Im Blickpunkt

Fünf Erkenntnisse aus dem Saisonstart

Fünf Erkenntnisse aus dem Saisonstart


Seit 70 Tagen macht der 1. FC Kaiserslautern die 2. Bundesliga unsicher. Ein Viertel der Saison ist schon absolviert. Zeit für ein Zwischenfazit.

""In 80 Tagen um die Welt", heißt es in dem weltberühmten Roman von Jules Verne. Die Roten Teufel erobern nicht seit 80, sondern genau seit 70 Tagen zwar nicht gleich die gesamte Fußball-Welt, für ihre Anhänger fühlt es sich aber beinahe so an. Nach vier schier unendlich langen Jahren der Drittliga-Tristesse, vollgepackt mit Corona, Insolvenz und sportlicher Existenzangst, macht der FCK so viel Freude wie lange nicht mehr. Doch wo stehen die Schuster-Jungen nach über einem Viertel der Saison wirklich? Sind sie so gut wie ihr siebter Tabellenplatz? Oder täuscht das Bild nach zuletzt vier Unentschieden? Schaut man genauer hin, lassen sich aus den vergangenen Wochen einige Erkenntnisse gewinnen.

Erkenntnis 1: Der FCK hat die Qualität, um gut mitzuhalten

Gleich vorneweg eine der wichtigsten Botschaften der ersten neun Saisonspiele. Mancherorts gab es Zweifel, ob der FCK, der vergangene Saison doch relativ überraschend und erst nach einer gewaltigen Achterbahnfahrt der Emotionen aus der 3. Liga aufgestiegen war, eine Spielklasse höher wird mithalten können. Dass die Pfälzer zurecht in der Zweiten Liga spielen, haben sie mittlerweile jedoch eindrücklich unter Beweis gestellt. Nach neun Partien ist der FCK mit 14 Zählern der mit Abstand beste Aufsteiger - sogar der erfolgreichste der vergangenen fünf Jahre. Die vergangene Saison besseren Mitaufsteiger aus Braunschweig (Platz 16, acht Punkte) und Magdeburg (Platz 18, sieben Punkte) tun sich da bedeutend schwerer. In allen Partien zeigten sich die Roten Teufel auf Augenhöhe. Erst eine Niederlage musste die Schuster-Elf hinnehmen, und diese auch noch in Unterzahl. Äußerst knapp mit 0:1, wenige Minuten vor dem Abpfiff. Gegen Paderborn, aktuell ein Spitzenteam der Liga, das obendrein die beste Offensive der Liga stellt. Dazu gab es Siege gegen qualitativ höher angesiedelte Mannschaften wie Hannover oder St. Pauli.

Auch die Offensive funktioniert. 18 Tore - das sind im Schnitt zwei in jedem Spiel - bedeuten die zweitgefährlichste Offensive im Unterhaus. "Die spielen nur lange Bälle auf Terrence Boyd", war ein oft geäußerter Kritikpunkt. Oder um es mit den Worten eines saarländischen Fußballspielers zu sagen: "Die stehen hinten, kriegen kein Tor. Und vorne machen sie aus Scheiße Gold." Das darf nun endgültig ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Ebenso das Image, Dirk Schuster stehe ausschließlich für eine defensive Mauertaktik. Klar, hier und da werden die spielerischen Defizite im Vergleich zu etablierten Zweitligisten immer mal wieder deutlich. Doch bisher werden diese vom Kollektiv bestens aufgefangen. Was uns direkt zur zweiten Erkenntnis führt.

Erkenntnis 2: Teamgeist und Moral stimmen

"Ich hätte mit keiner anderen Mannschaft Lust, in dieser Situation zu stecken", sagte Terrence Boyd nach dem 2:2 in Heidenheim, angesprochen auf die Rote Karte gegen Andreas Luthe und die damit verbundene Unterzahl. Eine Aussage, die viel aussagt über den Teamgeist, der in Kaiserslautern herrscht. Dieser Spirit und der Glaube an sich selbst wurden durch Aufholjagden wie gegen Magdeburg (4:4 nach 1:3) oder Darmstadt (3:3 nach 0:2) noch gestärkt. Jeder weiß nun, dass ein Ein- oder gar Zwei-Tore-Rückstand noch lange nicht das Ende bedeutet. Dass man auch nach schlechten Halbzeiten noch gewinnen kann, hat die Partie in Fürth (3:1 nach 0:1) gezeigt. Zusammenhalt und ein stimmiges Gebilde sind wichtig, erst recht in einem Klub, der durchaus auch dafür bekannt ist, sich gerne mal selbst zu zerfleischen. Dieses Gefühl muss die Mannschaft konservieren. Es könnte sie auch durch Saisonphasen tragen, in denen die Punkteausbeute einmal spärlicher ausfällt.

Erkenntnis 3: Die Teufel sind noch zu naiv - aber lernfähig

So schön die Aufholjagden auch sind, so sehr die Tor-Spektakel den Betze auch beben lassen, sie sind auch ein Hinweis darauf, woran es noch hapert. 15 Gegentore in neun Spielen sind zu viel. Partien wie gegen Darmstadt oder Magdeburg, in denen die Schuster-Jungen aus einem Rückstand eine Führung gezaubert hatten, müssen auch in den letzten Minuten konzentriert zu Ende gespielt und die Dreier nach Hause gebracht werden. Der FCK kassierte schon fünf Gegentore in der Schlussviertelstunde, nur der Vorletzte aus Fürth fing noch mehr. Dass die Männer in Rot lernfähig sind, zeigt sich beispielsweise daran, dass die häufigen Standard-Gegentreffer der ersten Partien weitgehend abgestellt wurden. Dies muss nun auch in puncto Konzentration gelingen. Denn noch passieren zu viele ärgerliche Fehler. Wie etwa die verunglückte Ballannahme von Jean Zimmer gegen Darmstadt, die zu einem Elfmeter und einem Gegentreffer führte. Oder der missglückte Rückpass von Marlon Ritter in Heidenheim, der Keeper Luthe zu einer Notbremse zwang, die das anschließende Freistoß-Gegentor trotzdem nicht verhindern konnte. Das kostet Punkte. In einer Liga, in der fast jeder Fehler direkt bestraft wird. Punkte, die am Ende noch schmerzlich vermisst werden könnten.

