Kummt Senf druff

Heute bleibt die Hölle kalt, heut' spielen wir im Pfälzer Wald

Heute bleibt die Hölle kalt, heut' spielen wir im Pfälzer Wald


... so oder so ähnlich dürften sich in den jüngsten Vergangenheit Mannschaften gefühlt haben, die zu einem Spieltag auf den Betzenberg gefahren sind.

Lange habe ich überlegt, ob ich diesen Thread aufmachen soll und eine der, wie im letzten Jahr häufiger, sinnlosen und nervtötenden Endlosdebatten vom Zaun breche und damit wieder dazu beitrage, dass persönliche Beleidigungen und Diffamierungen bei "Der Betze brennt" zur Tagesordnung werden.

Vorab schon einmal eine kurze Zusammenfassung, worum es in diesem Thread gehen wird. Auch für diejenigen, die lange und zusammenhängende Texte grundsätzlich verabscheuen. Jetzt besser diesen Thread verlassen...

Es geht mir darum, einen Versuch zu unternehmen die Energien im Stadion wieder dahin zu lenken wo sie hingehören. Auf das Spielfeld.

Irgendwie bekomme ich den Eindruck, dass seit geraumer Zeit daran gearbeitet wird - ja ich bin teilweise Paranoiker - einen Keil zwischen die verschiedenen Fangruppierungen zu treiben. Welche Intention dahinter steckt vermag ich noch nicht zu erkennen, aber es wird für mich deutlich, dass offenbar der "Normalo" dem "Ultra" gegenüber mehr und mehr aggressiv wird, wie auch umgekehrt. Dann kommen noch die "Old-Schooler" hinzu und schon haben wir ein Sammelsurium an Gruppen, die mehr damit beschäftigt sind sich gegenseitig Vorwürfe zu machen, als die Mannschaft anzufeuern.

Wenn nun auch noch die Mannschaft "blutleer" spielt, bricht alles zusammen, was einst der 12. Mann war. Es gibt nur noch Vorwürfe innerhalb der Blöcke und keinen interessiert mehr, was auf dem Spielfeld passiert.

Mit diesem Thread versuche ich, einen Dialog in Gang zu setzen der zu einer Art "Waffenstillstand" zwischen den verschiedenen Blöcken/Gruppen führt, um unser aller Ziel wieder in den Fokus zu richten - den Klassenerhalt.

Vor etwas mehr als einem Jahr - genau am 18. Oktober 2010 - hat sich nach einem katastrophalen Spiel gegen die Gummiadler aus Krankfurt ein jeder beschwert, dass die West "tot" sei. Als Resultat zogen einige aus und sammelten sich im Block 6.1 und nannten sich fortan "Old School" Block. Die ersten Spiele waren von Erfolg gekrönt und man beschloss, für diese Saison mehr Mitglieder in diesen Block zu bekommen.

Ganz ehrlich, was dort in diesem 6.1er Block am Freitag beim Spiel gegen Leverkusen in der zweiten Halbzeit "angestimmt" wurde beschämt mich.

Mit "Wir sind Lautrer und ihr nicht" oder "Ultras raus" kann ich mich nicht identifizieren. Darüber hinaus ist die Stimmung in diesem Block zwischenzeitlich nicht mehr wirklich "spielbezogen". Als letzter Sargnagel, aus meiner Sicht, ist die Megafonanlage zu nennen. Seit dem Ausbau wird jeder noch so geringe Versuch eine "eigene Stimmung" zu erzeugen, gnadenlos niedergemetzelt. Null Chance ...

Betrachtet man das gesamte Verhalten bei Heimspielen und setzt dieses in Relation zu Auswärtsspielen geht es vielen, mir bekannten Anhängern des FCK so wie mir, Auswärts macht mittlerweile mehr Spaß.

Warum ist das so? Was sollte unternommen werden, um auch bei Heimspielen wieder Stimmung zu machen?

Zunächst einmal versuche ich die häufigsten Punkte aufzuführen, die hier und im Stadion immer wieder zu hören bzw. zu lesen sind.

