Saisonrückblick 2010/11, Teil 1

Die Hinrunde: Große Auftritte und viel Lehrgeld

Die Hinrunde: Große Auftritte und viel Lehrgeld


Was war das doch für eine Euphorie am 27. August 2010! Der 1. FC Kaiserslautern gewann sein erstes Bundesligaheimspiel seit mehr als vier Jahren gegen die übermächtigen Bayern mit 2:0. 66 Sekunden, die kein FCK Fan je vergessen wird: Traumtor Ivo Ilicevic - Anstoß Bayern - Balleroberung - Traumpass Christian Tiffert - Querpass Ilicevic - Tor Srdjan Lakic - „Muschmunken“! Dazu noch eine grandiose Choreographie in der Westkurve und die „richtige“ Rückkehr in die Bundesliga wurde ein Tag für die Lautrer Geschichtsbücher.

Begonnen hatte die Saison allerdings schon zwei Wochen zuvor. Eine total umgekrempelte Mannschaft der Roten Teufel - immerhin verließen mit Erik Jendrisek, Sidney Sam und Georges Mandjeck drei Stützen des Aufstiegsteams die Pfalz - bekam es in der ersten Runde des DFB-Pokals gleich mit einem dicken Brocken zu tun. Es ging an die Bremer Brücke zum Zweitligaaufsteiger VfL Osnabrück. Und bis tief in die Nachspielzeit behielten die Pessimisten Recht, die schon vor dem Spiel mit dem Ausscheiden gerechnet haben. Doch dann schlug die erste Sekunde des Srdjan Lakic: Ein Schuss, ein Tor, die Lautrer! In der Verlängerung legte Neuzugang Jimmy Hoffer zwei Buden nach und mit einem 3:2-Erfolg wurde die zweite Runde erreicht. Wie im Jahr zuvor bekam man zum Pokalauftakt den vermeintlich schwersten Brocken vorgesetzt, wie im Jahr zuvor wurde er niedergerungen - sollte also auch der Saisonstart wie im Jahr zuvor gelingen?

Ja, er sollte. Zuerst wurde beim Lieblingsgegner aus Köln vor 6.000 mitgereisten FCK-Fans der obligatorische Sieg eingefahren (3:1), bei dem sich Lakic wieder als treffsicherer Torjäger zeigte, hinzu das erste richtig gute Spiel des neuen Pfälzer Mittelfeldchefs Tiffert, der noch viele grandiose Partien im Dress der Roten Teufel abliefern sollte. Und dann kam der Moment, nach dem sich alle so sehr sehnten: das erste Bundesligaheimspiel der Roten Teufel nach langer Zeit in der Diaspora des Unterhauses. Gegen die Bayern. Mit einem Sieg. Mit der Tabellenführung für eine Woche. Der FCK ist wieder da!

Doch was an diesem Abend niemand ahnen konnte: Es sollte der letzte Bundesligasieg von Marco Kurz' Mannen für zwei ganze Monate bleiben. Die erste Saisonpleite folgte bereits am nächsten Spieltag, ausgerechnet beim rheinland-pfälzischen Möchtegernrivalen aus Mainz. Trotz der verdienten 1:0-Führung - die natürlich wieder durch Lakic erzielt wurde - reichte es nicht für einen Punktgewinn in der Bruchbude. Das mit Chadli Amri ausgerechnet ein ehemaliger Mainzer mit einem Stellungsfehler den Siegtreffer des „Depp“ einleitete, war ein blöder Zufall, aber auch irgendwie typisch FCK. Gepunktet werden konnte immerhin auf den Rängen, auch die gemeinsame Feier der Mainzer mit ihrer Mannschaft ging in den Schmähgesängen der Lauternfans unter.

Eine Woche später kam es zur Begegnung mit der „TSG Neureich“ aus Hoffenheim und ihren handverlesenen Begleitern im Gästebereich. Wie fast immer bei Spielen des ungeliebten Retortenclubs aus Baden-Württemberg gab es Spruchbänder der Abneigung gegen Dietmar Hopp und seine Schergen, doch leider verhalfen weder diese noch die Unterstützung von erneut über 40.000 Fans zu drei wichtigen Punkten. Nachdem ein Doppelschlag von Hoffer in der zweiten Hälfte den Pausenrückstand des Dorfs in eine FCK-Führung verwandelte, musste Tobias Sippel doch noch einmal hinter sich greifen. Endstand 2:2 und mit sieben Punkten ging es mittwochs nach Dortmund.

Mit sieben Punkten ging es auch wieder zurück nach Kaiserslautern, doch im Gepäck hatte man auch noch die deftige Anzahl von fünf Gegentreffern. Denn trotz einer Bombenstimmung im Gästeblock, die bis nach dem Abpfiff anhielt und für Anerkennung bei den Heimfans sorgte, gab es beim kommenden Deutschen Meister im Westfalenstadion eine deutliche und verdiente 0:5-Klatsche, bei der kein FCK-Akteur sein wirkliches Können beweisen konnte. Der BVB war einfach zu überlegen. Es war ja nur ein Ausrutscher, oder?

In den nächsten Wochen sollte sich allerdings herausstellen, dass die Roten Teufel in ihrer ersten Krise steckten. Denn nach der Packung von Dortmund folgte eine 0:1-Heimniederlage vor blasser West- und Ostkurve gegen Hannover 96, die sich damit überraschend oben festsetzten, während der FCK nach und nach durchgereicht wurde. Es waren die Wochen, in denen die Roten Teufel viele Erfahrungen sammelten und diese mit Lehrgeld in Form von Punkten bezahlten.

Es musste mal wieder ein Erfolgserlebnis her - und das möglichst schon beim Hamburger SV. 3.000 pfälzische Schlachtenbummler machten sich auf in den hohen Norden und boten auf den Rängen eine ordentliche Leistung. Die Mannschaft auf dem grünen Rasen wollte da nicht nachstehen und führte nach einem Freistoßtreffer von Srdjan Lakic bereits nach drei Minuten mit 1:0. Bombe, hier geht was! Und es wäre auch etwas gegangen, wenn eine der großen Chancen den Weg ins Tor gefunden hätte - Ivo Ilicevics Lupfer, Martin Amedicks Lattenkopfball und besonders die vergebene Chance des immer stärker werdenden Neuzugangs Jan Moravek kurz vor Schluss sollten sich rächen. Im Gegenzug zu Moraveks missglückter Flanke konnte Eric-Maxim Choupo-Moting den Ball mit mehr Glück als Verstand im Lautrer Tor unterbringen, 1:2, aus die Maus. Die dritte Niederlage in Folge, das fünfte sieglose Spiel am Stück, die Abstiegsplätze kamen näher. Der FCK war jetzt also dort, wo ihn jeder erwartete - mitten im Abstiegskampf. Und dann kam Eintracht Frankfurt zum groß angekündigten „Schlachtfest“ auf den Betzenberg.

Schon Tage zuvor wurde im Internet und hinter den Kulissen Stimmung gemacht, beide Seiten schienen großes vor zu haben, dementsprechend gewaltig war dann auch das Polizeiaufgebot. Außerhalb des Stadions passierte recht wenig, im Stadion sah man dann allerdings schon, was die Fans der Eintracht ausmacht: asoziales Verhalten und Dummheit. Die „Lauternschweine“-Schals samt Einweg-Metzgerkitteln machten ja eine tolle Choreographie her, alle Achtung... Besser sah es hingegen in der Westkurve aus, wo eine im wahrsten Sinne des Wortes chaotische Choreo mit Wurfrollen, tonnenweise Konfetti und allerlei Papierutensilien ein prächtiges Bild abgab. Das Spiel hingegen war nicht so prickelnd, zwar war der FCK überlegen, doch nach dem verschossenen Elfmeter durch Lakic verlor die Elf ein wenig den Faden und nach einer schwachen zweiten Halbzeit auch das Spiel mit 0:3. Auch auf den Rängen, das muss man leider zugeben, waren die 8.000 mitgereisten Hessen letztendlich obenauf. Die Eintracht war auf dem Weg nach oben, einige träumten von der Europa League und man verabschiedete den FCK schon zurück in die Zweitklassigkeit.

Nach der 1:2-Niederlage in Freiburg, der fünften Pleite am Stück und schon wieder nach einer frühen Auswärtsführung kam mit Arminia Bielefeld der grottenschlecht gestartete spätere Zweitligaabsteiger im Rahmen des DFB-Pokals nach Kaiserslautern. Durch die Verletzung von Rodnei konnte der frisch genesene Neuzugang Jan Simunek endlich sein Können unter Beweis stellen - und er tat dies auch für acht Minuten. Dann musste der Tscheche verletzt abbrechen und es kamen bislang keine weiteren Minuten für den FCK hinzu. Trotzdem kamen die Roten Teufel vor nicht einmal 18.000 Zuschauern, die allerdings ordentlich Lärm fabrizierten, zu einem ungefährdeten 3:0 Erfolg, wobei alle drei Treffer durch Lakic erzielt wurden. Mittlerweile wurde es unheimlich, der Kroate traf fast wie er wollte, was leider auch anderen Vereinen mit etwas mehr Geld auf dem Konto aufzufallen schien. Und nicht nur das verlorene Spiel gegen Frankfurt zeigte, was sich für die komplette Saison manifestieren sollte: Lief es bei Lakic, dann lief es auch beim FCK - und umgekehrt...

Vor dem zehnten Spieltag konnte man nach dem Pokalerfolg also sehen: Es geht ja noch! Auch wenn es nur Bielefeld war, aber das Siegen wurde noch nicht verlernt! Und Zeit wurde es allemal, denn mit sieben Punkten und Rang 15 standen nur noch Schalke, Köln und Gladbach hinter dem FCK. Und mit eben jenen Gladbachern kam nun ein Gegner, der unbedingt geschlagen werden musste. Wenn nicht für den Klassenerhalt, so doch zumindest für Fritz Walter, der zu seinem anstehenden 90. Geburtstag durch ein spezielles Trikot ohne Werbeaufdruck auf dem Rasen und durch Transparente und eine kleinen Choreo („Im Gedenken an den größten Fußballer aller Zeiten“) auf den Rängen gewürdigt wurde. Und auch die elf Roten Teufel auf dem Rasen nahmen ihr Herz in die Hand, spielten die Gladbacher an die Wand und wurden - auch dank Chancentod Mo Idrissou - spät, aber nicht zu spät belohnt. Der erneut bärenstarke Tiffert nagelte den Ball mit einem Bombenschuss unter den Giebel, die prächtig aufgelegte Westkurve rastete aus und peitschte die Elf nach der verdienten Führung noch zu einem 3:0-Sieg. Der Anschluss an das breite Mittelfeld war also wieder hergestellt und der zweite Sieg in der Woche sollte doch für neues Selbstvertrauen sorgen, oder?

So sah es zumindest auch in den ersten Minuten in Leverkusen aus - doch nach der obligatorischen Auswärtsführung durch Florian Dick sorgte ausgerechnet Lauterns früherer Aufstiegsheld Sidney Sam mit zwei Treffern dafür, dass der FCK noch verdient mit 1:3 verlor. Ob dies auch mit dem Selbstvertrauen der folgenden Wochen passiert wäre?

Am Samstag darauf bekam der größte Fußballer aller Zeiten auch eine der größten FCK-Choreos aller Zeiten durch die „Generation Luzifer“ dargeboten. Unter dem Motto „Für immer in Ehren: Fritz Walter und sein Stadion“ wuchs ein überdimensionales Konterfei von Fritz Walter aus einer Blockfahne in Form des Stadions, was sogar im Gästeblock für Applaus sorgte. Gänsehaut pur!

Wie auch das folgende Spiel: Gegen zwölf Stuttgarter - trotz seines gelben Dresses war Schiedsrichter Babak Rafati klar auf Seiten der Stuttgarter - war der FCK überlegen und lag zur Pause dennoch mit 0:2 hinten. Unter anderem durch einen Treffer, der gar nicht hätte fallen dürfen, weil Tiffert unmittelbar zuvor am Strafraum der Gäste freistoßreif gefoult wurde. Als dann kurz nach der Pause das 0:3 fiel, schien alles gelaufen. Doch der eingewechselte Ilian Micanski drückte kurz darauf eine Tiffert-Flanke in den gegnerischen Kasten - und es waren noch mehr als 30 Minuten zu spielen! Leichte Hoffnung machte sich breit, eine immer wütendere Westkurve peitschte die Mannschaft nach vorn und als Ilicevic den Ball in der 76. Minute mit einem unglaublichen Schuss in den Winkel jagte, war auch der letzte davon überzeugt, es ist alles drin! Zwei Minuten später bebte die Erde in der Pfalz: der heimgekehrte Sohn Matze Abel traf zum sensationellen 3:3. Eine Explosion sondergleichen! Geil!

Nach dem „kroatischen“ Auswärtssieg in Nürnberg (Torschützen: Ilicevic, Lakic und Stiven Rivic) kam mit Schalke 04 ein Gegner auf den Betze, der überraschend im unteren Tabellendrittel rumkrebste - und nach denkwürdigen 90 Minuten auch erstmal dort steckenblieb. Vor überragender Kulisse durfte Nationalkeeper Manuel Neuer den Ball fünfmal aus dem Netz holen, fünfmal war er chancenlos. Fünfmal! Bemerkenswert war neben der Weltklasseleistung von Tiffert, dass die Schalker Leihgabe Jan Moravek den Schlusspunkt in einem Spiel markierte, in dem Gelsenkirchen nicht den Hauch einer Chance hatte - einmal musste Tobi Sippel gegen Raul und Huntelaar eingreifen, dies tat er dann auch in überragender Manier. 5:0 gegen Vizemeister Schalke, ein Tag zum Helden zeugen! Schalkes damaliger Trainer Felix Magath schickte seine Mannen nach Abpfiff gnadenlos zum Auslaufen direkt vor der begeisterten Westkurve.

Der folgende Freitag war dann eher einer zum im Bett bleiben. In St. Pauli wurde zwar beim Einlaufen der Teams eine deftige Pyroshow gezeigt, die Spieler konnten aber nicht an ihre Leistung vom Schalke-Spiel anknüpfen und verloren bei Eiseskälte durch ein Eigentor von Tiffert mit 0:1. Auch gegen Wolfsburg wollte nicht viel gelingen, im letzten Heimspiel der Hinrunde kamen die Roten Teufel nicht über ein 0:0 hinaus - das schlechtestmögliche Ergebnis, denn der VfL brachte es tatsächlich fertig, in 90 Minuten nicht ein einziges Mal auf das gegnerische Tor zu schießen. Kein Wunder, dass Manager Dieter Hoeneß sich bereits nach neuen Stürmern umschaute.

Zum Abschluss der Hinrunde folgten noch einmal 2.500 FCK-Schlachtenbummler ihrem Team nach Bremen, um endlich die ominöse 20-Punkte-Marke zu durchbrechen - und nach zwei Treffern von Srdjan Lakic, der damit in der Hinrunde elfmal einnetzte, stand es nach 90 eiskalten Minuten 2:1 für Rot-Weiß! Entsprechend wurden die Mannschaft und die gesamte Hinrunde nach dem Schlusspfiff noch lange gebührend gefeiert, 21 Punkte und Platz 12 konnte man einfach nicht erwarten. Dazu kamen glänzende Aussichten im DFB-Pokal, wo aufgrund einer Spielabsage mit Koblenz und Duisburg bereits die nächsten zwei lösbaren Gegner feststanden. Eine junge Mannschaft, ein Verein, der trotz einer langen Flaute ruhig blieb und Fans, die das Team jederzeit nach Leibeskräften unterstützten - jeder konnte feststellen: Der FCK ist wieder da!

Am Samstag auf „Der Betze brennt“: Der zweite Teil des Saisonrückblicks 2010/11. Das Auf und Ab des Srdjan Lakic geht weiter und am Ende läuft alles ganz anders, als anfangs gedacht - aber das Ergebnis stimmt!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Sebastian

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