Taktik-Nachlese zum Spiel 1860-FCK

DBB-Analyse: Nicht bissig genug gegen hungrige Löwen

DBB-Analyse: Nicht bissig genug gegen hungrige Löwen

Foto: Steven Mohr

13 Spiele blieb der 1. FC Kaiserslautern ungeschlagen, jetzt hat es ihn wieder erwischt. Bei der 1:2-Niederlage gegen 1860 München verliert die beste Defensive der Liga ihre Stabilität und muss sich am Ende aggressiveren Gastgebern beugen.

Es ist schon erstaunlich: Eine Viertelstunde lang sah es tatsächlich so aus, als lieferten die Roten Teufel an der Grünwalder Straße ein geradezu perfektes Auswärtsspiel ab. Nicht nur, dass sie bereits nach 90 Sekunden in Führung gingen. Wobei direkt angemerkt werden darf: Für seinen Harakiri-Pass Richtung eigenem Keeper, den sich Mike Wunderlich erlief, ist nicht einfach nur der Münchner Innenverteidiger Stephan Salger abzuwatschen, es muss auch das vorbildliche Angriffspressing von Daniel Hanslik, Muhammed Kiprit und Dominik Schad gelobt werden, das den Fehlpass provozierte.

Nein, auch, wie der FCK sich anschließend nach Balleroberungen in der eigenen Hälfte immer wieder mit direkten vertikalen und diagonalen Pässen nach vorne in Szene setzte, ließ fast schon ein Debakel für die Gastgeber fürchten. Kiprits Einschusschance aus halblinker Position nach Musterpass von Wunderlich ist da nur das Tüpfelchen auf dem "i".

Starkes Münchner Gegenpressing stoppt Lauterns Vertikalspiel

Doch was passierte dann? "Die Lautrer verlieren den Faden", ließe es sich in der gängigen Reportersprache beschreiben. Genauer: Die schönen schnellen Bälle aus der Tiefe kamen nicht mehr. Zum einen, weil sie einfach nicht mehr gut gespielt wurden, zum anderen, weil die Münchner nach Ballverlusten ein exzellent-aggressives Gegenpressing praktizierten.

Kein Zweifel: Die Löwen waren bissig. Sie mögen nicht berauschend ins Jahr gestartet sein, aber nach ihrem 3:1-Auswärtssieg in Zwickau am Wochenende waren sie sich absolut bewusst, dass sie sich nur mit einem weiteren Dreier in diesem Nachholspiel die Aufstiegsränge wieder in Sichtweite rücken konnten. Wer das ironische Understatement von Sechzig-Trainer Michael Köllner vor der Partie ("Unter normalen Voraussetzungen haben wir keine Chance") tatsächlich ernst nahm, dem war ohnehin nicht mehr zu helfen.

Zu viel läuft über links, zu viel geschieht im Rückraum

Und der FCK? Ließ zu viel über die linke Abwehrseite zu. Die hat sich im Lauf der Saison immer wieder mal als Achillesferse im insgesamt bislang überragenden Defensivverbund präsentiert, zuletzt etwa beim 0:0 in Mannheim. Vor allem der rechte Außenbahnspieler Yannick Deichmann marschierte wie ein Teufel, allerdings kein roter. Unterstützt wurde er von Erik Tallig und - temporär - von Merveille Biankadi, der in der Offensive der Sechzger mal hier, mal da auftauchte.

Vor allem im Zehnerraum durften sich Löwen immer wieder den Ball zurechtlegen - auch das war schon in der zweiten Hälfte des Mannheim-Derbys zu beobachten. Ob da der Einbau eines zweiten Sechsers neben Marlon Ritter eventuell Abhilfe schaffen könnte? Vor allem, wenn es gegen Gegner geht, die diesen Raum gerne bespielen - so wie es am Samstag in Osnabrück erneut der Fall sein wird?

Mike Wunderlichs fünfte Gelbe Karte, die der Oldie nach einem überflüssigen Schwalbenflug unmittelbar nach Kiprits Großchance kassierte, könnte dafür die Gelegenheit zu einer entsprechenden personellen Umbesetzung bieten: indem die zweikampfstarken Hikmet Ciftci oder René Klingenburg, der bekanntlich alles spielen kann, in die Starfelf rotieren.

Irgendwann schlägt´s auch von außerhalb des Strafraums mal ein

Schussversuche von jenseits der 16-Meter-Linie werden meist abgeblockt oder Beute des Keepers - erst recht, wenn er Matheo Raab heißt. Doch wenn sie sich häufen und häufen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass doch mal einer reingeht. Und sei es, indem er abgefälscht wird.

