Taktik-Nachlese zum Spiel BTSV-FCK

Die DBB-Analyse: Der Gabentisch bleibt leer

Die DBB-Analyse: Der Gabentisch bleibt leer


Der 1. FC Kaiserslautern hatte es beim 1:2 gegen Eintracht Braunschweig selbst in der Hand, sich beim Tabellen-17. eine schöne Bescherung zu bereiten. Doch nach einer unsäglichen zweiten Hälfte haben sie nur Knecht Ruprechts Rute verdient.

Soso. "Wie Kinder rumschubsen lassen" haben sich die Roten Teufel also in Braunschweig. So jedenfalls hat es in der Mixed Zone der sichtlich angefressene Keeper Julian Krahl formuliert. Schöner Vergleich, der irgendwo ja auch trifft, für eine differenzierte Betrachtung ist er aber wenig hilfreich. Kinder sind Krahls Mitspieler nun einmal nicht mehr, sondern gestandene Profis.

Trainer Dimitrios Grammozis sprach davon, dass man nach einer ordentlichen Anfangsphase die Kontrolle verloren hätte. Andere sagten, dass der Ausgleich in der 36. Minute dem Team die Selbstsicherheit genommen hätte, um die es nach fünf Niederlagen in Folge ohnehin nicht zum Besten stand. Könnte man ebenfalls so stehen lassen, genügt uns aber nicht. Vor wenigen Monaten wurden die gleichen Männer, denen es nun an Selbstvertrauen fehlen soll, noch permanent als "Mentalitätsmonster" gefeiert. Wie konnte es so weit kommen?

Die Viertelstunde nach der Pause - ein Alptraum

Natürlich muss in erster Linie "Kopfsache" sein, wenn sich eine Mannschaft, die am 9. Spieltag noch auf Platz 3 stand, gegen einen Tabellen-17. derart den Schneid abkaufen lässt, wie es insbesondere in der ersten Viertelstunde nach der Pause zu erleben war. Da türmten sich all die Fehler, die in den vergangenen Wochen immer wieder zu sehen waren, so lange aufeinander, bis sich die Lautrer den Führungstreffer der Gastgeber regelrecht erbettelt hatten.

Immer wieder die fanden Blau-Gelben Anspielstationen im Zentrum vor dem Sechzehner, durften auf die Flügel spielen, wackelte die FCK-Hintermannschaft nach ruhenden Bällen und schlug selbst nur untaugliches Langholz. Hinter dem nicht konsequent hergehetzt wurde, so dass sich auch keine zweiten Bälle erobern ließen.

Als Beleg sei diese "Wyscout"-Visualisierung der "Balleroberungen pro Minute" angeführt. Da ist zwischen der 45. und 60. Minute tatsächlich ein Wert von "0" angegeben. Kaum zu glauben, dass dies in einem Zweitliga-Spiel überhaupt möglich ist.

Balleroberungen pro Minute

Dass dann mit Johan Gòmez wieder mal ein Spieler den gegnerischen Führungstreffer erzielte, der in seinem neuen Team bislang noch nicht so richtig Tritt kam und dringend mentaler Aufbauhilfe bedurfte, dürfte zu Sarkasmus neigenden FCK-Freunden sogar ein bitteres Lächeln entlockt haben: Das passte einfach zu gut ins Bild.

Vom Start weg hohes Pressing - sieht gut aus, aber ...

Aber zurück zur angeblich starken Anfangsphase. Die lässt sich auch als Warnung an den neuen Trainer deuten, im Bewusstsein der eigenen Ansprüche nicht die Wirklichkeit aus den Augen zu verlieren. In der Tat attackierte das Team zunächst genauso beherzt, wie Dimitrios Grammozis sich das vorstellt. Die offensive Dreierreihe mit Richmond Tachie, Terrence Boyd und Marlon Ritter bejagte intensiv die ballführenden Braunschweiger Abwehrspieler inklusive Keeper Ron-Thorben Hoffmann. Und die 3-4-2-1-Formation mit Ritter auf der halblinken Offensivposition wirkte durchaus zukunftstauglich, da Ritter gerne in die Mitte zieht und so Platz für Tymo Puchacz macht, der an der linken Seitenlinie bekanntlich gerne durchmarschiert.

Die 1:0-Führung nach nur 14 Minuten besorgten sich die Gastgeber zwar selbst, ein Zufallstreffer aber war sie nicht. Der Freistoß vom rechten Flügel war Resultat energischen Pressingspiels, wurde von Puchacz gut getreten - und wenn Robin Krauße ihn nicht unglücklich ins eigene Netz abgefälscht hatte, hätte ihn wohl der hinter ihm postierte Jan Elvedi reingemacht.

Der Anspruch, hoch zu stehen - und die Wirklichkeit

Doch schon fünf Minuten später zeigte sich ein erstes Mal, dass "hoch stehen" mit dieser Hintermannschaft eben auch ein gewaltiges Risiko birgt. Die Braunschweiger überspielten ein erstes Mal die vordere Pressinglinie des FCK, die auch nach der Führung energisch aufrückte. Anton Donkor schickte seinen Stürmer Rayan Philippe in den freien Raum, und der lief Lauterns zentralem Abwehrmann Nikola Soldo einfach davon. Krahl vermochte den Schuss aus halblinker Position zu klären.

Eine Viertelstunde später jedoch war er gegen den gleichen Spieler machtlos. Diesmal kam er über die rechte Seite. Sein Mitspieler Florian Krüger spielte den Ball zwischen den abermals weit aufgerückten Soldo und Elvedi hindurch. Und Philippe musste nicht einmal einen Abseitspfiff fürchten, da er noch vor der Mittellinie durchstarten durfte.

