Rezension: Fanzine „Paranoid #6“

„Wie wird man eigentlich Ultra?“

„Wie wird man eigentlich Ultra?“


Die sechste Ausgabe des FCK-Fanzines „Paranoid“ ist erschienen. Auf 228 Seiten blicken die Ultras vom Pfalz Inferno (PI) auf die vergangene Saison zurück und über den Tellerrand der Westkurve hinaus.

„Teilweise kann ich die Kritik von anderen Fans aus der Kurve schon nachvollziehen. Ich kann verstehen, wenn bei einer Torchance eine Fahne vorm Gesicht nerven kann und auch mir gefällt nicht jedes Lied, das vom Vorsänger angestimmt wird“, sagt M. Er ist seit einigen Monaten Mitglied beim Pfalz Inferno und gibt im Interview einen Einblick in das Innenleben der geschlossenen Gruppe. Wie wird man eigentlich Ultra? Welches Selbstverständnis hat man als einer der Hardcore-Fans? Was beschäftigt einen über die 90 Stadionminuten hinaus?

Es sind diese authentischen Blicke in die Gedankenwelt der Ultras, welche nicht immer jener der „normalen“ Fans entspricht, die ein solches Fanzine gerade interessant machen. In der sechsten Ausgabe des „Paranoid“ haben sich die Macher einiges einfallen lassen. Zu den Neuerungen gehört die Rubrik „Wir ham' euch was zu erzählen“, in der die Stadionverbotler der Gruppe von ihren Erlebnissen erzählen. Die „Sektion SV“ des PI war in der vergangenen Saison bei allen (!) Spielen anwesend, obwohl sie ihren Verein nicht von den Rängen aus unterstützen durften. So kam es dann zu kurz-knackig dargestellten Anekdoten wie dem Schauen der FCK-Spiele auf dem Laptop - mit Live-Atmosphäre direkt hinter dem Gästeblock in Dresden und Rostock - oder gar mit Blick ins Stadion in den Wäldern von Aue. Aber auch von den alltäglichen Repressionen gegen die oft nicht erwünschten Jugendlichen wird berichtet.

Den Hauptteil des „Paranoid #6“ bildet wie gewohnt der Rückblick auf die vergangene Spielzeit, in dem von Berlin bis Hoffenheim auf alle Partien der Saison 2012/13 eingegangen wird. Untermalt von vielen Fotos sowie Berichten der gegnerischen Fans betrachten die PI-Schreiber hier die vergangenen zwölf Monate aus der Sicht der Ultras. Wie schon in der vorigen Ausgabe ist dabei erneut auch der Gefühlsverlauf einer langen Saison dokumentiert, von viel Lust am Anfang über Frust am Ende bis hin zur Gänsehaut in der Relegation

Nicht fehlen dürfen ein paar Seitenblicke vom Groundhopping, in denen mit Besuchen unter anderem bei Roter Stern Belgrad und Dinamo Zagreb zwei der lautesten Stadien Europas abgehakt wurden. Hinzu kommt ein ausführliches Reisetagebuch von der Europameisterschaft 2012, das neben lustigen Anekdoten auch über die medialen Hochglanzbilder hinaus vom Turnier in der Ukraine und Polen berichtet.

Mit Dinamo Zagreb beschäftigt sich auch das zweite große Interview im Heft, wo mit der deutschen Sektion der Bad Blue Boys eine der bekanntesten Fangruppen der Welt vorgestellt wird. Ein Mitglied der BBB erzählt von der für deutsche Stadiongänger unglaublichen Geschichte seiner Gruppe im ehemaligen Bürgerkriegsland Kroatien - eine völlig andere Welt, und doch haben die heißblütigen Südländer durchaus auch ähnliche Probleme wie viele Ultras in Deutschland.

Mit dem „Paranoid #6“ ist dem PI erneut ein Heft gelungen, dem man den dahinter steckenden Aufwand beim Durchblättern der 228 Seiten sofort ansieht. Das Fanzine ist zum Selbstkostenpreis von 5,- Euro erhältlich bei FCK-Heimspielen am Infostand des PI (Eingang Westkurve) online unter paranoid (at) pfalz-inferno.com.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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