Taktik-Nachlese zum Spiel SCV-FCK

Taktikanalyse: Elferfrust bremst aufkeimende Siegeslust

Taktikanalyse: Elferfrust bremst aufkeimende Siegeslust

Zimmer, Hercher, Pourié: Der Führungstreffer für den FCK war ein feiner Spielzug; Foto: Imago Images

Wäre das Trainergespann des 1. FC Kaiserslautern auch für die "Belastungssteuerung" bei seinem Anhang verantwortlich, fiele ihr die Erkenntnis, dass die Grenzen langsam erreicht sind, womöglich leichter. Nach dem neuerlichen Remis beim SC Verl bewegt sich die Dicke des Geduldsfadens im Mikro-Millimeterbereich.

Dabei hätte sich nach der 61. Minute alles zum Guten wenden können. Nicht nur, dass der 1. FC Kaiserslautern da in Führung ging, ohne dass man es zu diesem Zeitpunkt in irgendeiner Weise hätte "verdient" nennen können. Nicht nur, dass Rückkehrer Jean Zimmer den Treffer einleitete und so seine Rolle als Hoffnungsträger bestätigte: Er steckte auf den durchstartenden Philipp Hercher durch, der anschließend an der rechten Strafraumlinie seelenruhig in die Mitte passte, worauf Marvin Pourié vollstreckte. Nicht nur, dass Verl danach taumelte. Der FCK schien die Gunst der Stunde endlich einmal für sich nutzen können, war plötzlich richtig gut im Spiel. Zwei Lattentreffer innerhalb der folgenden fünf Minuten belegen dies eindrucksvoll.

Das 2:0 schien möglich, der Auswärtssieg wahrscheinlich - und der hätte vor den kommenden Aufgaben sicher für einen ordentlichen mentalen Auftrieb gesorgt. Am Ende aber stand es wieder nur 1:1. Besonders bitter: Die Endorphin-Ausschüttung stoppte kein Gegenschlag des SC Verl, sondern ein Mitspieler, noch dazu der treffsicherste.

Nach dem verschossenen Elfer beginnen die Fehler

Pourié verschoss einen Handelfmeter, und das für einen Kicker seiner Qualität erbärmlich. Die Aktion rief offenbar auch dem Rest des Teams die Labilität in Erinnerung, die sie schon die ganze Spielzeit auszeichnet. Sofort waren die Gastgeber wieder besser im Spiel. Denen wiederum wurde nun bewusst, dass sie in dieser Saison bereits acht Mal einen Rückstand ausgeglichen hatten. Warum also sollte es nicht zum neunten Mal gelingen?

In Minute 81 war es soweit, und wieder einmal war es nicht der "Bock" eines Einzelnen, sondern eine komplette Fehlerkette, die einem Gegentreffer vorausging. Der zur Pause eingewechselte Mael Corboz darf den Ball an der rechten Strafraumgrenze schon viel zu frei annehmen. Beim anschließenden Lauf an die Grundlinie wird er ebenfalls kaum bedrängt. Kevin Kraus hätte die Chance, Corboz’ Zuspiel in die Mitte zu klären, erwischt das Leder aber nicht richtig. Auch Berkan Taz, der es im Rückraum annehmen darf, hat es viel zu leicht, die Kugel an Philipp Hercher vorbeizuschieben. Und ist danach in einer exzellenten Schussposition, die er prompt nutzt.

Hälfte eins war wieder mal viel zu verzagt

Davor und danach tat sich im Offensivspiel der einst "Teufel" genannten Roten nicht viel. Das belegt auch die xG-Grafik. Fast alle Sprünge, die das FCK-Team in der Timeline auslöst, finden sich in der kurzen Spanne zwischen Treffer und verschossenem Elfmeter.

xG-Plot SCV-FCK

Wobei auch diesmal eine Schwäche der xG-Analyse nicht verschwiegen soll: In Minute 27 hätte Marlon Ritter 18 Meter vorm Tor gut und gerne den halbrechts einlaufenden Pourié bedienen können, doch der ansonsten feine Techniker passt haarsträubend grobmotorisch. So entsteht keine Einschussposition, die in der xG-Grafik auftaucht - ein "dickes Ding" war’s dennoch.

Die Szene ändert aber nichts daran, dass die erste Stunde des Spiels erneut das aktuelle Dilemma des FCK-Spiels offenbarte: Erst mal hinten stabil stehen, bis genug Selbstvertrauen getankt ist, um ein wenig forscher nach vorn zu werden - das mag als taktische Marschroute für diese verunsicherte Mannschaft in den ersten Wochen nach der Übernahme des Traineramts durch Jeff Saibene nachvollziehbar gewesen sein. Mittlerweile aber sollte über einen Strategiewechsel nachgedacht werden, wenn diese Endlos-Schleife der Unentschieden zu durchbrechen.