Ob die Gäste nun die Kontrolle verloren, weil ihnen die jüngste Niederlagenserie in den Nacken kroch? Oder spürten sie einfach nur, dass ihr "hoch stehen" was von Russisch-Roulette hatte, hatten aber auch keine Idee, wie sie sich sonst ordnen sollten? Ist im Grunde egal. Jedenfalls waren die Roten Teufel anschließend ziemlich durch den Wind.

Vorne geht nichts. Aber es kommt auch nichts

Nach vorne tat sich ebensowenig. Tachie gelang wenig, Boyd nichts. Allerdings kamen auch keine Anspiele, aus denen sich was machen konnte. Boris Tomiak ging nach 64 Minuten vom Feld. 63 Prozent Passquote weist "Sofascore" für ihn aus. Das ist kein Wert, mit dem ein Sechser einem Team Stabilität geben kann.

Gemeinsam mit Tomiak trottete Boyd vom Platz. Für ihn kam, heißersehnt, Ragnar Ache, der in vorderster Linie nun zwar ein paar Kopfballduelle gewann, aber auch sonst nichts Rechtes auf Schädel oder Schlappen bekam, was sich hätte verwerten lassen. Als Philipp Klement für die letzten 20 Minuten kam, waren wenigstens ein paar gefährliche Ecken zu sehen.

Dennoch hätte Ache in der Nachspielzeit ums Haar das 2:2 gemacht, wer auch sonst. An dieser Stelle mit dem VAR zu hadern, der den Treffer aberkannte, nachdem Schiedsrichter Arne Aarnink ihn zunächst gegeben hatte, ist jedoch müßig. "Verdient" gehabt hätte der FCK den Ausgleich ohnehin nicht.

Symbolfigur Soldo: Bisschen Licht, viel Schatten

Symbolfigur des Lautrer Spiels aber war Soldo. Mit 25 Balleroberungen augenscheinlich bester Balleroberer seines Teams, in entscheidenden Situationen aber immer wieder zu langsam. Gleichzeitig aber auch unter den "Top Four" mit den meisten Ballverlusten, hinter Tachie, Elvedi und Erik Durm, der für den verletzten Jean Zimmer im Spiel war. Soldo war außerdem Verursacher eines vollkommen unnötigen Freistoßes für die Gastgeber aus exzellenter Position, weil er an der 16-Meter-Linie Gòmez niederstreckte, obwohl Elvedi eigentlich korrekt am Mann klebte.

Unterm Strich steht die nunmehr sechste Niederlage in Folge. Die bislang deprimierendste von allen, die zudem eine unruhige Weihnachtszeit am Betzenberg einläuten dürfte. Platz 15 zum Ende der Hinrunde ist sicherlich ein Warnzeichen. 18 Punkte auf dem Konto sind aber auch kein Anlass, panisch zu werden.

Immer dran denken: "Trainer-Effekte" sind Mythen

Unterm Christbaum werden sich viele nun einen fitten Ache für die Rückrunde wünschen. Und, als präzisen Passspieler aus der hinteren Reihe, einen Almamy Touré, der von Verletzungen verschont bleibt. Im ausführlichen DBB-Interview mit Dimitrios Grammozis, das diese Woche erscheint, deutet der Trainer zudem an, dass er während der Wintervorbereitung für den spielstarken Klement eine Position finden möchte, aus der heraus er endlich seine Qualitäten einzubringen vermag. Auch das wäre ein Hoffnungsschimmer.

Gar keinen Sinn in dieser Situation machen jedenfalls Sprüche, Grammozis sei nach diesem schwachen Start bereits "angezählt" oder gar, der "Trainer-Effekt" sei nach zwei verlorenen Liga-Spielen unter dem neuen Coach verpufft. Sicher hat es schon Übungsleiter gegeben, die ihre ersten Spiele nach einer kurzfristigen Amtsübernahme direkt gewonnen haben, empirisch nachweisen lassen sich sogenannte "Trainer-Effekte" aber nicht. Es sei hier nur kurz an Michael Frontzeck erinnert. Der startete mit zwei Siegen, als er zum Jahresbeginn 2018 die Geschäfte von Jeff Strasser übernahm. Und was kam danach? Bei den alten Geschichten von Feuerwehrmännern oder Feldherren, die im Geiste Julius Cäsars kamen, sahen und siegten, handelt es sich meist um Mythen, die einer seriösen Überprüfung nicht standhalten.

Fakt ist, dass sich nach gerade mal zehn Tagen kaum sagen lässt, ob und wie ein Trainer zu einer Mannschaft passt - und ob er die richtigen Ideen mitbringt. Denn seine eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.

So schön spielen ließ die Braunschweiger noch keiner

Zu den Grafiken: Über die xG-Timeline hüllt man am besten den Mantel des Schweigens. Bis zur Nachspielzeit tote Hose, nicht zu fassen.

xG-Timeline BTSV-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Mit Stürmer spielten sie im Grunde erst nach Aches Einwechslung.

Passmap FCK

Die Passmap der Braunschweiger: Erstaunlich, wie so ein Tabellen-17. doch den Ball laufen lassen kann. Das durfte er in dieser Hinrunde bestimmt noch nicht oft.

Passmap BTSV

Und die Übersicht über die Duelle. Da sind die gelben Striche fast durchgehend länger als die roten - wenig überraschend. Nur Tobias Raschl steht ein bisschen besser da, als man es nach der subjektiven Spielbeobachtung gedacht hätte.

Zweikampf-Duelle BTSV-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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