Porträt: Der neue Cheftrainer des 1. FC Kaiserslautern

Friedhelm Funkel und die logische letzte Mission

Friedhelm Funkel und die logische letzte Mission

Foto: Imago Images

Friedhelm Funkel kehrt zurück. 41 Jahre, nachdem er den Betzenberg als Spieler verlassen hat, soll er den Verein in Liga Zwei halten. Seine vielleicht letzte Aufgabe als Trainer. Dass sie sich ihm beim FCK stellt, ist von geradezu romantischer Logik.

Sein wohl herzlichstes Bekenntnis zum 1. FC Kaiserslautern datiert vom Samstag, dem 27. Januar 2018. "Diese Mannschaft, dieser Verein, der darf nicht aufstecken. Es ist noch alles möglich, es sind noch genügend Spiele", sprach er in der Pressekonferenz nach dem Heimspiel des FCK gegen Fortuna Düsseldorf. "Sie können noch genügend Punkte machen, doch dafür muss man zusammenhalten. Dafür muss ganz Kaiserslautern zusammenhalten, dafür müssen die Fans so, wie sie es heute gemacht haben, hinter ihrer Mannschaft stehen. Alle müssen gemeinsam versuchen, dieses Ziel noch zu erreichen, was auch ich mir wünsche für den 1. FC Kaiserslautern. Es ist zwar schon fast 35 Jahre her, dass ich hier gespielt habe, aber ich denke immer noch an meine Zeit hier zurück. Der 1. FC Kaiserslautern ist immer in meinem Herzen geblieben."

Der FCK hatte die Partie gerade 1:3 verloren. Als Tabellenletzter der Zweiten Liga. Gegen den Tabellenersten, Fortuna Düsseldorf. Und Friedhelm Funkel sprach diese Worte, wohlgemerkt, als Trainer der Siegermannschaft. Wer den Lebenslauf dieses Mannes bis dato nur vom Papier her kannte, mochte ein wenig verblüfft gewesen angesichts der innigen Verbundenheit, die der Coach dem gerade geschlagenen Gegner gegenüber ausdrückte.

Nur drei Jahre FCK, doch die wurzeln tief

Düsseldorf war die nunmehr zehnte Trainerstation des damals 64-Jährigen, den 1. FC Kaiserslautern hatte er noch nie gecoacht. In den vergangenen drei Jahrzehnten war mit Bayer Uerdingen gleich zweimal, dazu mit MSV Duisburg, dem 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt aufgestiegen, mit der Fortuna sollte es ihm gerade ein sechstes Mal glücken - Rekord! Dazu führte er mehrfach erfolgreiche Rettungsmissionen, Duisburg und Frankfurt führte er obendrein ins DFB-Pokal-Finale.

Okay, als Aktiver kickte Friedhelm Funkel auch mal drei Jahre lang für den FCK. Aber das Trikot seines Heimatvereins Bayer Uerdingen trug er als Profi 14 Jahre lang, und auch mit dem feierte er zwei Aufstiege und den einzigen Titel seiner bisherigen Karriere, den DFB-Pokal-Sieg 1985. Mit dem FCK dagegen war er lediglich einmal, 1981, in einem Pokalfinale unterlegen. Warum also solche gefühligen Worte eines gebürtigen Neussers in Richtung Pfalz?

Offenbar, weil an so einem Verein eben mehr hängen kann als nur Erinnerungen an gewonnene Titel oder Rekordeinsätze. Etwa an besondere Menschen, besondere Spiele, besondere Stadionkulissen, besondere Nächte. Und in Kaiserslautern war's ganz besonders eine Nacht, die Friedhelm Funkel nie vergessen hat. Die vom 17. auf den 18. März 1982, von Mittwoch auf den Donnerstag.

