Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SCP

Die DBB-Analyse: Zwei Momente - ein Rückschlag

Die DBB-Analyse: Zwei Momente - ein Rückschlag


Jetzt ist es passiert: Der 1. FC Kaiserslautern hat gegen den SC Paderborn erstmals in dieser Saison verloren. Die 0:1-Niederlage war vermeidbar, kam aber nicht überraschend. Und: Es lässt sich auch Positives aus ihr herausziehen.

In der Pressekonferenz vor diesem Spiel hatte FCK-Trainer Dirk Schuster erklärt, dass hinter der deutlichen Kritik an seinen Jungs nach dem jüngsten 2:1-Erfolg gegen FC St. Pauli psychologisches Feingefühl steckte: "In Erfolgssituationen, wenn die Dinge positiv laufen, kann man den Finger ruhig einmal etwas mehr in die Wunde legen, ohne dass der Angesprochene oder die Mannschaft gleich verletzt sind. Denn so können sie es, auch mit einem Lächeln, besser vertragen und künftig vielleicht besser umsetzen."

Er konkretisierte auch noch einmal, was ihm nicht gefallen hatte. Man habe vor dem Spiel noch darüber gesprochen, "dass es ganz wichtig ist, nach der Balleroberung den ersten und zweiten Ball hochkonzentriert nach vorne zu spielen. Wenn es nicht geht, müssen wir gucken, dass wir im Ballbesitz bleiben, auch da gibt es Alternativen. Da kann man hintenrum spielen, da kann man über den Torwart spielen, da kann man einen Mitspieler finden, der vielleicht nicht direkt den Gegenangriff starten kann. Und das haben wir schlecht gemacht."

9. Minute: So stellt Schuster sich Umschaltspiel vor



Drum galt es nun gegen Paderborn, dies besser zu machen. Und gleich in der 9. Minute gab es was zu sehen, was dem Trainer richtig gut gefallen haben dürfte: Kevin Kraus eroberte am eigenen Sechzehner den Ball, passte steil und präzise auf den halbrechts durchstartenden Jean Zimmer, der legte rüber auf halblinks, Terrence Boyd ließ durch, um Mike Wunderlich am Strafraumeck in Schussposition zu bringen, doch dessen Versuch, aufs lange Eck zu zirkeln, misslang. Unterm Strich war’s aber genau das, was der Coach gemeint hatte.

In der 35. Minute aber musste Schuster das mitansehen: Julian Niehues eroberte sich mit starkem Einsatz den Ball 20 Meter vorm eigenen Tor, versuchte ebenfalls, sofort nach vorne zu spielen, doch leider alles andere als hochkonzentriert. Der in der Verteidigungslinie postierte Marcel Hoffmeier hatte keine Probleme, den Ball vor dem anlaufenden Daniel Hanslik zu erwischen.

Symbolfigur Niehues: Licht und Schatten wechseln noch zu oft



Überhaupt behauptete sich Niehues bis zu seiner Auswechslung in der 77. Minute immer wieder stark in Zweikämpfen. Doch in der 34. Minute wiederum entwischte ihm SCP-Kapitän Ron Schallenberg, der sich nach einem langen Ball in die Spitze gemogelt hatte und nun aus spitzem Winkel abzog. FCK-Keeper Andreas Luthe parierte, Felix Platte erwischte den Abpraller mit dem Kopf, vermochte den Ball aber nicht zu versenken. Was Niehues gewissermaßen zur Symbolfigur das FCK in diesem Spiel werden ließ: Licht und Schatten wechseln da eben noch zu oft.

Dass sich der bislang besten Offensive der Liga die erste Torchance erst nach über einer halben Stunde eröffnete, zeigt aber auch, wie gut die Roten Teufel einmal mehr gegen den Ball arbeiteten. Und hätte Boris Tomiak in der 12. Minute nach kurz ausgeführter Ecke und Flanke von Hendrick Zuck nicht die Querlatte, sondern ins Netz geköpft, es hätte auch mit der dritten frühen Führung im dritten Heimspiel nacheinander geklappt.

Schwer zu durchschauen: Die Paderborner Wechselspieler



In dieser Anfangsphase bestätigte sich aber ebenfalls recht schnell die Befürchtung, dass die Lautrer auf ihrem bislang am schwersten zu packenden Gegner trafen. Die Gäste stifteten mit allerlei Wechselspielen Verwirrung. Die linke Seite war mit Florent Muslija und Raphael Obermair besetzt und machte dem Pfälzer Duo Zimmer und Erik Durm zu schaffen.

