Taktik-Nachlese zur bisherigen Hinrunde

Nach xG-Ergebnissen hätte der FCK acht Punkte mehr

Nach xG-Ergebnissen hätte der FCK acht Punkte mehr


Wir warten auf das Ende der Winterpause - und vertreiben uns die Zeit mit einer kleinen Spielerei: Wo würde der 1. FC Kaiserslautern stehen, wären die Spiele tatsächlich so ausgegangen, wie es Sander Ijtsma anhand seiner "expected Goals" errechnete?

Es gibt eine Untersuchung des Bloggers und Fußball-Analytikers Colin Trainor, die mittlerweile als richtungsweisend gilt. Der Nordire betrachtete sich seinerzeit die katastrophale Hinrunde von Borussia Dortmund in der Bundesligasaison 2014/15 genauer. Die eigentlich als Titelfavorit gehandelten Schwarzgelben waren damals auf dem 17. Tabellenrang abgesackt. Warum, vermochte niemand wirklich überzeugend zu erklären. "Einfach nur Pech" gilt in diesem Geschäft bekanntlich nicht als Ausrede.

Trainor betrachtete sich die statistischen Wahrscheinlichkeiten, mit denen der BVB Treffer erzielen, aber auch Gegentreffer hätte kassieren können. Daraus errechnete er die Punktezahl, die unter diesen Gesichtspunkten zu erwarten gewesen wäre ("expected Points"). Und kam zu dem Schluss, dass die Borussia 15 Punkte mehr auf dem Konto haben und eigentlich auf Platz 4 der Tabelle stehen müsste. Demnach bräuchte sie keine Abstiegssorgen zu haben: Bliebe sie bei ihrer Spielweise, die solche Wahrscheinlichkeiten produziere, wäre sie in der Rückrunde für rund 30 Punkte gut.

Kann Lautern Dortmunds Beispiel folgen?

Trainor hatte übrigens nie ein Spiel des BVB gesehen, sondern vertraute nur auf seine Zahlen. In absehbarer Zeit werde sich eine sogenannte "Regression zur Mitte" einstellen, prophezeite er. Was im simplen Fußballersprech nichts anderes heißt als: "Am Ende des Tages gleichen Glück und Pech sich aus." Ungefähr jedenfalls. Ein Satz, den eigentlich auch niemand mehr hören mag. Doch was geschah? In der anschließenden Rückrunde holten die Dortmunder 31 Zähler, kletterten auf Rang 7 und kamen damit vom Abstiegsplatz noch in die Europa League.

Ganz so komplexe Berechnungen wie Colin Trainor können wir nicht anstellen, denn uns stehen nur die "expected Goals" aus den bislang 17 Saisonpartien zur Verfügung. Spannend ist es dennoch, sich einmal anzuschauen, wie viele Punkte der FCK auf dem Konto hätte, wenn die Spiele gemäß der nach der xG-Methode errechneten Chancenverteilung ausgegangen wären.

Statistik mit zwei kleinen künstlerischen Freiheiten

Dabei erlauben wir uns zwei kleine künstlerische Freiheiten. Da xG-Vergleiche eigentlich nie unentschieden enden, haben wir zwei "Close by"-Ergebnisse als Remis gewertet: Das in Meppen, das der FCK nur knapp verloren hätte, und das gegen Lübeck, welches die Roten Teufel in der xG-Bewertung noch knapper für sich entschieden als im richtigen Leben.
Das Ganze sieht dann so aus:

Tabellarische Übersicht: Die Drittliga-Spiele des FCK mit statistischen und tatsächlichen Resultaten

Ob der demnach durchaus mögliche Auftaktsieg gegen Titelfavorit Dresden Trainer Boris Schommers vielleicht sogar den Job gerettet hätte, ist heute nur noch müßig zu diskutieren. Interessant ist jedenfalls: Nur fünf Mal entsprechen die xG-Ergebnisse den tatsächlich erzielten Resultaten. Von den insgesamt neun Remis-Partien hätten vier gewonnen werden müssen, allerdings wäre ausgerechnet gegen die Nachbarn Saarbrücken, Mannheim und Wiesbaden eine Niederlage xG-gerechter gewesen. Unterm Strich aber steht: Der FCK hätte 26 statt 18 Zähler auf dem Konto. Wäre damit punktgleich mit dem Tabellenvierten, die Aufstiegsränge wären noch in Schlagdistanz und die Vorfreude aufs kommende Jahr wäre riesig.

