Kummt Senf druff

What happened to Rock 'n Roll?

What happened to Rock 'n Roll?


In der Politik und der Wirtschaft ist es üblich, nach 100 Tagen einen ersten Zwischenreport zu machen. Seit dem 24. Mai 2009, dem letzten Saisonspiel des 1. FC Kaiserslautern in Freiburg sind es jetzt 107 Tage. Die Verantwortlichen des FCK haben im Umfeld und beim Drumherum einiges geändert. Gehen wir der Reihe nach vor: Was hat sich getan rund um den Betze, was nicht, und was sollte sich tun?

Die Dauerkartenpreise wurden angehoben, soweit ist das eigentlich kein Skandal. Es gab in der letzten Spielzeit die Herzblut-Dauerkarten - so konnte sich jeder Interessierte sicher für zwei Jahre zum Fixpreis eindecken, und der „Betze“ konnte größere Summen akquirieren. Was bei der jetzigen Erhöhung fehlte, war der durchaus berechtigte Hinweis, dass der FCK schlicht das Geld benötigt, um seinen wirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Stattdessen wurde nun ein bereits vor Jahren diskutiertes Kombi-Ticket mit dem regionalen Verkehrsbetrieb VRN eingeführt. So können nun die FCK-Fans aus dem nahen und mittleren Umkreis von Kaiserslautern umsonst zum Spiel fahren. Das ist super! Und die anderen?

Bislang war genau das der Grund, warum es eine solche Lösung nicht gab, denn das Einzugsgebiet ist einfach zu groß um alle zu befriedigen. Also zahlt der geneigte Zuschauer aus dem Naheland, von der Mosel, aus Rheinhessen oder dem Saarland eben drauf. Das RLP-Ticket zu fünft für maximal 6,- Euro hin und zurück, das muss man jetzt auch noch kaufen, der Preis bleibt. Gleiches gilt natürlich für die vielen Autofahrer unter den FCK-Fans. Der Beförderungsanteil an der Dauerkarte beträgt indes 13,- Euro, so besagt es jedenfalls die Rechnung! Das ist allerdings nicht mal die Hälfte der gesamten Preiserhöhung im Stehplatzbereich. Zudem ist der VRN dem FCK seither als Sponsor verbunden. Erhält man statt dem Anteil an den Mehreinnahmen etwa Werbeflächen im Fritz-Walter-Stadion? Legitim durchaus, guter Deal! Würde aber bedeuten, das der FCK an jeder Stehplatz-Dauerkarte gut 25,- Euro mehr verdient, zuzüglich der erhöhten Preise auf den Sitzplätzen und bei den Tageskarten, und ein nicht zu verachtender Teil der Zugfahrer dennoch noch ein Billet kaufen muss. Die Frage ist also, wie man so etwas kommuniziert!

Auch die Preise im Stadion wurden leicht angehoben. 3,95 Euro für 'nen Schoppen. Man vermeidet die 4 vor dem Komma, aus taktischen Gründen verständlich. Auch die anderen Preise werden jetzt einheitlich vom Verein vorgegeben. Die Wurst kostet überall dasselbe, die Frikadelle auch. Wettbewerb ist so nicht mehr möglich, wobei die Imbisspreise natürlich auch vorher nicht allzu weit auseinander lagen. Aber auch hier fehlte der schlichte Hinweis auf das „Warum“! Der FCK hat Jahre lang zu wenig von seinen Standbetreibern profitiert, immerhin geht es ja hier auch ums Verdienen, davon bezahlt man schließlich den Sportbetrieb. Und jeder Fan ist gerne bereit, ein paar Cent mehr zu zahlen, wenn er weiß, dass man davon vielleicht einen weiteren Vertragsabschluss finanzieren kann. Nachdem jetzt die Kioskbetreiber nicht mehr (teilweise) nach Zuschauerzahlen bezahlt werden, sondern fixe Summen bekommen, ist auch naheliegend, dass die Ausschreibung diejenigen gewonnen haben müssen, die am wenigsten Benefit erwarten. Also die, die am günstigsten produzieren und verkaufen können. Der FCK ist natürlich Nutznießer und auch das ist legitim, sogar aus meiner Sicht wünschenswert.

Die wenigen „Bescheißer“ sind weg, der FCK verdient mehr, das Bier ist immer noch von Karlsberg, da sehe ich kein Problem. Auch nicht in der einen oder anderen wegfallenden Bratwurstoase. Nur bedenke man, dass der „mittelständische Familienvater“ nunmehr mit erhöhtem Pfand schlappe 5,50 Euro - „das sind elf Mark“ - für einen halben Liter Gerstensaft löhnt. Ein Bier plus Currywurst mit Pommes kostet rund zehn Euro!