Rechts dagegen war bei den Paderbornern niemand konstant präsent. In den diversen Mediendarstellungen wird meist zwar Sirlord Conteh in einem angeblichen 3-4-3 als rechter Außenbahnspieler genannt, tatsächlich aber bot der sich immer wieder zentral für den Sprint in die Spitze an. Schwer definierbar war auch die Rolle des eigentlichen Stürmers Marvin Pieringer, den Trainer Lukas Kwasniok wider Erwarten doch gemeinsam mit dem etatmäßigen Zentrumsstürmer Platte in der Startelf nominiert hatte.

Gelegentlich kam der aufrückende rechte Innenverteidiger Hoffmeier über diesen Flügel, auch der zentrale Mittelfeldspieler Julian Justvan pendelte immer mal nach außen aus. Irgendeiner besetzte die Seite jedoch immer, wenn es nötig war. Ob sich das Kwasniok nun genauso so ausbaldowert hat oder nicht: Ausgerechnet über diese rechte Seite sorgte der SC Paderborn für die beiden Momente, die das Spiel in der zweiten Hälfte entscheiden sollten.

Der FCK in Hälfte eins: Zurückhaltend, aber erfolgversprechend



In der ersten dagegen sah es noch nicht so aus. Die Schuster-Elf verschob sich in ihrer 4-2-3-1-Formation so gut geordnet, wie man es mittlerweile von ihr gewohnt ist. Und schaffte es vor allem, Pallenberg als zentrale Anspielstation vor der Dreier-Abwehr zu blockieren. Dafür zuständig war meist Mike Wunderlich, gelegentlich abgelöst durch Marlon Ritter.

Und als kurz vor der Pause Boyd dem linken Innenverteidiger Jasper van der Werff den Ball an der Mittellinie abpresste und so eine weitere halbgare Einschusschance in der an Torszenen armen Partie generierte, wuchs unter den 33.098 Zuschauern die Zuversicht: Mit ihrem auf Reagieren statt Agieren ausgelegten Matchplan ließ sich vielleicht auch dieses Spiel zugunsten des FCK gestalten. Wenn Kraft und Konzentration nicht nachließen. Und beides war in dieser Partie bis zum Anschlag gefragt.

Verwirrung: Erst Elfer und Gelb, dann Freistoß und Rot



Kurz nach dem Wiederanpfiff dann der erste spielentscheidende Moment: Nach einem langen, tiefen Pass auf den halbrechts durchstartenden Conteh schaffte dieser es, sich an Zuck vorbeizuschieben, obwohl er der eigentlich den kürzeren Weg zum Ball hatte. Zuck hielt ihn am Trikot, Conteh fiel, und der Schiri pfiff. Er entschied zunächst auf Elfmeter und Gelb für Zuck. Nach dem Videostudium nahm er den Elfer zurück - und zeigte Zuck Rot.

Irritierend, aber nach der aktuell üblichen Regelauslegung vertretbar. Vor ein paar Jahren wurde beschlossen, dass nach Notbremsen Elfmeter und Rote Karte gemeinsam nur noch in extremen Fällen gegeben werden. Wird der Elfmeter jedoch in einen Freistoß umgewandelt, kann folgerichtig das Gelb für den Sünder auf Rot hochgesetzt werden.

Und wieder mal spielt Jöllenbeck Schicksal am Betzenberg



Hart ist diese Revision dennoch. Und sie war vielleicht auch nicht unbedingt nötig. Dirk Schuster zufolge hatte Conteh dem Schiedsrichter gegenüber zugegeben, dass zuerst er an Zucks Trikot gezogen hatte. Und wie hieß der Schiedsrichter doch gleich? Matthias Jöllenbeck.

Die wandelnden Gedächtnisarchive im Publikum erinnerten sich: Im Dezember 2017 war besagter Jöllenbeck auf dem Betzenberg unangenehm aufgefallen, als er beim 1:1 gegen den FC Ingolstadt einen kaum nachvollziehbaren Platzverweis gegen Benjamin Kessel aussprach und nach dem Schlusspfiff dem damaligen FCK-Stürmer Sebastian Andersson den Handschlag verweigerte - falsch pfeifen kann man mal, aber sich so unsportlich verhalten?

Und ein Jahr zuvor hatte besagter Herr Jöllenbeck einen gewissen Anteil an einer 0:1-Heimspielniederlage gegen Eintracht Braunschweig, als er einen ziemlich klaren Handelfmeter für den FCK nicht pfiff, das auf fragwürdige Weise erzielte Tor der Gäste aber anerkannte. Dies war nun das dritte Spiel in seiner Schiedsrichterkarriere, das er auf dem Betzenberg pfiff, und wieder traf er so eine Entscheidung. Vielleicht sollte der DFB mal überlegen, Jöllenbeck künftig woanders einzusetzen.

