Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Haching

Die DBB-Analyse: Pourié, Götze und der Riss im Spiel

Die DBB-Analyse: Pourié, Götze und der Riss im Spiel

Foto: Neis / Eibner

Müsste diese Analyse nur die ersten 60 Minuten des FCK-Spiels gegen die SpVgg Unterhaching behandeln, würde sie zu einem Loblied ausarten. Doch trotz des 3:2-Sieges am Ende verlor der 1. FC Kaiserslautern in Hälfte zwei wieder den Faden. Warum?

Wie fast alle schwierigen Fragen im Fußball lässt sich auch diese nicht eindeutig beantworten. Zwei Treffer hatte der FCK nach einer Stunde bereits erzielt, dazu etwa ein halbes Dutzend guter Torgelegenheiten herausgespielt, aber auch ausgelassen. Wofür fast ausnahmslos Marvin Pourié verantwortlich zeichnete.

Das Bittere, vielleicht aber auch Tröstliche daran ist: Kein Fehlschuss des Stürmers resultierte aus Unvermögen. Antizipation und technische Ausführung von Pouriés Torversuchen stimmten, nur stand mal das Alu, mal der stark reagierende Hachinger Keeper Jo Coppens im Weg. Und mal mochte das Ding einfach nicht reingehen, so läuft das in so einem Torjägerleben halt manchmal. Muss man eben durch.

Pouriés Elfer: Nervensache - angesichts dieser Vorgeschichte erst recht

Und womöglich war es ja diese Erkenntnis, die Pourié das Selbstvertrauen bewahrte, sich auch nach diesen Fehlschüssen noch in der 83. Minute den Ball zu schnappen und auf den Punkt zu legen, nachdem Schiedsrichter Sören Storks Elfmeter für Lautern gepfiffen hatte. Beim Stand von 2:2 und auch eingedenk der Tatsache, dass er bereits im Januar im Verl einen vielleicht spielentscheidenden Elfer verschoss. Angesichts einer solchen Vorgeschichte dennoch anzutreten, muss wohl das, von dem Oliver Kahn mal sagte, dass Fußballer es brauchen, ungefähr in Melonengröße voraussetzen.

Aber: Diesmal war der Elfer drin. Grübeleien, was wohl gewesen wäre, hätte Pourié erneut nicht getroffen, erübrigen sich damit. Nicht mal FCK-Trainer Marco Antwerpen hatte zusehen wollen.

Vor dem 3:2 war Haching nah am Siegtreffer

Dennoch: Wie ist zu erklären, was in den ungefähr 25 Minuten zuvor geschehen war? Lautern hatte ein bis dahin stark geführtes Spiel vollkommen abgegeben. Der eingewechselte Boipelo Mashigo und der mittlerweile bei Haching aufgeschlagene FCK-Zögling Niclas Stierlin hatten bereits Riesenchancen vergeben, die knappe 2:1-Führung zu egalisieren. Mittelstürmer Stephan Hain, dem bis dato kaum etwas gelungen war, hatte schließlich getroffen. Und kurz vor Pouriés Elfer entschärfte FCK-Keeper Avdo Spahic einen Gewaltschuss Moritz Heinrichs, der auch schon den 1:1-Ausgleich markiert hatte.

"Wir können uns vor allem auch bei Avdo bedanken, dass wir gewonnen haben. Den halten in dieser Liga nicht viele", vergaß auch Jean Zimmer nicht, in seinem Statement nach der Partie den Torhüter ausdrücklich zu loben. Wie zerknirscht und auch nach eigener Aussage unzufrieden der Kapitän dabei wirkte, obwohl es doch ein Happy End zu feiern gab, spricht Bände. Vielleicht ist es aber auch ein gutes Zeichen dafür, dass die Mannschaft sich anscheinend nichts vormacht. Wer einen Tabellenletzten mit so viel Mühe niederringt, ist noch lange nicht gerettet, auch wenn er jetzt wieder über den berühmten Tabellen-Strich gesprungen ist. Der Vorsprung beträgt allerdings nur zwei Punkte - bei einem noch auszuspielenden Nachholspiel von Uerdingen sowie dem noch bevorstehenden Montagsspiel der Bayern-Amateure.

Vor dem Bruch: Van Lent wechselt dreimal, Antwerpen nur einmal

Aber nochmal: Was war nach 60 Minuten geschehen, was einen solchen Bruch im FCK-Spiel verursachte? Haching-Trainer Arie van Lent hatte gleich drei Mal gewechselt, unter anderem einen zweiten Stürmer gebracht, den 1,95-Meter-Tank Dominik Stroh-Engel. Also die Sorte Klotz, der die Lautrer schon mehrmals in der Saison Punkte gekostet hat. Aber können ein paar Umstellungen und der Respekt vor einem 35-Jährigen eine Mannschaft derart verunsichern?

Interessant in diesem Zusammenhang: Marco Antwerpen hatte im Gegensatz zu den Spielen zuvor diesmal eben nicht nach einer Stunde schon mindestens drei Mal gewechselt. Das hatte bereits zu der Annahme führte, es seien die eigenen Wechsel, die den Spielfluss abreißen lassen, weil von der FCK-Bank gegenwärtig nichts qualitativ Gleichwertiges nachkommt. Schon unter der Woche gegen Duisburg hatte der FCK nach einer solchen Wechselphase den Faden verloren, zuvor auch schon gegen Saarbrücken, gegen Zwickau und Halle.

