Taktik-Nachlese zum Spiel Berlin-FCK

DBB-Analyse: Keine Leader, keine Lust: Lautern leidet

DBB-Analyse: Keine Leader, keine Lust: Lautern leidet

Foto: Imago Images

0:4 bei Viktoria Berlin. Woran es liegt, dass dieser 1. FC Kaiserslautern seit Jahren jede Saison schon auf den ersten Metern verkorkst? Mit Sach-, geschweige denn gesundem Menschenverstand lässt sich dies kaum noch erklären.

Am Personal lässt sich die permanente Startschwäche jedenfalls kaum festmachen, denn das wechselt mit schöner Regelmäßigkeit sowohl auf dem Rasen als auch am Spielfeldrand. Nach den verpatzten Saisonstarts mit den Sportchef-Trainer-Kombis Martin Bader/Sascha Hildmann und Boris Notzon/Boris Schommers, diskutiert der Anhang nun heiß und ätzend über die Personalpolitik, für die sich vor der aktuellen Spielzeit 2021/22 Thomas Hengen und Marco Antwerpen verantwortlich zeichneten. Die Fans mit einem "Dafür ist es noch zu früh" zu beschwichtigen, käme vor diesem Hintergrund einer Provokation gleich.

Fakt ist und bleibt zunächst mal: Vier Pflichtspiele, kein Tor. Aus im DFB-Pokal. Ein Punkt in der Liga, nach drei Spieltagen ein Abstiegsplatz. Wieder einmal. Und wieder einmal, nachdem nach der knappen 0:1-Pokalniederlage gegen Gladbach von "einer Leistung" gesprochen worden war, "auf der man aufbauen kann". In der PK vorm Spiel am vergangenen Freitag war Marco Antwerpen noch darauf aufmerksam gemacht worden, dass es gerade nach solchen Kommentaren in Lautern mit schöner Regelmäßigkeit im darauf folgenden Spiel ordentlich was auf die Zwölf gibt. Doch der stets Zuversicht ausstrahlende Coach meinte, dies sei vor seiner Zeit gewesen, also für ihn nur bedingt relevant. Insofern ist die Ratlosigkeit, die er nach diesem 0:4 vor den Kameras und den Mikrofonen ausdrückte, verständlich.

Déjà-vu für Viktoria: Erst Braunschweig, jetzt Lautern abgewatscht

Für Viktoria Berlin war diese Partie ein einziges Déjà-vu-Erlebnis. Sie hatten auch am Spieltag zuvor 4:0 gewonnen, gegen Eintracht Braunschweig, einem anderen Traditionsteam, das sich für diese Spielzeit eigentlich "mehr" vorgenommen hat. Und auch der Ablauf war ähnlich. Zunächst durften die kessen Aufsteiger ein frühes Tor markieren und sich so Sicherheit holen. Danach folgte eine Phase des offenen Schlagabtauschs, in der auch der Gegner zu ein paar Torchancen kam und im Erfolgsfall vielleicht Auftrieb bekommen hätte, die Partie zu drehen. Dann aber glückte den Berlinern auch der zweite Treffer, der den Kontrahenten zusehends demoralisierte. Bis er sich so sehr auflöste, dass er am Ende sogar mit einem 4:0 noch gut bedient war.

Und da auch das Auftaktspiel gegen die andere Viktoria aus Köln 2:1 gewonnen wurde, grüßt man nun als souveräner Tabellenführer von der Spitze. So einfach wie in den jüngsten Partien wird es den Berlinern künftig wohl nicht mehr gemacht werden. Deutlich zu sehen ist aber schon jetzt: Diese Mannschaft hat bereits Kontur. Vor allem das spielfreudige Offensiv-Trio Tolcay Cigerci, Lucas Falcao und Enes Küc wird noch für Furore sorgen. Zumal es mit Soufian Benyamina noch um eine Kante bereichert werden kann, wenn vorne in der Mitte mal mehr Körpereinsatz gefragt ist.

