Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVE

DBB-Analyse: FCK siegt vertikal, volley - und dank Krahl

DBB-Analyse: FCK siegt vertikal, volley - und dank Krahl


Was für ein Fußballabend. 3:2 schlägt der kampfstarke 1. FC Kaiserslautern den spielstarken Aufsteiger SV Elversberg. Schießt spektakuläre Tore, offenbart aber auch, dass er in der Defensive für diese Saison noch nicht komplett gerüstet ist.

Hat der FCK in diesem Spiel "überzeugt", ist er am Ende gar als "verdienter" Sieger vom Platz gegangen? Wie oft wird mit solchen Vokabeln hantiert. Doch wie schwer lassen sie sich in Fällen wie diesen mit Fug und Recht benutzen, wenn man so eine Partie differenziert betrachtet. Halten wir zunächst mal fest: Wer ein Fußballspiel besucht, weil er 90 Minuten erleben will, die ihn packen und mitreißen, der war Freitagabend auf dem Betzenberg goldrichtig.

Doch für die, die Fußball unbedingt weniger mit Emotionen, sondern mehr akademisch betrachten wollen, hielt die Partie ebenfalls reichlich Anschauungsmaterial bereit. Zu sehen waren zwei Mannschaften mit sehr unterschiedlichen Spielanlagen. Die SV Elversberg, die die technisch höheren Ansprüche erfüllte, hat am Ende verloren. Aber hat der FCK deswegen am Ende "glücklich" oder "unverdient" gewonnen?

Technik ist nicht alles, Entschlossenheit und Physis entscheiden ebenso

Wie man’s nimmt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass das Team von Dirk Schuster deutlich weniger Spielanteile hatte und dennoch am Ende gewinnt. Oft genug hatten die Roten Teufel nur um die 40 Prozent Ballbesitz, verzeichneten aber mehr Eckbälle, mehr Abschlüsse im Strafraum und schlussendlich bessere expected-Goals-Werte als der Gegner. Das konnte also nicht nur Glück sein. Und diesmal?

Nach Eckstößen gewann die SVE 6:4. Nach Abschlüssen im Strafraum ging’s unentschieden aus: 13:13. Nach xGoals siegte Lautern 3,26 : 2,02. Da muss man allerdings berücksichtigen, dass allein Kevin Kraus’ Elfmeter einen Sprung um 0,76 xG bewirkt. Es war also durchaus knapp. Aber da sind auch noch andere Zahlen. Gewonnene Zweikämpfe total: 69:49 für Lautern. Gewonnene Luftzweikämpfe: 31:10 für die Betze-Buben (Quelle: Sofascore). Zahlen, die eher etwas über Entschlossenheit und Physis aussagen als über fußballerischen Feinschliff. Und die können ein Spiel ebenso entscheiden.

Die Anfangsminuten bilden bereits das große Ganze ab

So richtig entwickeln sollte sich das Drama erst in der zweiten Halbzeit. Doch schon die ersten Minuten zeigten, wohin die Reise gehen sollte. Vierte Minute: ein erster Abschluss der Gäste. Ballgewinn auf Lauterns rechter Abwehrseite, schönes Zusammenspiel im Angriffsdrittel, Manuel Feil darf aus zehn Metern aufs Tor schießen. Er bringt aber nicht genug Power hinter den Ball, um ihn für Schlussmann Julian Krahl zum Problem werden zu lassen.

Achte Minute: Jean Zimmer schlägt einen gut getimten langen Ball auf den durchstartenden Startelf-Debütanten Richmond Tachie, der flankt von rechts, in der Mitte nimmt Terrence Boyd direkt ab, vorbei.

So sollte es im Prinzip weitergehen, nur immer schöner und immer geiler. Die "Elv" mit dem gepflegteren Fußball, der FCK weit, vertikal und gerne volley. Capitano Zimmer würde mit seinen Offensivaktionen das Spiel entscheiden. Defensiv aber sollte "seine" rechte Seite die größte Schwachstelle seines Teams werden, und das zum dritten Mal im dritten Liga-Spiel der Saison.

Das 1:0: Der Schiedsrichter wurde zu Unrecht ausgepfiffen

Wobei ergänzt werden muss: Die größten Chancen in der ersten Hälfte boten sich den Gästen nach ruhenden Bällen - und die kamen von der rechten Seite. In der 25. Minute nach einem Einwurf, der unterschätztesten aller Standardsituationen, als Thore Jacobsen abermals Feil auflegte. Der aber traf diesmal nur das Außennetz. Und kurz darauf, nach einem Eckball, als der Ex-Lautrer Carlo Sickinger freistehend übers Tor köpfen durfte.

Zu diesem Zeitpunkt führte der FCK bereits 1:0. Das kuriose Zustandekommen haben wir schon in unserer Ergebnismeldung aufgelöst: Schiri Patrick Ittrich konnte nach Kraus’ Treffer nicht auf Vorteil entscheiden, weil dieser aus einer Abseitsstellung erzielt worden war. Zuvor gab es aber ein Handspiel von Sickinger beim Kopfball von Boyd nach einer Ecke von Tobias Raschl. Und folgerichtig dann eben Elfmeter.

Ittrich erntete die Pfiffe von den Rängen also zu Unrecht. Erklärte aber danach wenigstens den Spielern sowie auch den total aufgebrachten Verantwortlichen an der Seitenlinie seine Entscheidung. Was Dirk Schuster in der Pressekonferenz ein Sonderlob wert war und daher auch hier weitergegeben werden soll. Hätten es die Zuschauer im Stadion ähnlich transparent mitgeteilt bekommen, wären wohl auch die Pfiffe zwei Stufen leiser gewesen. Auf Twitter kommentierte Schiri Ittrich später, dass er die Situation eigentlich sofort so wahrgenommen habe, aber "der Komplexität geschuldet" trotzdem nochmal lieber auf den Bildschirm schauen wollte.

Umstellung nach der Pause: Das hätte ins Auge gehen können

Nach der Pause war es dann der FCK-Coach, der - so sah es zumindest zunächst aus - schwer schiefliegen sollte. Er stellte von seinem 4-2-3-1 erst auf ein 3-4-3, dann auf ein 3-4-1-2 um. Er zog Sechser Julian Niehues auf die linke Seite der Dreierkette zurück, Linksaußen Kenny Redondo agierte zurückgezogen hinter den Spitzen Boyd und Tachie. Wie der Coach hinterher erklärte, wollte er damit die langen Läufe der SVE-Mittelfeldzentrum unterbinden. Doch es trat das Gegenteil ein. Jacobsen und Semih Sahin pflügten noch vehementer durch die Platzmitte. Zudem gelangen den Gästen gegen die Dreierkette noch bessere Seitenverlagerungen. Das Resultat: Zwei Elversberger Treffer innerhalb von 15 Minuten.

Beim ersten ging’s wieder mal über Lauterns rechte Abwehrseite: SVE-Linksverteidiger Maurice Neubauer startet energisch in die Mitte, zieht Zimmer mit und spielt so Linksaußen Paul Stock frei. Der flankt flach in den Rückraum - und Feil darf endlich sein Tor machen. Beim zweiten Treffer kombinieren sich die Elversberger durch einen Lautrer Abwehrverbund, der eigentlich genug Zeit hatte, sich ordentlich zu staffeln. Sahin vollstreckt. Kurz darauf hat Jannick Rochelt noch die Gelegenheit, nach einem Konter auf 3:1 zu erhöhen, scheitert mit seinem Schuss aus halbrechter Position aber an Krahl.

Trotz Happy End und Traumtor: Die Defensive steht noch nicht

Auch wenn dieses Drama ein Happy End hatte, diese Szenen sollten es eigentlich eindringlich verdeutlicht haben: Die Betze-Defensive für diese Saison steht noch nicht. Und es ist keine Frage der ewigen Diskussion Vierer- oder Dreierkette. Eher eine der personellen Besetzung. Der ein oder andere Neuzugang könnte da noch helfen.

Dass der FCK das Spiel anschließend wieder einigermaßen in den Griff bekam, lag einmal mehr an Schusters Wechseln. Schon vor dem 1:2 waren Aaron Opoku und Ragnar Ache für Redondo und Boyd gekommen, kurz darauf Daniel Hanslik für Tachie.

Ache köpft in der 68. Minute das 2:2 nach einer Flanke von Zimmer. Zwei Minuten zuvor hatten die beiden die Nummer schon mal geprobt, da hatte SVE-Schlussmann Nicolas Kristof aber noch pariert. Und Hanslik flankt in der 79. Minute von der linken Torauslinie auf den Lautrer Kapitän, dem aus halbrechter Position der perfekte Volley gelingt. Das Traumtor dürfte mehr als nur ein Stimmungsaufheller gewesen sein für den Capitano, der oft in der Kritik steht, es dürfte ihm auch ordentlich Selbstvertrauen für die weitere Saison eingeimpft haben.

