Hall of Fame: Norbert Thines

Die gute Seele des 1. FC Kaiserslautern

Die gute Seele des 1. FC Kaiserslautern


Die DBB-Rubrik „Hall of Fame“ war bisher ausschließlich früheren Spielern des FCK vorbehalten, von Fritz Walter bis Miroslav Kadlec. Diese Tradition brechen wir heute mit einem Mann, der mehr FCK-Geschichte geschrieben hat, als die meisten Fußballer: Alt-Präsident Norbert Thines, dem die Fans am Freitag eine große Choreographie widmeten.

Norbert Thines (geb. 1940) besuchte als gebürtiger „Atsche“ sein erstes FCK-Heimspiel kurz nach dem zweiten Weltkrieg. „Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Als Kinder haben wir auf den Bäumen gehockt und uns die Spiele angeguckt. Damals war ja noch keine Tribüne um das Feld herum, das Stadion war völlig offen“, blickte er vor einigen Jahren im Interview auf diese Zeit zurück. Aus dem Kind wurde später der langjährige Funktionär (Geschäftsführer ab 1977, Vizepräsident ab 1985, Präsident ab 1988 bis 1996) und vor allem eines: Die gute Seele des 1. FC Kaiserslautern.

Vor allem für die Fans hatte er stets ein offenes Ohr, ja, man kann ihn fast als so etwas wie den Vater der FCK-Familie bezeichnen. Thines erinnert sich: „Ich weiß noch genau, es muss so 1977 gewesen sein, als der damalige Präsident Müller zu mir kam: 'Da sind Briefe von unseren Fans, die wollen Klubs machen und so! Das machen wir nicht! Wenn die erst einmal die Gewalt haben, dann ist es vorbei.' Und dann habe ich ihn wochenlang genervt und bekniet und versuchte, ihm klar zu machen, was für ein Potenzial dahinter stünde. Irgendwann schnauzte er nur: 'Thines, machen Sie doch was Sie wollen - das machen Sie ja eh!' Mit den ersten Fanclubs ist dann die ganz große Euphorie ausgebrochen.“

Im März 1977, nach einem von Thines einberufenen Fan-Kongress, wurden die Fanclubs vom FCK erstmals registriert und offiziell anerkannt. 44 Fanclubs waren es damals, heute sind es fast 400. Im Juli 1989 wurden die Fanclubs in Regionen eingeteilt und der Fanbeirat gegründet; in den 1990er Jahren folgte dann der ganz große Fußballboom. Unter der Ägide von Norbert Thines wurden der FCK und seine Fans Trendsetter für ganz Deutschland, sie setzten sich aktiv für Aktionen wie „Rote Karte dem Rassismus“, „Fußball braucht Stehplätze“ oder auch im sozialen Bereich ein - etwa mit Hilfsgütern zum einstigen Champions-League-Gegner Tarnovo (Bulgarien), wo heute noch der „FCK-Fanclub Norbert Thines“ existiert. Sogar die in den 1980er Jahren gefürchteten Hooligans bekam Thines ganz ohne die heutzutage angewendeten Repressalien einigermaßen in den Griff, wie die Jungs vom First Class später veröffentlichten: „Als Norbert Thines vor Jahren einige von uns bösen Buben (O-Ton Thines) einlud, um die Gewalt im Stadion zu beenden, haben wir mit ihm die Abmachung getroffen, uns im Stadion dementsprechend zu verhalten. Norbert Thines hob damals die bestehenden Stadionverbote auf und auch wir haben uns an diese Abmachung 
gehalten.“

Wirklich einzigartig wird die FCK-Geschichte von Norbert Thines aber, wenn man nicht nur die soziale Seite betrachtet, sondern auch die sportliche Entwicklung. Von 1989 bis 1996 führte Thines den Verein in seine erfolgreichste Zeit seit der Walter-Ära, aus dem Abstiegskampf heraus wurden Erfolge wie die Deutsche Meisterschaft 1991 sowie die Pokalsiege 1990 und 1996 gefeiert. Aber am Ende folgte dem steilen Aufstieg ein heftiger Fall: Mit Manager Rainer Geye sowie den Trainern Kalli Feldkamp und Friedel Rausch hatte Thines die sensationellen Titelgewinne gesammelt, musste nach Pleiten, Pech und Pannen aber auch den ersten Bundesligaabstieg des FCK am 18. Mai 1996 mit auf seine Kappe nehmen.

Danach knallte es in Lautern. Thines wurde auf einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung von den Mitgliedern und dem Team „Professionelle Zukunft“, der Opposition um Atze Friedrich und Kalli Feldkamp, geradezu vom Betzenberg gejagt. Der damals noch ehrenamtliche Vorstand wurde durch eine der ersten bezahlten Vereinsführungen inklusive Aufsichtsrat im deutschen Fußball ersetzt und Meistermacher Otto Rehhagel als neuer Trainer geholt. Die Folgen mit all ihren Höhen und Tiefen sind bekannt. Norbert Thines brauchte lange, um diese Vorfälle zu verkraften. Jahre später, im März 2008, sagte er: „Als Sozialromantiker haben Kritiker im Verein uns beschimpft. (…) Heute bekommen die ihr Geld und sollen sehen, wie sie damit zurechtkommen. Eine Katastrophe, eine Bankrotterklärung ist das, was die aus dem Verein gemacht haben.“

