Im Blickpunkt: FCK-Fans erleben Geisterspiele

"Der FCK bleibt mein Leben - auch bei Geisterspielen"

"Der FCK bleibt mein Leben - auch bei Geisterspielen"


Seit gut neun Monaten begleitet die Corona-Pandemie auch den Fußball. Abgesehen von wenigen Wochen durchweg mit Geisterspielen. Was macht das mit denen, die normalerweise im Stadion für ihren 1. FC Kaiserslautern leben? Beim Gespräch darüber wird schnell klar: Der "Betze" ist nicht zu ersetzen.

Es sind keine einfache Zeiten, in denen wir leben. Eine Jahrhundert-Pandemie bestimmt unseren Alltag, hat Einfluss auf Beruf, Freizeit und Gesundheit. Und auch sportlich findet keine richtige Ablenkung statt: Der Spielbetrieb in der 3. Liga geht zwar größtenteils weiter, seit Ende Oktober vorerst wieder nur mit Geisterspielen ohne Zuschauer zuhause und auswärts. Und auch in den Partien zuvor, war das Erlebnis Stadion von "normaler" Fußball-Atmosphäre so weit entfernt, wie der FCK aktuell von der Bundesliga.

Ohne Fans ist Fußball nichts: "Der FCK ist meine Familie"

Das trifft vor allem die hart, für die der FCK mehr als "nur" ein Lieblingsverein, für die er ein Teil ihrer Identität ist. Und das sind trotz aller sportlichen Krisen noch immer viele. "Der FCK kommt für mich direkt nach meiner Familie an oberster Stelle, denn auch er ist meine Familie", erzählt beispielsweise Anja Jung aus Bad Kreuznach, die nicht nur eine Dauerkarte für Heimspiele im Fritz-Walter-Stadion besitzt, sondern vor Corona zusammen mit meist mehreren tausend anderen auch auf nahezu jedes Auswärtsspiel gefahren ist. Dabei ist die 51-Jährige nicht nur glühende Anhängerin ihrer Roten Teufel, das "Erlebnis Stadion" hat auch einen großen sozialen Faktor für sie: "Durch den FCK sind über Jahrzehnte hinweg tiefe Freundschaften entstanden, die ich auch jetzt noch hege und pflege. Es ist aber nicht dasselbe, so privat in Kontakt zu bleiben oder gemeinsam im Fanblock zu stehen und all die Emotionen gemeinsam zu durchleiden. Manche Freunde habe ich seit März nicht mehr gesehen. Leider merke ich, dass der ein oder andere Kontakt dadurch leidet und abflacht. Manche Fans entfremden sich dadurch auch vom Verein. Das bereitet mir schon Sorgen."

Dazu kommt, dass sich der FCK auch sportlich (mal wieder) in unruhigem Fahrwasser befindet und die aktuellen Ergebnisse nicht gerade dazu führen, dass bei den Fans emotionale Feuerwerke gezündet werden können. Doch das ist ja nichts Neues. Was aber den FCK-Fan immer ausgezeichnet hat, ist, dass er trotz aller Widrigkeiten jedes Wochenende hinter seinen Roten Teufeln gestanden hat. Geisterspiele machen das jetzt unmöglich.

Und so war es für viele Fans zumindest ein kleiner Schritt, als zu Beginn der Saison gegen Dynamo Dresden erst 5.000, zum Südwest-Derby gegen Waldhof Mannheim dann 7.500 Zuschauer zugelassen wurden. "Ich fahre seit meinem zehnten Lebensjahr zu den FCK-Spielen. Für mich war sofort klar, dass ich also gegen Dresden und Waldhof dabei sein will. Ich persönlich war geschockt, dass diese Spiele dann nicht ausverkauft waren", erzählt Anja Jung.

Dies mag viele Gründe gehabt haben. Unsicherheit in Zeiten einer Jahrhundert-Pandemie, fehlendes Stadionerlebnis wegen strikter Corona-Regeln, im Vergleich zu Stehplätzen stark erhöhte Ticketpreise oder einfach eine gewisse Portion Fußball-Verdrossenheit. Das hat die Anhängerin auch in ihrem engsten Freundeskreis festgestellt: "Normalerweise waren wir eine fünfköpfige Gruppe, die zu jedem Spiel gepilgert ist. Davon war nur ein einziger direkt Feuer und Flamme auf die zuschauerreduzierten Spiele." Nicht zuletzt blieb auch die organisierte Fanszene rund um einen Großteil der Ultras den Heimspielen fern, will eventuell erst wieder zu Spielen kommen, wenn wieder "Normalzustand" herrscht. Dafür hat Anja Jung nur bedingt Verständnis: "Der 1. FC Kaiserslautern 1900 ist Bestandteil meines Lebens. Und das werde ich so lange es geht versuchen, live zu erleben. Ich hatte gegen Waldhof auch meine fast 78-jährige Mama dabei, die auch sonst immer mit ins Stadion geht. Ich persönlich muss sagen: Ich habe mich bei den Spielen total sicher gefühlt, es wurde immer auf Abstand geachtet und sich an alle Regeln gehalten. Natürlich war es anders. Aber es war doch besser als nichts. Der FCK hat sich die Situation ja nicht ausgesucht."

