Taktik-Nachlese zum Spiel FCH-FCK

Die DBB-Analyse: Ache lässt es krache

Die DBB-Analyse: Ache lässt es krache

Foto: Imago Images

Ein Tag wie Gold: Mit einem 3:0 in Rostock reagiert der FCK eindrucksvoll auf die 0:4-Klatsche gegen Karlsruhe. Ein früher Treffer und ein Platzverweis relativieren den Erfolg allerdings ein wenig.

780 Kilometer lang ist die Strecke zwischen Kaiserslautern und Rostock. Sie hätte am späten Samstagnachmittag locker neu gepflastert werden können - mit den Steinen, die den Anhängern des 1. FC Kaiserslautern vom Herzen gefallen waren. Die Roten Teufel hatten auf das niederschmetternde 0:4 am vergangenen Wochen zuhause gegen Karlsruhe eine beeindruckende Reaktion gezeigt. Zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, gegen den richtigen Gegner. Gastgeber Hansa Rostock wäre bei einem Heimsieg in der Tabelle an den Betze-Buben vorbeigezogen und hätte sie auf Abstiegsrang 17 rutschen lassen.

Das waren also absolute "Big Points", die die Pfälzer mit nach Hause nahmen. Wir wissen nicht, mit welcher Musik der zuständige Team-DJ die Heimreise beschallte. Wir hätten empfohlen: "Ein Tag wie Gold", den Song, den Max Raabe in der jüngsten Staffel von "Babylon Berlin" populär machte. Denn nicht mehr und nicht weniger wert war dieses 3:0 für den FCK.

Drei Umstellungen - eine davon war eine "Bauchentscheidung"

Ja, wir könnten in diesem Stil noch 200 Zeilen weitermachen. Etwa in Gedenken an Tina Turner eine Hymne auf den dreifachen Torschützen Ragnar Ache anstimmen - "We don't need another hero". Oder auf Coach Friedhelm Funkel - "He's simply the best" -, der nach der Klatsche gegen den KSC offenbar die richtigen Worte fand und auch mit seinen drei Umstellungen richtig lag.

Dass Tymo Puchacz nach seiner Gelb-Sperre für Ben Zolinski in die Mannschaft zurückkehrte, war keine Überraschung. Doch auch Julian Niehues fand sich in der Startelf wieder. Er bildete im zentralen Mittelfeld erneut ein gut funktionierendes Duo mit Filip Kaloc. Dergleichen hatten die beiden in der kurzen Ära von Trainer Dimitrios Grammozis in den Partien gegen Schalke und Paderborn auch schon gut hinbekommen.

Boris Tomiak konnte dadurch in die Abwehrreihe zurückgezogen werden und Kevin Kraus ersetzen. Wo er der Viererkette den nötigen Speed in der Rückwärtsbewegung gab, der bei drei der vier Gegentreffer gegen Karlsruhe schmerzlich vermisst worden war. Das war auch notwendig, denn die Gäste positionierten sich schon von Beginn an sehr hoch, wie diese "Wscout"-Visualisierung zeigt:

Durchschnittliche Aufstellungslinie Rostock-FCK

Außerdem nominierte Funkel Aaron Opoku für Richmond Tachie in die Startelf. Vor dem Spiel sprach der Coach davon, dass eine seiner Neubesetzungen eine "Bauchentscheidung" war. Es dürfte sich um diese gehandelt haben. Tachie ist mit drei Treffern und sechs Assists immerhin zweitbester Scorer des Teams, wirkte zuletzt aber zunehmend überspielt, je länger eine Partie dauerte.

Dennoch: Der Chancenwucher macht Sorge

Angesichts von immer noch erst 25 Punkten, gerade mal Platz 15 und noch zehn ausstehenden Spielen muss aber auch mal auf die Euphoriebremse getreten werden. So deutlich das Ergebnis am Ende für den FCK ausfiel, es kam durch einige Umstände zustande, die sich nicht jedes Wochenende ergeben.

Gerade in solchen Nervenschlachten ist es nun einmal eine Gnade, ein frühes erstes Tor erzielen zu dürfen. Ragnar Ache glückte dies bereits nach fünf Minuten. Marlon Ritter leitete ein flaches Zuspiel von Opoku auf den Torjäger weiter, so dass dieser keine Mühe hatte, aus sechs Metern einzuschieben.

Die Lautrer waren von Beginn an und erst recht nach dem Führungstreffer gut im Spiel, vor allem über die rechte Seite mit Opoku und Jean Zimmer. Doch der Chancenwucher, den sie betrieben, war ein wenig beängstigend, da sich ein solcher oft genug rächt, gerade im Abstiegskampf. Der schlechte Tabellenplatz der Roten Teufel mag vielen Schwächen geschuldet sein, bei der Verwertung von Torgelegenheiten belegten sie bislang immerhin Platz 5 im entsprechenden "Kicker"-Ranking. Diesmal aber scheiterte beispielsweise ein Kenny Redondo nach 14 Minuten völlig freistehend an Hansa-Keeper Markus Kolke.

Zur Ehrenrettung der Nummer 11 gesagt werden muss: Diesen Ball hatte er Sekunden zuvor in Pitbullmanier Rostocks zentralem Innenverteidiger Oliver Hüsing abgejagt. Und diesen traumatisierte dieses Erlebnis offenbar so sehr, dass er sich in den folgenden 25 Minuten zwei gelbwürdige Fouls leistete. Danach durfte Hüsing seinen Arbeitstag frühzeitig beenden. Und Lautern durfte daraufhin über 50 Minuten in Überzahl spielen. Womit einige Zahlen, Daten und Fakten aus dieser Partie nur sehr relativiert zu betrachten sind. Etwa der vollkommen FCK-untypische Ballbesitzwert von 56 Prozent. Oder, dass diesmal kein Nachlassen der Elf in der zweiten Hälfte zu erkennen war. Ist beim Spiel Elf gegen Zehn ja wohl nicht allzu schwer.