- Fahnenschwenker
- Singsang
- Megafonanlage
- "Nur dumm rumstehen"
- Singen nichts mit
- "Die Alten"
- "Die Ultras"

Sicherlich lässt sich diese Liste extrem verlängern. Ich hätte da noch "Die Mannschaft" in die Waagschale zu werfen.

So, nun gilt es, das Ganze hier einmal ein wenig "aufzudröseln" und daraus eine verständliche und für viele hier und im Stadion begreifliche Grundlage für eine Diskussion zu bilden. Vorab möchte ich noch den Hinweis anbringen, dass ich mir diese Form der Diskussion bzw. die Initiative dazu, eigentlich von unseren Fanvertretern gewünscht hätte. Denn es geht hier eindeutig in den gruppenübergreifenden Zusammenhalt der Anhänger.

Bewusst habe ich bisher das Wort "Fan" - vermieden. Fan bedeutet für mich die Abkürzung von Fanatisch, aber genau das möchten viele, auch wenn sie sich als Fan bezeichnen, eben nicht sein. Keine Pyroshow, keine Aktionen wie in Hoppelhausen. Also nicht verübeln, wenn ich hier das Wort "Fan" selten bis gar nicht benutze.

Nun denn, dann will ich mal beginnen.

Fahnenschwenker
Ein ständiger Streitpunkt gegenüber "den Ultras" - auch das im Grunde so eine Pauschalierung, die ich nur ungern stehen lassen möchte. Letztlich würde das aber doch zu weit führen, auch noch den Gedanken- und Wertekontext der Ultras hier zu erläutern. Hier mal ein Beispiel aus meiner Zeit auf der Süd. Dort stand ein kleiner Junge - ca. 6 oder 7 Jahre alt - mit seiner FCK Fahne vor uns direkt an der Glasscheibe zwischen 4.2 und 4.1. Als er begann, während dem Spiel die Fahne zu schwenken wurde er beinahe "geschlachtet". War er jetzt ein "Ultra"?

OK, ich verstehe das Problem und jeder, der mal hinter so einer Fahne stand weiß, dass man innerlich kocht weil die spannenden Szenen hinter der Fahne passieren. Lediglich der Fahnenschwenker selbst sieht die Szene, die Menschen oberhalb von ihm definitiv nicht. Hier muss eine Lösung gefunden werden, wie man die Situation entschärft. Vorsichtig behauptet meine ich, dass es dem Fahnenschwenker womöglich nicht einmal bewusst ist, dass er jemand anderem die Sicht auf das Spielfeld verwehrt. Manchmal mag er (der Fahnenschwenker) es ja schlichtweg vergessen haben. Ihn dann aber gleich niederzuprügeln halte ich für den falschen Weg und zeigt eigentlich nur, dass die Energie, die im Grunde der Mannschaft zugeführt werden soll, an falscher Stelle zum Einsatz kommt.

Singsang
Auch eines der üblichen Themen. Die einen mögen mehrstrophige Lieder, die anderen eher ein knackiges "EF EF EF CE KA". Es wird niemals eine einheitliche Lösung geben. Schlimm ist es aber wohl, dass bei einem Rückstand und noch genügend verbleibender Spielzeit mehr das Singsang-Liedgut, als das "anfeuernde", "aufrührende", "aggressive" und "stimmgewaltige" Potential der Kurve abgerufen wird. Hier greift die "spielbezogene" Unterstützung einfach nicht. Genauso Singsang wird dann auf dem Platz auch gespielt. Mag man meinen. Das Auswärtsspiel vergangene Saison in Nürnberg ist so ein Beispiel. Da lagen wir vorne und der Ultra-Block der Nürnberger schwenkte die Fahnen und sang ihr Liedgut. Von "Anfeuern" konnte da nicht die Rede sein.