Beim FCK ist immer noch kein Mannschaftsgerüst erkennbar

Beim FCK ist nach vier Pflichtspielen noch kein Mannschaftsgerüst erkennbar, das Stabilität aufweist. Elias Huth, der Stürmer, der schon in der vergangenen Spielzeit nicht in Tritt gekommen war, hatte sich nach der Saisonvorbereitung zunächst wieder einen Platz in der Startelf ergattert. Mittlerweile scheint er das Vertrauen aber schon wieder verspielt zu haben. In Berlin saß Huth wie auch schon gegen Gladbach 90 Minuten auf der Bank, auch wenn er kurz vor der Verletzung von Felix Götze in der 70. Minute fast eingewechselt worden wäre, dann aber Alexander Winkler weichen musste.

Marlon Ritter, der zum Saisonstart beim 0:0 gegen Braunschweig als spielmachender Sechser vielversprechend aufgetrumpft hatte und endlich seinen Durchbruch am Betzenberg andeutete, hat sich mittlerweile wieder in den Krankenstand verabschiedet. In Berlin fielen zudem auch René Klingenburg und Kenny Redondo kurzfristig aus. Für sie kamen Julian Niehues, der mehr Sechser ist als der Zentrumsspieler Klingenburg, sowie Marius Kleinsorge, der eigentlich als offensiver Flügelspieler gilt.

Somit wäre eigentlich eine klare 4-2-3-1-Formation zu erwarten gewesen. Die aber war schon in der ersten Hälfte kaum mehr zu erkennen. Und die war aus FCK-Sicht noch einigermaßen erträglich anzuschauen, auch weil sich die Berliner nach ihrer Führung nicht zurückzogen, wie es der SV Meppen vor zwei Wochen getan hatte, sondern weiter hoch verteidigten und das Spiel so offen blieb. Das Halbzeitergebnis war gleichwohl frustrierend.

Merkwürdige Offensivformation - Wo ist Wunderlichs Treffsicherheit hin?

Kleinsorge tummelte sich bisweilen vorne im Zentrum, der eigentliche Stürmer Daniel Hanslik sowie Zehner Mike Wunderlich agierten versetzt dahinter. Der rechte Offensivspieler Jean Zimmer zog wie gehabt verstärkt ins Mittelfeldzentrum, um dem marschierwilligen Rechtsverteidiger Philipp Hercher Raum zu geben, der nach dreiwöchiger Verletzungspause wieder in der Startelf stand - und die einzig erfreuliche Erscheinung im FCK-Spiel war.

Sofern es sich hier um gewollte offensive Variabilität handelte: Viel Verwirrung in der Berliner Hintermannschaft hat sie nicht gestiftet. Obwohl durchaus festgehalten werden soll: Zwischen dem frühen 0:1 und dem 0:2, das wieder einmal unmittelbar vor der Pause fiel - auch diesen Bann hatte der vorm Spiel so zuversichtliche Antwerpen eigentlich brechen wollen -, verzeichnete Lautern auch ein paar Abschlüsse. Kleinsorge und Hercher scheiterten knapp, Mike Wunderlich durfte zwei Mal von außerhalb des Strafraums ansetzen.

Was im Grunde keine wirklich guten Einschusspositionen waren, aber gerade einer wie Wunderlich hat diese schon öfter genutzt. Auch seine Treffsicherheit als Freistoßschütze hat der im Sommer von Viktoria Köln gekommene 35-Jährige noch nicht wiedergefunden. Sichtbar wurde dies in der 58. Minute, als er einen ruhenden Ball aus 18 Meter recht uninspiriert in die Mauer zirkelte. Da allerdings stand es schon 0:3.