Während seine Familie dem Fritz-Walter-Stadion bis heute fern bleibt und seine Frau erst am Freitag zur Choreo wieder mitgekommen ist, hat Norbert Thines aber längst seinen Frieden mit dem FCK gemacht. Im düsteren Jahr 2003 gründete er zusammen mit Ottmar Walter und Horst Eckel die „Initiative Leidenschaft“, die ein Spendenkonto einrichtete, um den FCK vor dem drohenden Lizenzentzug in der ersten Liga zu bewahren. 2007 folgte ein Aufruf zum Zusammenhalt im Abstiegskampf - mittlerweile in Liga zwei - ehe die „Initiative Leidenschaft“ schließlich im Verein zur Förderung des Fritz-Walter-Vereinsmuseums aufging. Norbert Thines war immer zur Stelle, wenn es dem FCK dreckig ging.

Es gäbe noch unzählige Geschichten über Norbert Thines zu erzählen. Wie die freudetrunkenen Fans sein Haus in der Kaiserslauterer Innenstadt rot-weiß anstrichen, als Dank für den Meistertitel 1991. Wie er vor den Heimspielen stets seine Ehrenrunde im Fritz-Walter-Stadion drehte, ohne dabei je selbstdarstellerisch zu wirken. Wie er noch heute gültige Traditionen begründete, etwa das Betze-Lied „Olé Olé“ als Vereinshymne oder die Betzi-Teufel als Maskottchen. Wie er einem alten Mann mitten in der Kommerzialisierungsphase des Fußballs erlaubte, in der Nordtribüne für 2,50 D-Mark kleine Stoffteufel zu verkaufen, um seine Rente aufzubessern. Aber auch die negativen Punkte gehören dazu, wie etwa der Knebelvertrag mit Trikotsponsor Crunchips über 25 Jahre oder das zu lange Festhalten an Manager Geye und Trainer Rausch im Abstiegsjahr - Thines blieb stets Mensch, machte auch Fehler, hatte aber nie etwas schlechtes im Sinn für seinen Verein oder seine Mitmenschen. Auch außerhalb des Fußballs war und ist der ehemalige Mitarbeiter der Karlsberg Brauerei auf allen möglichen Ebenen aktiv, sei es in der Politik (früher als Stadtratsmitglied für die CDU), in der Kirche, in seinem Verein „alt-arm-allein“, der alten Menschen hilft, oder im Karneval. So manchem FCK-Spieler brachte Norbert Thines rund um die Kappensitzungen pfälzisch bei, etwa den Schweden Ronnie Hellström und Benny Wendt.

Heute ist Norbert Thines wieder voll im Verein eingegliedert, sei es als Betreuer der gegnerischen Vereinsführung bei Heimspielen, als Vorstand des Museumsvereins oder - seit vorletzter Woche - als Träger des Goldenen Ehrenrings, inklusive stehenden Ovationen bei der Mitgliederversammlung. Auch dieser Augenblick bildete eine schöne Abrundung von Thines' bewegten Jahrzehnten mit dem FCK und zeigt, dass man sich in einer Familie auch mal bitter streiten kann (so wie 1996), sich dann aber doch früher oder später wieder zusammenrauft.

Fritz Walter und seine Mannschaft sind die eine von zwei großen Konstanten, auf denen die Identität des Traditionsvereins aus der Pfalz fußt. Die andere Konstante sind die Fans. Und hier kann man ohne Übertreibung behaupten: Ohne Norbert Thines wäre der 1. FC Kaiserslautern nicht das, was er heute ist!

Norbert Thines wurde von den FCK-Fans beim Heimspiel gegen den SC Paderborn mit einer großen Choreographie für sein Lebenswerk geehrt, bei der alleine schon die nackten Zahlen Respekt einflößen: 3.500 Euro an Materialkosten, 2.200 Quadratmeter Stoff, über 1.500 (ehrenamtliche) Arbeitsstunden, 400 Spraydosen, 70 Rollen Klebeband - und das alles für zwei Minuten Gänsehaut vor dem Anpfiff im Fritz-Walter-Stadion. „Der Betze brennt“ hat die Entstehungsgeschichte der Norbert-Thines-Choreo begleitet und präsentiert Euch einen ausführlichen Rückblick in Wort und Bild:

Zur Foto-Story: Entstehung und Durchführung der Norbert-Thines-Choreo

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Weitere Links zum Thema:

- 54er-Weltmeister und Thines richten Spendenkonto ein (Der Betze brennt, vom 05.02.2003)
- FCK-Größen starten „Initiative Leidenschaft FCK“ (Der Betze brennt, vom 22.11.2007)
- Thines: „Es tut mir so weh“ (11 Freunde, vom 10.03.2008)
- Die Abseitsfalle (Tagesspiegel, vom 23.03.2008)
- Offener Brief zu den Vorfällen am 18.05.2008 (First Class Crew, vom 27.05.2008)
- Norbert Thines, „das soziale Gesicht Kaiserslauterns“ (Wochenblatt, vom 19.09.2013)

Kommentare 39 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken