Im Blickpunkt: Stimmungsboykott beim FCK und in ganz Deutschland

 Ohne Stimme keine Stimmung

Ohne Stimme keine Stimmung


Am Dienstag soll die Westkurve schweigen. Zumindest für zwölf Minuten. Die Fans des 1. FC Kaiserslautern planen beim Heimspiel gegen Jahn Regensburg einen Stimmungsboykott - und nehmen damit an einer bundesweiten Protestaktion teil.

Ohne Stimme keine Stimmung“ lautet der Name der Fan-Aktion, die in den kommenden Wochen das Bild in den deutschen Stadien bestimmen wird. Kernpunkt des Protests ist ein Stimmungsboykott für je zwölf Minuten und zwölf Sekunden zu Beginn des Spiels. Danach wollen die Anhänger Vollgas geben und so den Kontrast zwischen lebendiger Fankultur und reinem Konsumententum verdeutlichen. In vielen Städten sind außerdem begleitende Aktionen wie Informationsveranstaltungen und Demonstrationen geplant. Beschlossen wurden diese Maßnahmen auf einem bundesweiten Fan-Gipfel in Berlin, an dem Anfang November Vertreter aus 49 Vereinen, unter anderem vom 1. FC Kaiserslautern, teilnahmen.

Auslöser der Proteste ist das viel kritisierte DFL-Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“, über das die Vereine am 12. Dezember entscheiden - dieses Datum, an dem über die Zukunft der Fankultur abgestimmt wird, findet sich symbolisch auch in den 12:12 Minuten des Stimmungsboykotts wieder. Der Hintergrund dieser noch nie dagewesenen Aktion des bundesweiten Schweigens geht jedoch weiter und ist in der seit Monaten andauernden Hetzkampagne gegen Fußballfans zu suchen. Hier spielen verschiedenste Interessengruppen eine Rolle, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen und eine Spirale der Gewalt vermitteln, die so gar nicht existiert: Da sind die Boulevardmedien, die mit Skandal- und Angstmeldungen Auflage machen. Oder die Polizei samt ihrer Gewerkschaften, die mit unvollständigen Statistiken und provozierter Randale wie zuletzt beim Spiel Dortmund-Schalke mehr Geld für Personal und Ausrüstung akquirieren will. Hand in Hand gehen sie dabei mit einigen Politikern, die im Wahlkampf ohne jede Kenntnis von Fanverhalten den Fußball als Mittel zum Zweck benutzen oder einfach nur von ihren eigenen Fehlern auf anderen Gebieten ablenken wollen. Und zu guter Letzt gibt es auch im Fußballbusiness selbst einige Manager und Funktionäre, die die billigen Stehplätze lieber heute als morgen abschaffen und durch Sitzplätze und VIP-Seats ersetzen würden - dabei aber verkennen, dass die bunten Fankurven längst auch zu einem wichtigen Teil des Stadionbesuchs geworden sind und gute Stimmung genauso ein Verkaufsargument ist wie sportlicher Erfolg.

All diesen Personen, aber auch den Zweiflern in den Fanszenen selbst sollen mit dem Stimmungsboykott und den weiteren Protesten die Augen geöffnet werden. „Nur so können wir den Verbänden zeigen, was wir von ihren Maßnahmen halten. Ohne uns Fans wäre der Fußball langweilig und eintönig“, zitiert Sebastian Scheffler von der FCK-Fanvertretung, die in Kaiserslautern die Organisation übernommen hat, aus einem Aufruf an die Stadionbesucher. Die zwölfminütige Stille sollte dabei einen akzeptablen Kompromiss darstellen zwischen den Fans, die eine komplett leere Kurve als eindrucksvolleres Zeichen sähen und jenen, die mit einer solchen Maßnahme erstmal überhaupt nichts anfangen können. Solidarität lautet das Zauberwort: Nur gemeinsam kann die bunte, emotionale, bezahlbare Fankultur erhalten werden - nur gemeinsam sind wir stark!

Einen kleinen Erfolg können die Fans schon für sich verbuchen: Der erste Entwurf des DFL-Papiers „Sicheres Stadionerlebnis“ (Download hier) wurde aufgrund der Proteste gekippt, vergangene Woche wurde eine überarbeitete Variante (Download hier) an die Vereine geschickt. Einige strittige Punkte wurden darin entschärft oder gestrichen, andere Maßnahmen wie die zuletzt viel diskutierten Ganzkörperkontrollen wurden lediglich an eine andere Stelle im Konzept verschoben („Vollkontrollen“, Seite 34). Auch der heftig kritisierte Verhaltenskodex ist weiterhin enthalten, wenn auch nur noch als Grundsatz für die Vereine und ohne den zunächst geplanten Zwang für Fanclubs („Erklärung des Clubs“, Seite 20). Ben Praße von „Unsere Kurve“ nennt noch einen Punkt: „Auch sind weiterhin Kollektivstrafen ein großes Thema. Hier ist der DFB in der Pflicht, die Sportgerichtsbarkeit zu reformieren und endlich nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorzugehen!“

„Unsere Kurve“ und „Pro Fans“ haben sich in einer gemeinsamen Presseerklärung zum aktuellen Stand der Debatte geäußert. Die Fan-Organisationen „begrüßen die Richtungskorrektur des Ligaverbands und erachten den Weg des Dialogs als längst überfällig“, stellen aber klipp und klar fest: „Auch die zweite Version des Diskussionspapiers ist keineswegs tragfähig.“

Zum überarbeiteten Papier „Sicheres Stadionerlebnis“ haben die Vereine nun bis zum 22. November Zeit für eine Stellungnahme und Änderungsvorschläge gegenüber der DFL. Danach sind weitere Überarbeitungen zu erwarten, auch vor dem Hintergrund eines Treffens der AG Fanbelange, in der neben DFL-Vertretern auch Ansprechpartner der Fanprojekte, Fanbeauftragte sowie die Fan-Organisationen „Unsere Kurve“ und „Pro Fans“ sitzen. Anfang Dezember erhalten die Vereine dann die konkreten Anträge für Änderungen der DFL-Regularien, ehe am 12. Dezember über die geplanten Punkte einzeln (und nicht wie ursprünglich geplant en bloc) abgestimmt wird.

Auch in Kaiserslautern gab es in dieser Woche erneute Gespräche von Vereinsoffiziellen und Fan-Gremien. Dabei wurde gleichfalls festgestellt, dass das DFL-Papier an einigen Stellen entschärft wurde, aber trotzdem noch dringender Bedarf für Korrekturen besteht. Weitere Gespräche sollen folgen und die Ergebnisse daraus vom FCK-Vorstand in die DFL-Mitgliederversammlung am 12. Dezember mitgenommen werden.

Nachdem bereits beim Heimspiel gegen Energie Cottbus ausführlich über die Unterschriftensammlung „Ich fühl' mich sicher“ und die geplanten „Protestwochen“ informiert wurde, wird mit dem Stimmungsboykott über mehrere Wochen der nächste Schritt gegangen. Die bundesweite Aktion „Ohne Stimme keine Stimmung“ startet am 16. Spieltag gegen Jahn Regensburg (14. Spieltag in der ersten Liga), mit dessen Anhang die FCK-Fans ebenso wie mit den nächsten Gegnern FC St. Pauli und Union Berlin zwecks gemeinsamer Aktionen in Kontakt treten. Auch die Mannschaften werden darüber informiert, dass die Proteste nicht den sportlichen Bereich betreffen und sie nach zwölf Minuten schweigen wieder auf die gewohnte Unterstützung ihrer Fans vertrauen können.

Ohne Stimme keine Stimmung - macht mit für den Erhalt der Fankultur!

Die Organisatoren des Protests in Kaiserslautern stehen interessierten FCK-Fans jederzeit per E-Mail unter osks-kl(at)gmx.de sowie beim Heimspiel gegen Regensburg im Fritz-Walter-Stadion zur Verfügung.

Weitere Informationen zum bundesweiten Stimmungsboykott gibt es außerdem online unter: www.12doppelpunkt12.de.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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