Taktik-Nachlese zum Spiel SVM-FCK

Die DBB-Analyse: Psycho-Gedöns und andere Kopf-Sachen

Die DBB-Analyse: Psycho-Gedöns und andere Kopf-Sachen

Foto: Daniel Krämer

Déjà-vu im Emsland. Der 1. FC Kaiserslautern verliert zum dritten Mal in Folge beim SV Meppen, darf sich davon aber nicht runterziehen lassen. Gegen mauernde Gegner kann im Moment nur eins helfen: Erst gar nicht in Rückstand geraten.

Von einem "psychologisch wichtigen Moment" zu sprechen, wenn ein Treffer kurz vor der Pause fällt, ist so abgedroschen, das anständige Reporter es sich längst abgewöhnt haben. So richtig Sinn hat der Satz ja auch noch nie ergeben. Nach einem Gegentor unmittelbar vor Ende der Halbzeit haben Mannschaft und Trainer anschließend immerhin ein paar Minuten Zeit, den Schlag zu verdauen und zu besprechen, wie es darauf nun zu reagieren gilt. Ein Gegentreffer unmittelbar nach der Pause ist "psychologisch" daher eigentlich viel ungünstiger.

Das Schöne am Fußball ist aber auch: Man kann sich Psycho-Gedöns wie dieses immer so drehen, dass es passt. Der Treffer, den Max Dombrowka am Samstag unmittelbar vor dem Pausenpfiff für den SV Meppen erzielte, sollte die Partie nicht nur entscheiden, er markierte auch den Knackpunkt in einem bis dahin durchaus gut anzusehenden Spiel des FCK. Insofern könnte er vielleicht doch "psychologische" Bedeutung gehabt haben.

Symbolfigur Zimmer: Erst positiv, dann negativ

Der FCK hatte in den ersten 45 Minuten nämlich ein rundes halbes Dutzend guter Einschussgelegenheiten und diese allesamt über die rechte Seite vorbereitet. Schon in der dritten Minute über Dominik Schad, dessen Flanke Mike Wunderlich am langen Eck volley nahm, aber verzog. Später nach einer Ablage von Mittelstürmer Daniel Hanslik auf Nicolas Sessa. Und schließlich köpfte Hanslik eine Freistoßflanke von Wunderlich ans Aluminium.

Ausgangspunkt der einleitenden Rochaden über die rechte Seite war stets Kapitän Jean Zimmer, der gegen Ende der ersten Halbzeit nach einem eigenem Flankenlauf ein weiteres Mal auf Sessa auflegte, der jedoch an Meppen-Keeper Erik Domaschke scheiterte. Danach aber wurde der Kapitän auch in negativer Hinsicht zur Symbolfigur seines Teams.

Denn mit Dombrowka erzielte der Meppener Linksverteidiger den entscheidenden Gegentreffer. Per Kopf, nachdem er am langen Eck eingelaufen war, um eine weite Flanke von Rechtsverteidiger Markus Ballmert in den Strafraum in Empfang zu nehmen. Die Reporter von "Magenta Sport" und dem SWR waren sich daraufhin einig, dass ein Stellungsfehler von Schad den Treffer ermöglichte. Der aber stand wenigstens ungefähr da, wo ein Rechtsverteidiger in einer solchen Situation stehen muss. Die Frage war viel eher: Wo war Zimmer? Als rechter offensiver Außenbahnspieler hätte er eigentlich mit dem gegnerischen Linksverteidiger mitgehen müssen.

Und der Kapitän hatte an seiner Schuld wohl schwer zu tragen, denn ihm gelang in Hälfte zwei kaum noch etwas. Und mit seinem Spiel wurde auch das seiner Elf immer zerfahrener. Symptomatisch: Die 80. Minute, als Wunderlich den freistehenden Zimmer an der rechten Strafraumlinie anspielte, diesem aber der Ball an die Hand sprang.