Megafonanlage
Nach dem Ausbau gab es, mit Ausnahme des Spiels gegen den Club aus der politischen Landeshauptstadt, nur Beschwerden. Diese neue Stufe der Anlage ist ... grausam ...
So zumindest die Meinung vieler. Gerade auch derer, die mal etwas andere Anfeuerungsrufe lostreten wollen. Es wird nicht mehr möglich sein. Gerade nun auch im Block 6.1. Durch die neuen, großen Schwenkfahnen der FY kann der Mensch im Korb nicht mehr gesehen werden. Er bekommt somit auch nicht mehr mit, was eventuell in diesem Teil der Kurve so abgeht. Dann wird lieber ein, aus meiner Sicht der Kapitulation gleichkommende "Olé rot weiß" angestimmt und die Schals, quasi als weiße Flagge, nach oben gestreckt. Schließlich kam die Aufforderung dazu ja aus Block 8.2.

Nur dumm rumstehen
Ist ein gerne genommenes Schlagwort, um darauf hinzuweisen, dass man eben nicht ständig wie ein HB-Männchen herumspringt. Muss ich wirklich immer alles mitmachen und zu jedem Mist auch noch klatschen und springen?

Ich denke, Nein. Stimmung ist nichts, was diktiert werden kann und schon gar nicht, bei einem Rückstand. Stimmung ist ein Selbstläufer, wenn wir führen. Das "dumm rumstehen" ist sicherlich nicht gerade die Ausgeburt an Emotionen, aber man sollte es respektieren. Wer nicht will, der hat schon.

Singen nichts mit
Siehe "dumm rumstehen". Muss ich wirklich jedes Lied mitsingen. Ich meine Nein. Jeder Stimmungskern hat andere Schwerpunkte. Die einen hüpfen und singen ständig - OK, die andern maulen und meckern - auch OK. Warum muss immer jeder meinen, dem jeweils anderen seine Meinung und sein Verhalten diktieren zu müssen.

Die Alten
Das ist die "früher war alles besser"-Fraktion. Die Generation, die noch das Barcelona Spiel live erlebt hat und weiß, dass jedes Tor mit einer Bierdusche begossen werden muss. Das sind aber auch diejenigen, die gerne mal durch die Gegend "prollen" und junge Menschen "dumm anmachen", wenn sie gerade da stehen, wo sie selbst schon immer gestanden haben. Oder meinen "Eh Jüngelche nimm mol den Labbe do runner - sunschd gibbs Backenfutter". Ja ja - die Alte Generation.

Sie hat ihre Berechtigung, kritisiert derzeit aber wohl mehr, da der Mannschaft der Biss fehlt. Das waren noch Zeiten, als Koch und Konsorten "nur glatte Brüche" meldeten. Heute, ja heute, sind das ja alles Memmen.

Die Ultras
Das sind die rotzfrechen Kerle, die ständig pöbelnd und besoffen durch die Gegend fallen mit ihren Hüfttaschen und Jogging Hosen. Die grundsätzlich Pyros abfackeln und dem Verein Schaden zufügen wollen. Schließlich sind sie es ja auch, die immer in der ersten Reihe stehen wollen.

Gerne werden dabei die Kleinigkeiten übersehen, die von den Ultras geleistet werden. Der Verein bedient sich ihrer gerne, wenn es um Hilfsarbeiten geht. Angefangen vom Umzug eines Fanshops, über Schneeräumen bis hin zum "dezenten Aufmerksammachen" von Schalverkäufern, dass der Rückzug jetzt besser angesagt wäre.

Ein schlimmer Haufen, der so generös spendet aber im nächsten Moment wirklich alles tut, um dem Verein zu schaden. So sind sie, die Ultras. Gerne auch verglichen mit den Freunden der "schlagenden Zunft".

Wie schon geschrieben, diese Liste könnte endlos weiter geführt werden. Aber wohin führt das? In eine neue endlose Debatte über die "Guten Fans vs. Schlechte Fans". (Genau hier verwende ich "Fan").

Wäre es denn nicht wirklich sinnvoller, die vergeudete Energie in Richtung des Platzes zu schmettern. Anfeuern, was die Stimme und die Pfeife (bei denen die das mit den Fingern nicht beherrschen) hergibt?

