Wow, wirklich eine tolle Diskussion hier - aber nach so einem Spiel macht es auch mehr Spaß, sich unsere Taktik nochmals etwas genauer anzusehen
Ich versuch's mal noch einmal etwas "globaler":
Nachdem ich uns nun das erste Mal über 90min sehen konnte, hat sich auch für mich noch einmal ein deutlich genauerer Blick auf das System 13/14 ergeben. 12/13 hatte ich den Eindruck, dass wir in der Hinrunde das versucht haben, was Dortmund (und die Bayern in der letzten Saison dann auch) gespielt haben: 6er lässt sich fallen, die AVs gehen bei Ballbesitz dafür beide in die Offensive, die wiederum um einen klassischen 10er gebaut ist. Nach dem mMn nach pragmatisch gewählten "Korrektur-System" der Rückrunde (gleicher Ansatz ohne 10er), habe ich eigentlich ähnliches erwartet, nur konsequenter hoch und mit mehr Pressing. Was wir nun tatsächlich spielen geht in die Richtung, ist aber mMn eher die "Freiburger Variante".
Wir spielen grundsätzlich ein 4-4-2 bzw. 4-4-1-1, wichtiger als die "Kennziffern" sind aber die variablen Elemente, die bei uns vor allem in dem liegen, was Streich bei Freiburg die "8,5" und die "9,5" nennt. Gestern: Ring und Zoller.
- Ring hat deutlich mehr Freiheiten nach vorne, als das letzte Saison Alushi, Zellner oder Köhler hatten. Er spielt so schon eher die 8 als die zweite 6, aber bei Ballbesitz rückt er eigentlich fast immer auf die 10. Das bedeutet zugleich, dass der eigentliche 6er sich nicht mehr so weit in den Raum vor den IVs fallen lassen kann, weil sonst die Lücke zwischen Denfensiv- und Offensiv-Block riesig wird. Also (und das hatte @kulak ja schon vor dem Spiel so erwartet) rücken auch die AVs nicht gänzlich auf die Mittelfeldaußen, sondern bleiben grundsätzlich in einer hoch stehenden, aber stark gestaffelten 4rer-Kette (d.h. in dem Fall tiefere IVs und höhere AVs bilden tendenziell ein -_ _ -), wobei bei Angriffen über die Außen der jeweilige AV "richtig" nach vorne aufrücken darf und der Rest eine gestaffelte 3er-Kette bildet in die sich bei gegnerischem Konter der 6er oder (wie vor dem Gegentor) der 8,5er fallen lässt. (Auch interessant zu diskutieren: Die gestaffelte 4rer-Kette ist eine große Herausvorderung, da das rechte und linke Paar aus AV und IV gemeinsam immer im Blick haben muss, dass der Raum hinter dem jeweiligen AV "zu" bleibt; das ging gestern mehrmals schief, da hatte der Gegner zum Glück nicht die Qualität das zu nutzen).
- Zoller ist nicht nur wegen seiner Kaltschnäuzigkeit ein Volltreffer. Vom Typ her ist er genau das, was wir als hängende Spitze benötigt haben. Die Schnelligkeit von Jendrisek, einen Torriecher der wohl jeden gestern an einen Großen der jüngeren Vergangenheit erinnert hat dessen Namen ich Zoller nach 2 Spielen nicht "auflasten" will - und darüber hinaus die Laufstärke und Übersicht, um einen optimalen "9,5er" zu geben: Zoller hat teilweise in der Defensive einen zweiten 8er gegeben, ist (mit anderen Aufgaben) clever meist im Wechsel, manchmal gemeinsam mit Ring in den 10er-Raum, so dass wir mMn gaaaaanz selten ein klassisches 4-4-2 gespielt haben.
Zoller kam fast immer aus der Tiefe, so dass wir phasenweise (wenn Ring aufgerückt ist aber der Gegner noch keine Räume für Zoller im letzen Angriffsdrittel gelassen hat) ein sauberes 4-1-4-1 mit Ring und Zoller auf den offensiven Halbpositionen gespielt haben. Überhaupt war unser Spiel durch a) die Hybridpositionen von Ring und Zoller sowie b) die unterschiedlichen Aufgaben / Potentiale der offensiven Außen (Matmour als jemand, der eher mit dem Dribbling gegen 2 Leute zur Mitte die Statik unserer Offensive und der gegnerischen Defensive verändert und Zeit zum Nachrücken schafft; Gaus, der auf die Chancen zum Sprint und die Ablage in die Zentrale lauert) sehr variabel.
