Taktik-Nachlese zum Spiel BVB-FCK

Die DBB-Analyse: Abnutzungskampf mit Herzaussetzern

Die DBB-Analyse: Abnutzungskampf mit Herzaussetzern


War’s nun "ein 0:0 der besseren Sorte"? Oder waren es aus Sicht des 1. FC Kaiserslautern "zwei verschenkte Punkte", die in der Endabrechnung noch weh tun könnten? Es bleibt wie so oft Ansichtssache. Eines war die Partie bei Borussia Dortmund II auf keinen Fall: langweilig.

Es war wie so oft, wenn der FCK in der 3. Liga auf zweite Mannschaften der Bundesliga trifft: ein etwas anderes Spiel halt. Gegen einen Gegner nämlich, der das Spiel selbst zu dominieren versucht, auch über längere Phasen hoch presst und bei Ballbesitz das Leder auch mal über ein paar Stationen laufen lässt, bevor er den Weg in den Strafraum sucht. Und die Roten Teufel zeigten sich davon auch erst einmal recht beeindruckt. Die nach wie vor beste Defensive der Liga hielt jedoch stand, auch wenn sie nach einer Standardsituation ganz schön ins Schwimmen geriet.

Nach zehn Minuten startete die Antwerpen-Elf dann erste eigene Angriffsversuche, wobei einmal mehr ihr mittlerweile typisches asymmetrisches Flügelspiel auffiel. Fast alle Aktionen wurden über die rechte Seite vorgetragen, über den nach seiner Pause gegen Wehen zurückgekehrten Philipp Hercher, der in puncto Laufintensität überragte, dessen Flanken aber keine Adressaten fanden. Hendrick Zuck auf der anderen Seite, der aufgrund des Fehlens von Jean Zimmer die Mannschaft als Kapitän auf den Platz führte, stand wesentlich tiefer und versuchte, Herchers Flankenläufe mit diagonalen Seitenwechseln einzuleiten.

Tomiak: Der Dampfmacher hatte diesmal Glück im Kartenspiel

Boris Tomiak profilierte sich wieder als Hybrid von rechtem Innen- und Außenverteidiger - mit dem links einpendelnden Zuck wurde die Dreier- dann zur Viererkette. Der Überflieger aus Düsseldorf sah allerdings auch früh die Gelbe Karte, seine fünfte, womit er am Wochenende gegen Viktoria Köln fehlen wird. Und er hatte Glück, dass er nach einem zweiten Foul Mitte der zweiten Hälfte nicht beide Kartons hintereinander betrachten durfte.

Interessant aber: Marco Antwerpen wechselte den nun akut Gelb-Rot-gefährdeten Abwehrmann nicht aus - überhaupt nutzte er im gesamten Spiel nur zwei von seinen insgesamt fünf möglichen Wechseloptionen. Vielleicht, weil er Tomiak mittlerweile für unverzichtbar hält. Vielleicht aber auch, weil die Alternativen ein Stühlerücken im Defensivverbund notwendig gemacht hätten, das der Trainer nicht riskieren wollte. Julian Niehues oder Hikmet Ciftci sind eher in der Abwehrzentrale zuhause, Max Hippe hätte dann auf die rechte Seite rücken müssen.

Insbesondere Tomiak und der linke Innenverteidiger Alex Winkler droschen auch immer wieder mal langen Bälle ins Angriffsdrittel. Im Gegensatz zur Partie gegen Wehen landeten diese aber zumeist in der Abwehrreihe der Schwarzgelben. Das lag daran, dass sie Langholz meist von quirligen Borussen bedrängt schlagen mussten, aber auch daran, dass die Spitzen Kenny Redondo und Daniel Hanslik nicht mit annähernd so gutem Timing wie vor Wochenfrist gegen den SVWW in die Räume starteten.

Redondo? Ja, Antwerpen hatte den Linksfuß nach zuletzt zwei starken Auftritten in der Startelf gelassen, obwohl Stammplatz-Aspirant René Klingenburg wieder zur Verfügung stand. Überhaupt hatte der Trainer die Anfangsformation, die vor acht Tagen eigentlich als "Notelf" gestartet war, nur auf zwei Positionen geändert: Hercher kehrte für Dominik Schad zurück, Felix Götze für Nicolas Sessa.

Hälfte zwei: Alles viel, viel besser, nur die Torausbeute nicht

So gestalteten sich die ersten 45 Minuten in der Tat in erster Linie als der "Abnutzungskampf", den auch Lauterns Mittelfeldlenker Mike Wunderlich hinterher gesehen hatte. Das holprige Geläuf im Stadion Rote Erde tat sein übriges, sodass Strafraumszenen Mangelware blieben. Die Highlights setzten zwei Schussversuche von außerhalb des Zentrums: Immanuel Pherai prüfte aus 17 Meter Lauterns Schlussmann Avdo Spahic - der 20-jährige Niederländer war ins Spiel gebracht worden, weil seine Mitspieler wieder mal einen langen Ball aus Lauterns Abwehr direkt pariert hatten. Auf der Gegenseite zimmerte Mike Wunderlich einen Querpass von Hendrick Zuck aus 18 Meter an die Unterkante der Latte. Hier war zuvor ein vertikaler Ball von Winkler abgeblockt worden, den er sich aber stante pede zurückholte - auch so kann "Spiel auf zweite Bälle" aussehen.