Die unendliche Geschichte: Kopfbälle, Kopfbälle, Kopfbälle

Da mag also "Psychologie" im Spiel gewesen sein, allerdings gibt es profanere Dinge ebenso zu analysieren. Das Unheil etwa, das Dombrowkas Kopfballtreffer brachte, hatte sich streng genommen auch schon angedeutet, als Lautern am Drücker zu sein schien. Bereits nach 20 Minuten war die FCK-Hintermannschaft nach einem gar nicht einmal scharf getretenen Freistoß-Flugball ins Schwimmen geraten. Acht Minuten später erwischte der aufgerückte Innenverteidiger Lars Bünning das diesmal schärfer getretene Leder fünf Meter vor dem Kasten von Keeper Matheo Raab voll mit der Stirn, doch sein Aufsetzer sprang knapp über die Torlatte.

Was zeigte: Wieder einmal beherrschten die Roten Teufel den Luftraum nicht. Dombrowka präsentierte ihnen lediglich die Quittung.

Um mehr Wucht ins Zentrum zu bekommen, nahm Marco Antwerpen eine erste Umstellung bereits nach einer Viertelstunde vor. Der FCK-Trainer hatte neben Marlon Ritter zunächst Sessa im zentralen Mittelfeld starten lassen. Der half zwar mit, gute Umschaltmomente zu gestalten, schaffte es im Zusammenspiel mit dem ebenfalls schmächtigen Ritter aber nicht, die Kreise des spielerisch und physisch starken Zehners Luka Tankulic zu stören, den Antwerpen wohl in der Spitze erwartet hatte. Nachdem Tankulic mit einem Pass aus dem Zentrum ums Haar seinem Mitspieler Morgan Faßbender einen Treffer aufgelegt hatte, ließ der Coach Sessa die Position mit René Klingenburg tauschen, der sich bis dahin eher uninspiriert links offensiv versucht hatte. Damit war wenigstens Meppens Spiel durch die Mitte ausgebremst.

In der Pause kam Kraus, Götze rückte nach vorne

In der Pause brachte der Coach zunächst Innenverteidiger Kevin Kraus für Sessa. Damit sorgte er für mehr Kopfball-Kompetenz in der Defensive und ermöglichte Felix Götze, ins Mittelfeld zu wechseln und für mehr Dampf zu sorgen. Da sah für einige Minuten dann tatsächlich etwas besser aus. Dann aber machten es sich die Gastgeber in der Rolle der Kontermannschaft kommod und blieben bis zum Schlusspfiff mit Gegenstößen gefährlich. Am Ende stand ein klares Chancenplus für Meppen, obwohl sich der Ball in Halbzeit zwei die meiste Zeit in ihrer Hälfte befand.

Der bereits mit Gelb belastete Faßbender hätte beinahe das 2:0 erzielt, unmittelbar nachdem er nach einem Textilvergehen eigentlich Gelb-Rot hätte sehen müssen - irgendwie hätte das gut zu dieser Partie gepasst. Am nächsten dran am zweiten Treffer waren die Hausherren jedoch nach einer weiteren Tankulic-Ecke, die abermals Bünning an die Latte köpfte. Als wollten die Emsländer den Pfälzern mit aller Macht zeigen, wo derzeit ihre größte Schwäche ist.

Schmitts monströser Dreifach-Wechsel: Vor wem hatte er eigentlich Angst?

Dazu passt auch der monströse Dreifach-Wechsel, den SVM-Trainer Rico Schmitt nach 78 Minuten vollzog. Er brachte auf einen Schlag den 1,94 Meter großen Jeron Al-Hazaimeh, den ebenfalls 1,94 Meter großen Yannick Osee - übrigens ein gebürtiger Lautrer - sowie den 1,88 Meter großen Jonas Fedl, um hinten endgültig dicht zu machen.

Da lässt sich nur ketzerisch fragen: Vor welchem Kopfballspieler auf Seiten des FCK hatte Schmitt eigentlich eine solche Angst? Marco Antwerpen hatte bereits mit Elias Huth, Kenny Redondo und Muhammed Kiprit alle noch verfügbaren Offensivspieler gebracht. Das Fürchten lehren konnte den Gegner keiner von ihnen.

So etwas wie eine Einschusschance war lediglich noch für Klingenburg zu verzeichnen, der nach einer Wunderlich-Ecke den Ball im Fallen übers Tor jagte. Ansonsten glich die Schlussviertelstunde des FCK der vom Saisonauftakt gegen Braunschweig. Gegen einen tief stehenden Gegner fand er kein Durchkommen mehr.

