Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCM

Die Taktikanalyse: Ihr seid besser, als ihr denkt

Die Taktikanalyse: Ihr seid besser, als ihr denkt

Foto: Neis/Eibner

In der Tabelle tritt der 1. FC Kaiserslautern nach dem 1:1 gegen den 1. FC Magdeburg auf der Stelle. Und wenn sich hinterher auch noch Spieler in Sarkasmus üben, ist dies erst recht Wasser auf die Mühlen aller Spötter. DBB-Autor Eric behauptet dennoch: Das FCK-Spiel unter Jeff Saibene entwickelt sich besser, als die Ergebnisse es aussagen.

Es steht 1:1 und die Zeiger auf der Stadionuhr ticken unbarmherzig voran. Bis zum Schlusspfiff ist es nicht mehr lange. Da setzt sich Kenny Redondo auf der linken Seite durch, flankt fast von der Grundlinie - und am langen Eck steht Hendrick Zuck...Moment mal - das hatten wir doch erst? Vergangene Woche, in Zwickau. Da hat Zuck das 2:1 für Lautern gemacht, in der 85. Minute. Diesmal sind 87 Minuten gespielt.

Was für ein Déjà vu. Oder auch nicht.

Diesmal nämlich kann Zuck den Ball nicht annehmen und mit seinem starken Linken abziehen. Statt dessen prallt ihm das Leder gegen den Kopf. Doch Zuck vermag ihn auch aus acht Metern nicht zu versenken, sondern köpft drüber. Dabei fehlt es ihm nicht an Körpergröße, sondern an Kopfballtechnik. Denn besser hatte Redondos Flanke eigentlich nicht hereinsegeln können. Es bleibt beim 1:1.

Im Fußball gibt es nun einmal keine dramaturgischen Regeln. Gerechtigkeit ist selten, und Diskussionen darüber, was "verdient" oder "unverdient" ist, sind im Grunde reine Zeitverschwendung. Denn wenn es verdiente Ergebnisse gäbe, hätte Lautern dieses Spiel gewonnen und in Zwickau nur Remis gespielt. In Zwickau nämlich hatten auch die Gastgeber bis zum Schluss ihre Torgelegenheiten, insbesondere nach hohen Bällen.

Spiel kontrolliert, Torchancen generiert - dennoch nur Remis

Magdeburg dagegen haben die Roten Teufel fast über die vollen 90 Minuten souverän kontrolliert und auch über die volle Distanz eigene Torchancen generiert. Das belegt auch die Timeline der "expected Goals" (xG's).

xG-Plot

Nach xG-Werten endet die Partie überdeutlich mit 1.98 : 0.79, das sollte eigentlich reichen für einen "verdienten" Sieg. Zumal die Torchance, aus der Andreas Müller der Ausgleich glückt, noch nicht einmal eine richtige war. Wie schon öfter in dieser Spielzeit fällt der Treffer nach einer Standardsituation gegen den FCK, diesmal aber nicht, weil ein Flugball schlecht verteidigt wird, wie gegen Dresden, in Wiesbaden, in Meppen oder in Zwickau geschehen: Müllers hohe Hereingabe ist weder für einen im Strafraum postierten Kopfballspieler des FCK noch für Keeper Avdo Spahic erreichbar, der Ball dreht sich, vom Schützen wahrscheinlich gar nicht einmal beabsichtigt, auf die denkbar tückischste Art und Weise ins lange Eck. Der Treffer hätte nur verhindert werden können, wenn Müller beim Flanken zumindest gestört worden wäre.

Immer dran denken: Es hätte noch schlimmer kommen können

Festgehalten werden muss aber ebenso: Auch wenn der FCM über 90 Minuten nur bescheiden toraktiv war - der eingewechselte Florian Kath konnte ihn in der 85. Minute durchaus noch in Front schießen. Und machen wir uns nichts vor: Das hätte durchaus zum bisherigen Saisonverlauf des FCK gepasst.

Den Anhang, der sich angesichts von schon wieder nur neun Punkten nach zehn Spieltagen und Tabellenrang 15 längst in Sarkasmus geflüchtet hat, trösten solche Erkenntnisse freilich nicht. Die Ergebnisse stimmen nicht, da ist alles andere doch, frei nach Ratinho, Kokolores. Und wenn sogar die Spieler diese Haltung übernehmen... Mit seinem "Anscheinend sind wir schlechter, als wir denken", das er unmittelbar nach der Partie in die Mikrofone diktierte, hat Marlon Ritter allen Spöttern richtig tüchtig Öl ins Feuer gegossen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: FCK-Spieler, die nach wie vor glauben, sie würden nächstes Jahr mindestens in der Zweiten Liga auflaufen, dürfen über diesen Satz gerne nachdenken. So es diese denn tatsächlich noch gibt. Der Rest aber sollte sich tunlichst einreden: Wir sind auf jeden Fall besser als Rang 15. Denn wer erst einmal verinnerlicht hat, Abstiegskandidat zu sein, wird auch bald so spielen.

Mögen die Spötter noch so zynisch grinsen: Spielerisch geht's aufwärts

Das nämlich tut der FCK derzeit noch nicht. Im Gegenteil. Selbst wenn die nackten Ergebnisse ein "Auf-der-Stelle-Treten" suggerieren: Klammert man das Katastrophenspiel in Meppen aus - und selbst da hat die Elf immerhin zwei Rückstände aufgeholt, ehe sie sich doch noch den Fangschuss verpassen ließ -, lässt sich in den nunmehr acht Spielen unter Trainer Jeff Saibene spielerisch durchaus ein Aufwärtstrend erkennen.

Beim 0:0 gegen Hansa Rostock vor knapp zwei Wochen etwa stand der Defensivverband über 90 Minuten zwar schon gut, doch nach vorne brachten die Lautrer nur Zufallsprodukte zustande. Danach in Zwickau waren einige Aktionen zu sehen, in denen Einschussgelegenheiten über mehrere Stationen herausgespielt wurden. Gegen Magdeburg waren es erneut ein paar mehr.

Saibene Handschrift wird immer deutlicher sichtbar

Und es ist deutlich zu sehen, dass auch Saibene den spielerischen Ansatz verfolgt, den sein Vorgänger Boris Schommers zu etablieren versuchte. Der Bruch, der von Beobachtern befürchtet wurde, die auf Saibenes Arbeit in Bielefeld und Ingolstadt verwiesen, wo der Coach eher aufs Spiel "Langer Ball - Zweiter Ball" setzte, ist ausgeblieben. Offenbar, weil der neue Trainer das Potential seines Kaders richtig einschätzt und seine Spielidee anzupassen vermag. In Bielefeld und Ingolstadt hatte er mit Fabian Klos und Stefan Kutschke Stürmertypen zur Verfügung, die als Empfänger für "Langholz" prädestiniert sind, im FCK-Team 2020/21 gibt es die nicht.

Im Gegensatz zu Schommers scheint Saibene das "Bespielen" des Gegners aber nicht überbetonen zu wollen und sein Personal auch nicht mit immer neuen Ideen zu überfordern. Mit dem Ball lässt Saibene mittlerweile fest ein 4-2-3-1, gegen den Ball ein 4-4-2 spielen, dabei wird allenfalls die Höhe der ersten Pressinglinie variiert. Gegen Magdeburg schoben sich die beiden Stürmer sowie die offensiven Flügelspieler vor die Mittellinie, wenn der Gegner im Aufbau, in den Spielen davor wartete das Quartett meist kurz dahinter. Und aktiv wird es in der Regel erst, wenn der Ball auf die Seiten gespielt wird.

Passmap FCK

Wie gut das gegen Magdeburg über weite Strecken aussah, veranschaulicht auch die Positions- und Passgrafik. Ein gut geordnetes 4-2-3-1, das alle Spieler einbezieht. Auch Daniel Hanslik kommt mit seiner Rolle auf der rechten Seite besser zurecht als zuletzt.

Der Vollständigkeit halber hier auch die Positions- und Passgrafik des FCM. Da lief, wie deutlich zu sehen, der Ball in erster Linie hintenrum.

Passmap FCM

Wie - das war jetzt selbst für nicht ganz so sarkastisch konditionierte Gemüter zu wenig gemeckert angesichts der trostlosen Tabellensituation? Okay, hauen wir noch was richtig Kritisches raus. Trainer Saibene hat unlängst von seinen Jungs gefordert, öfter Schüsse aus der Distanz zu riskieren. Gegen Magdeburg haben es Ritter, Hikmet Ciftci und Philipp Hercher auch versucht, zum Teil mehrmals. Aber gut ausgesehen hat das nicht. Selbst wenn xG-Analytiker längst nachgewiesen haben, dass Schüsse von außerhalb des Strafraums weitaus seltener einschlagen als der naive Fußballbetrachter vermutet - besser platzierte Torschüsse als die, die am Samstag zu sehen waren, dürften aus der Entfernung schon drin sein.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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