Erkenntnis 4: Die Kaderplanung ist durchdacht

Sportchef Thomas Hengen hat in seiner rund anderthalb Jährigen Amtszeit beim FCK schon einiges erlebt. Seine Bilanz kann sich insbesondere nach dem Klassenerhalt in Liga Drei und dem darauffolgenden Aufstieg bisher sehen lassen. Nun hat er gezeigt, dass auch er die Qualität hat, einen Aufsteiger für die 2. Bundesliga fit zu machen. Mit viel Ruhe und Abgeklärtheit hat er eine Mannschaft zusammengestellt, die den Namen auch verdient. Die Leistungsträger wurden größtenteils gehalten und mit erfahrenen Kräften verstärkt. Bundesliga-erfahrene Transfer-Coups wie die von Andreas Luthe, Erik Durm oder Philipp Klement können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal diese nach bisherigem Eindruck auch charakterlich in die Mannschaft zu passen scheinen. Panik-Käufe am "Deadline Day" sind ausgeblieben, durch die Verpflichtungen von Robin Bormuth, Klement und Aaron Opoku wurde die Qualität sowohl in der Breite als auch in der Spitze aber nochmal verstärkt. Insbesondere in der Innenverteidigung und auf den Flügeln hat Trainer Dirk Schuster jetzt die Qual der Wahl, im Kreativzentrum muss er sich zwischen Qualitätsspielern wie Klement, Marlon Ritter und Mike Wunderlich entscheiden. Der große Kader birgt aber auch Gefahren: Im Laufe der Saison könnte der ein oder andere Spieler unruhig werden. Hier wird Schuster als Moderator gefragt sein. Auf anderen Positionen wie der Sechs oder im Sturmzentrum fehlt es dagegen etwas an Qualität in der Breite, etwa wenn Topscorer Boyd mal ausfallen sollte.

Erkenntnis 5: Auf die FCK-Fans ist Verlass

Auf seine Anhänger konnten die Roten Teufel eigentlich schon immer zählen. Sie haben das Prädikat "erstklassig" niemals abgetreten. Was aber in den vergangenen Wochen und Monaten in und um Kaiserslautern passiert ist, das ist bemerkenswert. Schlendert man durch die Stadt, sieht man allenthalben wieder kleine Kinder in FCK-Trikots - noch vor wenigen Jahren sah man dort immer öfter Jerseys der Bundesliga-Größen aus Dortmund oder München. Bei öffentlichen Trainings werden die Plätze geradezu überrannt. Sei es am Fröhnerhof oder im Fritz-Walter-Stadion, die Spieler dürfen regelmäßig nach der eigentlichen Einheit eine Extraschicht im Autogrammeschreiben schieben. Das gab es in dieser Form seit Jahren nicht mehr, nicht nur wegen Corona. Der Andrang für Heimspiele ist gewaltig: Was in der vergangenen Spielzeit gegen Saarbrücken, Dortmund und Dresden seinen Anfang nahm, wurde gegen Hannover, St. Pauli oder Darmstadt nahtlos fortgesetzt. Wer an den Zuschauerzahlen ernsthaft mäkelt, sollte sie einmal mit anderen Vereinen und auch mit FCK-Zahlen der vergangenen Zweitliga-Saisons vor 2018 vergleichen. Die Lautrer stehen in der Zuschauertabelle ligaübergreifend auf Platz 11, in der Zweiten Liga werden sie nur vom HSV getoppt.

Auch das alte Betze-Feeling ist zurück. Wurde in der Vergangenheit das ruhmreiche Fritz-Walter-Stadion durch schlechte Leistungen regelrecht wieder leer gespielt, liefern die Roten Teufel jetzt wieder packende Aufholjagden, fast wie zu Kalli Feldkamps Zeiten. Auch Last-Minute-Siege wie etwa im Auftaktspiel gegen Hannover sind wieder geboten. Auswärts ist der Support genauso gigantisch. 4.000 Schlachtenbummler in Fürth, circa 8.000 in Sandhausen und im Oktober vielleicht 10.000 in Hamburg - Lautern Du bist nie allein!

Dennoch haben die Anhänger auch ein feines Gespür für die Situation in der Barbarossastadt. Anders als von manchen Kommentatoren behauptet, schielen die FCK-Fans nach vier mageren Drittliga-Jahren keinesfalls auf utopische Ziele wie den Durchmarsch in die Bundesliga. Verweise auf Schusters Erfolg mit Darmstadt sind an den Haaren herbeigezogen. Sicher gibt es Ausnahmen, wenn man im Internet mit der Lupe sucht, doch das Gros der Anhängerschaft und vor allem die Stadionbesucher wissen genau: Am Ende zählt in diesem Jahr nichts anderes als der Klassenerhalt.

Fazit: Auch wenn nicht alles perfekt läuft, so ist der FCK doch auf dem besten Wege, sein Saisonziel am Ende auch zu erreichen. Bleibt er weiter konzentriert und stellt die eine oder andere Schwäche in der Defensive und dem Spielaufbau ab, kann er dem Abstiegskampf relativ gelassen entgegenblicken. Denn am Ende soll es schließlich heißen: "Lautre bleibt do!"

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

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