Taktik-Nachlese zum Spiel VfL-FCK

DBB-Analyse: Mettbrötchen, Glück und ein genialer Moment

DBB-Analyse: Mettbrötchen, Glück und ein genialer Moment

Foto: Imago Images

Ja, es war ein Duselsieg des 1. FC Kaiserslautern. Oder: Drei Punkte mit Hilfe des Glücks, das die haben, die in der Tabelle oben stehen. Doch so ganz ohne eigenes Zutun lässt sich auch nicht gewinnen, schon gar nicht gegen den VfL Osnabrück.

Rational begründen lässt es sich wahrscheinlich nicht, aber: Spiele gegen Magdeburg scheinen im Saisonverlauf des FCK stets Wendepunkte darzustellen. In der Rückrunde der vergangenen Spielzeit kam es nach einem deprimierenden 0:1 beim FCM zu einer taktischen sowie geistig-moralischen Erneuerung, die den Lautrern am Ende noch den Klassenverbleib sicherte, nach zwischenzeitlich sieben Punkten Rückstand auf den ersten Nicht-Abstiegsrang. In der Vorrunde markierte abermals ein 0:1 gegen das Team von Christian Titz den Tiefpunkt eines schwachen Rundenstarts mit vier Niederlagen in den ersten sieben Spielen. Was FCK-Coach Marco Antwerpen erneut zum Anlass nahm, alles umzukrempeln. Es folgten 19 Partien mit nur einer Niederlage, was die Roten Teufel bis auf Tabellenrang zwei führte.

Vor nicht einmal vier Wochen schenkten die Magdeburger der besten Defensive der Liga nach fünf Zu-null-Spielen im eigenen Stadion dann gleich zwei Stück ein und jagten die Männer in Rot über weite Strecken der zweiten Halbzeit heftig vor sich her. Seither scheint der FCK, der es in den Wochen zuvor so gut verstanden hatte, auch bei gegnerischem Ballbesitz die Spielkontrolle zu bewahren, öfter vom Gegner beherrscht zu werden, als es für einen Aufstiegskandidaten angezeigt sein sollte. Und zunehmend auf sein Glück angewiesen zu sein.

Wieder optisch unterlegen: Ist der Antwerpen-Code geknackt?

Wie erinnern uns: Auch am folgenden Spieltag in Mannheim waren die Pfälzer optisch unterlegen. In der ersten Hälfte gegen Verl zeigten sie sich vom Mut des Tabellen-18. zu forschem Offensivspiel erstaunlich beeindruckt, trotz eines 2:1-Siegs am Ende. In der nächsten Partie hatten sie dem scharfen Angriffspressing der Münchner Löwen nicht viel entgegenzusetzen und mussten sich am Ende mit 1:2 "verdient" geschlagen geben. Gestern nun gab es zwar einen 1:0-Sieg in Osnabrück, allerdings nach einer zweiten Halbzeit, die zeitweise wie eine Wiederholung des München-Spiels aussah. Mit dem Unterschied, dass die unglücklichen Niedersachsen zweimal nur Aluminium trafen statt ins Tor.

Steht der FCK also nur noch oben, weil er auf einer Glückswelle reitet? Wirkt er nach seiner langen Erfolgsserie nun deswegen so unterlegen, weil seine Stärken und Schwächen "ausgeguckt" sind? Haben sich die Gegner nun auf Antwerpens Fußball eingestellt, so dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das Glück aufgebraucht ist und die Ergebniskrise beginnt?

Nicht unbedingt. Lautern über die defensiv anfälligere linke Seite zu knacken, sie früh zu pressen und im Zehnerraum zu bespielen, das haben auch die Gegner vor Magdeburg schon versucht, etwa Berlin bei seinem Gastspiel auf dem Betzenberg. Die Mannschaften, auf die der FCK zuletzt traf, konnten es allerdings besser als andere zuvor.

Kleiner Exkurs: Was die jüngsten FCK-Gegner besonders gut können

Beim Scrollen durch die Datenbänke des Anbieters "wyscout" zeigt sich: Magdeburg, Mannheim, Verl und Osnabrück sind die vier Teams der Liga, die den ballführenden Gegner früher angreifen als alle anderen. 1860 München kommt im Saisondurchschnitt zwar nicht auf deren "Passes per defensive Action"- (PPDA)-Werte, aber dass die Löwen am vergangenen Dienstagabend ein 1a-Pressingspiel aufzogen, kann wohl jeder bestätigen, der die Partie gesehen hat.