Ohne Führungskräfte kein Spirit - Symbolfigur Götze

Womit wir beim Hauptproblem wären, das sich dem Trainer derzeit stellt: Die vorgesehenen Leistungsträger versagen ihren Dienst. Wunderlich ist da noch der geringste Vorwurf zu machen. Er versucht sich noch am ehesten an so etwas wie einem geordnetem Aufbauspiel. Kapitän Zimmer aber gelingt kaum etwas. Seine Auswechslung nach 60 Minuten inklusive verweigertem Handschlag mit dem Trainer sprach Bände.

Einen rabenschwarzen Tag erwischte ausgerechnet der große Hoffnungsträger Felix Götze. Schon vor der Kopfverletzung, die er in der 71. Minute erlitt und deren Folgen noch nicht abzusehen sind - erste Diagnose: ein Haarriss im Schädel -, leistete sich der 23-Jährige Schnitzer, wie sie bislang bei ihm so noch nicht zu sehen waren. Schon nach zwei Minuten zog er gegen Falcao den Kürzeren, sodass Boris Tomiak in höchster Not retten musste.

Nach drei Spielminuten war Götze gemeinsam mit zwei Mitspielern derart lasch gegen Berlins Björn Jopek aufgetreten, dass dieser im Fallen den Führungstreffer erzielen konnte. Und unmittelbar vor der Pause ließ er sich als letzter Mann von Cigerci und Falcao den Ball abpressen, so dass Cigerci frei aufs Tor zulaufend das 2:0 markieren durfte.

Auf der Suche nach dem Geist aus dem Saisonfinale

In den finalen zehn Spielen der vergangenen Saison, in denen der FCK nach zwischenzeitlich sieben Punkten Rückstand auf einen Nicht-Abstiegsrang noch einmal den Kopf aus der Schlinge zog, hatte sich Götze noch als souveräner Leader präsentiert. Womit er das aktuelle Dilemma des Teams am nachhaltigsten repräsentiert. Wo ist der Spirit aus diesen Partien hin? Der, mit dem es möglich war, Rückstände zu drehen, wie beispielsweise am vorletzten Spieltag, als aus einem zwischenzeitlichen 1:3 bei Viktoria Köln noch ein 3:3 gemacht wurde.
Das sind die Fragen, denen Marco Antwerpen in dieser Woche nachzuspüren hat, ehe es am Samstag im Fritz-Walter-Stadion gegen den TSV 1860 München geht. Ein Klub, der ebenfalls gerne einen besseren Saisonstart hingelegt hätte, dessen Verantwortliche im Gegensatz zu ihren Kollegen aus der Pfalz das Selbstvertrauen hatten, ihr Saisonziel "Aufstieg" deutlich auszusprechen.

Die xG-Grafiken zum Spiel folgen, sobald sie vorliegen. Zur Stimmungsaufhellung dürften sie allerdings kaum beitragen.

Ergänzung, 24.08.2021: Die xG-Grafiken zum Spiel in Berlin

Die xG-Plots veranschaulichen das klare Chancenplus der Berliner, bestätigen aber auch: Bis zum 0:3 war der FCK eigentlich gar nicht so schlecht im Spiel. Und ein insgesamt 1.37 xG nach 90 Minuten hat so mancher auch schon einen Punkt geholt - allerdings nur, wenn hinten entsprechend weniger zugelassen wird.

xG-Plot Berlin-FCK

Die Positions- und Passgrafik der Lautrer belegt vor allem deren merkwürdige Offensivanordnung. Kleinsorge war mehr Stürmer als Hanslik, der irgendwie gar nicht im Spiel war. So etwas wie Passkommunikation war nur auf der rechten Seite zu finden. Der Mann für den ersten Pass aus der Abwehr war Boris Tomiak. Und bei allem Respekt, wie sich der Neuzugang aus der Regionalliga West auf dem Betzenberg bislang behauptet: Das ist nicht gerade seine Stärke.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Berliner. Die hatten gar nicht mal so viel mehr Ballbesitz als die Lautrer. Präsentierten sich aber insgesamt geordneter - im Passspiel ist klar "mehr Miteinander" zu erkennen.

Passmap Berlin

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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