Taktik-Nachlese zum Spiel FCN-FCK

Die DBB-Analyse: Erst die Qual, dann die Qualität

Die DBB-Analyse: Erst die Qual, dann die Qualität

Foto: Imago Images

Die Mentalitätsmonster des 1. FC Kaiserslautern sind wieder erwacht - und haben ihren Fans mit dem 3:3 beim 1. FC Nürnberg ein echtes Spektakel beschert. Zuvor allerdings hatten sie ihren Anhang ganz schön gequält.

Lange Zeit sah es aus, als würden die Roten Teufel abermals ihrem Ruf (der übrigens mehr gefühlt als wirklich statistisch belegbar ist) gerecht, der Aufbaugegner schlechthin für alle Kriselnden und Schwächelnden dieser Fußballwelt zu sein. Mit Nürnberg erwartete die Pfälzer der Zweitligist, der gemeinsam mit Hansa Rostock bislang die wenigsten Treffer in dieser Saison erzielt hatte (25) - gegen den FCK durfte er gleich dreimal netzen.

Nürnbergs kreativer Mittelfeldspieler Mats Møller Daehli hatte in dieser Saison noch nicht einmal getroffen - gegen den FCK durfte er sein Tor-Debüt feiern. Der nur 1,77 Meter große Rechtsverteidiger Jens Castrop markierte sein erstes Kopfballtor in einem Pflichtspiel seit seiner Zeit bei U17-Junioren. Und das nach einer Ecke - bis dato hatten die Nürnberger noch keinen Treffer nach einer solchen erzielt. Auch dafür musste eben erst der FCK kommen.

Zum Start erstmal Abwehrarbeit wie auf Valium

Doch nicht nur bei diesem Treffer ärgerte vor allem die Art und Weise, wie er fiel. Der erste Einschlag nach nur vier Minuten resultierte aus einem Ballverlust in der Vorwärtsbewegung. Dass Aaron Opoku in der gegnerischen Hälfte das Leder gegen den enorm zweikampfstarken Castrop verliert, lässt sich verschmerzen. Aber wie Lino Tempelmann anschließend an Julian Niehues und Boris Tomiak vorbei marschiert, ehe er Felix Lohkemper in die Tiefe schickt und dieser dann Møller Daehli im Rückraum auflegt - das sah aus, als wäre Lauterns Abwehr auf Valium.
Auch beim Hackentor Kwadwo Duahs zum 3:1 kurz nach der Pause stand Tomiak ziemlich passiv daneben. Der 24-Jährige hat bis dato eine überragende zweite Profisaison gespielt, sich auch fußballerisch gut weiterentwickelt - auf den letzten Metern hapert es nun aber womöglich ein wenig mit der Konzentration.

Immerhin: Boyd beendet die Auswärtstorflaute

Zu ergänzen wäre noch: Ben Zolinski hätte nach seinem Bodycheck gegen Duah durchaus auch Rot statt nur Gelb sehen können. Und das schon nach neun Minuten. Und ob’s mit Zehn gegen Elf noch was geworden wäre mit der Wiederaufstehung? Comeback der Mentalitätsmonster? Das gab es diese Saison tatsächlich schon einmal beim 2:2 in Heidenheim, aber jedes Mal klappt sowas nicht.

Dass Terrence Boyd mit seinem Treffer zum 1:2 wenigstens die Serie der sechs torlosen Auswärtspartien des FCK beendete, schien spätestens nach dem 3:1 des FCN nur eine Fußnote zu bleiben.

Krahls Debüt: Undankbar, aber mit Happy End

Keine Auswirkungen auf das Ergebnis hatte dagegen das überraschende Debüt von Julian Krahl im FCK-Tor. Die eigentliche Nummer 3 im Keeper-Ranking war einen Tag vor Anpfiff zur vorübergehenden Nummer 1 aufgerückt, da sowohl Andreas Luthe als auch Avdo Spahic kurzfristig verletzt ausfielen.

Ein Traumeinstand war’s sicher nicht: Krahl war bei allen Gegentoren machtlos, bekam im Grunde keine Gelegenheit, sich mal selbst auszeichnen. "Er hat Ruhe ausgestrahlt und die Entscheidung, ob kurz, ob lang spielen, immer richtig getroffen", war daher alles, was Trainer Dirk Schuster hinterher loben konnte. Am Ende Teil eines überwältigenden Erfolgserlebnisses gewesen zu sein, dürfte dem 23-Jährigen dennoch gut getan haben.

Hälfte zwei: Die Dominanz wird belohnt

Denn das bescherten sich die Lautrer dennoch, so wenig es auch nach 50 Minuten danach aussah. Ein wenig Glück war dabei auch im Spiel, klar. Denn ohne das geht’s nunmal nicht. Zufall aber war es keinesfalls. Sondern der Erfolg intensiven Bespielens eines tief stehenden Gegners. Etwas, was dem FCK auch vergangene Woche im Heimspiel gegen Rostock schon besser gelungen war, als es das 0:1 am Ende ausdrückte.

Diesmal führte eine überzeugend dargebotene spielerische Dominanz nicht nur zu zwei Treffern, sie bescherte dem Team auch mindestens noch zwei weitere Großchancen, die den Ausgleich auch schon früher hätten ermöglichen können. Einmal erwischte Boyd freistehend vor dem Tor eine Flanke von Philipp Klement nicht richtig, einmal drückte Philipp Hercher ein flaches Zuspiel des eingewechselten Tyger Lobinger aus fünf Metern knapp am Kasten vorbei.

