Kummt Senf druff

Was uns stark macht

Was uns stark macht


„Wir haben heute den ersten Absteiger gesehen“, so Günter Sebert, Trainer des Mannheimer Vorstadtvereins nach dem 4:0-Sieg über den 1. FC Kaiserslautern in der Saison 1989/90. Kaum jemand gab mehr einen Pfifferling auf den FCK. Auch das folgende Spiel gegen den Hamburger SV, das erste für Trainer Kalli Feldkamp auf seiner Rettungsmission, bescherte eine Niederlage. Die Presse und die „Sportschau“ sahen auf die Roten Teufel den nahezu sicheren Abstieg zukommen. Am Ende aber stieg nicht der FCK ab, sondern der SV Waldhof. Und Günter Sebert hatte am Karnevalssamstag 1990 tatsächlich den ersten Absteiger gesehen.

19. Mai 1990: Pokalfinale in Berlin gegen Werder Bremen, damals eine der herausragenden Mannschaften des deutschen Fußballs unter Trainer Otto Rehhagel. Stark verbreitet war ein Fan-Shirt der Bremer mit dem siegesgewissen Aufdruck „Diesmal geht der Pott an die Weser“. Wer hätte auch nur eine Sekunde gezweifelt, dass der SV Werder an diesem Tag einen standesgemäßen Sieg gegen den krassen Außenseiter FCK landen würde, ein Jahr nach der Finalpleite gegen Borussia Dortmund? Das Ende ist bekannt. Ein verdutzter Reporter befragte im Halbzeitinterview Udo Lattek, wie es sein könne, dass der FCK gegen die hochfavorisierten Bremer mit 3:0 führe. Lattek: „Ich kenne Kalli Feldkamp, seine Spieler brennen bis unter die Haarspitzen.“

Damit nicht genug, dem vermeintlich „sicheren Absteiger“ des Vorjahres gelang es 1991, die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Damit hatte selbstverständlich ganz Fußballdeutschland trotz des vorangegangenen Pokalsieges nicht gerechnet. Der „Kicker“ kam jahrelang nicht darüber hinweg und wies auch lange Zeit später gerne noch darauf hin, dass ein Spiel 90 Minuten dauere - außer in Kaiserslautern.

Der Höhepunkt dieser Zeit war mit einiger Sicherheit der 3:1-Sieg im Europapokal der Landesmeister gegen den FC Barcelona, die damals beste Mannschaft der Welt, die lediglich durch die UEFA-Regelung über das Auswärtstor den 1. FC Kaiserslautern überwinden konnte. Der FCK als legitimes Aushängeschild des deutschen Fußballs füllte seinen Namen wieder mit Glanz wie seit den 50er Jahren nicht mehr.

Der Absturz folgte wenige Jahre später: 1996 mußte der FCK „den Gang in die zweite Liga antreten“. Ein jähes Ende des Höhenfluges, ein Betriebsunfall. Der FCK kassierte in dieser Saison nur zehn Niederlagen, ebenso viele wie der FC Bayern, der Zweiter wurde. Was sollte aus dem Verein, aus der Region werden?

Der Abstieg wurde hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen mit einem Abzug der Amerikaner aus der Region verglichen, manch einer befürchtete ein dauerhaftes Wiedersehen mit „alten Bekannten“, etwa dem FK Pirmasens oder Borussia Neunkirchen. Weltuntergangsstimmung in der Pfalz. Und was passiert? Der Außenseiter, der Absteiger schlägt am 25. Mai 1996 den Karlsruher SC, der die abgelaufene Bundesligasaison immerhin als Siebter abgeschlossen hatte. Die Schmähgesänge der KSC-Anhänger („Und schon wieder dicke Tränen, FCK“) wichen nach Abpfiff dem Lautrer Spott („Und schon wieder keinen Titel, KSC“).

Nach dem Abstieg verdoppelte der Verein seine Mitgliederzahl, in der allgemeinen „Jetzt erst recht“-Stimmung schossen neue Fanclubs förmlich aus dem Boden. Mit 36.709 wurde gar der bis dato zweithöchste Zuschauerschnitt der Vereinsgeschichte erreicht, beim Debüt in der 2. Bundesliga. Die vernichtende Katastrophe blieb aus, der FCK erholte sich schneller als viele für möglich gehalten hatten und stürmte unter Otto Rehhagel mit zehn Punkten Vorsprung auf die Verfolger zurück in die erste Liga. Am Rande sei bemerkt, dass der SV Waldhof, der den FCK weniger Jahre zuvor vor dem Absturz und sich selbst an der Schwelle zur europäischen Bühne sah, zeitgleich aus der zweiten Liga abstieg.