Wir haben
Defensiv grob zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-1-2-2-1 / 4-1-4-1 (dann mit Ring und Zoller auf den Halbpositionen) als leicht zurückgezogenen, kompakten Varianten bzw. einem 4-1-4-1 und einem 4-1-3-2 als hohen Varianten mit Pressing und Gegenpressing gewechselt. Letzteres hat vor allem in den ersten 20-25min super geklappt - dass es danach immer weniger wurde kann man bei den gestrigen Temperaturen sicher auch verstehen. Ich dachte nach 30min wir spielen doch wieder in Weinrot
Gleichzeitig haben wir
Offensiv zwischen 4-1-4-1, 4-1-3-2 und - in den stärksten Pressingphasen zu Anfang - sogar in einem 4-1-2-3 (wieder mit Zoller und Ring auf den Halbpositionen) mit Tendenz zum 2-3-1-4 (!) (Innverteidiger, dann eine 3er-Kette aus gestaffelt stehenden AVs und 6er, davor "frei" Ring und vorne 2 Stürmer von den Außen flankiert) gespielt.
Was man bei all der "Herrlichkeit" nicht vergessen darf: Es war dennoch nicht 90min "unser" Spiel. Ingolstadt hat wie erwartet sehr viel Offensivpotential ins Rennen geschickt (Caiuby hat uns dabei - für mich etwas überraschend - mit seiner Ballsicherheit und seinen Dribblings mehr Probleme bereitet als der potentiell schnelle Eigler) - und mit zunehmender Dauer die Räume bekommen, das auszuspielen. Ein Grund dafür war, dass - wie schon in Paderborn - wir über weite Phasen des Spiels gegen eine breit gezogene 4rer-Kette bei der die beiden 6er die Schnittstellen zu machen nicht durchgekommen sind. Zoller und Gaus sind so schnell, dass wir im Konterspiel 2x relativ grobe Patzer in der Stafflung der Ingolstädter 4rer-Kette nutzen konnten. Aus dem (Kombinations-)Spiel heraus hat uns die kompakte Defensive wieder oft den Schneid abgekauft. Dass Drazan am Ende so viel Platz hatte (und endlich mal seine Stärken ausspielen konnte) lag vor allem daran, dass Ingolstadt in den letzten 15min auf eine 3er-Kette umgestellt hat, vor der sich nach da Costas Platzverweis sogar noch einmal zusätzliche Räume ergeben haben.
Wir haben mMn bei der Umsetzung einer Spielidee gegenüber der letzten Saison bereits große Fortschritte gemacht. Diese sind allerdings für mich nur etwas wert, wenn wir die "Kirsche auf der Sahne", das Aushebeln einer kompakten, tief stehenden gegnerischen Defensive, hinbekommen. Gelingt das nicht, rutschen wir auch ganz schnell wieder in den Bereich, wo man die frustrierende Kombination aus verpuffendem Kraftaufwand vorne und großem Gewicht etwaiger Fehler hinten hat. Dann rennt man auch mal schnell wieder erfolglos einem dreckigen 0:1 hinterher.
Aber der Weg hin zu einem funktionierenden Kombinationsspiel ist mMn angelegt. Eine Schlüsselfunktion nimmt dabei für mich (neben der aktuell fast optimal von Zoller interpretierten 9,5) der offensive zentrale MF-Spieler ein. Hier muss sich mMn ein richtiger Chef, jemand der das Tempo steuert, herauskristallisieren. Ich habe Jenssen auf der Rechnung.
Zum Gegentor:
Da würde ich grundsätzlich @wkv und @kulak gleichermaßen Recht geben, das Loch in der Mitte darf einfach nicht entstehen. Der Knackpunkt liegt für mich zwischen den beiden von @wkv geposteten Screenshots (und im Verhalten der 6): Auf dem ersten ist mMn sogar noch alles okay, wenn a) der Gegenspieler an Korkmaz dranbleibt und b) unser Spieler unten rechts den Vollsprint ins Zentrum wählt. Dass einer wie Caiuby sich im Dribbling 1 gg. 1 auch mal durchsetzt kann passieren. Die Aufteilung in der Mitte ist aber auch mMn danach so, dass keiner einrücken kann, ohne Caiuby am Ende den tödlichen Querpass auf den Ingolstädter RA zu erlauben. Anders gesagt: Unser "Temporary LV" Jenssen kann nur Korkmaz
oder den RA decken; das ist so schon eine 50:50-Entscheidung, hinten ist aber keiner außer ihm, deshalb hätte ich als Spieler auch den RA genommen und darauf gesetzt, dass von den 3 (!) Kollegen bei Caiuby einer sich noch in die Mitte orientiert. Caiuby bindet am Ende durch sein gelungenes Dribbling 3 Leute (genau einen mehr, als man in der Situation hätte verkraften können) von denen einer ins Zentrum muss. Schwerer wiegt aber für mich, dass Karl meilenweit weg ist und nicht mehr nach hinten kommt. Die 4rer-Kette löst das suboptimal, aber genau für solche zurückgelegten Bälle muss mindestens ein 6er konsequent mit zurück, da hätte mMn Karl da sein müssen.