Gar nicht gut: Die ersten 15 Minuten der zweiten Halbzeit

Ausgenommen werden muss allerdings die erste Viertelstunde nach der Pause. Die war gar nicht gut, was auch Trainer Funkel nach dem Spiel mit deutlichen Worten bemängelte. Hansa-Trainer Mersad Selimbegovic hatte sein Team mittlerweile in einem 4-4-1 formiert. Als Keilspitze brachte er zunächst Junior Brumado für den Isländer Sveinn-Aron Gudjohnsen, kurz darauf den Techniker Sarpreet Singh für Juan-José Perea, was zu einigen vielversprechenden Aktionen nach vorne führte. Auf der Gegenseite scheiterte Ache aus kurzer Distanz an Kolke. Abermals hatte Opoku dem Goalgetter aufgelegt.

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, wenn das Spiel in dieser Phase zuungunsten des FCK gekippt wäre. Erlösung brachte erst Aches zweiter Treffer in der 66. Minute. Dabei wurde endlich mal ein Einschlag gegen einen hinten bereits formierten Gegner herausgespielt. Tomiak stoppte einen Befreiungsversuch der Gastgeber noch in deren Hälfte, passte auf Kaloc ins Zentrum, der spielte Doppelpass mit Ache, zog aus 16 Metern ab. Kolke parierte, Ache staubte ab - dergleichen darf gerne auch mal gegen vollzählig agierende Teams versucht werden.

Seinen Dreierpack perfekt machte der 25-jährige Ex-Frankfurter in der 76. Minute. Erneut aus kurzer Distanz, nach einer Ecke Ritters. Niehues hatte verlängert, der eingewechselte Tachie den Schützen freigeblockt. Klar, dass Ache anschließend der gefeierte Mann war und allerorten Bestnoten einheimste. Aber auch in seinem Fall erlauben wir uns die nüchterne Feststellung: Bei allen Treffern bewies der Torjäger ohne Frage Instinkt und Geistesgegenwart. Wirklich schwer zu erzielen - so, wie etwa sein furioses Kopfballtor unlängst zum 2:1 gegen Schalke - war davon allerdings keiner.

Helden in Aches Schatten: Opoku, Elvedi, Zimmer

Drum feiern wir zum Abschluss lieber ein paar FCK-Spieler, auf die andere Beschreiber dieser Partie vielleicht keinen so großen Wert legen. Aaron Opoku zum Beispiel, der erst seinen zweiten Startelf-Einsatz seit dem Saisonauftakt gegen den FC St. Pauli verzeichnete und sich unbedingt für weitere empfahl. Jan Elvedi, bei dem so langsam mal Abbitte geleistet werden muss. Er ist eben nicht nur zweikampfstark, sondern weist mittlerweile auch eine hohe Passsicherheit auf: 92 Prozent Präzision meldet "Wyscout", bei Vorwärtspässen ebenfalls starke 85 Prozent. Kurz vor Schluss hätte Elvedi beinahe noch eine Ecke eingenickt, doch Kolke lenkte seinen Kopfball gerade noch an die Latte.

Beste Balleroberer war er obendrein. Gefolgt von Jean Zimmer, der so oft als erster kritisiert wird, wenn's nicht läuft. Diesmal überzeugte der Capitano mit einer Passquote von 89 Prozent insgesamt, 81 Prozent bei Vorwärtspässen. Sicherte Vordermann Opoku ab, hatte aber auch selbst drei Ballkontakte im gegnerischen Strafraum. Mehr als sein marschierfreudiger Kollege Puchacz gegenüber. Der hätte dafür umso Haar noch ein Traumtor zum 4:0 erzielt. Doch sein mit dem Außenspann gezirkeltes Kunstgeschoss krachte lediglich gegen die Torlatte.

Mit dem VfL Osnabrück wartet kommenden Sonntag nun das nächste Kellerkind auf den FCK. Das hat bislang zwar nicht so viele Punkte auf dem Konto, pflegt aber nahezu jedem Kontrahenten heftige Gegenwehr zu leisten, bevor es sich geschlagen gibt. Ein Gast, der unter Umständen niedergerungen werden muss, ohne dass ein frühes Erfolgserlebnis und ein Platzverweis Hilfestellung leisten. Gelingt das nicht, wäre dieser Sieg an der Ostsee nur noch die Hälfte wert.

Nicht zu vergessen: Niehues' starke Vorstellung auf der Sechs

Zu den Grafiken. Klarer Sieg für Lautern auch in der xG-Timeline. "bundesliga.de" hat sogar ein Ergebnis von 0.37 : 3.83 errechnet.

xG-Timeline Rostock-FCK

Die Positions- und Passmap des FCK: Viel Passkommunikation in der vorderen Reihe, so soll das sein. Und wiederholt fällt auf, wie hoch Filip Kaloc (26) positioniert ist. Funkels in der Regel als 4-2-3-1 dargestellte Grundordnung könnte daher auch als 4-1-4-1 gelesen werden.

Passmap FCK

Die Passmap der Rostocker: Wird wohl weder Freund noch Feind interessieren.

Passmap Rostock

Die Überkreuztabelle der geführten Duelle (wie immer: anklicken zum vergrößern): Neben den bereits erwähnten Helden im Schatten Aches darf auch noch Niehues herausgehoben werden. Starke Vorstellung auf der Sechs.

Zweikampf-Duelle Rostock-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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