Neues vom Betzenberg

Die Macht des Fußballfans

Ich hab's befürchtet. Der Kelch konnte ja nicht ewig an mir vorübergehen. Irgendwann musste mich der Ball treffen, und so kommt es heute zu einem Gespräch über die Sportart, die mich ähnlich begeistert wie den Waldspaziergänger eine Invasion von Fliegen. Na gut, es muss auch Fußball-Fans geben, und ein solcher sitzt mir nun in der Bar Alfredo gegenüber und lässt sich ungeachtet der großartigen Kaffeetassen-Inhalte ein Glas heiße Zitrone bringen, bevor er auf seine Herzensangelegenheit zu sprechen kommt: den FCK.

ZWEI KAFFEE,

BITTE!

Dass jemand wie ich hinter diesen Buchstaben den ortsansässigen Verein vermutet, liegt auf der Hand. Dabei ist Jürgen Kind beileibe kein FC-Köln-Anhänger, sondern Kaiserslautern-Fan und zwar seit? - „Seit immer!“ Schon sein Vater, ehemals aktiver Fußballer und Mitte der 50er Jahre Kapitän der Rheinland-Auswahl, sei Fan gewesen. Mit neun habe ihn der Vater erstmals mit ins Stadion genommen, erzählt mein aus Saarburg stammender Gesprächspartner. Damit war er infiziert und blieb es, obwohl er seit etwa zehn Jahren in Köln lebt. „Klar, den Verein nimmt man mit und sogar die Dauerkarte!“ Dies bedeutet, dass er pro Jahr rund 15 000 Kilometer fährt, um seine Mannschaft zu sehen. Ich vermute, dass er auch seinen Kaffee aus FCK-Tassen trinkt und in entsprechender Bettwäsche schläft (beziehungsweise albträumt), aber ganz so schlimm ist es nicht. „Da würde meine Frau nicht mitmachen.“

Was Kind indes tut - respektive getan hat: Er hat vor ziemlich genau einem Jahr einen Fan-Club gegründet, „einen von zweien in NRW“. Dass die Bestätigung aus Kaiserslautern just an dem Tag kam, als am 15. Dezember das Auswärtsspiel gegen Köln anstand, sei nur am Rande bemerkt; entscheidender ist, dass Kind, wie er berichtet, mitunter im „mit Abstand größten Online-Fanmagazin“ („Der Betze brennt“) schreibt und nach seinem letzten Artikel eine überraschende Erfahrung gemacht hat. „Die Vereinsoberen behaupten ja immer, sie lesen keine Online-Magazine. De facto war es aber so, dass wenige Tage nach diesem Artikel, der sich sehr kritisch mit der derzeitigen Situation auseinandersetzt, der Fanbetreuer bei mir anrief und mitteilte, der Vorstandsvorsitzende würde sich gerne mal mit mir unterhalten.“

Vor etwa 14 Tagen sei er mit fünf weiteren Fans nach Kaiserslautern gefahren und habe dort „ein dreistündiges Gespräch mit Erwin Göbel“ geführt. „Ein durchaus angenehmer Mensch“, meint er rückblickend, „aber man hat nicht den Eindruck, dass der das Ruder umwerfen könnte.“ Immerhin: Fast unmittelbar danach habe Klaus Toppmöller, derzeit Trainer der Nationalmannschaft Georgiens, dem 1. FC Kaiserslautern seine Hilfe angeboten. Zudem wurde dem ehemaligen FCK-Torjäger ein Posten im Aufsichtsrat offeriert. Kind hofft nun, wohl nicht als einziger, dass Toppmöller die sportliche Wende des akut abstiegsgefährdeten Vereins herbeiführt. Also hat man als Fan mehr Einfluss, als man gemeinhin denkt, bemerke ich. „Ja, ich glaube schon. Immerhin gab es am Tag der Veröffentlichung meines Artikels 35 000 Zugriffe auf die Seite.“

Quelle: Kölner Stadtanzeiger

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