Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Havelse

DBB-Analyse: Das Glück heißt Raab, der Winner Hercher

DBB-Analyse: Das Glück heißt Raab, der Winner Hercher


Den TSV Havelse 3:0 geschlagen, während Braunschweig verliert. Auf Relegationsrang 3 sind es nun schon vier Punkte Vorsprung. Also alles bestens beim 1. FC Kaiserslautern? Wenn da nicht diese erste Viertelstunde gewesen wäre ...

Jetzt also wissen wir es genau: Es ist kein Glück, das dem FCK seit ein paar Partien immer wieder zuteilzuwerden scheint. Sondern er hat lediglich einen Bomben-Torhüter in seinen Reihen, Matheo Raab nämlich. Das hat Trainer Marco Antwerpen nach dem 3:0-Sieg gegen Havelse festgestellt. Aber: Das Ergebnis erscheint doch so klar - weshalb muss der Coach auf eine starken Torwartleistung verweisen, um es zu erklären?

Weil notorische Skeptiker wohl auf die erste Viertelstunde dieser Partie zeigen werden, in der es in der Tat schlimmer hätte kommen können für die Roten Teufel. Verzeichnete der Tabellenletzte in dieser Phase doch gleich zwei gute Einschussmöglichkeiten, ehe die Pfälzer durch Terrence Boyd in Führung gingen. Durch einen Treffer, dem ein Handspiel Philipp Herchers vorausging, das Bundesliga-Schiedsrichter Patrick Ittrich übersah.

Sauerei, Sauerei, hört man es da insbesondere aus Richtungen schallen, in denen Mannheimer und Saarbrücker vermutet werden.

Trotz Hercher-Hand: FCK immer noch am stärksten benachteiligt

Daher sei gleich mal vorausgeschickt: Im Fehlentscheidungs-Ranking, das "liga3-online.de" anhand der Spieltagsanalysen von Ex-Bundesliga-Referee Babak Rafati erstellt, steht der FCK nach wie vor als die Mannschaft da, die öfter als alle anderen benachteiligt wurde. Im Vergleich der Teams, die am meisten von Fehlentscheidungen profitierten, belegt er lediglich einen Mittelfeldplatz und wird sich auch durch diesen falschen Pfiff nicht entscheidend nach vorne schieben. Ja, derartige Rankings sind sicher nicht immer perfekt, aber sie sind zumindest ein Anhaltspunkt.

Zum Spiel: Ja, Havelse begann stark. Rüdiger Ziehl, der Pfälzer auf der Trainerbank des TSV, hatte seine Hausaufgaben gemacht und überraschte mit einer 3-4-3-Formation, die an die erinnerte, mit der 1860 München Lautern bei seinem 2:1-Sieg vor knapp zwei Wochen schlecht aussehen ließ.

Die beiden Einschussgelegenheiten resultierten allerdings aus zwei individuellen Patzern, die sich einer leistete, der er es normalerweise besser kann. Erst zog Alex Winkler im Zweikampf gegen Fynn Lakenmacher den Kürzeren. Der drang daraufhin von rechts in den Strafraum ein und passte flach in den Rückraum. Kevin Kraus warf sich in den Schuss von Linksfuß Nils Piwernetz. Kurz darauf wehrte Winkler eine Linksflanke von Lakenmacher unsauber ab. Leonardo Gubinelli kam ans Leder, aber nicht am glänzend reagierenden Raab vorbei.

Erst ein Standard führt auf die Siegerstraße - na und?

Dass ein Team nach eher mauem Beginn einen Standard braucht und nutzt, um auf die Siegerstraße zu steuern - das kommt gerade in der 3. Liga wahrlich öfter vor. So auch an diesem Samstagmittag. Und anschließend lief’s ja bei den Männern in Rot. Weil sie sich den Luxus erlaubten, als führende Mannschaft von hinten heraus zu spielen und die Räume nach vorne nutzten - das ist ebenfalls nichts, wofür man sich in dieser Klasse entschuldigen muss, auch nicht als Tabellenzweiter gegen den Letzten.

Zugegeben: Unterm Strich sah das in der ersten Halbzeit noch nicht so gut aus wie später in der zweiten. Der FCK hatte gegen den Ball wieder auf eine 3-4-3-Formation gesetzt, phasenweise aber auch mit. In dieser kamen vor allem die beiden nominellen Flügelstürmer Daniel Hanslik und Mike Wunderlich nicht richtig ins Spiel. Gerade der 35-jährige Wunderlich ist nun mal keiner, der sich mit Pässen über den linken Flügel jagen lässt.

Dafür gelangen dem Oldie mit seinem feinen rechten Fuß präzise Flankenwechsel, wenn er auf der linken Seite angespielt wurde. Und mit zunehmender Spieldauer orientierte er sich wieder in die Spielfeldmitte, wo er am besten aufgehoben ist. Ab der zweiten Hälfte agierte der FCK dann endgültig wieder im 3-5-2, mit Hanslik und Boyd als bewegliche Doppelspitze, später mit Muhammed Kiprit.

