Taktik-Nachlese zum Spiel Köln-FCK

DBB-Analyse: Lautern hat den Ball, Köln den Matchplan

DBB-Analyse: Lautern hat den Ball, Köln den Matchplan


Nur eine Halbzeit Druck reicht dem 1. FC Kaiserslautern nicht, um bei Viktoria Köln die dritte Niederlage in Folge abzuwenden. Am Betzenberg dampft jetzt der Kessel. Die Tage bis zum ersten Relegationsspiel drohen zur Zerreißprobe zu werden.

Was ist nur geschehen nach dem grandiosen Derbysieg gegen den 1. FC Saarbrücken? Nach dem in Unterzahl herausgespielten 3:1-Sieg vor ausverkauftem Haus hätte der damalige Tabellenzweite doch eigentlich auf einer Euphoriewelle zum Saisonziel Aufstieg getragen werden müssen. Jetzt aber folgte bereits die dritte Niederlage in Serie. Auch wenn sich das 0:2 bei Viktoria Köln ein wenig anders gestaltete als das 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden.

In dem Hexenkessel, den die eigenen Fans aus der kleinen Wiesbadener Arena gemacht hatten, schien es nämlich, als hätte sich das FCK-Team vom Anpfiff weg von der hausgemachten Hektik anstecken lassen - was in ein bisweilen druckvolles, insgesamt aber indifferentes Gebolze ausartete. In Köln jedoch schien es, als wollte die Elf von Marco Antwerpen betont kühl bleiben, trotz der abermals feurigen Heimspielkulisse, die 6.000 mitgereiste Anhänger in den Sportpark Höhenberg zauberten.

Die hintere Dreierreihe suchte nicht sofort den langen Ball auf den zentralen Stürmer Terrence Boyd - so, wie sie es jüngst auch beim 1:3 verlorenen Heimspiel gegen Borussia Dortmund II getan hatte. Stattdessen bevorzugte sie den Aufbaupass auf das eigentlich spielstarke Trio im zentralen Mittelfeld. Es zeigte aber ebenfalls sofort: Viktoria-Coach Olaf Janßen hatte sein Team darauf eingestellt. Marlon Ritter, Mike Wunderlich und Felix Götze spürten direkt einen Gegenspieler im Kreuz, sobald sie sich auf den Ball zubewegten.

Lorchs Terminator-Pass deutete das Unheil bereits an

Im Spiel gegen den Ball war der FCK zu der Grundordnung zurückgekehrt, mit der die längste Zeit der Saison erfolgreich war, von der er zuletzt aber abgekommen war: Fünferkette, davor eine Raute, davor ein Stürmer. Die Formation soll den Gegner dazu verleiten, den Ball an den Seitenlinien entlang zu spielen, wo er leichter gepresst werden kann. Doch auch darauf waren die Kölner vorbereitet: Sie vermieden den Pass an der Linie entlang und spielten lieber diagonal.

Nach zehn Minuten deutete sich das Unheil bereits an, und das sogar äußerst spektakulär: Viktoria-Abwehrmann Jeremias Lorch erkennt in der rechten Verteidigerposition eine perfekten Passweg zwischen gefühlt acht Roten Teufeln hindurch - dafür braucht es eigentlich einen Scanner-Blick, wie ihn weiland Arnold Schwarzeneggers "Terminator" hatte. Über den setzt Lorch den halblinks einlaufenden David Philipp ein, der nur das Außennetz trifft. Zuvor hatte fast ausschließlich der FCK das Leder. "Ballbesitz schießt keine Tore, das sage ich schon die ganze Saison", erklärt Marco Antwerpen nach dem Spiel. Wie wahr.

Nach einer halben Stunde hat sich dieses Bild endgültig bestätigt: Die Lautrer haben öfter den Ball, die Kölner den besseren Matchplan.

