Taktik-Nachlese zum Spiel FWK-FCK

DBB-Analyse: Das Alter sorgt für Reife - und Würze

DBB-Analyse: Das Alter sorgt für Reife - und Würze

Foto: Imago Images

Der 1. FC Kaiserslautern nährt mit dem 2:1-Sieg bei den Würzburger Kickers weiter seine Aufstiegsträume. Möglich gemacht haben ihn zwei überragende Oldies. Allerdings setzte die Partie auch ein paar deutliche Warnzeichen in Richtung Saisonfinale.

Bei den Auswärtsauftritten in den vergangenen Wochen wurde immer mal der Vorwurf laut, der FCK würde zu zurückhaltend in seine Partien starten. Diesmal wollte es die Elf von Marco Antwerpen forscher angehen, das ließ sie ihre 4.000 mitgereisten Fans schon nach zwei Minuten spüren: Nach einem Rückpass auf Kickers-Keeper Hendrik Bonmann wurde dieser sofort von Mike Wunderlich angelaufen. Den Passweg zu Lars Dietz versperrte Daniel Hanslik, so dass Bonmann nur das Abspiel zu Fanol Pededaj an der rechten Außenlinie blieb. Den attackierte direkt Hendrick Zuck. Und beim Versuch, den Ball weiter an der Seite entlang zu spielen, schnappte sich Marlon Ritter das Leder. Der spielte Terrence Boyd an. Dieser setzte den rechts startenden Philipp Hercher ein, der flankte flach in die Mitte, Boyd verpasste knapp.

Drei Minuten später: Würzburg versuchte abermals, über die rechte Abwehrseite aufzubauen, diesmal mit einem Pass ins Zentrum, doch Hikmet Ciftci eroberte die Kugel abermals noch vor der Mittellinie. Abspiel auf Zuck, Steilpass auf Boyd, der verpasste wieder nur knapp.

Da lachte das rote Teufelsherz. So geht Angriffspressing. Die Startelf hatte Antwerpen nach dem 5:1 gegen den MSV Duisburg vor zwei Wochen übrigens nur auf einer Position geändert: Der nach seiner Gelb-Sperre zurückkehrte Hendrick Zuck ersetzte Neal Gibs. Und wie gegen die Zebras agierte Wunderlich wieder zentral auf der Zehn. Die Spitzen Boyd und Daniel Hanslik positionierten sich nebeneinander und boten sich auf der gesamten Spielfeldbreite an. Das sah zunächst mal richtig gut aus, dieses 3-4-1-2.

Achtung, Tempodribbler: Die beste Abwehr bekommt Probleme

Nach acht Minuten jedoch das erste Warnzeichen. Den Würzburgern gelingt gegen die erneut hoch aufgerückten Lautrer ein Ballgewinn tief in der eigenen Hälfte. David Kopacz startet auf der rechten Seite durch, hat jede Menge Platz vor sich - und wird von Alex Winkler gelegt, der gegen den schnellen Deutsch-Polen einfach nicht hinterherkommt. Wofür er völlig zurecht Gelb sieht. Es ist übrigens seine vierte in dieser Saison und noch nicht die fünfte, wie in manchen Statistiken fälschlicherweise angegeben - den betreffenden Karton in Freiburg hatte in der 71. Minute Boris Tomiak gesehen und nicht Winkler.

Wir erinnern uns: Was waren noch einmal die Punkte, an denen Marco Antwerpen nach der großen Zäsur am 7. Spieltag ansetzte, als der FCK in Magdeburg bereits das vierte Auswärtsspiel verloren hatte? Richtig: Seither ließ er seine Elf nur noch in kurzen Spielphasen hoch aufrücken. Weil sich gezeigt hatte, dass seine Jungs in der Dreier-Abwehrkette, insbesondere Kevin Kraus und Winkler, oft nicht schnell genug sind, wenn sie zu weit vorn stehen und der Gegner mit weiten Pässen über sie hinweg schnelle Stürmer einsetzt.

Forsches Angriffspressing hat eben auch seine Tücken.