Herchers Lauflust und Wunderlichs Genialität - unwiderstehlich

Generell brillierte einmal mehr die rechte Seite, erneut mit einem überragenden Philipp Hercher, eingesetzt von Boyd, Wunderlich oder Marlon Ritter. Das 2:0 in der 53. Minute bot dann die perfekte Symbiose aus Herchers Lauflust und Wunderlichs Genialität. Hercher zog nach Zuspiel von Ritter von rechts in die Mitte, spielte Wunderlich in der Zehnerposition an. Der zögerte, bis Hercher links an ihm vorbeigewieselt war und schob ihm dann kurz, aber exakt getimt den Ball in den Lauf. Hercher schloss mit links ab - 2:0. Ein paar Minuten später brachte Wunderlich von der Strafraumgrenze mit einem ebenso trocken-kurzen, aber nicht minder tödlichen Pass den eingewechselten Kiprit in Position. Der aber scheiterte am starken TSV-Keeper Norman Quindt.

Nur bei eigenen Schussversuchen machte Wunderlich diesmal eine weniger gute Figur. Besonders schade war das nach Boris Tomiaks Gewaltmarsch über drei Viertel des Feldes, nachdem er sich selbst in der eigenen Hälfte das Leder erobert hatte und erst am gegnerischen Sechzehner auf den Teamkollegen ablegte. Wunderlichs Geschoss flog jedoch in die Wolken.

Hercher fand ebenfalls noch einmal Spaß am Gehen langer Wege. In der 73. Minute sprintete er infolge eines Ballgewinns nach einer gegnerischen Ecke auf und davon, ließ sich auch vom Ex-Lautrer Florian Riedel nicht stoppen und flankte flach auf den mitgelaufenen Ritter, der sich wieder einmal aus seiner Sechser-Position nach vorne gestohlen hatte. 3:0. Was noch lange nicht die letzte vielversprechende Umschaltsituation war, die der FCK einleitete.

Sessa als Startelf-Überraschung: Gut, aber er kann’s besser

Bleibt noch zu nachzutragen: Als überraschende Personalie, wie sie fast schon typisch ist für Antwerpen, präsentierte der Coach diesmal Nicolas Sessa in der Startelf, zum ersten Mal seit dem Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden im November. In der Vierer-Mittelfeldreihe bot der Feintechniker eine ordentliche Partie, aber nach wie vor noch lange nicht das, was seinem Talent entspricht. Zu was er fähig ist, ließ er nur einmal Mitte der ersten Hälfte aufblitzen, als er das Leder über die geordnet gestaffelten Reihen der Gäste auf Boyd chippte, der aus spitzem Winkel abzog, aber an Quindt scheiterte.

Mit Felix Götze für Sessa ab der 60. Minute lief das FCK-Spiel dann doch noch einen Tick direkter nach vorne. Überhaupt schöpfte Antwerpen sein Auswechselkontigent voll aus, brachte neben Kiprit und Götze auch noch Hikmet Ciftci, Kenny Redondo und Dominik Schad, die demonstrierten, dass der Kader zum Saisonfinale auch in der Breite gut aufgestellt ist.

Nicht zu vergessen: Antwerpens Lob für Raab war durchaus angebracht, trotz des klaren 3:0-Sieges. Nicht nur, dass der Keeper den frühen Rückstand verhinderte. Beim Stande von 2:0 brachte er die Gäste um den Anschlusstreffer, als Piwernetz frei vor ihm auftauchte, den Ball aber wieder nicht an ihm vorbei brachte. Zu diesem Zeitpunkt sah es zwar schon lange nicht mehr so aus, als ob die Gäste das Spiel noch einmal drehen könnten. Aber man weiß ja nie - gerade in der 3. Liga.

Ergänzung, 14.03.: Die xG-Grafiken: Zweitbester Ballbesitzwert der Saison - aber was heißt das schon?

Auch die xG-Timeline zeigt: Trotz der holprigen Anfangsviertelstunde und des regelwidrigen Treffers. Es war ein klarer, "verdienter" Sieg des FCK.

xG-Plot FCK-Havelse

Ebenso bestätigt die Positions- und Passgrafik die eindeutige Dominanz der Roten Teufel. Der Ball lief gut, auch die Zentrale mit Sessa und Ritter war präsent im Spiel, nur an Hanslik lief’s ein wenig vorbei.

Passmap FCK

Dazu ergänzend noch ein paar Zahlen von Datenanbieter "wyscout": Der FCK verzeichnete in diesem Spiel einen Ballbesitzanteil von 64,35 Prozent. Das ist ungewöhnlich viel für die Lautrer, denn im Saisondurchschnitt kommen sie lediglich auf 48,42 Prozent und damit den niedrigsten Wert aller Topteams der 3. Liga. Doch hohe Ballbesitzwerte sind nur bedingt erfolgversprechend. '

Beispiel gefällig? Mehr Ballbesitz als gegen Havelse hatte der FCK erst ein einziges Mal in dieser Saison: am 2. Spieltag beim SV Meppen, da waren es 65,65 Prozent. Und die Partie endete wie? Richtig: 1:0 für Meppen.

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Havelser: ein schön geordnetes 4-5-1.

Passmap Havelse

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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