Taktik-Nachlese zum Spiel FCS-FCK

DBB-Analyse? Raabs Geste sagt doch alles

DBB-Analyse? Raabs Geste sagt doch alles


Betze, lass dich umarmen: Der 1. FC Kaiserslautern gewinnt erneut das Derby gegen den 1. FC Saarbrücken. Dabei triumphieren die Pfälzer dank einer anspruchsvolleren Spielanlage - und der stärkeren Egos.

Hier werden nun über tausend Worte zu lesen sein, um FCK-Anhängern den 2:0-Erfolg ihres Klubs in diesem Saar-Pfalz-Derby zu erläutern. Ob es die wirklich braucht? FCK-Keeper Matheo Raab drückte am Samstagnachmittag mit einer einzigen Geste aus, wie sich die Fanseele jetzt fühlen darf.

78. Minute: Der eingewechselte Saarbrücker Julian Günther-Schmidt kommt etwa acht Meter vorm Tor und aus halbrechter Position zum Schuss, doch Raab reagiert glänzend. Der Abpraller fällt Antonio Grimaldi vor die Füße. Der zieht ab - doch Raab pariert abermals großartig. Der FCK-Block heult vor Glück und Begeisterung, der des FCS vor Verzweiflung.

Und Raab? Steht auf, breitet die Arme zur Seite aus wie Jesus am Kreuz und macht mit breiter Brust ein paar Schritte nach vorn. Wer auf Pathos steht, könnte dieses Auftreten "messianisch" nennen. Wer mehr mit Comicheftchen aufgewachsen ist als mit dem Neuen Testament, dem fallen eher ein paar Gedankenblasen ein, die sich nun über den Kopf des Keepers setzen ließen: "Welt, lass dich umarmen!" Oder, in Richtung des Gegners: "Seht her! Ihr könnt machen, was Ihr wollt, hier kommt keiner vorbei!"

"Hätte, hätte, Fahrradkette ..." geschenkt

Unschlagbar blieb der Raab bis zum Schlusspfiff. Auch wenn seine Vorderleute den Gastgebern anschließend noch zwei Kopfball-Chancen gestatteten, wie sie sie in den über 75 Minuten zuvor nicht zugelassen hatten: Grimaldi nach Linksflanke und Kapitän Manuel Zeitz nach einer Ecke. Somit bot diese 78. Minute den Saarbrückern die einzige Gelegenheit, in ihren Nachbetrachtungen wenigstens Trost im Konjunktiv zu finden: "Hätten wir da getroffen, hätte das Spiel vielleicht nochmal kippen können." Hätte, hätte ... geschenkt.

Denn darüber hinaus dürfte den Blau-Schwarzen kaum etwas einfallen, um ihre 0:2-Niederlage als vermeidbar darzustellen. Die Roten Teufel nämlich hatten die Partie im Ludwigspark von Beginn an unter Kontrolle. Dabei glückte ihnen weiß Gott nicht alles, doch folgten sie augenscheinlich einer Spielidee. Die Saarbrücker hingegen sollten sich schon mal fragen, ob es außer "dagegen halten", "bei Ballgewinn schnell umschalten" und "den Ball irgendwie zu Grimaldi schaffen" nicht vielleicht noch ein paar Vorgaben mehr gebraucht hätte, um dieses Derby zu gewinnen.

Mit Kiprit für Klingenburg verschiebt sich Offensivformation

Schon kurz nach dem Anpfiff hatten Boris Tomiak und Muhammed Kiprit demonstriert, wie ein gut getimter Vertikalpass und ein rechtzeitiges Starten an der Abseitslinie, selbst einen formierten Defensivverbund aushebeln können. Kiprit erreichte den Ball an der Grundlinie, passte fein in den Rückraum, wo sich jedoch kein Abnehmer fand. Leider waren solchen präzisen Aktionen in der ersten halben Stunde nicht öfter zu sehen.

Typisch aber: Sie war über die rechte Seite vorbereitet worden. Wie eigentlich alles, was in dieser Partie Erfolg versprechen sollte. So auch die erste Kopfballchance durch Hendrick Zuck in der 30. Minute: Rechtsflanke von Philipp Hercher.