Die Nacht der Nächte

An diesem Abend traf der kleine Verein aus der Pfalz auf den größten dieses Planeten. Real Madrid. Dass er solche Partien überhaupt einmal bestreiten würde, hätte wenige Jahre zuvor niemand jemals zu träumen gewagt. Bis 1978 ein Mann in die Pfalz kam, der dem kleinen Verein zeigte, dass sich gerade in der Provinz den Großen das Fürchten ganz besonders gut lehren lässt. Kalli Feldkamp hieß er. Er stammte aus Oberhausen, 60 Kilometer von Funkels Geburtsort Neuss entfernt. 1980 hatte der Trainer Feldkamp den Spieler Funkel aus Krefeld geholt. Ihm gefiel dessen Schlitzohrigkeit, die ihn für taktische Aufgaben aller Art prädestinierte, und vor allem dessen unnachahmliche Masche, Bälle an gegnerischen Torhütern vorbeizuschlenzen. Insgesamt sollte Funkel in den kommenden drei Jahren 90 Pflichtspiele für den 1. FC Kaiserslautern bestreiten, dabei 34 Treffer erzielen.

Das Hinspiel im ehrwürdigen Bernabeu-Stadion hatten die Lautrer 1:3 verloren. Friedhelm Funkel war schon in der ersten Halbzeit mit einer Trage vom Platz gebracht worden. Bis einen Tag vor dem Rückspiel hatte er nicht eine Sekunde mehr trainieren können. Und eigentlich hatte er auch noch Schmerzen, als Kalli Feldkamp ihn fragte, ob er spielen könne: "Aber ich habe trotzdem 'Ja' gesagt." Und weiter: "Habt keine Angst vor den Spaniern", erklärte Feldkamp seinen Jungs in der Kabine, "und geht selbst bis an die Grenze des Erlaubten, bringt das Publikum hinter euch!" Und dann: "Als wir die kleine Treppe zum Spielfeld hochgingen, wurden wir von einer Woge der Begeisterung empfangen. Diese Enge im vollen Stadion - unbeschreiblich!"

An diesem Abend schlug der 1. FC Kaiserslautern Real Madrid mit 5:0. Funkel markierte die ersten beiden Treffer. Die anschließende Nacht erlebte Kaiserslautern wie im Rausch. Friedhelm Funkel feierte mit seinem Vater und seinem Bruder Wolfgang, die beide zu Besuch gekommen waren. Wolfgang Funkel sollte später ebenfalls die Stiefel für die Roten Teufel schnüren. "Das hat uns immer mit dem FCK verbunden und das wird auch immer so sein", erklärte Friedhelm Funkel bei seiner Vorstellung am Mittwoch.

Feldkampf und Funkel: Dem FCK immer verbunden

"Kalli Feldkamp hat eine großartige Mannschaft geformt, die nicht nur auf dem Platz zusammengehalten hat", erinnerte sich Friedhelm Funkel später. "Wir sind nach den Spielen fast immer geschlossen in die Kaiserslauterer Altstadt gegangen und haben dort gefeiert."

Und der Abschied aus Kaiserslautern im Jahre 1983 habe ihm "den traurigsten Moment seines Sportlerlebens" beschert, gestand er 2020 im Interview mit "11 Freunde". Kalli Feldkamp war mittlerweile gegangen, und der neue Trainer Dietrich Weise eröffnete dessen einstigem Lieblingsschüler nun, dass "er zu alt und nicht mehr leistungsfähig" sei ... Funkel war damals 29 Jahre alt und hatte gerade einen Achillessehnenriss auskuriert. Er wechselte zurück nach Uerdingen, wurde wieder fit und spielte noch sieben Jahre. Dabei kam er auf 189 Einsätze und schoss 40 Tore. Von seiner Erfahrung mit Weise dürfte er für seine spätere Trainerkarriere die Erkenntnis mitgenommen haben: Auch vermeintlich große Kollegen können ganz schön falsch liegen.

Wer saß auf der Trainerbank, als er 1985 mit Uerdingen den DFB-Pokal gewann? Kalli Feldkamp natürlich. Es war das erste Endspiel im seither fest als "deutsches Wembley" etablierten Berliner Olympiastadion, die Bayer-Truppe siegte sensationell 2:1 gegen den FC Bayern. Mit dem FCK hat Funkel jetzt bekanntlich wieder die Chance auf "Berlin", auch wenn der Fokus ganz klar auf der Liga-Rettung liegt. Die Verbundenheit zwischen Feldkamp und Funkel hat ebenso lange angehalten wie der beiden zum 1. FC Kaiserslautern. Funkel besucht den demnächst 90-Jährigen Feldkamp immer noch regelmäßig in dessen Altersdomizil bei Marbella. Ab und an riskieren sie dann ein Tennismatch gegeneinander.

