Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCS

DBB-Analyse: Matchplan, Matchglück und Matchwinner

DBB-Analyse: Matchplan, Matchglück und Matchwinner

Foto: Neis / Eibner

Der 1. FC Kaiserslautern hat mit dem 1. FC Saarbrücken nicht nur seinen zweiten Lokalrivalen geschlagen. Beim vielleicht wichtigsten Sieg der Saison haben sich weitere "Spätstarter" profiliert, die im Finale entscheidend werden könnten.

Wie immer diese Saison endet, zwei Dinge wird Trainer Marco Antwerpen niemand vorwerfen können: Dass er nicht genug versucht hätte und dass er nicht zu überraschen vermochte. Und womöglich sind das genau die Eigenschaften, die seinem Vorgänger Jeff Saibene abgingen.

Am Donnerstag, in der Pressekonferenz vorm Spiel, tat Antwerpen die Frage, ob der FCK am Samstag denn auch mit Dreierkette spielen könnte, noch lächelnd mit der Bemerkung ab, dazu bräuchte er doch drei Innenverteidiger. Doch angesichts der vielen Verletzten, Angeschlagenen und dem gesperrten Alex Winkler wäre er bereits froh, wenn er zwei aufbieten könnte.

Dreierkette okay - aber zwei "Hempelcher" in der Mittelfeldzentrale?

Und was tat er? Er startete dennoch mit einer Dreierkette in dieses Derby. Zwischen Tim Rieder und Marvin Senger rückte Felix Götze, der in Lautern bislang auf der Sechs spielte, die Position ganz hinten aber auch im Portfolio hat. Insofern ist es keine Überraschung, dass diese Besetzung passte. Das eigentliche Risiko ging der Trainer im zentralen Mittelfeld ein.

Da mit Rieder auch der zweite robuste Sechser, der derzeit für einen Startelfeinsatz in Frage kommt, in die Dreierkette rückte, fanden sich in der Zentrale mit Nicolas Sessa (1,70 Meter groß) und Anas Ouahim (1,75 Meter) zwei eher schmalbrüstige Spielertypen wieder. "Hempelcher", wie der Pfälzer sagt. Wie sollten die gegen die physisch präsenten Saarbrücker bestehen?

Eine Befürchtung, die sich zunächst zu bestätigen schien. Der FCS attackierte wie erwartet früh, Lautern versuchte sich nur mit langen Bällen zu befreien, die direkt wieder beim Gegner landeten. Zehn Minuten lang schauten Sessa und Ouahim da nur hinterher. Doch dann erreichte dieses Derby seinen ersten Wendepunkt.

Einmal spielerisch durch die erste Pressinglinie - und schon steht’s 1:0

Den Betze-Buben gelang es zum ersten Mal, die erste Pressinglinie der Gäste spielerisch zu überwinden. Ausgangspunkt war Philipp Hercher. Ausgerechnet, könnte man sagen, denn als rechter Außenbahnspieler sah sich der 25-Jährige 90 Minuten lang meist dem stärksten Saarbrücker gegenüber: Marin Sverko, der ihn mehrmals schlecht aussehen ließ.

Diesmal aber fand Hercher den kurzen Passweg zu Jean Zimmer, dem sich prompt der Raum bis kurz vor den Saarbrücker Strafraum öffnete. Und den nutzte er zu einem langen Sprint mit Ball. Am gegnerischen Sechzehner angekommen, schob er diesen nach rechts zum mitgelaufenen Nicolas Sessa. "Linker Fuß", schrie ein Saarbrücker - FCS-Trainer Lukas Kwasniok? - noch ins Feld, und in der Tat nutzte Sessa diesen zu einer exakten Flanke, die Marvin Pourié nicht richtig erwischte. Daniel Hanslik dafür aber umso besser. Und schon stand es 1:0.

"Manchmal braucht man eben ein Dosenöffner", sollte der Torschütze hinterher zu Protokoll geben. Das gilt freilich nicht nur für einen nach Treffsicherheit suchenden Stürmer, sondern auch für sein komplettes Team.

Das Loblied auf Götze singt diesmal der Trainer

Danach nämlich war der FCK richtig gut im Spiel. Er hielt den Ball gegen die verzweifelt nach Linie suchenden Saarbrücker schön vom Tor weg in seinen eigenen Reihen und zeigt sich in seiner 3-4-3-Formation sehr beweglich. Der nominelle Linksaußen Hanslik etwa zog öfter in die Mitte, während Mittelstürmer Pourié den Mittelfeldspielern immer wieder entgegenkam. Sessa und Ouahim wiederum spielten ihre Ballsicherheit aus.

Und wer dirigierte das Orchester, als hätte er nie was anderes getan?

Um uns nicht dem Vorwurf auszusetzen, wir würden den Jungen zu sehr in den Himmel heben und sich das rächen könnte, überlassen wir das Lob diesmal seinem Trainer. Nach Felix Götze gefragt, antwortet Antwerpen nach dem Spiel dem SWR: "Sehr gut. Erste Halbzeit überragend. Das hab ich selten gesehen, dass ein Spieler auf dieser Position so dominiert. Vom Passspiel sehr sauber, hohe Passqualität, immer das richtige Timing, wann spiele ich den Ball ab. War schon schwer für Saarbrücken, ihn zu verteidigen."

In der 37. Minute hätte Götze seine Leistung ums Haar mit einem Treffer gekrönt, doch sein Rückraum-Geschoss strich haarscharf am linken Torpfosten vorbei.