Wieder Gegentreffer nach Ecke - diesmal sogar per Kopf

Und wie fällt der Führungstreffer? Eben nicht nach einem solchen Diagonalball, sondern über eine Standardsituation, denn so ist Fußball, in der Dritten Liga erst recht. Obwohl: Die Roten Teufel haben auch schon in Wiesbaden und gegen Dortmund Tore nach Ecken kassiert, warum sollten nicht aller schlechten drei sein? Weil dieses diesmal besonders bitter ist: Der Treffer wird direkt per Kopfstoß erzielt, dergleichen hat die immer noch beste Abwehr der Liga erst drei Mal hinnehmen müssen.

Marco Fritz nickt ein, die Ecke kam von Marcel Risse. Die 1,93-Meter-Kante hatte Olaf Janßen übrigens neu in die Startelf genommen, offenbar, um dem Gast im Luftkampf besser Paroli bieten zu können. Der 55-Jährige, der als Cheftrainer gar nicht so viele Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat, lag in diesem Spiel einfach mit allem richtig.

Die Demontage geht weiter: Sogar Wunderlich patzt

Damit nicht genug der Pfälzer Demontage: Nur zwölf Minuten später markiert Philipp das 2:0. Ausgangspunkt ist ein Ballverlust in der Lautrer Hälfte. Zwei Viktoria-Spieler schnappen sich, möglicherweise sogar ein wenig grenzwertig, ein Zuspiel Ritters auf Wunderlich. Wohlgemerkt: Ritter! Und Wunderlich! Zwei Säulen der Mannschaft, die maßgeblich verantwortlich sind für die bislang erfolgreich verlaufene Saison. Und zwei der ballsichersten sowieso. Eigentlich. Das trifft härter als der Zwei-Tore-Rückstand.

Wunderlich wird in der Pause sogar ausgewechselt. Und es bleibt nicht der einzige Sturz einer eigentlich für unverzichtbar gehaltenen Größe: In der 65. Minute holt Antwerpen Terrence Boyd vom Platz. Seit seinem Wechsel zum FCK im Winter der beste Torschütze des Teams. Obwohl es noch wie vor 0:2 steht und Boyd noch wenige Sekunden zuvor immerhin die Latte trifft.

Antwerpen tanzt bereits auf der Rasierklinge

Dazu erklärte der Trainer nach dem Spiel bei "Magenta Sport": "Wir hatten einige Spieler auf dem Zettel, die wir in der Halbzeit hätten auswechseln können. Und da war Terrence auch schon dabei, weil er nicht auf den Platz gebracht hat, was wir uns vorstellen. Von der Leidenschaft, von der Mentalität - das, was Kaiserslautern auszeichnet -, ist das einfach zu wenig."

Da weiß man nicht: Soll man diesen Trainer nun bewundern, für seinen Mut, konsequent zu handeln, wenn er von einem Schritt überzeugt ist, ohne Rücksicht auf Namen? Oder sich eher wundern über die Arglosigkeit, mit der er seinen Kritikern Öl ins Feuer gießt?

Vor ein paar Wochen noch mag er geliebt worden zu sein für seine offene und impulsive Art, die Dinge an und auszusprechen. Doch nach drei Niederlagen in Folge tanzt in Kaiserslautern jeder Trainer auf der Rasierklinge, egal, wie oft er vorher gewonnen hat, nicht einmal ein Otto Rehhagel ist davon vor über 20 Jahren verschont geblieben. Da kann jede Aussage zum Bumerang werden, etwa auch der Satz: "Der Gegner hat genau in die Räume gespielt, die uns weh tun." Das ist für die, die den Trainer bereits anzählen, nun keine ehrliche, selbstkritische Analyse mehr, sondern ein Eingeständnis: Antwerpens Art, Fußball zu spielen, ist "ausgeguckt", sein Trainer-Kollege hat ihn regelrecht "ausgecoacht".

Neuausrichtung zur Halbzeit: Mit Klingenburg und Sessa im 4-4-2

Jedenfalls kann man dem Trainer nicht vorwerfen, dass seine Umstellungen in der Halbzeit keinen konkreten Ideen folgten. Sie schlugen sich nur nicht im Ergebnis nieder. Antwerpen brachte René Klingenburg für Innenverteidiger Boris Tomiak und stellte auf ein 4-4-2 mit Raute um, in dem Klingenburg die Zehner-Position übernahm.