Was macht die Mannschaft? Im Grunde ist es ein gegenseitiges "Befruchten". Ein Spieler will den Ball nicht hergeben und kämpft (siehe Tiffert gegen den Depp). Die West spürt das und ist da. Voll und laut. Denke ich an das Spiel in Nürnberg. Da gab es einen Freistoß in der zweiten Halbzeit - also gefühlte Kilometer von unserem Block entfernt - irgendwie fühlte es sich so an, als ob das was gehen könnte. Irgendwie hatte ein Spieler mal um den Ball gekämpft und somit den Freistoß - oder war es ein Eckball - herausgeholt. Schlagartig wurde es ausnahmsweise mal brachial laut. Der Freistoß ging daneben und es wurde wieder leise. Das ist enttäuschend. Jeder war nur noch damit beschäftigt, auf dem Platz denjenigen auszumachen, der für das blutleere Spiel verantwortlich war.

Es war die ganze Mannschaft, wie der ganze Block. Wir beide haben versagt. Der Block sucht nach Schuldigen. Die Mannschaft spürt nicht den Willen. Eine verkorkste Situation.

Es ist nicht der Einzelne, der das Spiel gewinnt, es ist die Mannschaft. Und wir, im Block oder in der West, wollen doch der 12. Mann sein. Dann sind wir genauso Schuld.

Wie kommen wir aus dieser Situation wieder raus?
Nun ja, im Grunde sollte sich jeder beim Spiel gegen die Berliner mal darauf konzentrieren, dass es um den Klassenerhalt geht. Wir sind weder Dortmund noch München. Wir sind die Lautrer. Kämpfen, kratzen, beissen. Wenn der Trainer auf dem Platz andere Tugenden möchte, sollten wir in den Blöcken aber den "alten Geist" heraufbeschwören und kratzig und bissig sein. Bitte nicht aufgeben. Niemals. Erst nach dem Schlusspfiff darf man sich darüber Gedanken machen, was besser werden kann. Bis dahin - 100% Vollgas. Egal ob mürrisch und meckern - oder Tingeltangel. Hauptsache LAUT.

An dieser Stelle möchte ich die Fanvertretung bitten, einen Dialog einzuberufen, der sich offen mit den Themen der Fahnen, des Singsangs, der Megafonanlage und dem Anliegen der Anhänger an sich, auseinander setzt.

Es wurde sich darüber "beschwert", dass der "normale Fan" ja unorganisiert sei und somit den Ultras gegenüber im Nachteil. Solange sich der "normale Fan" als Einzelperson sieht, ist das richtig. Aber in der West stehen einige tausend "normale Fans". Das sind definitiv mehr, als Ultras. Wenn man also einen Dialog anstrebt, der das Verständnis auf beiden Seiten fördert, der auch mal dem "normalen Fan" verdeutlicht, dass ein "Ultra" durchaus vernünftige Sichtweisen besitzt, dann wird es wieder ein Zusammenleben geben.

Mein Vorschlag ist, eine Reihe von Dialogtreffen zu definieren, an denen diese Themen einmal völlig "offen" diskutiert werden können. Es sollte ein gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Damit von Anfang an klar ist, dass es keine Eintagsfliege ist, sollte dieser "Lautrer Dialog" für das gesamte Jahr 2012 festgelegt werden. Mein Vorschlag ist, im zweimonatigem Rhythmus.

Auch sollten die Spitzen, die teilweise aus der Vereinsführung heraus in Richtung der "Fans" abgeschossen werden, einfach mal für eine Zeit unterlassen werden. Es ist genug aufgerieben worden.

Ansonsten zersplittert unsere gemeinsame Energie in vielen kleinen Blöckchen und der Spieltagsgegner kann wieder sagen:

"Heute bleibt die Hölle kalt, heut' spielen wir im Pfälzer Wald"

(Der Artikel wurde von JochenG als Diskussionsansatz am Montag, 28. November 2011 im Forum von "Der Betze brennt" veröffentlicht.)

Quelle: Der Betze brennt | Autor: JochenG

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