Man bekommt 1,50 Euro zurück, ja klaro. Wenn man früher ne Runde machen wollte, hat man einfach das Geld hingelegt, das im Sack war. Wenn's nicht gereicht hat, gab der Wirt eben 20 Cent Rabatt - sein Verlust, aber sein Kunde! Jetzt muss ich jemanden finden, der eine justpay-Karte hat, die aufladen gehen, dann bestellen gehen, fünf durstige Kumpels, macht über 30,- Euro! Das war's dann mit der Wurst in der Halbzeit! Es ist gut, dass der FCK mehr kriegt und sicher planen kann, das schwarze Schafe rausfliegen, aber so richtig pro Fan ist dieser Kompromiss nicht. Verbesserungswürdig auf jeden Fall. Und auch hier fehlte die Kommunikation. Keiner wusste was bis zu den ersten Heimspielen. Totschweigen hat aber noch nie geholfen!

Auch stimmungstechnisch gab's Neuerungen. So wurde im Umfeld bekannt, das man sich nach 18 Jahren ehrenamtlicher Arbeit von den allseits beliebten Betze-Teufeln trennen wollte. Dafür gibt es ein neues Maskottchen für den neuen Kids-Club, den „FCK-Tubbi“ (offiziell: „Betzi“). Dessen Ästhetik will ich hier nun nicht bewerten müssen. Was es aber mit „Herzblut“ und „Tradition“ zu tun hat, wenn man eine gute Maßnahme nach 18 Jahren abschaffen würde, das ist sehr fragwürdig. Immerhin ist diese Kuh vom Eis, sowohl Betzi als auch Teufelchen dürfen nach weiteren Gesprächen bleiben. Erfreulich!

Der Betzenberg steht für Hölle, für Feuer und für Teufel, nicht für Teletubbies, Blitze und Donner, wie man sie in der neuen „Corporate Identity“ etwa auf den Autogramkarten und im Stadionheft findet - das ist kindisch! Den Kleinen ein eigenes Maskottchen zu geben ist verdammt toll und lobenswert, aber dass man sich aus Profession einem System anpasst, das jeder x-belibiege Bundesligaclub nutzt, ist unnötig! Die Frage ist also, ob man zwanghaft alles ändern muss, weil es andere Vereine vormachen. Und auch hier fehlt jede Form der Beteiligung und der Kommunikation. Man entscheidet über Fanbelange ohne die Fans zu fragen. Das war das Faustpfand des FCK in der Vergangenheit, das hat genau das Herzblut erzeugt, welches uns gerettet hat.

Und auch die Westkurventrommler, die nicht mehr vor der Kurve stehen dürfen, sind hier ein Beispiel. Die Trommler gehören zum Betze wie die Teufelchen! Sie sind - man verzeihe mir das - Kulturgut! Das heißt nicht, dass sie immer toll trommeln, und es entbehrt auch nicht die Kritik an der Größe der Gruppe, der Qualität einzelner und dem exakten Standort! Aber es ist schlicht eine Frechheit, egal was man auch für angebliche Vorgaben der DFL haben mag, ohne jede Kommunikation einfach kurz vor Saisonbeginn „Schluss ab heute“ zu sagen! Die erst nachträgliche schriftliche Kommunikation bezeichnete den Standplatz hinter dem Tor als „prominent“, und mutmaßte, dass nirgends in der gesamten Liga Trommler solche „prominenten“ Arbeitsplätze hätten! Nicht ganz richtig, aber zumindest ein Erklärungsversuch. Dass man den Trommlern dann aber noch nicht mal einen bestimmten Block vorschlägt, wo man ihnen einen kleinen Bereich und Halterungen für die Geräte baut, dies zudem nur wenige Wochen nach dem Tod eines Kollegen, der jahrelang die Stöcke für die Mannschaft geschwungen hat, zeugt zwischenmenschlich von einigem Nachholbedarf! Egal wie schlecht man manchmal getrommelt haben mag! Und das die Vereinsführung dieses Thema einfach an den untergebenen „Sachbearbeiter“ abwälzt, ist zudem stillos. So kennt man das vom FC Bayern, nicht aber vom FCK! Das war Betze-unwürdig! Und das muss man auch so sagen dürfen, auch zu Lichtgestalten! Weniger 08/15 und mehr Einfühlvermögen, nur so können Clubs wie der FCK überleben! Wir sind hier nicht in Wolfsburg oder Hoffenheim.