Das sagenhafte Fußballmärchen nahm seinen Lauf. Der als Aufsteiger in die Saison 1997/98 gestartete FCK bezwang gleich am ersten Spieltag den FC Bayern München im Olympiastadion mit 1:0. Ab dem 4. Spieltag belegte der FCK Platz 1, der ihm bis zum Saisonende nicht mehr zu nehmen war. Im Nachhinein erscheint einem diese Saison wie ein einziger Rausch. Zwei Jahre nach der großen Trauer versank Kaiserslautern am 2. Mai 1998 im Freudentaumel. Mit einem 4:0 über den VfL Wolfsburg war die Meisterschaft perfekt. Zumindest soweit es um die Meisterschaftsfavoriten ging, war der FCK selbstverständlich als Außenseiter in die Saison gestartet.

Was folgte, waren ähnliche Unternehmungen wie nach der letzten Meisterschaft 1991. Stadionausbau und Experimente auf dem Transfermarkt, dazu eine übersteigerte Erwartungshaltung im Verein und im Umfeld. Da passte es in Bild, das mit Youri Djorkaeff ein Weltmeister in die Pfalz wechselte, der nicht nur eine Rekordablöse kostete, sondern auch für nicht wenig Gehalt auflief. Die Art und Weise, wie der FCK dieses Nettogehalt und das anderer Spieler aufbrachte, rief das Finanzamt und die Staatsanwaltschaft auf den Plan. Die Folgen sind bekannt, wobei die Frage, inwieweit im Einzelnen die Steuernachzahlungen der Höhe nach gerechtfertigt waren, außen vor bleiben soll.

Die Hybris der FCK-Verantwortlichen und - das muss man zugeben - auch großer Teile der Anhänger führte letztlich auf den Weg in den Hades. Galt der FCK in der Saison 1998/99 und 1999/2000 als Anwärter auf einen Champions League-Platz, wurde dieser einmal am letzten Spieltag vergeigt, das andere mal am vorletzten. 2000/2001 hatten wiederum nicht wenige die Champions-League-Qualifikation vor Augen, nicht zuletzt Djorkaeff selbst, der stets seine WM-Teilnahme 2002 im Hinterkopf behalten und damit international in Erscheinung treten musste. Sogar den UEFA-Cup nach Lautern zu holen schien möglich, allein Alavès bremste die Roten Teufel. Mit einer Rekordserie in die Saison 2001/2002 gestartet, verpasste der FCK am Ende sämtliche Saisonziele. Der Niedergang einer Mitfavoriten der Bundesliga nahm unaufhörlich seinen Lauf.

Es fällt auf, dass es der FCK nie aus seiner Favoritenrolle heraus dauerhaft fertig gebracht hat, eine erfolgreiche Basis zu schaffen. Die Sympathien über die Grenzen der Pfalz hinaus erspielte sich der Verein immer in Situationen, in denen er mehr oder weniger als Außenseiter für Überraschungen sorgte. Es waren nicht Spieler, die als Weltstars beim FCK unterschrieben. Es waren Spieler wie Harry Koch oder Axel Roos, die das FCK-typische Gefühl prägten, dass man einem Starensemble entgegentreten und gewaltig einheizen kann. Wenn wir ehrlich sind, sind es zwar auch die Meisterschaften und Pokalsiege, die uns stolz machen. Aber sie sind es nicht in erster Linie.

Es sind Anekdoten wie die legendäre Aussage Paul Breitners, man könne sich die Fahrt nach Kaiserslautern sparen und die Punkte gleich per Post auf den Betzenberg schicken. Es sind spiele wie gegen den 1. FC Köln am 18. Mai 2008, als wir nach einer nicht mehr für möglich gehaltenen Aufholjagd den Klassenerhalt sicherten. Seit diesem Spiel können wir wieder vor lauter Stolz auf diesen Verein und seine Anhänger kaum geradeaus laufen. Es sind Situationen wie diese, in denen uns die meisten bereits abgeschrieben hatten, Situationen, in denen alle zusammenrücken. 100.000 Karten hätte der FCK für dieses Spiel verkaufen können und es ging nicht um die Champions League, um die Meisterschaft, um Blitzlichtgewitter, Konfettiregen und Fußballstars, die es mit ihrem blonden Frisurständer im Arm auf die Titelseite der „Bild“ oder in die „Gala“ schaffen. Dutzende neue Fanclubs haben sich seit dem zweiten Bundesligaabstieg 2006 gegründet, erneut wurden viele neue Vereinsmitglieder gewonnen. Erstmals seit Jahren steigt der Dauerkartenverkauf wieder.

Unsere Fähigkeit, alle zu überraschen, unsere Fähigkeit, mit eisernem Willen zurück zu kommen, unsere Fähigkeit zusammen zu halten - das ist es, was uns stark macht. Es ist nicht die Rolle des (selbst)überschätzten Dauerfavoriten, die uns liegt. Es ist die Rolle des unberechenbaren vermeintlichen Außenseiters, der in Zeiten des Zusammenhaltens in der Mannschaft, im Verein und unter den Anhängern zur Überraschung aller nahezu unschlagbar werden kann. Diese Eigenschaft sollten wir uns bewahren und immer vor Augen halten. Sie macht uns stark!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Mörserknecht

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