Kiprit war übrigens sehr kurzfristig für René Klingenburg in die Startelf gerückt, der sich beim Warmmachen verletzt hatte. Der Vollblutstürmer interpretierte seine Rolle anders als Klingenburg, der zuletzt hinter der beweglichen Sturmspitze Daniel Hanslik positioniert war und von dort den Weg in die Spitze suchte. Kiprit agierte eher auf gleicher Höhe mit seinem Partner, der öfter nach links auswich, während er die rechte Seite bevorzugte.

Dreier- oder Viererkette? Beim Führungstor war’s egal

Der linke Schienenspieler Zuck indes stand auch diesmal tiefer als sein freudvoll marschierendes Gegenüber Hercher auf der Gegenseite. Den wiederum sicherte Boris Tomiak ab, so dass sich Marco Antwerpens vor Wochen ausgetüfteltes 3-1-4-1-1 hin und wieder in ein einfacher gestricktes 4-4-2 verschob.

Was für den Führungstreffer freilich unerheblich war. Denn der fiel - wie schön - abermals nach einer Standardsituation. Zucks aus dem vorderen Drittel angesäbelter Freistoßball drehte sich an Freund und Feind vorbei an den Pfosten, den Abpraller stieß Tomiak mit Köpfchen über die Torlinie. Schon der dritte Treffer des 23-jährigen Innenverteidigers, der vergangene Saison noch in der Regionalliga West kickte. Zudem steht er defensiv solide und spielt exakte erste Pässe ... Langsam wird’s gefährlich, ihn zu sehr zu feiern, denn das könnte die Späher mit den dicken Scheckbüchern auf den Plan rufen.

Auch nach dem 1:0 gilt: Der Ball muss weg vom Tor

Ebenfalls erfreulich: Nach dem 1:0 zog sich der FCK nicht zurück, sondern hielt den Ball weiter konzentriert vom Tor weg, drängte sogar noch ein Stück weiter nach vorne als in der 0:0-Phase. Der FCS kam so einfach nicht ins Spiel. Zu meckern gibt’s eigentlich da nur, dass Hercher und Kiprit ihre schön eingeleiteten Läufe mit Flanken abschlossen, die zu nah auf FCS-Keeper Daniel Batz geschlagen waren.

Gleiches gilt auch für Mike Wunderlichs Flankenlauf kurz nach Wiederbeginn. Besonders hervorgehoben muss der energische Sprint des Oldies dennoch: Anscheinend hat er auf DBB öfter gelesen, dass er mit seinen 35 Jahren nicht mehr der Schnellste wäre - drum wollte er mal zeigen, dass er es doch noch draufhat.

All die eben genannten Aktionen liefen übrigens über die - man ahnt’s schon - rechte Seite.

Danach galt es einen kurzen Schreckmoment zu überstehen - der aber klar machte, wie schnell selbst eine so gut kontrollierte Partie wie diese plötzlich wieder egalisiert sein kann. Kevin Kraus leistete sich nach einer Linksflanke eine Kerze im Strafraum, die den aufrückenden FCS-Rechtsverteidiger Dominik Ernst ins Spiel brachte. Raab fischte seine Flanke jedoch ab. Ohne jetzt in den Hätte-Wenn-und-Aber-Modus zu verfallen: Mit solchen Patzern hat sich Lautern schon öfter verdiente Führungen versaut.

Redondos 2:0: Einer von vielen "Rechts"-Fällen

Hansliks Einschusschance kurz darauf - freistehend, im Strafraum auf halblinker Position, gab dem Spiel gleich wieder die aus FCK-Sicht korrekte Richtung. In Szene gesetzt hatte den Stürmer Wunderlich, der ein Abstoß von Batz hinter der Mittellinie volley retournierte. So etwas sieht man auch nicht oft.

Dem gerade eingewechselten Kenny Redondo blieb es dann vorbehalten, die Vorentscheidung zu besorgen: Kurzentschlossen schmetterte er den Ball ins Netz, den er kurz zuvor als flache Flanke in die Mitte spielen wollte, der aber zu ihm zurück abgewehrt worden war.

Müssen wir noch erwähnen, über welche Seite der Linksfuß zuvor seinen Flankenlauf vorgetragen hatte? Wohl kaum.

Am Ende zehn Minuten zittern: Lag’s am Dreifach-Wechsel?

Dass sich Lautern in den finalen zehn Minuten dann doch zu sehr in die eigene Hälfte drängen ließ, war vielleicht gar nicht mal unbedingt einer spät erwachten Angriffswucht der Gastgeber geschuldet. Möglicherweise aber hatte auch der Dreifach-Wechsel, den Marco Antwerpen in der 82. Minute vornahm, dem Spiel ein wenig die Ordnung genommen.

Obwohl jeder für sich gesehen durchaus Sinn machte: Für Kiprit kam Dominik Schad, der wohl mit Tempoläufen für Entlastung sorgen sollte. Für Kapitän Jean Zimmer kam Nicolas Sessa, der, wenn er mal am Ball ist, diesen mehrere Minuten allein halten kann. Und für Marlon Ritter kam Max Hippe, der mit seinen 1,94 Metern Körpergröße helfen sollte, die Lufthoheit im eigenen Strafraum zu bewahren. Passte eigentlich alles - und ergab dennoch kein stimmiges Ganzes mehr.

Das aber soll nicht mehr als eine Randnotiz bleiben: Am Ende durfte der FCK als Derbysieger mit der breiten Brust vom Platz gehen, die Matheo Raab in der 78. Minute so eindrucksvoll präsentiert hatte.

Die xG-Grafiken: Diesmal trügerisch, allerdings nur auf den ersten Blick

Die Timeline der "expected Goals" bietet diesmal leider einiges an Futter für alle, die diese Art der Fußball-Betrachtung für unsinnigen Nerdkram halten. Nach qualitativ bewerteten Torchancen hätte der FCS also gewinnen müssen - lächerlich. In der Tat müssen auch wir zugeben: Weshalb Redondos Einschusschance bei seinem Treffer nicht höher bewertet worden ist, verstehen wir schlicht und ergreifend nicht.

Auch Hansliks Torchance weist nur einen geringen xG-Wert auf. Aber, mal Hand aufs Herz: War dessen Einschussposition wirklich so gut? Halblinke Position, vielleicht 14 Meter zum Tor, und im Moment des Schusses - und nur dieses Bild bewertet die Software - hat Batz bereits gut den Winkel verkürzt. Da liegt der Computer vielleicht doch nicht so falsch.

Die Saarbrücker Doppelchance dagegen wird mit einem xG-Wert von rund 0.75 bedacht, ihr also eine Trefferwahrscheinlichkeit von 75 Prozent eingeräumt, damit hat sie in etwa die Qualität eines Elfmeters. Das kommt aber doch hin, oder?

Und das maue FCK-Gesamtergebnis von 0.65 xG ist vielleicht dadurch zu erklären, was wir weiter oben bereits beschrieben haben. Etliche gut eingeleitete Flügelangriffe endeten mit Flanken, die viel zu nah auf Keeper Batz geschlagen waren.

Die Saarbrücker sind gut beraten, sich diese Timeline nur bis zur 78. Minute anzusehen. Da wird nur allzu deutlich, was sie in diesem Derby bis dato zuwege gebracht hatten: So gut wie nichts nämlich.

xG-Plot FCS-FCK

Die Positions- und Passgrafik bestätigt die oben geschilderten Eindrücke: Die mit Kirprit für Klingenburg verschobene Offensivanordnung einschließlich Hansliks Linksdrall, ebenso das Mittelding zwischen Dreier- und Viererkette. Interessant: Die linke Seite wirkt hier insgesamt spielfreudiger, das die guten Angriffe allesamt über die rechte liefen, kommt hier nicht zum Ausdruck.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der Saarbrücker: Zwischen dem hochgelobten Linksverteidiger Galle und seinem offensiven Vordermann Gouras fehlt die Bindung. Außerdem macht sie die "Alles auf Grimaldi" deutlich. Keeper Batz ist der Spieler mit den "Most Build up Passes". Noch Fragen?

Passmap FCS

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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