In der 26. Minute geschah dann genau das: Biankadi schoss, der im Zentrum postierte Marcel Bär veränderte die Schussbahn des Balles ungewollt oder auch nicht - drin. Laut aktuell gültigen Fifa-Regeln gilt damit Bär als offizieller Torschütze, auch wenn Biankadi der eigentliche Auslöser war.

Danach ähnelte das Spiel erstmal weiterhin der Partie in Mannheim, die ja am Ende immerhin noch einen Punkt für Lautern brachte. Die Gastgeber blieben dominant, blieben auch das aggressivere Team, aber so richtig gute Einschusschancen blieben auch für sie aus.

Kontrollieren, wenn der Gegner den Ball hat - diesmal klappt’s nicht

Der Vorwurf, die Lautrer hätten sich zu weit hinten rein drängen lassen, trifft jedoch nicht unbedingt den Kern. Die Roten Teufel haben in den vergangenen Wochen immer wieder gezeigt, dass sie ein Spiel auch unter Kontrolle halten können, wenn sie den Ball über längere Phasen dem Gegner überlassen. Ihr Hauptproblem bleibt, dass nach Balleroberungen die direkten präzisen Pässe in die Tiefe nicht mehr kommen. So bleiben nicht nur eigene Chancen aus, es gibt auch keine Entlastung mehr.

Und mit Beginn der zweiten Hälfte schien auch die bewährte defensive Stabilität zu bröckeln. Erst ein etwas überraschender Wechsel auf der Sechser-Position brachte wieder mehr Zugriff. Marlon Ritter, in der vorangegangen Partie gegen Verl noch der gefeierte Held, ging in der 63. Minute raus, Hikmet Ciftci kam. Mit ihm sah das FCK-Spiel wieder etwas strukturierter aus.

In der 80. Minute glückte der Antwerpen-Elf die stärkste Offensivaktion im zweiten Durchgang. Endlich mal wieder schönes, präzises Passspiel zwischen Wunderlich, Hendrick Zuck und Felix Götze, der aus halblinker Position im Strafraum flach aufs kurze Eck flankte, Philipp Hercher bekam den Ball aber nur beinahe unter Kontrolle.
Hercher? Der war im zweiten Spiel dieser Englischen Woche aus der Startelf rotiert und erst mit dem Wiederanpfiff für Schad gekommen. In der Tat hatte der Überflieger dieser Saison zuletzt ein wenig überspielt gewirkt.

Auch Köllner tauscht überraschend - und sorgt für mehr Druck

Interessant: Ähnlich wie beim Tausch Ritter/Ciftci brachte auch Michael Köllner sein Team wieder in die Spur, indem er ein wenig überraschend wechselte. Nach 77 Minuten tauschte er Kevin Goden und Fabian Greilinger gegen Biankadi und seinen Kapitän Stefan Lex, bis dato absolute Aktivposten. Möglicherweise hatte der Trainer erkannt, dass sie nicht mehr in voller Stärke brannten. Und in der Tat schalteten die Gastgeber nun wieder einen Gang höher.

In der 85. Minute kam es dann doch wieder zu dieser Art von Horror-Szene, wie sie der Lautrer Anhang vergangene Saison viel zu oft erlebte und eigentlich nie mehr erleben wollte: Erst verursachte Ciftci reichlich unnötig einen Freistoß auf der linken Abwehrseite, und nach der anschließenden Flanke stand Goden am langen Eck viel zu frei - Hercher hatte sich nicht entscheiden können, ob er den Münchner oder die Torecke sichern sollte. 2:1 für die Löwen. Lauterns erste Niederlage seit Oktober. Doch jammern hilft nicht, am Samstag geht’s nach Osnabrück.

Ergänzung, 03.03.: Die xG-Grafiken: Nichts, was wir nicht erwartet hätten

Zu den xG-Grafiken. Die Timeline offenbart nichts, was wir nicht schon erwartet hätte. Es war eine "verdiente" Niederlage. Basta.

xG-Plot 1860-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Vor allem die linke Seite findet keine Anbindung an die beiden Stürmer. Nochmal zur Erinnerung: Linien zwischen zwei Spots werden erst ab drei erfolgreichen Pässen eingezeichnet. Zu dem wirklich starken Zuspiel, mit dem Wunderlich in der Anfangsphase Kiprit zu seiner Chance verhalf, sind demnach keine zwei weiteren hinzukommen.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Sechzger: Was soll man dazu sagen? Sieht im vorderen Bereich gar nicht mal so hammermäßig aus. Aber sie haben zwei Tore geschossen, Lautern nur eins. Das reicht nunmal zum Sieg.

Passmap 1860

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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