Im Blickpunkt: Saarländische FCK-Fans vor dem Derby

"Man spürt die Rivalität hier an jeder Ecke"

"Man spürt die Rivalität hier an jeder Ecke"

Rangeleien bei einem Freundschaftsspiel im Jahr 2005; Foto: Imago Images

1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Saarbrücken - ein Derby, das mit Zuschauern dem Duell gegen Waldhof kaum nachstehen würde. Wir haben einige saarländische FCK-Fans gebeten, die Bedeutung dieses Spiels und seiner Rivalität zu skizzieren.

In der Hinrunde hatten wir eine kleine Geschichte des Saar-Pfalz-Derbys zusammengestellt, um die Historie eines der wichtigsten Südwest-Duelle überhaupt zurück auf den Schirm zu bringen. Jetzt haben wir diejenigen befragt, die jeden Tag mit der Rivalität zu tun haben: Was bewegt die vielen aus dem Saarland stammenden Fans des 1. FC Kaiserslautern vor dem anstehenden Derby gegen den 1. FC Saarbrücken am Samstag (14:00 Uhr, Fritz-Walter-Stadion, auch live im SWR)? Über was wird im Saarland gesprochen? Warum ist dieses Spiel im sowieso schon aufreibenden Abstiegskampf nochmals besonders wichtig?

"Die Saarbrücker vergessen bei ihren Sticheleien ihre eigene Historie"

Bickelmann, 43 Jahre, aus der Nähe von Saarbrücken: "Gerade jetzt vor dem Derby gibt es in der Region kaum noch ein anderes Thema, auch wenn sich das Ganze wegen der Pandemie leider nicht im Stadion entfalten kann. Ich war als junger Bub schon bei den letzten beiden großen Spielen in der Bundesliga 1992 und im DFB-Pokal 1997 im Stadion. Danach auch mit kleiner Anzahl an Betze-Fans im Ludwigspark gegen die FCK-Amateure, was stets ein heißer Tanz war. In meiner Familie war ich damit eher das schwarze Schaf, denn väterlicherseits gingen die meisten Verwandten schon seit den 1970ern zu den Blau-Schwarzen. So habe ich die Rivalität stets hautnah mitbekommen, die im Saarland eigentlich ständig bestimmt ist von kleinen Sticheleien, hitzigen Diskussionen und allen möglichen Graffiti entlang der Straßen. Schwung bekam das Ganze auch nochmal durch unseren Insolvenzantrag, wo sich bei den Saarbrückern die Meinung verfestigte, der FCK besitze einen Sonderstatus beim DFB und der Landespolitik. Dabei wird auch gerne mal die eigene Historie vergessen, etwa wie ein gewisser Hermann Neuberger (ehemaliger FCS- und späterer DFB-Präsident; Anm. d. Red.) dem FCS zum unsportlichen Bundesliga-Einzug 1963 verhalf. Bedingt durch die gleiche Ligazugehörigkeit nehmen die Spannungen jetzt noch mehr zu. Im Saarland ist es denke ich sehr gebietsabhängig: Das Einzugsgebiet des FCS ist in Saarbrücken selbst sowie im nördlichen Saarland und dem Gebiet rund um Saarlouis am größten. Aber es gibt auch überall noch FCK-Fans, von denen viele unserem Verein schon seit Jahrzehnten folgen."

"Viele FCS-Fans reden mehr über den FCK als über ihren eigenen Verein"

Dominic, 34 Jahre, aus Gersheim (Saarpfalz-Kreis), Fanclub "Betze Supporters": "Als der FC letzte Saison aufgestiegen ist, habe ich mich auf ein explosives Derby vor einer schönen Kulisse gefreut, auf eine rot-weiß-rote Invasion in unsere Landeshauptstadt Saarbrücken. Leider kam dann alles anders wegen Corona. Trotzdem spürt man hier die Rivalität an jeder Ecke, besonders von den FC-Fans: Seit wir jetzt unten drin hängen, kriegt man die ganze Häme ab. Viele reden mehr über den FCK als über ihren eigenen Verein. Als Beispiel hole ich mal unser Spiel in Rostock: Hätten wir dort gewonnen, hätte Saarbrücken nochmal vorne angreifen können. Aber die haben sich lieber über die Niederlage von uns gefreut, anstatt selbst noch auf den Aufstieg zu hoffen. Naja, wenn sie meinen. Ich habe auch einige Saarbrücker Freunde, die normal ticken, und bin auch selbst kein Kind von Traurigkeit. Aber seit sich unsere Klubs sportlich immer mehr annähern, merke ich, dass viele FC-Anhänger voller Hass und Häme gegen uns sind. Vielleicht sind die auch sauer, dass es im Saarland immer noch mehr rot-weiße als blau-schwarze Anhänger gibt? Ich denke mal, dass mindestens 20 bis 30 Prozent der Betze-Besucher aus dem Saarland kommen. Daher ist das für uns schon ein ganz besonderes Spiel."

"Wir gewannen 4:0, anschließend flogen Flaschen, Steine und Dosen"

Janine Fuchs, 40 Jahre, aus Kaiserslautern und früher St. Wendel, Fanclub "Rote Teufel Monzingen": "Auch wenn ich mittlerweile in Kaiserslautern lebe, bin ich immer noch sehr mit meiner Heimat verbunden. Jedoch bin ich selten so richtig in Kontakt mit dem FC Saarbrücken gekommen: Damals in der Schule, besonders in meiner Klasse, gab es viele FCK-Fans, vielleicht ein bis zwei Bayern-Fans, aber die Saarbrücken-Fans waren eindeutig in der Minderheit. Woran ich mich noch gut erinnere, ist das DFB-Pokal-Spiel von 1997, also das letzte direkte Duell bis zum Hinspiel der jetzt laufenden Saison. Damals wurde schon Tage vorher im saarländischen Fernsehen die Stimmung angeheizt, über 30.000 Zuschauer waren im Ludwigspark, wir gewannen 4:0 und wurden anschließend mit Flaschen, Steinen und Dosen beworfen. Auch und gerade als Saarländerin bin ich stolz auf meinen Verein - den FCK - und habe dies auch immer sehr deutlich gemacht. Aktuell bieten wir durch die ganzen Misserfolge und zuletzt die Insolvenz natürlich eine große Angriffsfläche für die FCS-Fans, aber deren Provokationen sind mir egal. Aber auch einige beim FCK vergessen manchmal, dass viele unserer Fans aus dem Saarland kommen - daran muss ich dann immer mal eine Erinnerung hinterlassen."

