten die nächsten beiden Szenen.

35. Minute: Darmstadts Marvin Mehlem versucht einen Seitenwechsel auf Karic, Jean Zimmer klärt zum Einwurf. Bei diesem versäumen die Lautrer eine durchaus mögliche Balleroberung, verursachen stattdessen eine Ecke. Und die führt zum Führungstreffer der Gastgeber. Und von denen hat Darmstadt in dieser Saison schon neun verwandelt. Diesmal führt Fabian Holland aus, Stojilkovic köpft - Zuck gegen die Schulter, und von der hebt sich der Ball ins Netz. Pech und Patzer gesellen sich eben gern. Besonders ärgerlich: Der FCK hatte vor Wochenfrist beim 2:2 gegen Sandhausen den späten Ausgleichstreffer nach einer Ecke kassiert. Das wächst sich langsam zur Schwäche aus.

43. Minute: Einwurf Zuck, Klement lässt prallen, doch Zuck lässt sich anschließend von Bader den Ball abnehmen. Tietz schlägt ihn diagonal in die Spitze auf Stojilkovic - könnte man Traumpass nennen, aber Kevin Kraus steht zu weit vom Mann weg und verschätzt sich wohl auch. Stojilkovic nimmt das Leder perfekt an, marschiert auf Andreas Luthe zu. Hat Glück, dass er nach einem ersten, gescheiterten Schussversuch am Ball bleibt und vollstreckt. Pech und Patzer ... aber sagten wir ja schon.

Die "Comebacker der Liga"? Machten nach sieben Minuten Feierabend

Schade, denn zwischen den beiden Gegentreffern hatten die Gäste durchaus mal angedeutet, weshalb man sie bis vor kurzem "die Comebacker der Liga" nannte. Ritter demonstrierte, dass sich der Ball durchaus auch in Gegners Hälfte gewinnen lässt, doch Lilien-Keeper ließ sich von seinem Aufsetzer nicht überraschen. Und ein Hinterhaltsgeschoss von Rapp nach einer Klement-Ecke wäre von Kraus ums Haar ins Netz abgelenkt worden, wäre Schuhen nicht erneut auf dem Posten gewesen.

In der zweiten Hälfe war gar nichts mehr zu sehen von Lautrer Comeback-Qualitäten. Es ging aber auch so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Erst brachte Schuster Nicolas de Préville für Boyd, um den Gegner bewusst mit einem "vollkommen anderen Stürmertyp" in Verlegenheit zu bringen, wie er später erklärte. Der Franzose deutete mit einem irren Move an der Strafraumgrenze auch mal an, was für ein Monster in ihm schlummert. Doch in der 63. Minute musste er schon wieder raus - Rückenbeschwerden. Für ihn kam Tyger Lobinger. Ein Stürmer, der Platz vor sich braucht - bei 0:2-Rückstand findet er den eher nicht.

Die Schlussphase: Ballbesitz, aber keine Durchschlagskraft

Als dann auch noch Zuck vom Feld ging, fehlte der Gäste-Elf fortan einer, der von der linke Seite mit dem linken Fuß Flanken ins Zentrum schaufelt. Nachfolger Erik Durm zog als Rechtsfuß lieber in die Mitte. So stand in der Schlussphase eine FCK-Elf auf dem Feld, die sich zwar irgendwie mühte, aber kaum Durchschlagskraft hatte, trotz eines für Lautrer Verhältnisse astronomischen Ballbesitzanteils von 64 Prozent. Die einzige Torannäherung verzeichnete Lobinger, nach einem - da haben wir es wieder - Einwurf von Rapp.

Die Konterchancen aufzuzählen, die der SV Darmstadt in der Zwischenzeit hätte verwandeln können - unter anderem traf der eingewechselte Fabio Torsiello den Innenpfosten -, ersparen wir uns lieber. Dass am Ende unterm Strich ein verdienter Sieg der Gastgeber stand, mochte ohnehin niemand bezweifeln.

Trotz aller Ausfälle: Entschieden haben die Zweikämpfe

Und auch wenn die verletzungsbedingten Ausfälle ihren Anteil daran hatten, dass der FCK in Hälfte zwei nicht mehr auf Touren kam - verloren haben die Lautrer, weil ihnen der Gegner den Schneid in den Zweikämpfen abkaufte, die er einige Male auch grenzwertig führte. Der Blick auf die Zweikampfquoten über 90 Minuten (Quelle: Wyscout) spricht Bände:

Quote gewonnener Zweikämpfe SVD-FCK

Noch ein Beleg gefällig? Die Überkeuztabelle der geführten Duelle. Besonders Zimmers Bilanz ist für einen Verteidiger alarmierend.

Zweikampf-Duelle SVD-FCK

Die xG-Timeline bedarf unter diesen Umständen keiner weiteren Kommentierung. Außer vielleicht der Anmerkung, dass Ritters Kopfballchance erstaunlich gering bewertet wird. Unverständlich, aber geschenkt.

xG-Plot SVD-FCK

Nicht minder selbsterklärend ist die Positions- und Passgrafik der Betze-Buben. Boyd war vom Spiel weitgehend abgekoppelt.. Ein Lichtblick immerhin: wie präsent Opoku im Spiel war. Der im übrigen ein Argument für sich darstellt, auch künftig wieder auf forciertes Flügelspiel zu setzen, auch auswärts.

 Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Darmstädter. So sieht das funktionierende 3-4-1-2 eines Tabellenführers aus.

Passmap SVD

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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