Und für Wunderlich kam Nicolas Sessa, zum ersten Mal wieder seit seinem Einsatz gegen den TSV Havelse vor sieben Wochen. Vermutlich setzte Antwerpen auf den Feintechniker, weil der sich auch auf engstem Raum durch zwei, drei Gegenspieler zu knoddeln vermag. An guten Tagen jedenfalls. Als Sessa jedoch schon in der 54. Minute beim durchaus aussichtsreichen Versuch, einen Freistoß aufs Tor zu zirkeln, ausrutschte, dämmerte bereits: Sessas Tag würde es nicht werden. Ebenso wenig wie der des FCK.

Die kuriose Vierfach-Chance in der 63. Minute müssen wir da gar nicht detailliert besprechen, die lässt sich ohnehin nur im Bewegtbild begreifen. Insgesamt machte die Mannschaft in der zweiten Halbzeit ohne Frage ordentlich Druck. Und das Engagement, das sie dabei an den Tag legte, zeigte: Es steckt immer noch Feuer in ihr, auch nach der dritten Niederlage noch. Sie hat übrigens ebenso nach dem dritten Gegentreffer im Dortmund-Spiel weiter entschlossen auf eine Resultatsverbesserung gedrängt. Auch in Wiesbaden marschierte sie bis zum Schluss, nur, ohne die rechten Mittel zu finden.

Die Mannschaft ist wieder da, wo sie nach dem 8. Spieltag war

Mit dieser Leidenschaft kann also immer noch was gehen in dieser Saison, wenn sie wieder besser und genauer kanalisiert wird. Marco Antwerpen und seine Mannschaft stehen wieder dort, wo sie zu Saisonbeginn schon einmal standen, nach vier Niederlagen in sieben Spielen. Es folgte eine Woche der Neubesinnung, danach das spektakuläre Derby gegen Mannheim, in dem sie dem Gegner trotz zweier Platzverweise in der ersten Hälfte nach 90 Minuten ein 0:0 abtrotzten, was den Grundstein für den entscheidenden Richtungswechsel in dieser Spielzeit legte.

Wie sagte Marco Antwerpen im Winterpausen-Interview von Der Betze brennt:

"Was sich nach Magdeburg (der vierten Niederlage um siebten Saisonspiel; Anm. d. Red.) geändert hat, war, dass wir unsere Spiele mit einer ganz anderen Intensität führen, beispielsweise was Ballkontrolle, Passgenauigkeit und Umschaltmomente angeht. Das ist entscheidend." Der Re-Start hat einmal geklappt, dann ist er auch ein zweites Mal möglich.

Allerdings ist jetzt auch die Vereinsführung aufgefordert, Position zu beziehen. Jetzt bis zum ersten Relegationsspiel am 20. Mai die Gerüchteküchen weiter so brodeln zu lassen, wie sie bereits jetzt brodeln, wäre unerträglich. Für Mannschaft, Trainer und Fans.

Die xG-Grafiken: Die Timeline täuscht mal wieder

Zu den xG-Grafiken. Von dem "xG Total"-Ergebnis von 1.53 : 2.39 darf man sich nicht täuschen lassen. Den Hauptausschlag zugunsten des FCK verursacht die kuriose 63. Minute.

xG-Plot Köln-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Da der FCK zwei vollkommen unterschiedliche Halbzeiten in unterschiedlichen Formationen spielte, sollte sie eigentlich kaum aussagekräftig sein. Da sie aber schwerpunktmäßig die erste Hälfte abbildet, dokumentiert sie erstens gut die Rechtslastigkeit des Lautrer Spiels - und, wo sich der Ballbesitz hauptsächlich abspielte, hinten nämlich. Boyd und Redondo hängen dermaßen in der Luft, dass sie einem fast schon leid tun.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Kölner: Sieht ingesamt besser aus.

Passmap Köln

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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