Mit den Wechseln kam mehr Stabilität

Die Treffer allein sind’s aber nicht, die die Wende erklären. Das 3-4-1-2-Gefüge hatte durch die Wechsel insgesamt zu mehr Stabilität gefunden. Auch wenn die Saarländer längst noch nicht aus dem Spiel waren. Die Partie pendelte bis zum Schluss hin und her. Alle vielversprechenden Tor-Aktionen aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Analyse sprengen. Beste Fußball-Unterhaltung eben.

Doch Hanslik gelang es besser als zuvor Redondo, den Gast beim Aufbauspiel im Sechserraum zu stören. Auch Ritter und Raschl drehten stärker auf, sodass die Dominanz der Elversberger im zentralen Mittelfeld wenigstens halbwegs brach. Dazu glänzte der linken Schienenspieler Tymo Puchacz weiterhin mit Flankenläufen. Und leitete gemeinsam mit Opoku das 3:2 ein.

Da er auch aus vollem Lauf präzise zu flanken versteht, könnte Puchacz zukünftig ein idealer Vorlagengeber für eine Doppelspitze Boyd/Ache werden. Und dass die beiden zentralen Stürmer demnächst mal nebeneinander zum Einsatz kommen, ist gar nicht so abwegig. Schuster deutete nach dem Spiel an, sich diese Variante in einer 3-5-2-Formation durchaus vorstellen zu können. Erst müssten beide jedoch "100 Prozent fit" werden.

Trotz Zimmers Auftritt: Die Bestnote krallt sich Krahl

Dass dieses 3:2 am Ende nach Hause gebracht werden konnte, ist vor allem aber Julian Krahl zu verdanken. Er lenkte kurz vor Schluss noch einen strammen Fernschuss von Stock über die Latte, und in der siebten Minute der Nachspielzeit erwischte er einen Abschluss des eingewechselten Luca Schnellbacher gerade noch vor der Torlinie. Schnellbacher war nach einem verlängerten Freistoß überraschend an den Ball gekommen, und das aus kürzester Distanz - das Ding hätte eigentlich drin sein müssen.

In unserer wöchentlichen DBB-Spielerbenotung erhält Krahl folglich mit einer Durchschnittsnote von 1,6 die beste Bewertung des Tages. Und auch "Sofascore" hat für Krahl mit einer "8,7" die Bestnote errechnet, noch vor Matchwinner Zimmer (8,2). Das will was heißen. Vertritt der 23-Jährige den rotgesperrten Andreas Luthe weiter so stark, steht der Lautrer Übungsleiter vor einer schweren Entscheidung, wenn sein Stammkeeper übernächste Woche zurückkehrt.

Passgrafik zeigt: Puchacz und Raschl sind voll im Spiel

Zum Abschluss die üblichen Visualisierungen, diesmal allesamt von "Wyscout". Die xG-Timeline kann nur andeuten, welche Dynamik in der zweiten Hälfte in diesem Spiel war.

xG-Dynamik FCK-Elversberg

Die Positions- und Passgrafik der Lautrer zeigt, wie stark die Neuzugänge Raschl (20) und Puchacz (15) bereits ins FCK-Spiel eingebunden sind. Der etwas indifferent platzierte Spot von Niehues erklärt sich dadurch, dass er in der ersten Hälfte auf der Sechs, in der zweiten linker Innenverteidiger in einer Dreierkette gespielt hat.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der SVE: Da wird im zentralen Mittelfeld richtig intensiv Fußball gespielt. Ein ungemein spielstarker Aufsteiger.

Passmap Elversberg

Die folgende Grafik zeigt, wie sich die durchschnittlichen Aufstellungslinien der Teams während der Partie verschoben haben. Die Hausherren standen zu Beginn wieder mal sehr tief, wollten dann mehr riskieren, kassierten zwar zwei Gegentreffer - und markierten ihre eigenen Buden dann wieder aus tieferstehenden Positionen. Schusterball bleibt nunmal Schusterball.

Durchschnittliche Aufstellungslinie Koblenz-FCK

Hier die Überkreuztabelle zu den geführten Duellen. Starke Bilanz von Niehues, allerdings kam er durch den Positionswechsel weniger als sonst in Zweikämpfe. Raschl kann offenbar nicht nur Technik. Ein wenig deprimierend sieht Hansliks Bilanz aus. Wir bleiben aber dabei: Er half wirksam mit, mehr Zugriff im Mittelfeld zu bekommen.

Zweikampf-Duelle FCK-Elversberg

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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