"Das Saarland ist überschaubar, da läuft man sich ständig über die Füße"

Basti, Ende 30, aus Saarbrücken: "Das Spiel gegen den FCS ist für alle saarländischen FCK-Fans ein Highlight, auf welches man schon seit Jahrzehnten heiß ist. Ich kenne viele, die jedes Jahr die DFB-Pokal-Auslosungen verfolgt haben, immer in der Hoffnung auf dieses eine Los. Jetzt ist es eben in der 3. Liga soweit, was auch aus einer Gemeinsamkeit resultiert, die man bei sachlichen Gesprächen miteinander immer mal feststellt: Saarbrücken und Kaiserslautern haben ähnliche Leidensgeschichten, die Vereinsführungen der letzten Dekaden haben sich auf beiden Seiten mit Kompetenzlosigkeit geradezu übertrumpft. Lange konnten wir trotzdem lächelnd auf den FCS als Chaos-Verein hinunter blicken, aber das ist jetzt auch vorbei. Leider gibt es auch längst nicht mehr so viele Autos mit FCK-Fanartikeln wie früher, die im Saarland unterwegs sind. Dennoch merke ich seit einem Jahr in meinem direkten Umfeld, dass es sehr kribbelt und dass alle immer noch heiß auf dieses Spiel sind. Da das Saarland sehr überschaubar ist, läuft man sich auch als aktiver Fan ständig über die Füße. Auch wenn das letzte Pflichtspiel 1997 stattfand, ist man sich immer mal auf Konzerten oder Straßenfesten begegnet, auch mit handfesten Auseinandersetzungen. Ich kann nur hoffen, dass wir diese Saison gewinnen und dann nächste Saison die Möglichkeit haben werden, dieses Potential auch im Stadion sehen und hören zu können. Wenn ich mir vorstelle, dass wir in der 90. Minute auswärts das Siegtor machen und der gesamte Block eskaliert, dann bekomme ich jetzt schon Gänsehaut."

"Der FCS steht für mich auf der gleichen Stufe wie Ludwigshafen-Ost"

Mathias Schmitt, 45 Jahre, aus Oberkirchen (Landkreis St. Wendel), Fanclub "Red Devils Overchurch": "Es sind nicht nur die blau-schwarzen Vereinsfarben: Das Derby gegen den FCS steht für mich als saarländischer FCK-Fan auf einer Stufe mit den Spielen gegen unseren absoluten 'Lieblingsgegner' aus Ludwigshafen-Ost. Auch hat dieses Saar-Pfalz-Derby eine viel längere Geschichte: Sie reicht von der Ära der Walter-Elf über die Anfangsjahre der Bundesliga bis in die frühen 1990er Jahre, als die 'Molschder' zum letzten Mal Bundesliga spielten. In jener Saison 1992/93 gelang uns kein Sieg: Im Ludwigspark verloren wir mit 0:2 und das Rückspiel auf dem Betze endete 1:1. Und das FCS-Trikot trug ein gewisser Wolfram Wuttke ... Ich erinnere mich sehr genau, dass ein alter eingefleischter FCS-Fan aus meinem Heimatort, der über den FCK-Spieler Wuttke stets verächtlich geschimpft hatte, 'Wutti' in dieser Saison über den grünen Klee lobte. Mit demselben FCS-Fan war mein Vater übrigens am letzten Spieltag der Saison 1985/86 im Ludwigspark: Nach dem 0:3 zur Halbzeit drängte der Saarbrücker Anhänger zur Heimfahrt - '... dann stehen wir nicht im Stau' - aber mein Vater bestand darauf zu bleiben. Und so erlebten beide den 6:0-Auswärtssieg der Roten Teufel. Ich habe später in Saarbrücken studiert und auch einige Jahre in der Stadt gelebt. Da bleibt es nicht aus, Kontakte zu FCS-Fans zu haben. Und mit das Schlimmste war für sie unsere sensationelle Meisterschaft 1998 - bis zum letzten Augenblick drückten alle den Bayern die Daumen. Auf Niederlagen des FCK wurde man hingegen sofort angesprochen. Das ist bis heute so und hat sich in dieser Saison natürlich verschärft. Während wir mehrere Gegner für emotionale Derbys aufzählen können - neben Saarbrücken auch Waldhof, Frankfurt oder Karlsruhe - sind die Saarbrücker Fans komplett auf uns fokussiert: Sie sprechen dann gerne vom 'F(U)CK'. Das Saar-Derby gegen den FC Homburg ist kein Gradmesser für sie, da sie in diesen Spielen stimmungs- und zahlenmäßig stets haushoch überlegen sind. Nur allzu gerne würden es die Saarbrücker sehen, wenn ihre Mannschaft den verhassten FCK aus der Liga schießen würde. Ich glaube sogar, dass ihnen das am Ende wichtiger wäre als ein eigener Aufstieg."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Eine kleine Geschichte des Saar-Pfalz-Derbys (Der Betze brennt, 27.11.2020)

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