Klement wird zum Klempner der Wende

Klement? Richtig. Den Feintechniker, der seit Wochen nur noch von der Bank kommt, brachte Dirk Schuster diesmal schon nach 36 Minuten für Zolinski. Und der 30-Jährige dankte es seinem Trainer mit Taten: Er flankte in der 88. Minute gefühlvoll auf Niehues, der per Kopf den 2:3-Anschlusstreffer erzielte, und markierte in der fünften Minute der Nachspielzeit den Ausgleich höchstselbst mit einem perfekten Freistoßheber.

Mit links aus halbrechter Position über die Mauer geschlenzt, eine Situation, wie gemalt für einen wie Klement. Das hatte auch FCN-Trainer Dieter Hecking erkannt, weswegen er schon vor der Ausführung zum HB-Männchen mutierte. Wie er hinterher gestand, brachte es ihn besonders auf die Palme, dass sich einer seiner Spieler hinter die Mauer legte, um einen eventuellen Flachschuss zu blocken - "als ob Klement es aus einer solchen Position jemals flach versuchen würde."

Im FCK-Lager dagegen hofft man nun, dass sich das zuletzt anscheinend gestörte Verhältnis zwischen Klement und seinem Trainer nun endlich wieder entspannt. Dem akribischen Schuster mag der Ballkünstler bisweilen ein wenig zu pomadig im Auftritt erscheinen, seine technischen Fähigkeiten sind jedoch so überragend, dass sie dem Team unbedingt nutzbar gemacht werden sollten. Und das am besten schon vom Anpfiff weg.

Ebenfalls ein Erfolgsfaktor: Das "Umswitchen" der Kette

Andererseits, und darauf wies der Trainer Schuster nach der Partie zurecht hin: Ein Klement allein macht noch keinen FCK. Das späte 3:3 resultierte aus einer überzeugenden Mannschaftsleistung in der zweiten Hälfte. Und auch daraus, dass das "Umswitchen" von Vierer- auf Dreierkette fruchtete. Wie schon in der Vorrunde bei den Heimspielen gegen Magdeburg (4:4) und Darmstadt (3:3), während es bei einigen Aufwärtsauftritten in der Rückrunde, etwa in Magdeburg (0:2) erfolglos blieb und direkt kritisiert wurde.

In der Pause brachte Schuster Nicolai Rapp für Robin Bormuth. Der bildete anschließend mit Tomiak und Niehues eine Dreier-Abwehrkette, zunächst mit ihm auf der linken Seite, später zentral, was seinen Fähigkeiten als passstarker Aufbauspieler noch stärker entgegenkam. Vor den zentralen Mittelfeldspielern Klement und Marlon Ritter agierte anschließend ein Offensivtriangel mit Opoku, Boyd und Hercher. Opoku wurde später durch Lobinger ersetzt und eine Viertelstunde vor Schluss rückte Erik Durm für Hendrick Zuck auf die linke Außenbahn, Daniel Hanslik kam für Ritter. Dem in Hälfte zwei durchweg dominanten FCK-Spiel tat die Wechselei keinerlei Abbruch.

Allen Unkenrufen zum Trotz: Die Jungs können "Ballbesitzspiel"

Wer nach den mauen Ergebnissen der vergangenen Wochen kritisierte, es sei keine spielerische Weiterentwicklung des Teams zu erkennen, sollte daher langsam umdenken. Die Schuster-Jungen können durchaus auch "Ballbesitzspiel".

Wichtig wäre halt, dass sie damit noch ein paar Erfolge mehr einfahren, um darin noch selbstsicherer zu werden. Und sie es vielleicht auch schon beim Stand von 0:0 anwenden würden. Um selbst in Führung zu gehen. Damit das Mentalitätsmonster nicht immer erst nach einem Rückstand geweckt werden muss.

Auch wenn manches täuscht: Die Grafiken sprechen für den FCK

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline von "11tegen11" weist ein 1,74 : 1,27 zugunsten des FCK aus. Die Medien, die ihre Daten vom Anbieter "Opta" beziehen, haben sogar ein 2,39 : 1,64 für Lautern ausgemacht. Bitte aber immer dran denken: So richtig selig macht keine dieser Erhebungen.

Erinnert sei nur an die Szene Mitte der ersten Halbzeit, als Zolinski in der Vorwärtsbewegung den Ball verliert, die Nürnberger daraufhin mit einer 4:3-Überzahl Richtung FCK-Strafraum starten, dann aber schlecht abspielen. So kommt es zu keiner Schussposition und damit auch zu keinem Ausschlag auf der Timeline. Dabei hätte es nur einen halbwegs ordentlichen Pass gebraucht und es wäre ein mit Sicherheit gewaltiges "expected Goal" zu verzeichnen gewesen.

xG-Plot FCN-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Auch die ist diesmal nicht wirklich aussagekräftig. Bekanntermaßen bilden die Spots mittlere Ballannahme-Position eines Spielers ab, wobei die Bewegungen der ersten 70 Minuten eines Spiels herangezogen werden. Die Umstellung von Vierer- auf Dreierkette erfolgte schon vor der Halbzeit, was erklärt, dass Niehues und Tomiak in dieser Darstellung nun aneinander kleben, obwohl dies tatsächlich nie der Fall war. Und Boyd hängt in dieser Visualisierung ziemlich in der Luft. Dabei war er recht präsent. Sowohl im gegnerischen Strafraum, als auch als Prellbock und Ballverteiler.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Nürnberger: Es ist schon zu erkennen: Unter Hecking soll beim FCN wieder gepflegt Fußball gespielt werden. Nur die Ergebnisse stimmen eben "noch" nicht. Unbedingt erwähnt werden sollte noch: Mit Christopher Schindler musste der beste Kopfballabräumer des FCN nach 76 Minuten verletzt vom Platz. Eine Schwächung, von der womöglich auch Niehues bei seinem Anschlusstreffer profitierte.

Passmap FCN

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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