Die starke Phase wird gebremst durch? Na klar: eine Standardsituation

Genug gefeiert. Denn ganz so glatt sollte es dann doch nicht laufen. Starke Phasen waren vom FCK in den vergangenen Wochen schon öfter zu sehen, aber wie wurden sie meist zunichte gemacht? Richtig: Durch einen Gegentreffer nach einem ruhenden Ball.

Und so geschah es auch diesmal in der 22. Minute: Anthony Barylla schlug eine Freistoßflanke von links, FCS-Kapitän Manuel Zeitz erwischte sie genau so, dass sie im Winkel des langen Ecks einschlagen konnte. Ausgleich. Einmal mehr hat sich gezeigt: Dem FCK fehlt in dieser Saison einfach ein wirkungsvoller Kopfballabräumer.

Das 2:1: Gutes Gegenpressing und schnelles Passspiel

Doch diesmal hatten die Roten Teufel außer einem Matchplan auch Matchglück. Nur zwei Minuten später bot sich die Chance, erneut zuzuschlagen. Und das war nicht nur Dusel, sondern dem energischen Auftreten Pouriés zu verdanken. Er holte sich einen Ball, den er gerade verloren hatte, direkt wieder zurück, passte zu Zimmer in die Mitte, der erneut die Übersicht behielt und abermals auf die rechte Seite hinüber legte, wo diesmal Hercher freistand. Flache Flanke vor den Fünfer, Hanslik staubt ab, 2:1.

Bis zur Pause entwickelte sich dann ein offener Schlagabtausch, in dem auch FCS-Trainer Kwasniok taktisch reagierte. Mittelfeldspieler Jayson Breitenbach musste gehen, Innenverteidiger Boné Uaferro kam in die Partie, Saarbrückens Dreierkette wurde zur Viererkette.

Der langen Bälle wegen: Nach der Pause kommt die Viererkette

Für die gleiche Neuordnung entschied sich auch Antwerpen nach der Pause. Saarbrückens Spiel sei noch stärker auf lange Bälle umgestellt worden, nach dem Sebastian Jacob eingewechselt worden sei, erklärt er den Schritt hinterher. In der Viererkette sollten die Innenverteidiger enger stehen, Felix Götze davor auf der Sechs abräumen. In der Schlussphase orderte Antwerpen seinen zentralen Defensivspieler dann noch ein weiteres Mal zurück. "Beinahe Dreierkette", war als Order über die TV-Mikros deutlich zu vernehmen.

Lange Bälle? Oh ja, davon gab’s in Hälfte zwei auf beiden Seiten reichlich zu sehen. Und der Anhang hatte gleich mehrere Herzinfarktmomente zu überstehen. Die qualitativ besseren Chancen hatten die Lautrer - die größte der eingewechselte Anas Bahhat. Doch auch Pourié und Elias Huth, der in der 70. Minute für den Mittelstürmer kam, hätten netzen können. Saarbrücken dagegen blieb fast nur nach ruhenden Bällen gefährlich.

In der Schlussphase fehlen dem FCS die Körner

Und spätestens, als sich in der Nachspielzeit der ebenfalls eingewechselte Kenny Redondo, Bakhat und Hendrick Zuck fast vier Minuten lang im linken Angriffsdrittel den Ball zuspielten, ohne dass ein Spieler der Gäste nochmal dazwischen zu hauen vermochte, wurde deutlich: Dieser Aufsteiger, der bislang eine großartige Saison gespielt hat, läuft auf der letzten Rille. Die Körner sind aufgebraucht. Beziehungsweise das Maggi, wie man im Saarland vielleicht sagt.

Diese merkwürdige Spielzeit fordert nun jedoch von allen Teams ihren Tribut. Nach den vielen Englischen Wochen, nach ihrem späten Beginn, nach den strapaziösen Geisterspielwochen zum Ausklang der vergangenen Runde, nach denen den etablierten Drittligisten keine richtige Sommerpause mit vernünftiger Regeneration möglich war. Die langen Verletztenlisten, über die viele klagen, kommen nicht von ungefähr, davon kann auch der FCK ein Lied singen.

Lauterns Vorteil im Saisonfinale: Immer mehr Spätstarter blühen auf

Für die Roten Teufel könnte allerdings zum Vorteil zu werden, dass immer mehr Spieler aufblühen, die bislang keine große Rolle spielten und daher kräftemäßig noch nicht ausgezehrt sind. Götze haben wir bereits genug gelobt. Sessa stand nach diversen starken Auftritten als Einwechselspieler gegen Saarbrücken nun das erste Mal in der Startelf - und mit Sicherheit nichts das letzte Mal.

Hanslik, bis zur jüngsten Länderspielpause fast nur zwischen Bank und Tribüne pendelnd, hat nun drei Treffer hintereinander erzielt und ist offenbar heiß auf weitere. Winterleihgabe Marvin Senger, in St. Pauli kaum gefragt, festigt sich in der Innenverteidigung zusehends. Und auch Bakhat fasst von Spiel zu Spiel besser Fuß in dieser Saison, die an dem 21-Jährigen bislang vorbeilief.

Dies alles darf durchaus zuversichtlich stimmen für den Rest des Saisonfinales, in dem der FCK nach Punkten nun zum ersten Nicht-Abstiegsrang aufgeschlossen hat. Gewonnen ist jedoch noch nichts. Die eben beschriebenen Effekte werden noch für etliche weitere Ergebniskapriolen sorgen, das Oben und Unten dürfte in dieser Liga auf den letzten Metern kaum noch eine Rolle spielen. Da ist noch alles drin, im Guten wie im Schlechten.

Doch wie sagte Marco Antwerpen nach diesem Derbysieg? "Negative Gedanken lähmen dich nur."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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