Über'n Tellerrand: 1860 Münchens Investor Hasan Ismaik

Alle Macht einem Mann

Alle Macht einem Mann

Foto: imago/Lackovic

Die Investorensuche beim 1. FC Kaiserslautern läuft auf Hochtouren. Was passieren kann, wenn es schiefläuft, zeigt der nächste Gegner: 1860 München ist zum warnenden Beispiel für die Abhängigkeit von einem einzigen Geldgeber geworden.

Derzeit ist es mal wieder etwas ruhiger geworden, doch was heißt das schon? Beim TSV 1860 München und seinem Investor Hasan Ismaik scheint man sich mittlerweile auf alles gefasst machen zu müssen. Trotzdem: Nach turbulenten Wochen auf und neben dem Rasen regiert momentan das Prinzip Hoffnung bei den "Blauen" - mal wieder.

Unlängst präsentierte der Zweitligist mit Ian Ayre einen neuen starken Mann, der die Löwen fit für den Aufstieg machen soll. Doch ob der ehemalige Manager des FC Liverpool endlich die Versprechungen einlösen kann, mit denen Ismaik 2011 bei den Sechzgern eingestiegen ist? Für viele Anhänger der Löwen ist ihr Klub längst zur dauerhaften Enttäuschung geworden, andere klammern sich an Ismaiks Worte wie an den letzten Strohhalm, voller Sehnsucht nach der großen Bühne oder zumindest etwas ruhigeren Fahrwassern.

Rückblick: Sieben Jahre nach dem Abstieg in die 2. Bundesliga steckte 1860 München anno 2011 mal wieder in finanziellen Turbulenzen. Offen wurde über eine Insolvenz des Traditionsklubs aus Giesing spekuliert. Die Rückkehr in die Bundesliga schien in weiter Ferne. Mit dem Rücken zur Wand fahndeten die Vereinsoffiziellen nach einer Lösung – und präsentierten mit Ismaik den erhofften Heilsbringer. Es folgten lange Verhandlungen, auch weil Ismaik die Vermarktung des TSV übernehmen wollte, und mit dem amtierenden Vermarkter ein Rückzug ausgehandelt werden musste.

Ismaik bekam Anteile und Vermarktungsrechte

Schließlich erfolgte im Mai 2011 die Unterschrift, mit der sich der Jordanier für eine Investition von rund 18 Millionen Euro Anteile an der KGaA, Großteile der Vermarktungsrechte und drei Plätze im Aufsichtsrat sicherte. Der TSV war damit plötzlich so gut wie schuldenfrei - entsprechend machte sich im Umfeld, auch noch beflügelt von der Rückkehr des ehemaligen Torjägers Benjamin Lauth, Aufbruchsstimmung breit. Worte wie "Märchen" und "Geschenk" gehörten in diesen Tagen zum festen Sprach-Repertoire, wenn es am Stammtisch, in der U-Bahn oder auch in manchen Zeitungsartikeln um den ehemaligen Bundesligisten ging. Dazwischen mischten sich allerdings auch immer wieder kritische Stimmen, bei Fans und Medien.

"Mit knapp 20 Millionen steigt kein vernünftiger Mensch in einen maroden Klub ein, wenn er nicht aus tiefster Seele Vereinsfan ist", rätselte so zum Beispiel Kicker-Herausgeber Rainer Holzschuh, der stattdessen eher knallharte wirtschaftliche Interessen vermutete: "Die Befürchtung steht im Raum, dass mit dieser Entscheidung die 50+1-Regel ein Stück weiter ausgehebelt wird." Ismaik begegnete den Bedenken mit Großmut und weitreichenden Ankündigungen. "Der Verein wird auf Jahre hinaus keine finanziellen Sorgen haben", versprach er und gab sofort ein klares Ziel aus: Binnen drei Jahren wollte er sein Investment in der Bundesliga sehen.

Aus den großen Hoffnungen und Träumen wurde allerdings erst einmal Ernüchterung. Dreimal hintereinander liefen die Löwen zwar im oberen Tabellendrittel ein, doch jedes Mal fehlte ein Stückchen, um wirklich im Aufstiegsrennen mitzumischen. Das vierte Jahr, also jene Spielzeit, in der 1860 eigentlich spätestens im Oberhaus gelandet sein wollte, geriet zur Chaos-Saison. Nach einem 16. Rang in der Saison 2014/15 retteten sich die Löwen erst durch ein Last-Minute-Tor von Kai Bülow im Relegationsrückspiel gegen Holstein Kiel vor dem Abstieg in die 3. Liga.

Im Jahr danach lief der TSV auf dem 15. Rang ein. Und auch dieses Jahr steckt er wieder mitten im Kampf um den Klassenerhalt. Längst ist aus dem großangelegten Angriff auf die Bundesliga ein zähes Ringen um den Verbleib in Liga 2 geworden, begleitet von unzähligen Personal-Diskussionen: Interimstrainer eingerechnet, standen seit dem Einstieg des Geldgebers elf verschiedene Übungsleiter an der Seitenlinie. Abseits des Rasens wirkten vier Präsidenten, vier Geschäftsführer und fünf Sportdirektoren bei den Münchnern. Konstanz sieht anders aus.

Ismaik polarisiert und spaltet das Umfeld

Der erhoffte sportliche Erfolg blieb auf der Strecke und weil der Klub mit ehemaligen Angestellten auch nicht gerade zimperlich umging oder diese sich aus gekränkter Eitelkeit zur Wehr setzten, manchmal sogar mit rechtlichen Schritten, litt die öffentliche Wahrnehmung doppelt. Ismaik selbst wählte darum immer häufiger den Weg in die Offensive und meldete sich persönlich zu Wort, zumindest über eine von einer Agentur in seinem Namen betriebenen Facebook-Seite.

Dabei schlägt er allerdings nicht selten kompromisslose Töne an und polarisiert weiter. Längst funktioniert die Berichterstattung und Meinungsbildung rund um den TSV 1860 wie eine Zentrifuge, in der sich die Lager der Münchner und überregionalen Presse in zwei gegensätzliche Richtung zu bewegen scheinen: In wohlwollende oder deeskalierende und kritische oder gar hämische Berichterstattung über den Geldgeber aus dem Nahen Osten und "sein Spielzeug".

Dieser befeuerte den Kampf Ende des vergangenen Jahres auch noch weiter, als - angeblich auf Geheiß des Jordaniers - Journalisten die Akkreditierung entzogen wurden und später sogar Hausverbote für das Trainingsgelände folgten. Auf Facebook begleitete der 40-Jährige Ismaik diese Eingriffe in die Pressefreiheit mit scharfer Kritik an den Medien, schlug dabei aber derart über die Stränge, dass sich sogar der Bayerische Journalisten-Verband veranlasst sah, einzuschreiten und den Investor nach seinem "Pegida-ähnlichen" Posting zur Mäßigung aufrief.

Weil die Restriktionen gegen Journalisten allerdings weiter Bestand hatten und zum Teil bis heute haben, erklärten sich vorübergehend auch andere Redaktionen wie der Kicker oder Sport1 dazu, von Interviews mit Löwen-Spielern und Klubverantwortlichen abzusehen. Argumente sportlicher Natur, um der schlechten Presse entgegenzuwirken, lieferten die Löwen wenig.

Und was wäre wenn?

Ismaik scheint all das wenig zu stören. Der Jordanier bemüht sich stattdessen, die Reihen zu schließen und nutzt die Sozialen Netzwerke als direktes Sprachrohr zu den 1860-Fans, die er auch immer mehr als seine eigenen Fans begreift. Während die Mannschaft mal wieder um den Klassenerhalt kämpft, gibt er erneut große Ziele aus, kündigte im Winter neue Investitionen und den Aufstieg in die Bundesliga an. Parallel soll ein neues Stadion entstehen, das auch mal mit einem angrenzenden Löwenzoo in Planung war.

Wie lässt es sich in diesem Hin und Her Fan eines Vereins sein? Auch wenn die Zuschauerzahlen zuletzt wieder Ausschläge nach oben verzeichnen und nicht wenige weiterhin an eine erfolgreiche Zukunft glauben, haben einige die Bindung zu ihrem Klub verloren. Im Sommer 2016 lösten sich so zum Beispiel die Ultra-Gruppen "Cosa Nostra" und "Giasinga Buam" auf, nachdem sie ein paar Monate zuvor noch heftig, aber erfolglos gegen den Alleinherrscher protestiert hatten ("Hasan, verpiss dich"). Seitdem herrschte Friedhofsstimmung in der sowieso ungeliebten Bayern-Arena, live zu erleben etwa im November beim Heimspiel gegen den FCK, ehe sich vor einigen Wochen eine neue Supportergruppe namens "Münchner Löwen" zusammenfand.

Kaum jemand will zudem daran denken was passieren wird, sollte Hasan Ismaik ungeachtet aller Ankündigungen, Liebes- und Treueschwüren mal die Lust an seinem Klub verlieren. Es wäre das krachende Ende eines mit großen Träumen gestarteten Projekts, das von nur einem einzigen Mann abhängig ist - oder dann womöglich war. Und der Abschluss eines mahnenden Beispiels auch für alle Freunde des 1. FC Kaiserslautern.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

Kommentare 163 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken