Taktik-Nachlese zum Spiel SVW-FCK

Die DBB-Analyse: Wichtig ist, was hinten rauskommt

Die DBB-Analyse: Wichtig ist, was hinten rauskommt


Keine Tore, aber jede Menge Spannung, Emotion - und hinterher die Phrase: "Die Mannheimer waren näher dran am Sieg." Tatsächlich? Wir halten es mit Marco Antwerpen: Spielbestimmend, was heißt das schon?

FCK-Trainer Antwerpen sagt oft Sachen, die beiläufig klingen und vielleicht auch so gemeint sind. Doch mit ein wenig Nachdenken lässt sich daraus mehr Nektar saugen, als es zunächst den Anschein hat. "Ja, die Waldhöfer waren spielbestimmend", erklärte der Coach nach Abpfiff der 90 aufregenden Minuten gegenüber "Magenta Sport". Um die rhetorische Nachfrage nachzuschieben: "Aber was heißt das heute schon, spielbestimmend?"

Richtig: Was heißt das schon, spielbestimmend?

Ohne Frage war Waldhof Mannheim insbesondere in der zweiten Hälfte optisch überlegen. Soll heißen: Der Ball kreiste viel um den Strafraum des 1. FC Kaiserslautern. Doch was kam dabei herum? Grade mal zwei Ecken. Von denen die zweite, in der 88. Minute, tatsächlich auch zu einer ordentlichen Kopfballmöglichkeit für Marcel Seegert führte. Und sonst? In der 53. Minute war der starke Pascal Sohm nah dran an einem Treffer. Verfehlte, auf Höhe des kurzen Pfosten positioniert, aus sieben Metern nur knapp.

Kevin Kraus: Abwehrarbeit mit chirurgischer Präzision

Wobei der Weg ins Netz allerdings nur schwer zu finden gewesen wäre. Denn außer Keeper Matheo Raab waren da noch etliche Abwehrbeine in der Schussbahn. Wie überhaupt gesagt werden muss: Eigentlich immer, wenn Blauschwarze in Tornähe am Ball waren, waren genug Rote zum Abblocken zur Stelle. Und die Lautrer stellten sich beim Attackieren im Strafraum diesmal erstaunlich besonnen an.

Besonders hervorzuheben ist da Kevin Kraus, der vergangenes Wochenende gegen Magdeburg sich vor dem ersten Gegentreffer ausspielen ließ und vor dem zweiten einen Elfmeter verursachte. Diesmal richteten sich seine Eingriffe in gegnerische Aktionen stets sauber gegen den Ball, und das mit geradezu chirurgischer Präzision.

Und auch wenn die Waldhöfer noch so sehr davon überzeugt davon mögen, dass sie den Sieg "verdient" gehabt hätten, weil sie doch über 90 Minuten "mehr fürs Spiel taten": Die dickste Chance des Spiels hatte der FCK. In der 55. Minute durch Terrence Boyd, als ihm nach einer flachen Flanke von Philipp Hercher die Fußabwehr von Hamza Saghiri direkt vor der Füße fiel.

Boyd verfehlt, aber: "Weiter geht der Lachs"

Der Wintereinkauf ärgerte sich selbst am meisten über den anschließenden Fehlschuss, bezeichnete sich selbst "als einzigen Verlierer" dieser Partie und leistete später sogar über die sozialen Medien Abbitte bei den Fans. An der Deutung des kryptischen Mottos "Weiter geht der Lachs" arbeiten wir noch.

Dass die optische Überlegenheit der Mannheimer nicht zu guten Torchancen in Hülle und Fülle führte, belegt auch die Timeline der expected Goals. Ein Endwert von 1.05 ist nicht gerade überragend. Die Roten Teufel kommen allerdings nur auf 0.88, und von denen macht Boyds Chance den Löwenanteil aus. So dass die Phrase "Der Waldhof war näher am Sieg" halt schon irgendwo ihre Berechtigung haben könnte, so sie denn jemand lesen wollte.

xG-Plot SVW-FCK

Doch was kümmern uns die Ludwigshafener Nachbarn? Schauen wir auf den FCK. Der blieb auch in der zwölften Partie hintereinander ungeschlagen, spielte zum 16. Mal in dieser Saison "zu null" - und lief nun zum zweiten Mal hintereinander über weite Phasen einer Partie dem Ball nur hinterher. Das sehen die Fans eines Tabellenzweiten sicher nicht gerne, muss aber nicht unbedingt was Schlechtes bedeuten.

"Ballbesitz" oder auch "Dominanz" sind nicht unbedingt ein Erfolgskriterium, wie auch ein Blick auf eine entsprechende Tabelle des Datenanbieters "wyscout" zeigt. Mit durchschnittlich 46,1 Prozent Ballbesitz pro Spiel weist der Tabellenzweite aus Kaiserslautern den fünftniedrigsten Wert der Liga auf. Der Tabellendritte Braunschweig präsentiert sich auf dem gleichen Tableau mit 48,4 Prozent Ballbesitz im Mittel nur als Elfter. Die Sechzger aus München, derzeit nur Tabellenzehnter, aber mit zwei Spielen weniger noch mit ordentlich Potenzial nach oben, stehen mit 46,8 Prozent Ballbesitz im Schnitt gerade mal einen Rang besser als Lautern.

Problemfeld eins: Die Mittelfeldzentrale war ausgeschaltet

Wir notieren: Wenige, aber dafür präzise Aktionen mit dem Ball bringen wesentlich mehr als Ball haben, aber nirgends durchkommen. Oder, um es mit Helmut Kohl zu sagen: Wichtig ist, was hintern rauskommt. Dass dies den Roten Teufeln diesmal nicht glückte, war die eigentliche Crux in ihres Spiels.

Denn auch wenn der FCK den Mannheimern ähnlich oft den Ball überließ wie den Magdeburger in der Woche zuvor - dieser Derby-Aufritt war längst nicht so überzeugend wie der gegen den souveränen Tabellenführer. "Wir hatten einige gute Balleroberungen, spielten sie aber längst nicht so gut aus wie zuletzt", erklärte Marco Antwerpen nach der Partie. Stimmt ebenfalls.

Doch woran lag das?

In der Hauptsache daran, dass Lauterns Schaltstationen im zentralen Mittelfeld nicht funktionierten. Marlon Ritter wurde auf der Sechs von der Giftnudel Adrien Lebeau zeitweise in Manndeckung genommen, Mike Wunderlich von Marco Höger ebenso energisch beharkt. Und Edeltechniker Felix Götze, der Pechvogel der Saison, musste schon nach 17 Minuten verletzt raus.

Die Rochade mit Redondo: Mehr Schatten als Licht

Und für ihn brachte Antwerpen keinen gelernten Mittelfeldspieler, sondern den Stürmer Daniel Hanslik. Dafür zog er Kenny Redondo auf die Acht zurück.

Auf der er, gelernt ist nun mal gelernt, sehr offensiv agierte, in der 24. Minute auch schön auf Terrence Boyd durchsteckte, der mit einem 18-Meter-Geschoss Waldhof-Keeper Timo Königsmann zur Parade zwang - übrigens die zweitgrößte Torchance des Spiels, und auch sie hatte der FCK. Insgesamt aber lief es mit Redondo auf der ungewohnten Position nicht so richtig, unter anderem kamen auch Hercher und Boris Tomiak nicht wie gewohnt ins Marschieren.

Ein Fehler, den Antwerpen hinterher einräumte und in der 70. Minute korrigierte. Hanslik musste wieder raus, Julian Niehues kam und Redondo durfte wieder nach vorne. Diesbezüglich darf man übrigens Hanslik, der bislang eine starke Runde spielte, nichts von wegen "Höchststrafe" einreden. Lauterns Pferdelunge hatte nach seiner Erkrankung in der Woche zuvor einfach noch nicht genug Luft für einen Einsatz über (fast) die komplette Spielzeit. Zudem war die Auswechslung nach der Einwechslung auch taktisch bedingt.

Problemfeld zwei: Die linke Seite wackelte

Ein weiterer Schwachpunkt des FCK-Spiels: Die linke Abwehrseite. Vor allem über Dominik Martinovic lief ab Mitte der ersten Hälfte einfach zu viel, er war es auch, der die Sohm-Chance in Hälfte zwei auflegte. So wertvoll und wichtig Hendrick Zuck für Aufbauspiel ist: Auf der linken Seite fehlt eine Alternative, die ihre Stärken in der Defensivarbeit hat und in solchen Phasen in die Schlacht geworfen werden kann.

Aber auch die vielen Wechsel in der zweiten Hälfte machten das Aufbauspiel nicht besser. Die eine gelungene Aktion, die den Lucky Punch hätte bringen können, war trotz einiger guter Ansätze einfach nicht drin. Und: Die Roten leisteten sich zu viele Ballverluste in Zonen, in denen sich dergleichen schon oft genug böse gerächt hat. In den vergangenen Wochen jedenfalls hat man das alles besser gesehen.

Hier eine Grafik von "wyscout", die zeigt, wie sich Ballbesitzverhältnisse und Passgenauigkeit bei beiden Teams im Lauf des Spiels entwickelten. Spricht in der Tat beides nicht für den FCK.

wyscout: Ballbesitz und Passgenauigkeit

Aytekin ließ viel laufen - und erntete dafür viel Lob

Boyds Großchance, die Tomiak einleitete und Hercher vorbereitete, war übrigens ein Foul von Redondo am eingewechselten Joseph Boyamba vorausgegangen. Statt dem Beinahe-Rückstand wäre also genauso gut eine gute Freistoßposition für Mannheim drin gewesen. Schiedsrichter Deniz Aytekin ließ jedoch weiterverlaufen. So, wie er vieles laufen ließ und er sich auch mit Gelben Karten zurückhielt.

Doch bevor ein mitlesender Mannheimer jetzt gleich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit gegen sein Team wittert: Der anerkannte Fifa-Schiedsrichter, den der DFB zu diesem brisanten Derby abgestellt hatte, brachte mit seiner großzügigen Regelauslegung auch Lautern um die ein oder andere gute Freistoßchance. Nach dem Spiel erntete er dafür viel Lob, unter anderem von Marco Antwerpen. Lohnt es sich da, drüber nachzudenken, wie der Schiri beurteilt worden wäre, wenn es nach einer dieser Situationen auf einer Seite eingeschlagen hätte?

Zum Abschluss noch die Positions- und Passgrafiken, wie immer von Sander Ijtsmas "11tegen11". Deutlich zu erkennen: Beim FCK ging wenig durch die Mitte, Erklärung siehe oben.

Passmap FCK

Und hier die Visualisierung der Mannheimer Ballzirkulation. Schön, wie die Hintermannschaft das Leder laufen lassen kann. Nur: Vorne drin ist es dadurch noch lange nicht.

Passmap FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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