Ein Punkt, kein Tor, jetzt kommt Gladbach - da heißt es, Nerven behalten

Um solche Situationen spielerisch zu lösen, fehlt es - noch? - an Schnelligkeit und Präzision im Passspiel. Um eine Partie mit der Brechstange noch hinzubiegen, an geeignetem Personal, das gegebenenfalls auch von der Bank kommen könnte. Im Moment kann die Strategie daher nur lauten: Erst gar nicht in Rückstand geraten, damit es erst gar nicht zu einem Anrennen gegen kompakte Defensivblöcke kommt.

Der FCK steht nach zwei Spielen in der Liga noch ohne Tor und mit nur einem Punkt da, und nun steht das DFB-Pokal-Spiel gegen Bundesligist Borussia Mönchengladbach an. Da wäre eine weitere Niederlage keine Überraschung, doch das Stimmungsbarometer würde weiter sinken. Wie schon in den vielen Spielzeiten zuvor, in denen alles besser werden sollte, es dann aber doch nicht wurde.

Da hilft nur eins: Nerven behalten und keine negativen Gedanken an sich heranlassen. Auch nach zwei Spielen ist der Saisonstart noch nicht verpatzt. Gegen Gladbach etwa wird der FCK gegen keinen mauernden Gegner anrennen müssen, solange es 0:0 steht - und kann sich auf das Umschaltspiel konzentrieren, das ihm bislang gar nicht so schlecht gelingt.

Und man sollte auch nicht jedes Wort, das ein impulsiver Typ wie Marco Antwerpen unmittelbar nach dem Abpfiff eines enttäuschenden Spiels von sich gibt, auf die Goldwaage legen. Bereits nach dem zweiten Saisonspiel den Charakter einiger seiner Jungs in Frage zu stellen, nachdem er wenige Tage zuvor noch die gute Harmonie in seiner Truppe gelobt hat, ist sicher keine gute Idee, aus der Enttäuschung heraus aber entschuldbar.

Die xG-Grafiken vom Spiel stehen noch nicht zur Verfügung, werden aber in Kürze nachgereicht.

Ergänzung, 03.08.2021: Die xG-Grafiken zum Spiel in Meppen

Hier, wie versprochen, die xG-Grafiken im Nachklapp. Die xG-Timeline bestätigt die subjektiven Eindrücke. Lautern war bis zur 45. Minute noch im Vorteil, auch, was die Qualität der herausgespielten Torchancen angeht. Ebenso deutlich ist zu sehen: In Hälfte zwei ist nur noch Klingenbergs Schussversuch kurz vor Schluss erwähnenswert. Am Ende steht ein xG-Ergebnis von 1.77 : 1.61 zugunsten des SV Meppen, drum darf deren Trainer Rico Schmitt mit Fug und Recht von einem verdienten Sieg sprechen.

xG-Plot SVM-FCK

Die Positions- und Passgrafik belegt: Beim lief tatsächlich alles über die rechte Seite, und eigentlich lief es bis zur Pause auch gar nicht schlecht. Es sei hier nochmal gesagt: Diese Visualisierungen bilden nur die ersten 70 Minuten eines Spiels ab, da die finalen 20 nach Sander Ijtsmas Ansicht in der Regel so viele Wechsel und Umstellungen bringen, dass sie ein schlüssiges Gesamtbild kaum noch zulassen würden.

Zu sehen ist aber auch: Links offensiv bot sich beim FCK kaum jemand an, Sessa zog es nach seiner offiziellen Versetzung auf diese Position faktisch mehr in seine geliebte Zehnerrolle. Breite im Spiel lässt sich so nicht herstellen, und gerade auch die wäre wichtig, um einen tief stehenden Gegner erfolgreich zu bespielen.

Die dicksten Spots bilden Götze und Tomiak, demnach hatten die beiden auch den meisten Ballbesitz. Den verschafften sie sich allerdings, indem sie sich vorzugsweise die Bälle hin und her spielten. Auch das spricht für sich.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Meppener. Klar, insgesamt deutlich weniger Ballbesitz, allerdings passte sich die Abwehrreihe so gut wie nie die Bälle zu. Da wurde geschaut, dass es im Ballbesitz schnell nach vorne geht. Und wenn dann am Ende ein 1:0-Sieg steht, hat man alles richtig gemacht, das wusste schon Otto Rehhagel.

Passmap SVM

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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