Taktik-Nachlese zum Spiel BTSV-FCK

DBB-Analyse: Die Zuck(er)-Pässe hätten's sein können

DBB-Analyse: Die Zuck(er)-Pässe hätten's sein können

Foto: Imago Images

Mit einem 1:1 beim Tabellenzweiten Eintracht Braunschweig und nun 33 Zählern auf dem Konto beschert der 1. FC Kaiserslautern seinen Fans zu Weihnachten den besten Punktestand, seit er Drittligist ist. Erstmals in dieser Saison glich das Team einen Rückstand aus.

Angesichts der Tatsache, dass der Führungstreffer der Braunschweiger irregulär war, wird diese Erkenntnis so manchem vielleicht nur ein süßsaures Lächeln entlocken. Andererseits: Wer zu den Top-Teams seiner Klasse zählen will, muss auch mal belegen, dass er Rückstände mindestens egalisieren und gegebenenfalls drehen kann. Zumindest ein Teilerfolg ist den Roten Teufeln jetzt geglückt, und das zum ersten Mal in dieser Spielzeit. Und sie zeigten im Eintracht-Stadion noch einiges mehr, das fürs kommende Jahr zuversichtlich stimmt.

Eine bärenstarke Anfangsviertelstunde etwa. Da war alles zu sehen, was Fußball auf diesem Level ausmacht und was den nicht minder ambitionierten Gastgeber ziemlich beeindruckte. Diagonale Seitenwechsel, starke vertikale Bälle in die Spitze und Flanken - etwa von Daniel Hanslik auf Kenny Redondos Kopf nach nur vier Minuten. Aggressives Pressing in Gegners Hälfte, aber auch dynamisches Umschalten von hinten heraus - etwa von Marlon Ritter mit einem irren Sprint von Strafraum und Strafraum nach nur zehn Minuten. Der abschließende Querpass auf Jean Zimmer wurde leider geblockt. Und energisches Nachsetzen auf zweite Bälle, etwa von Hanslik nach zwölf Minuten, der sofort den aufgerückten Kevin Kraus in Schussposition brachte, dessen Dropkick Eintracht-Keeper Jasmin Fejzic aber parierte.

Erst Lautern mit starker Viertelstunde, dann die Lauberbach-Show

Marco Antwerpen hatte seine Startelf gegenüber der vorangegangenen Partie bei Türkgücü München (2:1) auf zwei Positionen geändert. Kapitän Jean Zimmer beackerte für Dominik Schad und den noch nicht wieder hundertprozentig fitten Philipp Hercher die rechte Außenbahn. Felix Götze übernahm Hikmet Ciftcis Platz im zentralen Mittelfeld. Und der FCK zeigte sich auch sehr beweglich, was das Verschieben innerhalb seiner Grundformationen angeht. Götze positionierte sich bisweilen tiefer als zuletzt, agierte oft auf einer Höhe mit Sechser Ritter. Oder ließ sich beim Spielaufbau auf die rechte Verteidigerposition fallen, um lange Bälle zu schlagen. Mike Wunderlich schob sich öfter auf die linke Offensivposition, während Redondo eher rechts präsent war, so dass die beiden gemeinsam mit Hanslik eine erste Pressinglinie bildeten, hinter der Götze und Ritter die Zuspiele ins Zentrum unterbanden.

Das funktionierte eine runde Viertelstunde lang tadellos. Dann aber gelang es den Braunschweigern immer öfter, die früh attackierenden Gegner zu überspielen. Dabei setzten sie vor allem Lion Lauberbach in Szene, der im weiteren Spielverlauf zum auffälligsten Akteur auf dem Feld avancierte. 1,94 Meter groß, aber beileibe nicht nur "Kante", sondern auch ungemein fix und mit gutem Gespür für den punktgenauen Start in die Gasse. Und so spielstark, dass er aus der Spitze auspendeln und sich als Ballverteiler betätigen kann. Der 23-Jährige war bis Sommer bei Zweitligist Holstein Kiel unter Vertrag - dass so einer für einen Drittligisten überhaupt zu haben war, ist schon erstaunlich.

Ein letztes Glanzlicht vor der Pause - Blau-Gelb stark in der Luft

Nach zwei, drei gefährlichen Lauberbach-Aktionen waren es aber die Pfälzer, die kurz vor der Pause nochmal ein spielerisches Glanzlicht setzte. Von Redondo angespielt, steckte Götze mit ganz viel Gefühl auf den halblinks einlaufenden Hendrick Zuck durch, der fast am Fünfmeterraum zum Schuss kam, Eintracht-Keeper Fejzic war ihm jedoch schon so weit entgegen gestürzt, dass Zuck den Ball nicht mehr an ihm vorbeibekam.

Was außerdem auffiel: Die Gastgeber räumten nahezu alle Ecken und Freistoßflanken der Lautrer ab. So wenig nach Standardsituationen zum Zug kamen sie zuletzt bei der Heimniederlage gegen die Würzburger Kicker (0:2) im Oktober.