Okay, nutzt nichts, bietet aber ein Argument, Ruhe zu bewahren

Schön wär’s ja. Aber dieses ewige Wäre, Wäre, Wäre ... Was soll das? Nutzen diese Erkenntnisse denn irgendjemanden? Im Grunde natürlich nicht. Aber sie erlauben einen etwas entspannteren Blick auf die, zugegeben, insgesamt immer noch recht trostlose Gesamtsituation. Denn wenn in den kommenden Monaten die "Regression zur Mitte" einsetzt, sollte am Ende zumindest ein gesicherter Mittelfeldplatz möglich sein.

Statt jetzt schon wieder nach noch mehr Neuzugängen zu rufen, wäre es vielleicht ratsamer, auf die Rückkehr der derzeit Verletzten zu warten und den Neuen, die bislang noch kaum zum Einsatz kamen, noch ein wenig Zeit zur Integration zu geben. Den Trainer wiederum sollte man in Ruhe weiterarbeiten lassen, denn der hatte angesichts des dicht gedrängten Terminplans, der Verletzungsmisere und der dadurch ständig notwendigen Umstellungen bislang am wenigsten Gelegenheit, seine Handschrift auf dem Platz sichtbar zu machen.

Zum Abschluss noch ein wenig Trainerkunde

Ob ein anderer Coach unter diesen Umständen mehr gerissen hätte? Sicher bestätigen oder widerlegen lässt sich auch das natürlich nicht. Aber wir können mal auf die schauen, die zuletzt ebenfalls Kandidaten auf den Trainerposten beim FCK waren - jedenfalls mehr oder weniger konkreten Spekulationen zufolge.

So geisterte nach der Entlassung von Boris Schommers der Name Michael Schiele um den Betzenberg, der nach nur zwei Spielen in der Zweiten Liga bei den Würzburger Kickers entlassen worden war. Zuvor hatte Schiele drei Jahre bei den Franken gearbeitet, dabei auch manche Talsohle unbeschadet überstehen dürfen. In diesem Sommer war er mit einem Kader aufgestiegen, der bestenfalls zum erweiterten Favoritenkreis in der 3. Liga gezählt worden war. Schiele trainiert mittlerweile den SV Sandhausen, hat in bislang fünf Spielen gerade mal drei Punkte geholt - und die süffisanterweise gegen Würzburg.

Im Frankenland wurde Schiele von Marco Antwerpen beerbt, der vergangene Saison Eintracht Braunschweig zum Aufstieg in die 2. Bundesliga geführt hatte und nach der Entlassung von Sascha Hildmann im Herbst 2019 auch am Betzenberg heiß gehandelt worden war. In Würzburg wurde Antwerpen schon nach fünf Partien wieder geschasst, er hatte lediglich einen Zähler geholt. Seither schwingt Bernhard Trares das Zepter bei Kickers, der ehemalige Waldhof-Trainer, der nach der Schommers-Entlassung der Wunschkandidat einiger Lautern-Fans und auch mancher Entscheidungsträger war. Seine Würzburger Bilanz bisher: Drei Punkte in fünf Spielen.

Er kam, sah und siegte? Das ist nicht mehr als Mythos

Um es klar zu sagen: Die kurze Aufstellung soll nicht verdeutlichen, Schiele, Antwerpen oder Trares "kochen auch nur mit Wasser" oder gar "Die hätten beim FCK auch nichts gerissen". Sondern: Für einen Trainer, der mitten in der Saison verpflichtet wird, ist es nahezu unmöglich, das Ruder von jetzt auf gleich herumzureißen.

Sicher hat es in der langen Geschichte des Fußballs schon Beispiele gegeben, in denen einer kam, sah und siegte - so, wie es Julius Cäsar einst von sich behauptete. In bester Erinnerung ist noch die Sechs-Siege-Serie, mit der André Schubert startete, als er im September 2015 bei Borussia Mönchengladbach Lucien Favre beerbte, der zuvor fünf Mal hintereinander verloren hatte. Vernünftig belegen lässt sich die Existenz eines "Trainer-Effektes", der sich nach einem Wechsel einstellen soll, jedoch nicht - das hat eine groß angelegte Studie der Unis Münster und Kassel schon vor neun Jahren nachgewiesen.

Die Zahlen beweisen nichts, sollten aber zuversichtlich stimmen

Auch Kalli Feldkamp hat nicht sofort zu siegen begonnen, als er im Winter 1989/90 beim FCK das Traineramt von Gerd Roggensack übernahm. Am Ende aber reichte es, um nicht nur den Klassenverbleib zu sichern, sondern den Saisonausklang auch noch mit einem DFB-Pokalsieg zu versüßen. Das wird Jeff Saibene definitiv nicht mehr gelingen. Bis sich seine Arbeit einigermaßen differenziert beurteilen lässt, wird es noch eine Weile dauern. Die hier präsentierten Zahlen sollten zumindest Anlass zur Zuversicht geben, dass es bald besser wird.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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