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"Nur Weite ist zu wenig": Einwurf-Gespräch mit Flo Dick

"Nur Weite ist zu wenig": Einwurf-Gespräch mit Flo Dick


Wen kümmern schon Einwürfe? Dabei ergibt es durchaus Sinn, der häufigsten Standardsituation mal Aufmerksamkeit zu widmen. Wir haben darüber mit einem gesprochen, der es beurteilen kann: Ex-FCK-Kapitän Florian Dick.

Als Spieler war's leichter. "Da hast du dich in den Bus gesetzt, bist irgendwann angekommen, auf den Platz gegangen und hast gespielt." Jetzt sei er fürs ganze Drumherum mitverantwortlich und das sei ein viel schwererer Job, erzählt Florian Dick im Gespräch mit Der Betze brennt. Offiziell ist der 36-Jährige derzeit "Praktikant" beim 1. FC Kaiserslautern, im Rahmen seines Sportmanagement-Studiums an der Deutschen Sport-Akademie. Faktisch ersetzt er momentan den erkrankten Roger Lutz als Team-Manager, "und da bleibt wenig Zeit, auch mal in andere Abteilungen reinzuschauen." Aber: "Ich bin nah an der Mannschaft." Und genau da will er sein, auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere, die im Sommer 2019 endete.

484 Pflichtspiele hat Florian Dick in seinen 17 Jahren als Fußballprofi bestritten, 220 davon für den 1. FC Kaiserslautern. Eine seiner Spezialitäten waren lange Einwürfe. Diese Fertigkeit weiterzuvermitteln - wäre dies nicht auch eine Möglichkeit, weiter nah an der Mannschaft zu bleiben? Daraus sogar einen eigenen Job zu machen, ist zumindest nicht unmöglich, wie folgende Personalie beweist: Mit dem Dänen Thomas Grönnemark beschäftigt Jürgen Klopps FC Liverpool seit 2018 einen eigenen Einwurftrainer.

Berufsfeld Einwurf-Trainer? Ein Novum im Profifußball

Der gebürtige Badener Dick freilich ist bodenständig genug, sich gar nicht erst auszumalen, dass sich hier für einen wie ihn ein neues Berufsfeld auftut. Schon gar nicht in der 3. Liga, versteht sich. "Hauptamtliche Einwurftrainer werden wohl eine absolute Ausnahme bleiben, da sie sich, wenn überhaupt, nur die ganz reichen Vereine leisten können. Da könnte man ja genauso gut hauptamtliche Eckballtrainer einstellen."

In der Tat ist Grönnemark auch nach den Erkenntnissen der "11 Freunde"- Redaktion, die unlängst eine Geschichte über den Dänen veröffentlichte, der bislang einzige Vollzeit-Einwurftrainer im Profifußball. Der heute 44-Jährige war auch schon vor seiner Festanstellung in Liverpool gut im Geschäft, als Wanderlehrer, der regelmäßig bei verschiedenen dänischen Teams, aber auch bei Rasenballsport Leipzig, Ajax Amsterdam oder KAA Gent vorbeischaute. Als einer seiner Musterschüler gilt Kian Hansen vom FC Midtjylland. Nachdem Grönnemark seine Technik optimierte, leitete der Innenverteidiger innerhalb von vier Jahren per Einwurf 35 Angriffe seines Teams mit erfolgreichen Torabschlüssen ein.

Einwurf-Assist und Tor des Monats: Eine schöne Erinnerung

Das sind Zahlen, mit denen Florian Dick nicht aufwarten kann. Eine prägnante Szene fällt ihm aber auf Anhieb ein: "Im April 2014 hat Markus Karl einmal einen Einwurf von mir direkt ins Tor verlängert, zu unserem 3:2-Siegtreffer gegen den FSV Frankfurt." Dieses Spiel ist ihm auch aus anderen Gründen noch in lebhafter Erinnerung. "Das 1:1 hatte ich selbst gemacht, als ich eine Ecke von Kevin Stöger volley ins Netz hämmerte - das wurde zum Tor des Monats gewählt." Unvergessen geblieben ist ihm ebenso, dass sein Gesamtauftritt in diesem Spiel vom "Kicker" seinerzeit dennoch nur mit Note 4 bewertet wurde. "Vermutlich, weil ich auch an den beiden Gegentreffern nicht ganz unschuldig war", wie Dick heute grinsend zugibt.

Der Assist zu Karls Tor steht auch für Dicks Idealvorstellung eines Einwurfs - und die ist der Grönnemarks gar nicht mal so unähnlich. Weit werfen allein genügt nämlich nicht, der Werfer muss ebenso in der Lage sein, den Ball einigermaßen exakt zu schleudern, dazu müssen Tempo und Flugbahn stimmen. Dazu wiederum müssen Abstriche an der Weite gemacht werden.

Weite, Tempo, Flugbahn, Präzision: Alles muss passen

Dick visierte er am liebsten Zonen auf Höhe des kurzen Pfostens an. "Von dort kann der Ball gut in die Mitte verlängert werden." Oder gar direkt ins lange Eck, wie Karl es damals tat. "Ich konnte auch weiter werfen, weit über den Elfmeterpunkt hinaus, auf diese Distanz büßten die Bälle aber an Präzision und Schärfe ein."

Zur Veranschaulichung: Die Standardbreite eines Fußballfelds liegt bei 68 Metern. Der Elfmeterpunkt ist demzufolge 34 Meter von der Außenlinie entfernt. Grönnemarks Musterschüler werfen ihre Bälle über ungefähr 35 Meter einigermaßen genau. Mit seinen präzisen Würfen auf Höhe des kurzen Pfosten hätte Dick Grönnemark jetzt nicht gerade umgehauen, andererseits hat er auch nie unter ihm trainiert. Und generell nie unter einem Chefcoach gearbeitet, der ein besonderes Augenmerk auf Einwürfe richtete. Er sei vielmehr ein Naturtalent gewesen. "Ich habe schon im Schulsport weiter geworfen als jeder andere." Und das sei auch ins Profialter so geblieben.

Oberste Priorität: Erst mal in Ballbesitz bleiben

Lediglich in Trainingsspielen sei vor Einwürfen immer mal drüber geredet worden, wie und wohin die Mitspieler die Bällen haben wollen. "Manche wollten eher in einem hohen Bogen angeworfen werden, manche eher flach", erzählt Florian Dick. Worauf er versucht habe, es jedem recht zu machen. Auch die richtige Positionierung der Kollegen sei ein Thema gewesen. "Wichtig war, den Ball so zu werfen, dass ihn der gegnerische Torwart nicht einfach abpflücken kann."

Genau da liegt, neben der Verbesserung individueller Einwurftechniken, der eigentliche Schwerpunkt von Grönnemarks Arbeit: Die Mitspieler zu schulen, dass sie bei sie dem Werfer Zonen anbieten, in die er seine Bälle platzieren kann. Dabei geht es längst nicht nur darum, mit einem Einwurf eine torgefährliche Aktion einzuleiten - überhaupt erst einmal in Ballbesitz zu bleiben, ist die oberste Priorität.

Der FC Liverpool verpflichtete Grönnemark nicht zuletzt, weil Jürgen Klopp exakt dieses Problem erkannt hatte. Bis zu Grönnemarks Verpflichtung war sein Team nur bei 45,4 Prozent aller Einwürfe in Ballbesitz geblieben, das war der drittschlechteste Wert in der Premier League. Dank Grönemarks Schulungen hat sich der Wert mittlerweile auf 68,4 Prozent erhöht.

"Janik Bachmann wirft gut - aber nicht soweit wie ich"

Für Deutschlands 3. Liga werden solche Statistiken nicht erhoben. Dass Ballbehauptung nach Einwürfen dürfte dennoch ein Thema ist, kann aber auch der subjektive Beobachter leicht erkennen. Selbst ansonsten tiefstehende Mannschaften pflegen mittlerweile auch bei Einwürfen des Gegners in dessen eigener Hälfte aufzurücken und in der Wurfzone eng zu markieren - eben, weil da eine gute Chance besteht, den Ball zu erobern. Darauf im Training ein wenig mehr Augenmerk zu richten, kann eigentlich kein Schaden sein.

Vielleicht findet ja der Praktikant und Aushilfs-Team-Manager mal ein wenig Zeit, ein wenig Nachhilfe zu geben - ehrenamtlich natürlich. Wer seiner Ansicht der beste Einwerfer im aktuellen FCK-Team ist? "Janik Bachmann wirft ganz gut", hat Florian Dick festgestellt, "aber so weit wie ich kommt er nicht." Wirklich nicht? Ein kleiner interner Contest könnte da Aufschluss bringen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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