Elfer, Pfosten, Fehlentscheidung; Nach der Pause ging's hoch her

Nach der Pause ging es dann eine Viertelstunde lang Schlag auf Schlag. Erst markierten die Blau-Gelben ihren Führungstreffer. Ärgerlich daran war nicht nur, dass die Schiedsrichtergespann Enrique Pena Zauners Abseitsposition nicht erkannte, obwohl der Assistent auf Höhe des Balles war und freie Sicht hatte. Matheo Raab hielt den Flachschuss auch noch großartig, doch landete das Leder anschließend unmittelbar vor den Füßen des einschussbereiten Jomaine Consbruch - mehr Pech geht wirklich nicht.

Nur sechs Minuten später der Ausgleich. Eintracht-Innenverteidiger Philipp Strompf wähnte sich an der Strafraumgrenze im Ballbesitz, doch Redondo schob einen Fuß so geschickt zwischen ihn und den Ball, dass der Abwehrmann ihn statt des Leders traf. Und auch wenn's ein merkwürdiger Elfer war und mancher Braunschweiger eine Konzessionsentscheidung witterte: Den konnte man geben. Hätte Schiedsrichter Sven Waschitzki allerdings einfach weiterlaufen lassen, die Proteste hätten sich wohl in Grenzen gehalten.

Ritter verwandelte den Strafstoß mit der gleichen Lässigkeit, mit der er auch schon im November den Endstand zum 1:0 gegen den SV Wehen Wiesbaden hergestellt hatte. Sein Stil, den Keeper vorm Schuss auszuwackeln und in die andere Ecke zu schicken, mutet wirklich megacool an, dürfte sich aber bald herumgesprochen haben. Allzu oft wird die Nummer daher wohl nicht mehr funktionieren.

Nach 60 Minuten spielte Wunderlich einen ähnlichen Zuck(er)-Pass wie zuvor Götze: ein exzellent getimtes, diagonales Anspiel auf den erneut halblinks einlaufenden Zuck. Der steht vollkommen frei, nimmt aber lieber seinen starken Linken, statt mit dem schwächeren Rechten innen am Keeper vorbeizuschlenzen. Und haut den Ball am Tor vorbei. Schade.

Wieder zwei Minuten später donnerte Braunschweigs Rechtsverteidiger Brian Behrendt einen Freistoß gegen den Pfosten des Raab'schen Gehäuses. Mehr Abwechslung geht wirklich nicht.

Hercher kommt und belebt, Zimmer geht und ist unglücklich

Eine Minute später bringt FCK-Coach Marco Antwerpen Philipp Hercher für Zimmer, für den damit ein relativ unglückliches Halbjahr zu Ende ging. Wirkliche Impulse vermochte der Kapitän auch in dieser Partie nicht zu setzen, zudem verlor er einige Zweikämpfe. Nachfolger Hercher ist direkt besser Spiel - und zeigt, weswegen er, obwohl nur "Schienenspieler", neben Stürmer Hanslik der beste Scorer im Team ist.

So richtig gefährlich wird es bis zum Schlusspfiff aber auf keiner Seite mehr. Obwohl es weiter hin und her geht und beide Trainer deutliche Zeichen setzen, dass sie nach vorne noch was bewegen wollen: Michael Schiele bringt Luc Ihorst und Benjamin Girth, Antwerpen Elias Huth und Muhammed Kiprit - alle sind Stürmer. Es bleibt jedoch beim 1:1.

33 Punkte nach 20 Spieltagen - das ergibt einen Punkteschnitt von 1,65. Auf 38 Spieltage hochgerechnet wären das 62,7 Zähler, aufgerundet 63. Die wären wohl gut genug für ein Platz unter der ersten Sechs, reichen in der 3. Liga in der Regel aber kaum für die Top 3. Allerdings: Seit der großen Zäsur nach dem Magdeburg-Spiel am 7. Spieltag holten die Pfälzer 28 Zähler in 13 Partien - das ist ein Schnitt von über zwei Punkten pro Spiel und wären hochgerechnet 81. Die würden locker zum Aufstieg reichen. Träumen ist also weiterhin erlaubt. Und wünschen sowieso in dieser Jahreszeit.

"Leistungsgerechtes Unentschieden"? Der FCK hätte gewinnen können

Zu den xG-Grafiken: Während der Medientenor sich eher auf der Phrase vom "leistungsgerechten Unentschieden" einpendelt, sieht die Timeline der "expected Goals" den FCK leicht vorne. Erst recht, wenn man bedenkt, dass die Braunschweiger Einschusschance, die fast so hoch bewertet ist wie der Elfmeter, im Grunde irregulär zustande kam.

xG-Plot BTSV-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Guck an, das Lautrer Spiel weist ausnahmsweise mal keine Rechtslastigkeit auf. Was aber auch daran liegen könnte, dass Zimmer nicht so umtriebig war, wie es Hercher ist, wenn er von Anfang an spielt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Position- und Passgrafik der Braunschweiger. Sie hatten sich offenbar vorgenommen, die Roten Teufel über deren linke Abwehrseite zu packen.

Passmap BTSV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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