Und in den Folgeminuten zeigte sich: Der FCK mag seit der großen Zäsur nur noch zwei Partien verloren haben und auf dem Papier die beste Abwehr der Liga stellen. Aber wenn schnelle Gegenspieler bei schnellen Kontern lange Wege gehen dürfen, ist sie nach wie vor in Verlegenheit zu bringen. Zumal die Kickers mit Robert Herrmann auch auf der linken Seite einen Tempodribbler im Team haben, der es draufhat.

Nach 30 Minuten ist klar: Jetzt fällt bald ein Tor - aber für wen?

Es entwickelte sich ein Spiel, in dem zwar auch die stark kombinierende Lautrer Offensive immer wieder ihre Szenen hatte, in dem aber auch die Gastgeber mehrfach für einen Treffer gut waren. Durch besagten Herrmann, aber auch durch Dennis Waidner, der FCK-Keeper Matheo Raab prüfte. Der leistete sich obendrein zwei riskante Abklatscher. Die wohl den grausligen Witterungsverhältnissen und einem entsprechend glitschigen Ball geschuldet waren.

Nach knapp einer halben Stunde dürfte jedem im Stadion und am Bildschirm klar gewesen sein: Dieses Spiel steht nicht mehr lange 0:0. Doch wer wird den ersten Treffer erzielen? Und was wird dann geschehen?

Zwei Minuten später war Frage Eins beantwortet. Es war der Tabellenzweite aus Kaiserslautern, der das 1:0 markierte. Da ließe sich jetzt wieder mal über das Glück schwadronieren, das nun einmal die haben, die oben stehen, oder auch über "individuelle Qualität". Wir drücken es plastischer aus: Es war der Erfolg des Personals, das seine Bälle präziser zu spielen versteht.

Ausgangspunkt war wieder ein Ballgewinn in der gegnerischen Hälfte. Diesmal hatten es die Würzburger an der linken Außenlinie entlang versucht. Das Leder landet bei Wunderlich, der passt auf Zuck, der vertikal auf Boyd, dem vor Würzburgs Strafraum ein Querpass an vier Gegnern vorbei gelingt. Der Empfänger heißt Wunderlich, der nimmt millimetergenau Maß und trifft.

Kraus köpft ans Alu: Fast eine Doublette des Siegtors von Osnabrück

Den Rest der ersten Hälfte hatten die Gäste im Sack, hätten sogar noch eins drauf setzen können. Doch Kraus köpfte aus drei Metern nur an den Pfosten. Wie es dazu kam, dass ausgerechnet der zentrale Innenverteidiger, der normalerweise am weitesten hinten postiert ist, so weit vorne auftauchte?

Kraus war vor einer Freistoßflanke Zucks in den gegnerischen Strafraum aufgerückt. Und auch nach dessen Kopfball-Abwehr dort geblieben, weil er sah, dass Wunderlich sich direkt den zweiten Ball gesichert hatte. Marlon Ritter setzte dann mit einem exzellenten Diagonalpass Hanslik am linken Flügel ein, und der flankte genauso präzise auf den langen Pfosten, wie er es unlängst in Osnabrück tat, als der kurz zuvor eingewechselte Boyd den Siegtreffer markierte. Es wäre die perfekte Doublette gewesen.

Hälfte zwei: Würzburg drückt, FCK wackelt, Freistoß hilft

Nach der Pause drängten die Würzburger. Die Lautrer stellten sich tiefer und versuchten ihr Glück mit langen vertikalen Pässen. Dabei wirkten sie längst nicht so souverän wie sonst. Dass die eingespielte Abwehrformation gesprengt wurde, weil der etwas kränkelnde rechte Innenverteidiger Tomiak raus musste und durch Julian Niehues ersetzt wurde, darf da nur bedingt als Entschuldigung gelten.

Doch was unterscheidet die Top_Teams der Liga von den Kellerkindern? Richtig: Dass sie es mit Standardsituationen richten, wenn spielerisch nichts mehr läuft.

58. Minute: Freistoß für Lautern aus dem linken Halbfeld. Wunderlich flankt, Boyd hält den Kopf dran - drin. Keine Frage: Die Ü30-Fraktion hat dem FCK-Spiel diesmal nicht nur die nötige Reife gegeben, sondern auch die Würze.