Zu Hälfte zwei: Die Roten Teufel rückten weiter auf, attackierten früher und entschlossener, hatten den BVB fast über die gesamte Restspielzeit hinweg vollkommen im Griff. Und wäre ihnen auch noch der Siegtreffer geglückt, der Lobgesang würde an dieser Stelle kein Ende nehmen. Doch leider wurden sämtliche, zum Teil hochkarätige Einschussgelegenheiten vergeben. Im Einzelnen sind diese bereits in unserem Spielbericht geschildert - und die meisten FCK-Anhänger dürften sich ohnehin schon über den TV-Bildern die Haare genug gerauft haben.

Halten wir an dieser Stelle lieber ein paar Randbeobachtungen fest. Unmittelbar vor Marlon Ritters Herzinfarkt-Moment in der Nachspielzeit offenbarte sich dem eingewechselten Ted Tattermusch die einzige BVB-Chance der zweiten Hälfte, doch Spahic lenkte seinen Kopfball mit den Fingerspitzen gerade noch über die Latte. Wie viele Tore hat der FCK in den vergangenen Jahren in Phasen kassiert, in denen vermeintlich nichts mehr anbrennen konnte? Zumindest dieses Schicksal scheint sich diese Saison langsam zu wenden.

Hanslik, Zuck und Götze zeigen: Es geht auch mal über links

Und ja, na klar, Daniel Hanslik hatte bei seiner "Hundertprozentigen" in der 59. Minute zu lange gezaudert. Bevor jetzt aber alle auf ihn einprügeln: Bitte auch mal genauer hinschauen, wie Hanslik zuvor Zucks Vertikalpass im Zentrum an- und mitnahm und anschließend auf Hercher querlegte - so viel technische Feinarbeit gibt es in der 3. Liga nur selten zu sehen.

Hanslik hatte zudem die Großchance für Hercher in der 71. Minute aufgelegt. Im Zusammenspiel mit Felix Götze - und das über die linke Seite. Es muss also nicht immer alles nur über rechts laufen. Und apropos Götze: Der überzeugte über 90 Minuten spielerisch und kämpferisch, nähert sich nun langsam wieder der Form, die ihn zum Finale der vergangenen Saison zum wichtigsten Aktivposten im Abstiegskampf machte.

Schade, dass er sich nicht klarer entscheiden konnte, ob er Wunderlichs 50-Meter-Schlag an den Sechzehner annehmen oder direkt schießen sollte - in der Szene hatte sich übrigens mal ein Lautrer einen Befreiungsschlag der Dortmunder sofort hinter der Mittellinie zurückerobert. Ältere FCK-Fans erinnerten sich in diesem Moment vielleicht an Erwin "Jimmy" Hoffer: Der hatte einst in Stuttgart mal so ein langes Ding direkt mit der Pike über den gegnerischen Keeper gelupft.

Unterm Strich gibt es also auch ein paar Anlässe, sich über dieses 0:0 nicht nur zu ärgern. Eine Garantie, dass in der Endabrechnung gerade diese beiden Punkte fehlen, gibt’s zwar nicht - aber noch jede Menge Gelegenheiten, sie anderorts wieder hereinzuholen.

Ergänzung, 30.11.2021: Die xG-Plots: Was ist mit Ritters Großchance?

Die Timeline der xG-Plots mutet auch diesmal wieder etwas gewöhnungsbedürftig an. In der Tat springt direkt ins Auge: Ritters Herzinfarktmoment am Spielende findet gar keinen Niederschlag mehr. Nach Tattermuschs Kopfballchance, die auch nach expected Goals-Maßstäben nicht von schlechten Eltern war, ist Schluss. Muss man nicht verstehen.
Ansonsten sei nochmals drauf hingewiesen: Distanzschüsse, bei denen sich im Moment des Abschlusses etliche Spieler zwischen Ball und Tor befinden, werden stets mit niedrigen xG-Werten bedacht. Denn es ist statistisch erwiesen, dass solche Geschosse viel seltener einschlagen als der subjektive Fußballgucker vermutet. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass Mike Wunderlichs fulminanter Lattenkracher mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von grade mal fünf Prozent bedacht ist. Der Sprung bei Hansliks Torchance indes spricht für sich.

xP-Plot BVB-FCK

Zur Positions- und Passgrafik: Spiegelt im Prinzip die bereits beschriebene Formation wieder, auffällig wie immer die Rechtslastigkeit des FCK-Spiels. Hingewiesen sei auch auf den kräftigen Pfeil, der von Alexander Winkler zu Hanslik führt. Der linke Innenverteidiger ist also der in der Abwehrreihe, der sich öfter als jeder andere an Langholz versucht. Ob Boris Tomiak künftig eher als rechter Außenverteidiger oder rechter Innenverteidiger geführt werden sollte? Da sollen die "kicker"-Ranglistenmacher entscheiden.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Dortmunder: Wie oben bereits beschrieben, lassen die Schwarzgelben den Ball gerne lange "hintenrum" laufen, ehe sie den Weg zum Tor suchen - das ist bei Drittligisten eher ungewöhnlich. Auffällig auch die exponierte Position von Supertalent Youddoufa Moukoko. Viel draus gemacht hat er ja nicht, da hat Lauterns Hintermannschaft einmal mehr gute Arbeit geleistet.

Passmap BVB

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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