Hall of Game: Wismut Aue - FCK 3:5 (1956)

Fritz Walters Jahrhunderttor

Fritz Walters Jahrhunderttor


Am 17. Juni 2002 starb Fritz Walter, der „Erfinder von Kaiserslautern“, wie ein kleines Mädchen einst sagte. Er hinterließ nicht nur menschlich eine große Lücke, die nicht zu schließen ist, sondern auch seine sportlichen Leistungen werden unvergessen bleiben. Zehnmaliger südwestdeutscher Meister, zweimaliger Deutscher Meister, Weltmeister - diese Titel sind untrennbar mit dem Namen Fritz Walters verbunden. Ebenfalls unvergessen bleibt sein legendäres Hackentor beim Ost-West-Vergleich zwischen Wismut Aue und dem 1. FC Kaiserslautern am 6. Oktober 1956, welches DDR-Sportreporter Wolfgang Hempel als „Tor des Jahrhunderts“ bezeichnete.

Herbst 1956. Ost- und Westdeutschland sind voneinander abgeschottet, das Verhältnis zwischen beiden Landesteilen unterkühlt. Die berühmte Waltermannschaft des 1. FC Kaiserslautern, in der fünf deutsche Weltmeister von 1954 spielen, absolviert zahlreiche Freundschaftsspiele im In- und Ausland, doch jenes am 6. Oktober 1956 soll ein ganz besonderes werden: Die Roten Teufel bekamen als erste westdeutsche Mannschaft ein Freundschaftsspiel in der DDR „genehmigt“, als Gegner wurde der ostdeutsche Meister Wismut Aue - damals vorübergehend aus politischen Gründen in Wismut Karl-Marx-Stadt umbenannt - auserkoren.

Gespielt wurde jedoch weder in Aue noch in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz), sondern in Leipzig. Sage und schreibe 110.000 Zuschauer, inoffiziell waren es wohl sogar über 120.000, strömten ins Zentralstadion, um Fritz Walter und Co. zu sehen. In seinem Buch „Mythos Fritz Walter“ erinnert sich der damalige FCK-Spieler Gerhard Ahrens: „300.000 Kartenanfragen lagen vor und hätten verkauft werden können. Es herrschten gesamtdeutsche freudige Erwartungen über dem Spiel und kein Klassenkampf, wie wir anfangs befürchteten. (...) Sowohl die Mannschaft von Wismut Aue als auch unsere Mannschaft wurde triumphal gefeiert und es war damals schon spürbar, dass unser Land nicht auf Dauer teilbar war.“

Die Stimmung im Zentralstadion war hervorragend und auch sportlich war einiges geboten. Für die Wismut-Akteure war es so etwas wie das Spiel ihres Lebens, dementsprechend gingen sie zur Sache. Doch auch der FCK nahm die Partie ernst und ging mit 4:1 in Führung, ehe die Gastgeber nochmals auf 4:3 verkürzen konnten. Am Ende gewann die Waltermannschaft mit 5:3, doch nach dem Abpfiff unterhielten sich die Zuschauer nur noch über DAS Tor, Fritz Walters Jahrhunderttor: Eine Flanke von außen konnte der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft nur schwer erreichen, so dass er einen besonderen Trick anwandte. Mit einer Art Hechtsprung legte sich Fritz Walter horizontal in die Luft, die Arme bereit, um den Fall auf den Boden abzustützen und die Beine in die Luft gestreckt. Mit der Hacke erreichte er tatsächlich den Ball, der daraufhin im hohen Bogen im Tor von Wismut-Schlussmann Steinbach einschlug.

Augenzeuge Gerhard Ahrens: „Als dieses Tor fiel, ging der Aufschrei der Massen von oben nach unten wie eine Laola-Welle durch das Stadion. Ich sehe diese Welle noch heute in der Erinnerung vor meinen Augen. (...) Allein dieses Tor war den Besuch des Spiels wert.“ Doch der Treffer war keineswegs Zufall, Fritz Walter trainierte diese Art des Toreschießens sogar!

So war Fritz Walter spätestens jetzt auch in der damaligen DDR das, was er in Westdeutschland längst war - ein echter Star, Jahre bevor dieser Begriff überhaupt nach Deutschland kam. „120.000 sprangen von den Sitzen“, titelte eine Leipziger Zeitung, und schrieb weiter: „Wir hatten uns alle viel vom 1. FC Kaiserslautern versprochen. Aber das, was vor unserer aller Augen dann abrollte, übertraf die Erwartungen um ein Vielfaches.“

Schon vor dem Spiel „belagerten“ die Menschenmassen das Leipziger Hotel Astoria, in dem die Walter Elf gastierte. Um rechtzeitig ins Stadion zu kommen, mussten Fritz Walter und Co. den Hinterausgang des Hotels benutzen. Diese Euphorie wurde im Zentralstadion fortgesetzt, wo das Publikum immer wieder die Namen der fünf Lautrer Weltmeister skandierte (Ahrens: „Die Stimmung war wie bei uns auf dem Betzenberg“), und auch nach dem Spiel war der FCK-Bus von tausenden Fußballfans umringt: „Kommt bald wieder!“

Dieses Gastspiel des 1. FC Kaiserslautern ist bis heute unvergessen, nicht nur wegen Fritz Walters Jahrhunderttor. Die Waltermannschaft trat mit folgenden Spielern an:

Hölz - Kohlmeyer, Schmidt - Bauer, Eckel, Mangold - Späth, Wenzel, O. Walter, F. Walter, Wodarczek

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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