Auch mit zehn Mann noch stark gegen den Ball



Wie auch immer: Die Roten Teufel reagierten auch auf diesen Rückschlag vorbildlich. Wunderlich ging raus, Dominik Schad kam, übernahm die rechte Verteidigerposition, Durm dafür die linke. Der FCK formierte sich nun in einem 4-4-1. Auf den Flügeln tauschten Zimmer und der in der Pause für Hanslik eingewechselte Kenny Redondo vorübergehend die Seiten, so dass jeder seinen starken Fuß innen hatte. Wohl, um beim Einrücken in die Mitte besser abziehen zu können, so sich denn die Gelegenheit ergeben sollte.

Dass die Gastgeber nun nach vorne nicht mehr viel bewegten, wundert nicht. An ihrem Spiel gegen den Ball gab’s weiterhin nichts zu meckern. Es sei noch einmal gesagt: Mit Paderborn stand die mit zehn Treffern in den ersten drei Saisonspielen bislang beste Offensive der Liga auf dem Platz. Und die brachte gegen die unvermindert geordnet verschiebenden Viererketten des FCK lange, lange Zeit so gut wie nichts vors Tor.

82. Minute: So groß gekämpft und dann das… Schade



Bis zur 82. Minute. Bis zum zweiten der zwei spielentscheidenden Momente. Schon, dass der für Conteh eingewechselte Richmond Tachie quasi an der rechten Eckfahne trotz Bedrängung durch Durm und Tomiak doch noch zum Flanken kommt, muss nicht sein. Doch dass Justvan den ansegelnden Ball in der Nähe des Elfmeterpunktes nahezu unbedrängt volley abnehmen kann - wie kann das denn sein? Nach 82 Minuten intensiven, mit höchster Konzentration geführten Spiels? Dass Luthe anschließend pariert, auch zur Seite abwehrt, wie es sich gehört, aber Platte halt doch da steht, wo der Instinkt ihn hingeführt hat - das ist aus FCK-Sicht einfach nur Pech.

Jetzt heißt es: Nicht aus der Bahn werfen lassen



Der für Boyd eingewechselte Tyger Lex Lobinger hatte in der 88. Minute sogar noch eine Ausgleichschance. Aufgelegt vom eingewechselten Philipp Hercher. Lauterns bester Scorer der vergangenen Saison kam somit zum dritten Mal hintereinander nur zu einem Kurzeinsatz. Er sollte mal wieder länger auf dem Platz stehen.

Jetzt heißt es, sich von der Niederlage nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Wie sagte Dirk Schuster ebenfalls am Donnerstag? So wie man nach Erfolgen durchaus auch mal Kritik üben könne, gelte im Umkehrschluss: "Wenn mal ein Rückschlag kommt, war auch nicht alles Scheiße. Da kann man aus solchen Spielen ebenfalls Positives raus ziehen. Man muss immer die gesunde Balance finden." Genau das ist jetzt angesagt.

Klares xGoals-Ergebnis täuscht - oder auch nicht



Zu den Visualisierungen. Nach xGoals gewinnt Paderborn recht klar mit 0.55 : 2.75. Bei näherem Hingucken zeigt sich: Im Grunde resultiert der hohe Wert aus nur drei Torchancen, die aber waren richtig gut. Boyds Chance kurz vor der Pause dagegen ist der Software kaum einen Ausschlag wert. Kann man sicher drüber streiten. Da hätte es schon einen Kunstschuss à la Marlon Ritter gebraucht.

xG-Plot FCK-Paderborn

Die Positions- und Passgrafik der Lautrer: Da lief schon recht wenig an Zusammenspiel in der Offensive. Das sah gegen St. Pauli noch wesentlich besser aus. Trotz aller Trainerkritik.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Paderborner: Da ging es wesentlich passintensiver zu. 62:38 Prozent stand das Ballbesitz-Verhältnis am Ende zugunsten der Paderborner.

Passmap Paderborn

Hier noch eine interessante Darstellung aus dem "Wyscout-Fundus": die Entwicklung der Pressingintensität über 90 Minuten. Wie man sieht, hat Lautern gegen Ende nochmal ordentlich zugelegt, obwohl nur noch zehn Mann auf dem Feld waren. In der ersten Viertelstunde hätte man ruhig ein wenig aggressiver zu Werke gehen können. Aber: In diese Phase fiel auch der gelungenste Umschaltmoment des Spiels sowie Tomiaks Lattentreffer.

Pressingintensität FCK-Paderborn

Und zum Abschluss: Die Übersicht über die während des Spiels geführten Duelle. Auffallend: die makellose Bilanz Jean Zimmers. Haben die Wyscout-Bediensteten da ihre Strichlisten wirklich korrekt geführt? Einer, der daran übrigens immer mal wieder Zweifel äußerte, war übrigens der ehemalige FCK-Sportdirektor Boris Notzon.

Spieler-Duelle FCK-Paderborn

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 301 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken