Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Fürth

Die DBB-Analyse: Brehmes Schuh-Spruch lässt grüßen

Die DBB-Analyse: Brehmes Schuh-Spruch lässt grüßen


Der 1. FC Kaiserslautern unterliegt der SpVgg Fürth zuhause 0:2, will sich aber nicht damit rausreden, im dritten Spiel der Englischen Woche müde gewesen zu sein. Das ist löblich. Aber wie ist der Leistungsabfall sonst zu erklären?

Er habe seine Jungs vorab in Einzelgesprächen sogar extra noch gefragt, ob einer von ihnen nicht in der Verfassung sei, sich geistig und körperlich ein weiteres Mal alles abzuverlangen, erklärte FCK-Trainer Dirk Schuster nach dem Spiel. Und keiner habe sich gemeldet. Auch die Spieler wollten nichts davon hören, müde gewesen zu sein im dritten Spiel dieser Englischen Woche. Das mag ja löblich sein und auch als ein Zeichen von Charakter gewertet werden, wenn sich Fußballer nach einer Niederlage nicht auf die "Ausrede" versteifen wollen, auf die jeder kommen könnte.

Andererseits: Wie will man sonst erklären, dass Spieler, die am Dienstagabend gegen Bundesligist Köln 70 Minuten lang vor allem gegen den Ball hochkonzentriert und top geordnet zur Sache gingen, die in den Wochen zuvor in Düsseldorf eine 3:0-Führung und gegen den Hamburger SV einen 3:1-Vorsprung herausschossen, in diesem Spiel vom Anpfiff weg immer wieder einen Schritt zu spät kamen? Mit dem "gebrauchten Tag", auf den Trainer Schuster hinterher verwies? Solche mag es geben, aber als Ansatz für eine differenziertere Analyse taugt der wenig.

Remember Regensburg: Es war ebenfalls der 12. Spieltag

Insgesamt erinnerte der Auftritt des FCK an diesem Samstag an das Kollektivversagen beim 0:3 gegen Regensburg, das sich, interessante Parallele, ebenfalls am 12. Spieltag der vergangenen Saison zutrug. Auch da hatten die Roten Teufel eine Woche zuvor noch gegen den Hamburger SV eine sehr eindrucksvolle Vorstellung gegeben, bei einem 1:1 im Volksparkstadion. Da aber stand unter der Woche keine weitere kraftraubende Pokal-Partie an.

Ein bisschen ungewöhnlich ist es schon, dass der Trainer im dritten Spiel einer Englischen Woche seine Startelf nur auf einer Position veränderte - für den gegen Köln starken Kenny Redondo durfte wieder Tymo Puchacz ran, der in den vergangenen vier Wochen verletzungsbedingt ausgesetzt hatte. Das kennt man insbesondere von Mannschaften anders, die dienstags, mittwochs, donnerstags in internationalen Wettbewerben unterwegs sind. Die haben sich entsprechend breite Kader zusammengestellt, um rotieren zu können, könnte man jetzt sagen. Allerdings: Gerade das Aufgebot des Zweitligisten FCK wird von Kontrahenten immer wieder für die vielen Optionen bewundert, die auf der Bank sitzen.

Pausenwechsel zeigen: Auch der Startelf hätte Veränderung gutgetan

Dirk Schuster verwies nach dem Spiel darauf, dass auch Fürth im Pokal rangemusst hatte und - auch aufgrund der zwei Auswärtsreisen - eigentlich eher Grund hätte, auf die Strapazen einer Englischen Woche hinzuweisen. Auch das klingt fair und anständig, aber: Gegenüber dem peinlichen 1:2 bei Viertligist Homburg präsentierte sein Kollege Alexander Zorniger eine auf fünf Positionen veränderte Startelf. Wobei der Kleeblatt-Coach im Pokal eher auf eine B-Elf setzte - und dafür die Quittung bezog - und auf dem Betzenberg dann eben wieder auf seine bestmögliche Formation. In Homburg spielten unter anderem der 18-jährige Innenverteidiger Ben Schlicke statt Lautern-Torschütze Gideon Jung, außerdem verschnauften mit Luca Itter, Jonas Urbig, Robert Wagner, Armindo Sieb und Tim Lemperle die fünf Fürther mit dem laut "Transfermarkt.de" höchsten Marktwert. Am Betze standen sie alle wieder auf dem Platz, aber eben zulasten des Ausscheidens im Pokal - so gesehen war die Rotation von Fürth auch nur sehr eingeschränkt von Erfolg gekrönt.

Zurück zum FCK: Im Grunde deuten auch die Wechsel, die Schuster in der Pause vornahm, darauf hin, dass auch seiner Anfangsformation mehr Veränderung gutgetan hätte. Philipp Klement, Aaron Opoku und Kenny Redondo kamen für Tobias Raschl (Schuster: "Er war neben der Kappe"), Richmond Tachie und Nikola Soldo, gleichzeitig stellte der Trainer von einem 3-4-1-2 auf ein 4-2-3-1.

Soldo soll es getroffen haben, weil er als grundsätzlich hart spielender Innenverteidiger nach seiner Gelben Karte in der 41. Minute von einer Hinausstellung bedroht war. Doch dass Raschl und Tachie nicht so im Spiel waren wie zuletzt, hatten die ersten 45 Minuten deutlich gezeigt. Auch Marlon Ritters Spiel hatte nicht annähernd die Intensität wie am Dienstag gegen Köln, der aber durfte bis zur 78. Minute weitermachen, ehe er gegen Julian Niehues ausgetauscht.

Und, ja, nach dem Dreifach-Wechsel in der Pause wurde es in der Tat besser. Klement zirkelte in der 50. Minute einen Ball an den Außenpfosten, der gut und gerne hätte den Ausgleich bedeuten können. Und vielleicht für den nötigen Endorphin-Stoß im Team sorgen, der ein Team auch im dritten Spiel einer Englischen Woche noch zu einer Leistung zu pushen vermag, die am Ende drei Punkte beschert.

Schon in Hälfte 1 gab es richtungsweisende Momente

Einen solchen Moment hatte es auch in der ersten Hälfte schon gegeben. In der 14. Minute, noch beim Stand von 0:0. Da eroberte sich Tachie noch in Gegners Hälfte energisch einen zweiten Ball zurück, setzte sich Raschl gekonnt auf der rechten Seite durch, passte geistesgegenwärtig in den Rückraum, wo das Leder den starken linken Schlappen des eingelaufenen Puchacz fand. Der aber schlug es über die Latte. Schade.

Vier Minuten später aber begann sich das Unheil abzuzeichnen. Fürths Sechser Robert Wagner durfte einen Vertikalpass auf den halblinks startenden Julian Green spielen, der so frei war, dass er unter seiner Einsamkeit fast schon zu leiden schien. Seinen anschließenden Rechtsschuss parierte FCK-Keeper Julian Krahl.

Wieder vier Minuten später war es soweit. Gideon Jung köpfte eine Green-Ecke ins Netz. Schuster ärgerte aber auch die Art, wie der Eckball verursacht wurde. Jean Zimmer hatte ein 98-prozentiges Luftloch in den Strafraum gehauen, mit den übrigen zwei Prozent aber noch Ball berührt, ehe er ins Tor-Aus sprang.

Halbzeit 2: Noch mehr solcher Momente

In der zweiten Hälfte häuften sich dann die Momente, die das Spiel endgültig zugunsten des Kleeblatts entschieden. Nach rund zehn Minuten recht ansehnlichen Offensivspiels leistet sich Zimmer einen Fehlpass im Aufbauspiel. Der junge Tim Lemperle - einer der Kicker, die Zorniger am Dienstag schonte - legt den Ball gefühlvoll in den Laufweg des halbrechts in den Sechzehner einlaufenden Kapitän Branimir Hrgota.

Und der weiß, was er zu tun hat: Ball am herausstürzenden Krahl vorbeilegen, abwarten, dass die Hand des Keepers einen seiner Füße berührt und dann den Rasen küssen. Schiedsrichter Felix Zwayer pfeift erwartungsgemäß Elfmeter, Green verwandelt zum 2:0.

Nächster Moment, der vielleicht noch was hätte drehen können: 70. Minute. Redondo geht links durch, flankt flach in die Mitte, Jung senst über den Ball. Terrence Boyd könnte aus kurzer Distanz einschieben, lässt sich aber zu viel Zeit - Talent Maximilian Dietz kann klären.

Wieder drei Minuten später: Boris Tomiak fliegt mit glatt Rot vom Platz. Soll bei einem Gerangel um den Ball Hrgota den Ellbogen ins Gesicht gerammt haben. VAR wird eingeschaltet, kann aber nicht helfen, da die Szene von den Kameras nicht eingefangen wurde. Tomiak gibt an, nichts gemacht zu haben. Hrgota versichert nach dem Spiel, getroffen worden zu sein, will Tomiak aber keine Absicht unterstellen. Egal. Rot ist Rot.

Das ganz dicke Ende kommt am Schluss

Mit Zehn gegen Elf ging für Lautern dann noch weniger. Zumal die schlimmen Momente sich nicht nur fortsetzten, sondern sogar steigerten. 84. Minute: Der zur Pause eingewechselte Opoku muss wieder raus. Ein Schlag auf die Patellasehne. Daniel Hanslik kommt.

90. Minute: Kevin Kraus knallt nach einer Freistoßflanke böse mit Fürth-Keeper Jonas Urbig zusammen. Über Elfmeter muss nicht diskutiert werden, da bereits Abseits gepfiffen war. Viel schlimmer: Kraus hat eine Gehirnerschütterung erlitten, muss ebenfalls raus. Da der FCK schon fünfmal ausgewechselt hat, musste er die finalen neun (!) Minuten der Nachspielzeit mit acht Feldspielern bestreiten. Es ist der Geschichte des Betzenbergs bislang wohl nur selten vorgekommen, dass über 40.000 Zuschauer einen Abpfiff herbeisehnten, wenn ihr Team einem Rückstand hinterherlief.

Unterm Strich kann da nur auf Murphy's Law notiert werden. Oder auch: Wenn’s erstmal scheiße läuft, dann richtig. Ebenso darf der Spruch des legendären Andreas Brehme zu Exkrementen am Schuhwerk zitiert werden. Oder halt doch Dirk Schusters Phrase vom gebrauchten Tag.

Wie auch immer: Jetzt braucht es eine Reaktion

Andererseits ist sein Team nun dringend angehalten zu zeigen, dass es sich tatsächlich nur um einen Tag handelte. Die bislang erfreulich verlaufene Spielzeit könnte an einem Kipppunkt angekommen sein. Ragnar Ache, der Stürmer, der maßgeblich die positiven Erlebnisse in den Anfangswochen beschert hat, fällt noch bis mindestens Ende November aus. Den bislang ebenfalls stark auftrumpfenden Tomiak erwartet nun eine Sperre. Kraus und Opoku könnten ausfallen, schlimmstenfalls länger als ein paar Tage. Ein kleiner Lichtblick für den FCK kann allenfalls sein, dass nach der kommenden Partie in Wiesbaden die nächste Länderspielpause folgt, das heißt: In den nächsten drei Wochen gibt es nur ein Punktspiel, die Verletzten haben mehr Zeit fürs Comeback als zum Beispiel in der Englischen Woche.

Trotzdem: Noch ein, zwei Niederlagen mehr, und die Küchenpsychologen werden zu schwadronieren beginnen, ob das Verspielen der 3:0-Führung vor drei Wochen in Düsseldorf dem Team nicht vielleicht einen Knacks versetzt heben könnte. Trainer und Spieler werden auch das entschieden zurückweisen, ebenso, wie sie sich nach diesem Spiel nicht mit der Englischen Woche herausreden wollten. Aber ob das nutzt? Neue Erfolgserlebnisse wären besser.

Zu den Zahlen: Bedenkliche Laufleistung und Zweikampfwerte

Zu den Grafiken. Auch die xG-Timeline spricht für Fürth, und wenn nicht der Ausschlag wäre, den Boyds Topchance verursacht, sähe die Sache noch eindeutiger aus.

xG-Dynamik FCK-Fürth

Die Positions- und Passgrafik der Roten Teufel: Verdeutlicht wenigstens, dass der FCK nach den Wechseln zur Pause endlich mal wieder mit richtigen Flügelstürmern auftrumpfte.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der SpVgg Fürth: Auffallend, wie oft Innenverteidiger Dietz den Passweg zu Stürmer Armindo Sieb fand.

Passmap Fürth

Und last but not least: Die Duelle. Gut sehen die Bilanzen von Puchacz und Kraus aus, weniger bei Elvedi. Auch bei Raschl, Ritter und Tachie ist ersichtlich, dass sie nicht die Schlagzahl aus dem Köln-Fight erreichten. Unterm Strich mutet die Zweikampfquote des FCK gut an: 53 Prozent gewonnen, laut "Wyscout". Ein tiefergehender Blick ist aber aufschlussreicher: Von den sogenannten "Zweikämpfen um den freien Ball" gewannen die Roten Teufel nur 36 Prozent.

Zu beachten ist noch ein zweiter Wert. Mit der Betrachtung von Laufleistungen muss man beim FCK normalerweise vorsichtig sein. Auch in vielen Erfolgsfällen hat das Schuster-Team schon schwächere Laufleistungen ausgewiesen als der Gegner. Diesmal aber sticht die Unterlegenheit ins Auge. Laut "bundesliga.de" sind die Betze-Buben nur 113 Kilometer gerannt, die Fürther 122,4 Kilometer.

Zweikampf-Duelle FCK-Fürth

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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