Düsseldorf: Die doch noch nicht letzte Station

Natürlich ist auch einer wie Friedhelm Funkel in seiner langen Trainerkarriere nicht nur gefeiert worden. Fast überall, wo er erfolgreiche Aufstiegs- oder Rettungsmissionen durchführte, ist er später auch entlassen worden. Besonders kurios gestaltete sich die Trennung von der Düsseldorfer Fortuna im Januar 2020. Am Abend des 28. Januar hatte er noch eine Auszeichnung als "Trainer des Jahres 2019" entgegenkommen - und beim Blick in den Festsaal festgestellt, dass gar kein Vertreter seines Arbeitgebers anwesend war. Worauf ihn ein gewisser Verdacht beschlich, der sich am Morgen danach bestätigte: Der Vorstand teilte ihm mit, dass "der Mannschaft ein neuer Impuls" gegeben werden solle.

Fünf Tage später hatte die Fortuna übrigens wieder mal einen DFB-Pokal-Termin: auf dem Betzenberg, gegen den 1. FC Kaiserslautern. Dort saß dann bereits Funkels Nachfolger auf der Bank, Uwe Rösler, ebenfalls ein ehemaliger Lautrer. Und gewann 5:2. Funkel stand zuvor - gar nicht dem Stempel "Feuerwehrmann" entsprechend, der bei genauer Betrachtung auch unzutreffend ist - fast vier Jahre für F95 an der Seitenlinie. Er übernahm den Klub im Kampf gegen den Abstieg in die 3. Liga, führte ihn ihn die Bundesliga und hielt ihn dort bis in die zweite Saison. Nach der Trennung stieg Fortuna ab und kam bis heute nicht wieder hoch.

Zum zweiten Mal rückfällig: Es musste einfach der FCK sein

Schon vor seiner Entlassung hatte Friedhelm Funkel angekündigt, dass die Fortuna seine letzte Trainerstation werden sollte. Einmal ist er seither schon rückfällig geworden: für den 1. FC Köln, am 29. Spieltag der Saison 2020/21. Er übernahm für Markus Gisdol, als der "Effzeh" auf Platz 17 stand, führte ihn an den folgenden sechs Spieltagen auf Rang 16 und setzte sich anschließend in den Relegationsspielen gegen Holstein Kiel durch. Mission erfüllt. Und für die Geißböcke folgten zweieinhalb positiv-intensive Jahre mit Steffen Baumgart.

Nun also kehrt Friedhelm Funkel, gerade 70 Jahre alt geworden, ein zweites Mal aus dem Ruhestand zurück. Für den 1. FC Kaiserslautern. 41 Jahre, nachdem er den Betzenberg als Spieler verlassen hat. Und doch noch nie ganz weg war. "Als die Anfrage vom FCK kam, musste ich nicht lange überlegen", diesen Satz hat man bei Vorstellungs-PKs schon von einigen Trainern gehört. Wenn man sie je jemandem mit voller Überzeugung glauben konnte, dann Friedhelm Funkel. Auch die Rede, die er damals, im Januar 2018, hielt, hätte er nahezu wortgleich wiederholen können, nur dieses Mal im "richtigen" Amt. An Ostern wird übrigens Fortuna Düsseldorf auf den Betzenberg kommen ...

Ein bisschen mutet es an, als hätte diese Mission all die Jahre hindurch auf Friedhelm Funkel gewartet. Als könne sein Trainerleben einfach nicht perfekt sein, wenn er nicht auch noch für den 1. FC Kaiserslautern eine schwierige Aufgabe gemeistert hätte. Es ist eine geradezu logische letzte Mission.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Chronologie im DBB-Forum: Friedhelm Funkel wird neuer Trainer der Roten Teufel

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