Einfach mal dran denken: Mut zum Risiko wird manchmal auch belohnt

Die Partie gegen Verl markierte das elfte Remis in 19 Spielen. So ist in der Tabelle kein Vorwärtskommen möglich. Der FCK rangiert nunmehr auf Rang 16, die hinter ihm liegenden Teams haben alle noch Nachholspiele zu absolvieren - gelingt Zwickau oder Magdeburg oder Duisburg ein Sieg, stürzt Lautern auf einen Abstiegsplatz.

Dass Mut zum Risiko auch mal belohnt wird, ist vielleicht die dringendere Erfahrung, die die Mannschaft braucht, um Siegeswille und Spielfreude zurückzugewinnen. Das, was sie derzeit bietet, erinnert an Martin Luthers Spruch über Menschen mit verzagter Darmtätigkeit.

Beim KFC Uerdingen zum Jahresabschluss attackierte die FCK-Elf zumindest phasenweise ja auch weiter vorne im Feld - und siegte verdient mit 2:0. Doch statt auf Strategie - setzte Jeff Saibene nach dem 0:0 gegen Viktoria Köln auf Personalwechsel. Vier insgesamt. Drei davon waren unabdingbar, da Kenny Redondo, Marius Kleinsorge und Tim Rieder wegen Gelbsperren fehlten.

Vier Wechsel in der Startelf, drei während des Spiels: Nicht alle verständlich

Weshalb Janik Bachmann für den zuletzt erstarkenden Alex Winkler in die Innenverteidigung rücken musste, hat sich DBB-Kollege Gerrit bereits in seinem Spielbericht gefragt. Für Rieder agierte Carlo Sickinger auf der Sechs, möglicherweise versprach sich Saibene dadurch präzisere Pässe im Aufbauspiel, als sie Stammkraft Rieder normaler Weise zeigt, zumal auch Techniker Hikmet Ciftci wieder ins zentrale Mittelfeld zurückkehrte.

Die Rechnung ging jedoch nicht auf. Sickinger leitete nicht nur mit einem fatal getimten Rückpass die erste Torchance der Gastgeber ein, es war darüberhinaus auch deutlich zu sehen, dass er nach seinem auskurierten Infekt noch nicht wieder fit ist, was Saibene nach dem Spiel sogar bestätigte. Durchspielen ließ er seinen Kapitän dennoch. Dafür nahm er nahm drei andere Wechsel vor, diese aber erst in der 84., 87. und 92. Minute.

In dieser kurzen Folge hemmten die Auswechslungen den Spielfluss des in der Schlussphase wieder aufkommenden FCK. Bei den als "Comebacker der Liga" bezeichneten Verlern muss schließlich angemerkt werden: Sie hatten zwar schon acht Mal in dieser Saison Rückstände ausgeglichen, davon aber drei Partien anschließend dennoch verloren. Es hätte also noch was gehen können.

Spahic spielt Pourié öfter an als jeder Mittelfeldspieler

Die Positions- und Passgrafik zeigt: In der Tat waren die beiden zentralen Mittelfeldspieler besser in der Partie als zuletzt gegen Köln. Mehr als drei Pässe auf Stürmer Pourié glückten aber keinem, Keeper Avdo Spahic suchte und fand ihn mit seinen langen Abschlägen öfter als jeder andere Mitspieler. Erfreulich immerhin: Rückkehrer Zimmer war der FCK-Spieler, der am meisten angespielt wurde, allerdings fast ausschließlich von Hintermann Philipp Hercher.

xG-Passmap FCK

Zum Vergleich noch die Positions- und Passgrafik von Verl. Interessant die Offensivreihe, die sehr beweglich ist, wie die Dreieckspfeile neben den Spots zeigen. Auf eine feste Anspielstation in der Mitte wird verzichtet.

xG-Passmap SCV

Vielleicht ist es unter diesen Voraussetzungen sogar ein Vorteil, dass zum Rückrundenstart nun ausgerechnet die Reise zu Tabellenführer Dynamo Dresden auf dem Spielplan steht: Da muss Saibene eine abwartende Spielweise seines Teams weder vor sich selber, noch vor seiner Mannschaft noch vor dem Anhang rechtfertigen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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- Grafiken sagen nicht alles, aber viel: Die Taktikanalysen von den FCK-Spielen

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