Der Gegentreffer: Die Kickers spielen für einen Moment Barca

Anschließend plätscherte das Spiel nur noch vor sich hin. Weshalb es seine Jungs in der 85. Minute unnötigerweise nochmal spannend machten, war nach dem Schlusspfiff auch Marco Antwerpen ein Rätsel: Ein Treffer, der so durch die Spielfeldmitte vorbereitet wird, der dürfte eigentlich niemals fallen. In der Tat stand die Dreierkette dicht, auch die Sechser waren ordentlich postiert.

Doch manchmal lohnt es sich einfach nicht, zu lange zu grübeln. Da muss man einfach nur anerkennen, dass Kopacz, Marvin Pourié und dem eingewechselten Saliou Sané eine Hochgeschwindigkeitskombination geglückt war, die auch Vergleiche mit den ganz Großen nicht zu scheuen braucht: Der Treffer zum 1:1, den Ferran Torres für den FC Barcelona am vergangenen Donnerstag im Frankfurter Waldstadion markiere, wurde auf fast die gleiche Weise herausgespielt.

Drum sollte dieses Gegentor nicht allzu nachdenklich stimmen. Vielmehr sollten die ersten 30 Minuten dieses Spiels fürs Saisonfinale im Hinterkopf bleiben. Lauterns Offensivabteilung mag im Angriffsdrittel so viel zaubern, wie sie will - bei schnellen Kontern ist diese Dreier-Abwehr anfällig, auch wenn sie sich als die beste der Liga ausweisen kann. Und: Glücklicherweise fällt Tomiak nicht länger aus, wie Coach Antwerpen nach dem Spiel gleich mal entwarnen durfte.

Die Statistiken: Würzburg hatte die qualitativ besseren Chancen

Unsere Grafiken haben wir diesmal bei "Wyscout" besorgt, weil Sander Ijtsma sich zu lange Zeit ließ. Der FCK tritt darin in Blau auf, das ist fürwahr ungewohnt.

Der Blick auf die xG-Timeline lässt den FCK-Sieg glücklicher erscheinen, als er "in echt" aussah. In der Aufrechnung der qualitativ bewerteten Torchancen steht es am Ende 2.6 : 1.57 für Würzburg. Was unter anderem daran liegt, dass die Treffer-Wahrscheinlichkeiten bei beiden Lautrer Torerfolgen nicht sonderlich hoch bewertet werden. Aus 18 Metern zwischen so vielen Abwehrbeinen hindurch treffen nun mal nicht viele - außer Mike Wunderlich. Und aus Terrence Boyds Position nach Wunderlichs Freistoß köpfen offenbar auch nicht viele ins Netz. Außer Boyd halt.

xG-Dynamik FWK-FCK

Interessant ist auch die Visualisierung der Passgenauigkeit in beiden Teams im Laufe des Spiels. Da ist deutlich zu erkennen, wann der FCK seine starke Phase hatte. Und dass er, als er den zweiten Treffer markierte, im Grunde ganz schön von der Rolle war. Aber genau deswegen sind Standardsituationen ja so wichtig. Sie können einem Spiel von einer Sekunde auf die andere eine neue Wendung geben.

Passgenauigkeit in Prozent

Kommen wir zu den Positions- und Passgrafiken. Der FCK hatte laut "Wyscout" ingesamt nur 34,66 Prozent Ballbesitz. Aber auch das haben wir schon gelernt: Ein hoher Ballbesitzwert allein garantiert noch keinen Erfolg. Entscheidend ist, in welcher Zone des Spielfelds guter Fußball gespielt wird. Und da fällt auf: In den vorderen Reihen zirkulierte der Ball bei den Roten Teufeln recht gut.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Würzburger. Was soll man sagen: Wie eine Mannschaft, die nunmehr zehn Punkte Abstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz aufweist, haben sie wahrlich nicht gespielt. Der Ball lief wirklich gut, das Positionsspiel stimmte ebenfalls. Nächstes Wochenende müssen die Kickers übrigens bei Eintracht Braunschweig antreten, Lauterns großem Rivalen um den zweiten Aufstiegsplatz. Marco Antwerpen wünschte seinem Kollegen Ralf Santelli schonmal viel Erfolg dafür. Wenn die Franken da mit dem gleichen Engagement zur Sache gehen, haben sie vielleicht mehr Glück. Was dann auch ein großes Glück für den FCK wäre.

Passmap FWK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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