Wochen nach den ganzen Änderungen flatterte dann schließlich doch noch ein persönlicher Brief von Stefan Kuntz ins Haus, zumindest bei den Vereinsmitgliedern. Hier wurden einige der getätigten Schritte nachträglich erklärt - besser spät als nie, wirkte aber auch irgendwie erzwungen, nach Fan-Kritik und Zuschauerrückgang.

Die Fans des FCK sollten sich die Frage stellen, ob eine derartige Bevormundung noch zielführend ist oder ob man sich ungeachtet vieler bemühter Fanbeiräte und auch Ultragruppen nicht ein völlig neues Konzept des Miteinanders überlegen muss. Eines, das vor allem dem Verein den Spielraum gibt, sich zu „beteiligen“, aber eben auch umgekehrt! Dies kann nur unabhängig erfolgen, nicht opportun und damit auf Dauer korrumpierbar. Eigentlich brauchen die FCK-Fans niemanden, der ihnen sagt, wohin die Reise gehen soll.

Manch einer, der im Moment am Betze in Verantwortung steht, hat mit diesem Club weniger erlebt, weniger gelitten, weniger für ihn getan und bezahlt als jeder einzelne Besucher eines Heimspiels, denn es sind nur noch die 28.000 da, auf die das zutrifft! Auch das ist mit eine Folge dieser „Kommunikation“. Nicht nur allein der Anstoßzeiten!

Alles schlecht? Nein, bei weitem nicht! Nicht schlechter als anderswo! Man hat die Service-Einrichtungen auf den Betzenberg zurück geholt, das war 'ne gute Sache. Dafür wartet man eben jetzt am Ticketschalter mal ein paar Minuten länger, der Fanshop ist zuweilen bei Heimspielen randvoll und eine Bedienung gar nicht mehr möglich, aber diese Punkte sind zu verschmerzen! Die Mädels im Service-Center und die Jungs vom Marketing machen hier ehrliche, hausgemachte, teuflisch gute Arbeit. Danke! Lieber die Sache in der eigenen Hand als Fremde, die keine Bindung zum Club haben, damit zu beauftragen, für viel Geld schlecht zu arbeiten. Dann lieber Wartezeiten und pfälzischer Dialekt am Telefon!

Prinzipiell für gut halte ich die Idee mit den neuen Publikationen, der Stadionzeitung für 1,50 Euro und der Mitgliederzeitung im Quartalstakt. Das ist zielführend, wird aber konterkariert durch die Beschneidung der Rabatte für Mitglieder im Fanshop. Es ist tatsächlich nicht ganz einzusehen, warum Leute, die eine Kartenpreiserhöhung hinnehmen (und die meisten Vereinsmitglieder sind schließlich auch regelmäßige Stadionbesucher) keine 14-tägliche Lektüre mehr bekommen und keinen Vorteil mehr beim Einkauf haben, noch Mitglied sein sollen? Was hat man den davon, außer einer Jahreshauptversammlung mittwochs abends um 18:30 Uhr einen Tag vor Nikolaus?

Rabatte im Fanshop sind nicht die Lösung, klar. Auch nicht für Fanclubs, warum sollen die an eventuelle Nicht-Vereinsmitglieder auf eigene Rechnung weiterverkaufen, wenn das Geld an den Verein gehen kann? Aber die Mitglieder, zum Beispiel in Form einer günstigeren Dauerkarte zu belohnen, wie bei anderen Vereinen üblich. Oder einfach mal eine justpay-Karte inklusive Gutschrift für ein Freibier... Es gibt da schon ein paar Ideen. Mit einem „geleasten Betze-Unser“ ist es nicht getan. Und wie gesagt - reden hilft! Es gäbe noch mehr, aber das würde zu viel auf einmal.

Ich wünsche unserer Vereinsführung die Geduld, alle erforderlichen Wagnisse einzugehen und nicht den Bettel ins Korn zu werfen. Genauso wünsche ich mir aber ein Aufeinander-Zugehen, das Zusammentragen von Ideen, nicht die Vorgabe von Pathos und künstlichen Enthusiasmus. Man muss nicht alles neu machen, um es besser zu machen.

Andere Zeiten - andere Götter! What happened to good old K-Town Rock 'n Roll?

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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