Magdeburg und Osnabrück stellen zudem die Mannschaften, deren Spiel generell auch das am stärksten ballbesitzorientierte der Liga ist. Und Magdeburg, Verl, Osnabrück und Mannheim gehören zu den "Top Five" in Sachen und Dribblings und Zweikämpfen.

Will sagen: Der FCK sah gegen diese Gegner nicht schlecht aus, weil diese ihren Stil gezielt auf dessen spezifische Schwächen ausgerichtet hatten - vielmehr versuchen die, immer so zu spielen. Außerdem muss man selbst, wenn man einen Gegner augenscheinlich beherrscht, das Leder erst mal ins Tor kriegen, frag nach in Mannheim. Und Glück gehört nun einmal auch zum Spiel. Sogar die dominanten und unbestritten "verdienten" Sieger von München benötigten für ihre beiden Treffer einen abgefälschten Torschuss und einen Stellungsfehler des Gegners nach einem ruhenden Ball.

Davon abgesehen war der FCK in keiner Partie über 90 Minuten unterlegen. Gegen Magdeburg waren die Lautrer in der ersten Halbzeit auch spielerisch ebenbürtig, gegen Verl in der zweiten sogar dominant. In München stehen immerhin 15 starke Anfangsminuten zu Buche, in Osnabrück mindestens 25. Wie diese zustande kamen?

In Osnabrück wieder im 3-4-3-System - ohne Wunderlich und Götze

Marco Antwerpen hatte wieder einmal überrascht. Mike Wunderlich, das war bekannt, fehlte wegen der fünften Gelben Karte. Wohl jeder hätte darauf gesetzt, dass Felix Götze nun mehr denn je gebraucht würde, um für spielerische Linie zu sorgen. Aber: Götze saß zunächst auf der Bank. Für ihn und Wunderlich rückten René Klingenburg und Hikmet Ciftci in die Startelf, zudem kehrte Philipp Hercher erwartungsgemäß auf seinen Stammplatz zurück.

Warum? Antwerpen schickte seine Allzweckwaffe "Klinge" ins Sturmzentrum. Für die dadurch entstehende 3-4-3-Formation erschien ihm Ciftci möglicherweise als der geeignetere Sechser neben Marlon Ritter. Interessant: Vor vier Wochen in Zwickau hatte der Coach ebenfalls mit einer 3-4-3-Anordnung begonnen. Und die hatte eigentlich gar nicht mal so gut funktioniert, bis Terrence Boyd kurz vor der Pause dann doch den Führungstreffer markierte und es am Ende sogar 2:0 stand.

Diesmal aber ging die Rechnung auf. Die Osnabrücker, die gerne gepflegt von hinten heraus spielen, wurden durch die früh attackierende Dreierreihe um den "Aggressive Leader" Klingenburg schwer ausgebremst. Der FCK eroberte viele Bälle noch in Gegners Hälfte, auch wenn es zu nicht mehr als "Tor-Annäherungen" kam, unter anderem nach einem starken Flankenlauf Herchers.

Die Frage war nur: Wie lange würden die Betze-Buben ein solches Angriffspressing durchhalten? Irgendwann lässt da doch die Konzentration nach…

Mitte der ersten Hälfte kommt der VfL auf, der FCK hält bis zu Pause mit

Nach 24 Minuten war es soweit. Nach einer Ecke von Aaron Opuku - mit bislang neun Assists übrigens der drittbeste Vorlagengeber der Liga - brauchte es eine Glanztat Matheo Raabs, um den Rückstand zu verhindern.

Wir erinnern uns: Schon am Dienstagabend hatte ein ruhender Ball die Niederlage in München herbeigeführt. Und der erste Lattentreffer der Osnabrücker in Hälfte zwei folgte ebenfalls nach einer Ecke. So ein bisschen droht die beste Defensive der Liga ihre Souveränität nach ruhenden Bällen zu verlieren.

Diese erste Torgelegenheit wurde für die Gastgeber zum Hallo-Wach-Moment, denn von nun an kamen sie zunehmend besser ins Spiel. Bis zur Pause gaben die Roten Teufel aber noch einigermaßen Kontra. Redondo und Hercher meldeten sich, ebenfalls nach ruhenden Bällen, mit ordentlichen Abschlussversuchen.

Hälfte zwei: Das Spiel kippt endgültig - und "Klinge" muss raus

Nach der Pause schien das Spiel vollends zugunsten der Osnabrücker zu kippen. Hatte VfL-Trainer Daniel Scherning seinen Jungs etwa nochmal Ausschnitte des FCK-Spiels in München gezeigt? Die Niedersachsen setzten nun genau da an, wo auch die Sechzger die Roten Teufel gepackt hatten. Eroberten sich die Bälle schon früh im Mittelfeldzentrum, besetzten den Spielfläche vor dem gegnerischen Sechzehner, suchten immer wieder Abschlüsse im Rückraum.

Antwerpen reagierte, brachte nach einer knappen Stunde Götze für Ciftci, wohl, um wieder mehr Zugriff in der Zentrale zu bekommen. Viel fruchtete das nicht, und nur zehn Minuten später kam es zu einem viel härteren, weil ungewollten Einschnitt: Klingenburg blieb nach einem Zusammenprall liegen, musste raus. Und während seine Teamkollegen den Schock noch verarbeiteten, vollzog sich eine dieser wundersamen Geschichten, wie sie nur der Fußball schreibt: Für Klingenburg aufs Feld kam - Terrence Boyd. Der am Freitag doch eigentlich zuhause geblieben war.

Dann kam der Mann, der seine Kraft aus einem Mettbrötchen schöpfte

Aber: Boyd hatte sich am Samstagmorgen überraschend doch noch freigetestet, sich anschließend von Sportchef Thomas Hengen nach Niedersachsen karren lassen und unterwegs zur Stärkung zwei Tassen Kaffee und ein Mettbrötchen zu sich genommen.

Und wie muss diese Geschichte nun ausgehen, so sie denn ein Happy End haben soll?

Richtig: Boyd war neun Minuten auf dem Platz, als Hendrick Zuck mit einem fantastisch getimten langen Ball Daniel Hanslik auf die Reise schickte. Der schlug eine Traumflanke mit links. Am langen Eck stand Boyd frei - der war zuvor in der eigenen Hälfte übrigens noch am Lautrer Ballgewinn beteiligt. Und netzte.

Anschließend griff Osnabrück an, durchaus auch strukturiert, traf auch nochmals die Latte, aber die Roten Teufel warfen sich mit viel Leidenschaft in die Bälle - für "Klinge", wie sie später unisono erklärten. Redondo hatte sogar noch das 2:0 auf dem Fuß. Aufgelegt hatte ihm die Chance Ritter, der Sechser, der sich bei einer gegnerischen Ecke wieder mal an der Mittellinie postiert hatte, um auf den Konter zu lauern.

Nach zwölf Minuten Nachspielzeit - Klingenburgs lange Behandlung hatte diese notwendig gemacht - hatte Osnabrück dann verloren. Unglücklich. Der FCK hatte gewonnen. Nicht nur glücklich. Aber eben auch.

Die xG-Timeline: "Unverdienter" Sieg, aber damit lässt sich leben

Die xG-Timeline weist den FCK folgerichtig auch als "unverdienten" Sieger aus. Muss man halt so akzeptieren. So richtig vorbeigezogen, was die "expected Goals" angeht, ist der VfL aber erst mit der letzten Tor-Aktion des Spiels, als der eingewechselte Oliver Wähling aus spitzem Winkel vor Raabs Kasten nochmal frei zum Schuss kam.

xG-Plot Osnabrück-FCK

Die Positions- und Passgrafik der Antwerpen-Elf: Nein, das ist nicht das Bild, das ein "verdienter" Sieger abgeben sollte. In Wunderlichs voll- und Götzes teilzeitiger Abwesenheit war übrigens der linke Außenbahnspieler Zuck der wichtigste Aufbauspieler. Denn aus dem Zentrum lief nun einmal nichts.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Osnabrücker. Ja, so spielt man Fußball. Heißt aber trotzdem nicht, dass man gewinnt, wie wir gesehen haben.

Passmap Osnabrück

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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