Diesmal aber ging nur einer - und das nach 66 Minuten. Der, zugegeben, zurzeit aber der wichtigste Mann im Lautrer Spiel ist: Felix Götze. Was ihn so wichtig macht, hat Marco Antwerpen auf der Pressekonferenz am Freitag dargelegt.

Der Götze-Plan hat mit Sickinger ein neues, gut passendes Puzzleteil

Die im Spiel gegen Saarbrücken erstmals vorgenommene Umstellung von Vierer- auf Dreierkette in der Abwehr diene beispielsweise dazu, Götze die Möglichkeit zu geben, sich dem Gegner zu entziehen, in dem er sich aus dem Mittelfeld in die letzte Reihe fallen lässt. Denn auch die Wettbewerber wüssten mittlerweile um die hohe gestalterische Qualität des 23-jährigen Leihspielers aus Augsburg. Lübeck etwa habe ihn zuletzt sogar in Manndeckung genommen. Perspektivisch solle sich Götze noch freier zwischen Mittelfeld und Abwehrreihe verschieben, "in fließenden Abläufen", erklärte der Trainer.

Auch auf diesem Weg waren die Roten Teufel in ihren starken ersten 60 Minuten gegen Haching ein gutes Stück vorangekommen. Pouriés erste große Torgelegenheit nach nur sechs Minuten etwa hatte ihm Götze aufgelegt, nachdem er aus seiner defensiven Position bis in den gegnerischen Strafraum marschiert war.

Abgesichert wurde er bei diesem sowie bei weiteren Vorstößen von Sechser Carlo Sickinger, der ebenfalls als Mittelmann in einer Dreierkette agieren kann - und somit ein ideal passendes, neue Puzzleteil in Antwerpens Götze-Plan darstellt. Gut, dass auch er sich in diesem Saisonfinale nach Verletzung gerade noch rechtzeitig fit zurückgemeldet hat.

Die aufrückenden Außenbahnspieler werden ebenfalls immer stärker

Unbedingt erwähnt werden muss an dieser Stelle ein weiterer positiver Nebeneffekt, den die Umstellung auf Dreierkette brachte - und der hat mit Götze nichts zu tun. Die Außenverteidiger schieben sich bei Ballbesitz weit nach vorne. Rechts wächst Philipp Hercher mit Jean Zimmer zu einem echten Dream-Team zusammen. Wie schon in Duisburg hebelte ein Steckpass Zimmers auf den durchstartenden Hercher die gegnerische Abwehr aus. Und diesmal legte Hercher nicht auf, sondern vollstreckte selbst zum Führungstreffer nach 32 Minuten.

Und auf der anderen Seite? Durfte Adam Hlousek für den erkrankten Hendrick Zuck ran. Und musste von Lauterns Co-Trainer Frank Döpper mehrmals lautstark aufgefordert werden, sich so energisch nach vorne zu schieben, wie der neue Matchplan es vorsieht. Mit Erfolg: In der 36. Minute köpfte Hlousek das 2:1.

Das Problem: Beim Druck rausnehmen geht die Kontrolle verloren

Aber zurück zum roten Faden dieser Analyse. Soll es jetzt tatsächlich ausschließlich an der Auswechslung Götzes gelegen haben, dass der FCK dieses Spiel beinahe nochmal aus der Hand gab? Wäre das nicht ein bisschen zu viel Personenkult?

Wär’s auch. Aber unerheblich ist es nun einmal auch nicht. So, wie auch Arie van Lents Einwechslungen und Umstellungen ihren Beitrag leisteten. Entscheidender ist jedoch ein anderer Aspekt: Die Mannschaft schafft es nicht, die Kontrolle zu behalten, wenn sie nach pressingintensiven Phasen einen Gang zurückschalten will. Und auch muss, denn keine Mannschaft vermag 90 Minuten lang so weit vorne in geschlossener Formation zu attackieren, wie die Roten Teufel es sich unter Antwerpen angeeignet haben.

Auch das Gegenpressing - also das direkte Zurückerobern eines weit vorne verlorenen Balles - klappt zunehmend besser. Aber es kostet eben auch Kraft. Und die will nun einmal klug eingeteilt werden in der finalen Phase dieser Saison, erst recht in Englischen Wochen.

Immer dran denken: Auch in Haching schlummern noch gute Gene

Und selbst wenn dies gerne als billige Ausrede abgetan wird: Auch die Gegner in dieser Liga haben nun einmal ihre Qualität, dieser sogenannte Tabellenletzte sowieso. Nicht umsonst zählte Haching jahrelang zu den spielerisch stärksten Teams der Liga, setzte dabei immer wieder zu Höhenflügen an, die die Münchner Vorstädter ebenso regelmäßig wie vorübergehend vom Aufstieg träumen ließen. So ein bisschen was von dieser DNA ist auch im aktuellen Team durchaus noch enthalten.

Wie Haching so tief hat fallen können? Das können wir beim besten Willen nicht auch noch analysieren.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

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