Entfremdung findet statt: "Das Gemeinschaftserlebnis gehört dazu"

Eine gewisse Entfremdung nimmt auch FCK-Fanbetreuer Alexander Krist wahr. Und auch er teilt teilweise die Sorgen von Anja Jung. "Vor dem sogenannten 'Lockdown light' haben viele Fans die Spiele mit Freunden, in Kneipen oder zu Hause geschaut. Da ging das teilweise noch zusammen, das geht jetzt aber auch nicht mehr. Das Gemeinschaftserlebnis gehört aber dazu. Diese Kombination der Einschränkungen durch Corona, gepaart mit der aktuellen sportlichen Situation, da muss man schon aufpassen, dass sich die Fans nicht ein Stück weit entfremden. Mit dieser Einschätzung stehen wir beim FCK aber nicht alleine da. In einem Austausch mit den Kollegen anderer Vereine zeigt sich, dass dies nahezu alle Vereine gleichermaßen betrifft. Der Fußball besitzt in dieser Zeit - zurecht, wie ich finde - auch nicht den Stellenwert, wie zuvor. Es gibt derzeit einfach wichtigere Dinge, die wir gemeinsam als Gesellschaft zu meistern haben", berichtet Alex Krist.

Auch an dem Fanbeauftragten selbst gehen die Geisterspiele nicht spurlos vorbei: "Mir persönlich fehlt der direkte Kontakt zu den Fans und unseren ehrenamtlichen Fanvertretern am meisten. In solch einem Austausch erhält man einfach die meisten Informationen zum Gemütszustand, den Sorgen und Wünschen der Fans. Zudem sehne ich mich mal wieder nach einer Westkurve, wie wir sie vor Corona kannten - laut, bunt und auch ein Stück weit chaotisch."

Auch an seinem ganz persönlichen Arbeitsalltag hat sich viel geändert: "Ein Großteil meiner alltäglichen Arbeit ist quasi seit März komplett weggebrochen. Gerade die Erlebnisse und Begegnungen im Stadion sind für einen Fanbeauftragten ein elementarer Bestandteil, um ein Gefühl für die aktuelle Gefühlslage bei den Fans zu erhalten. Vor allem die Ungewissheit, wann der Fußball, aber auch die gesamte Gesellschaft wieder zur Normalität übergehen kann, lässt mich nicht los", erzählt der 27-Jährige, der das Amt des Fanbeauftragten seit 2019 bekleidet.

"Wer einmal in Lotte war, den schocken auch keine Geisterspiele"

Doch von Normalität ist im Fußball wie auch in der Gesellschaft nicht viel zu spüren. Nachdem sich die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen bedrohlich nach oben entwickelt hatten, wurden für den November wieder bundesweit Geisterspiele für den Profisport beschlossen, der Amateurbereich ruht sogar wieder komplett. Und vieles deutet darauf hin, dass dies auch im Dezember so bleibt. Doch wie gehen die Fans mit diesem kompletten Liebesentzug um? "Geisterspiele sind nicht schön. Aber was ist die Alternative? Würde die Saison abgebrochen, würden viele Vereine wahrscheinlich nicht überleben. Da sind wir dann beim Thema: Muss Fußball allgemein weiterlaufen in einer Pandemie? Aber der Kommerz steht eben sehr weit oben auf der Liste der Verbände und Funktionäre", ist Anja Jung kritisch. Die 51-Jährige würde sich aber zumindest wünschen, dass wieder eine kleine Anzahl an Personen ins Stadion dürfte. "Es ist nicht der Betze, wie man ihn kennt und wie wir ihn lieben. Aber wir haben gegen Dresden, Waldhof und Ingolstadt versucht, das Beste daraus zu machen. So bald wieder Fans in die Stadien dürfen, bin ich die Erste, die sich hinsetzt und Karten bestellt. Um meinen Verein zu unterstützen und um meiner Leidenschaft nach dem Fußball nachzukommen. Dazu brauche ich auch nicht unbedingt 30.000 Fans. Wer einmal in Lotte war, den können auch keine Geisterspiele erschüttern."

Die Fankultur könnte nachhaltig leiden

Doch so optimistisch blicken bei weitem nicht alle Fans der Zukunft entgegen. Droht am Ende vielleicht auch eine nachhaltige Veränderung der Fankultur? Nutzen Fifa, Uefa und der DFB die Situation vielleicht sogar aus? Oder gibt es doch noch die versprochenen Reformen, um aus der Krise zu lernen, dem Kommerz und der Gewinnsucht ein Stück weit den Kampf anzusagen?

Auch Alexander Krist sieht dem eher pessimistisch entgegen: "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die Fankultur unter den aktuellen Umständen auch dauerhaft leiden könnte. In den ersten Monaten der Pandemie war ich noch der Meinung, dass die Stadien voll sein werden, wenn der Normalzustand wieder eintritt. Mittlerweile bin ich mir da nicht mehr ganz so sicher. Während Faninitiativen wie 'Zukunft Profifußball' viel Zeit und Mühe investiert haben, um detaillierte Konzepte für die Entwicklung des zukünftigen Profifußballs zu entwickeln, hört man von den Verbänden bislang relativ wenig von den angekündigten Reformen. Dies führt nicht gerade dazu, dass die Vorfreude der Fans auf den Tag X, an dem im Stadion wieder Normalität herrscht, steigt." Doch der Fanbeauftragte glaubt, dass zumindest grundlegende Einschränkungen wieder verschwinden werden: "Dass die aktuellen Einschränkungen, wie die Verbote von Gästefans, Alkohol und Stehplätzen oder personalisierte Tickets, auch nach Corona bestehen bleiben, davon gehe ich persönlich nicht aus."

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993

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