Rückkorb hat geschrieben:Danke für deine Nachfrage und dein Angebot.
Unterstelle mir bitte Faulheit. Aber was das Sanierungskonzept angeht, bin ich ziemlich blank. Mit ist die tatsächliche finanzielle Situation zum Zeitpunkt von Jäggis Machtübernahme nicht klar. In diesem Forum wurde dazu bereits viel gepostet, woraus mir allerdings nicht gelungen ist, einen Überblick zu entnehmen. Da gab es ja wohl auch eine Entwicklung der Sanierungskonzepte mit dem grandiosen Abschluss der Veräußerung der Immobilien sowie der Transferrechte von Klose an Lotto und eben der tatsächlichen Verständigung. Im Zusammenhang wird dann immer wieder gesagt, so zum Teil auch die Diskussion hier, dass wegen der WM der FCK sowieso hätte umfangreicher belangt werden können, so dass die WM-Kostenübernahme von Stadt und Land ein großes Entgegenkommen darstellten. So wie ich hier einzelne Thesen als solche so ansatzweise noch verstehen kann, kann ich jedoch nicht behaupten, insoweit aber etwas plausibel nachvollziehen zu können. Da fände ich eine Darlegung der Geldpositionen, rechtlichen Situation sowie der entsprechenden Interessen notwendig, auch wenn man für das Forum hier den Bogen sicher nicht überspannen sollte. Wenn du Lust hast, fang aber bitte schon mal grob an. Ich gebe Feedback und frage nach, wenn ich was nicht verstehe.
So das zu umfangreich werden sollte, wäre ggf. ein neuer Thread zu eröffnen, oder wir weichen aus per Email.
Ich bin gespannt.
Hallo Rückkorb,
den oben besprochenen Versuch, die Ausgangslage bei Jäggis Amtsübernahme darzustellen, möchte ich an dieser Stelle einfach mal wagen und dabei auch die Entwicklung hin zum “Sanierungskonzept” skizzieren. Hierzu habe ich meine Erinnerung mit etwas Googeln aufgefrischt. Trotzdem hat meine folgende Ausführung allenfalls Entwurfscharakter und weist noch einige Unvollständigkeiten und auch Unsicherheiten auf. Ich wäre daher über Ergänzungen und Konkretisierungen von Seiten der Forumsteilnehmer sehr dankbar, nein, ich bitte sogar darum.
Denn eine Aufarbeitung der Ära Jäggi wird nur möglich sein, wenn zumindest einigermaßen Klarheit (und auch Einigkeit) darüber herrscht, in welcher Gesamtsituation sich der Verein bei seinem Antritt befand.
Situation Mitte 2002:
Die Einnahmeseite hatte sich im Vergleich zu den Vorjahren erheblich reduziert:
- Wegen der Kirchkrise reduzierten sich die (wohl bis 2004 fest eingeplanten) TV-Einnahmen drastisch.
- Im Saisonfinale 2001/02 wurde ein internationaler Wettbewerb verpasst. (insbesondere 1998/99 (Champions League) und 2000/01 (UEFA-Cup-Halbfinale) waren hieraus ja erhebliche Einnahmen erzielt worden).
Dagegen hatten die Ausgaben für den Lizenzspieleretat für FCK-Verhältnisse ein Rekordniveau erreicht (noch durch Einnahmen gedeckt oder musste alleine hierdurch schon mit künftigen Verlusten kalkuliert werden?).
Bezgl. Schuldenhöhe habe ich Beträge zwischen 28 und 40 Mio gefunden, realistisch scheinen
33 - 34 Millionen zu sein, als Quelle möchte ich einen Bericht der Rhein-Zeitung anführen, der aber ein paar Monate später erschien (folgt weiter unten). In der Summe enthalten sind auf jeden Fall die Altschulden, bestehend aus:
- Kredite bei mehreren Banken, abgesichert mit Hypotheken auf das Stadion.
- Für Lincoln, 2001 von Atlético Mineiro verpflichtet, bestand ein eigener Darlehensvertrag (bei Kreis- oder Stadtsparkasse KL), da die Ablösesumme (ursprünglich 7,5 Mio DM) dort finanziert worden war, er "gehörte" also quasi der Bank.
Die Abfindung für Andy Brehme stand im Raum ( Spätere Einigung ca. 1 Mio Euro).
Erstmals wurden die hohen Ausgaben für Rogon und Persönlichkeitsrechte (nicht im Spieleretat enthalten) öffentlich, hierzu ein Auszug aus einem Bericht über die Mitgliederversammlung 2002 (
www.aktienboard.com):
„Die Anklage führte Kaiserslauterns Oberbürgermeister Deubig, ein Intimfeind Friedrichs. Deubig, Kessler und Finanzvorstand Erwin Göbel tischten Vorwürfe aus Gruselkabinett auf
Eine heimliche Vertragsverlängerung von Herzog bis 2004, 1,8 Millionen Euro an Provisionen für die Firma des Spielerberaters Roger Wittmann für die Spieler Tim, Teber und Anfang, Verschweigen von dubiosen Zusatzzahlungen für Persönlichkeitsrechte in Höhe von 4,5 Millionen Mark an Profi Taribo West.“
Die Ausgangslage wird komplettiert durch das Vorhaben WM-Stadionumbau (Zahlen lt. Wikipedia):
WM: insges. 48,3 Mio
FCK: 18,9 Mio (und die damals bestehende vertragliche Zusage, dass evtl. Mehrkosten vom Verein getragen werden - wie wir heute wissen, betrugen diese 28,2 Mio)
Land Rheinland-Pfalz: 21,7 Mio
Stadt Kaiserslautern: 7,7 Mio
Es gab noch keinen (!) Darlehensvertrag mit einer Bank zur Finanzierung des Umbaus, obwohl die Umbaumaßnahmen der damit beauftragten Firma Holzmann bereits angelaufen waren. Diese drohte mit dem Abzug der Arbeiter von der Baustelle, wenn ausstehende Gelder nicht umgehend gezahlt würden.
Die nun folgenden Entwicklungen fallen schon in die Anfangsphase von Jäggis Amtszeit:
Jäggi begleicht die fälligen Holzmann-Rechnungen (ca. 5 Mio) mit Geldern, die eigentlich zur Aufrechterhaltung des normalen Geschäftsbetriebes bestimmt sind, was den Verein an den Rande der Zahlungsunfähigkeit bringt. Dies wiederum ist ein Grund dafür, dass er Ende 2002 einen Gehaltsverzicht der Lizenzspieler aushandelt.
Die Transferrechte an Miro Klose werden für 5 Mio an Toto-Lotto verkauft.
Jäggi äußert sich anfangs kritisch zum WM-Projekt, will dann aber (nach ersten Gesprächen mit Stadt und Land) daran festhalten.
Nachdem klar ist, dass sich der Verein mit Vertretern von Stadt, Land und Gläubigerbanken an einen Tisch setzen wird, gibt es im Vorfeld diverse öffentliche Verlautbarungen der Beteiligten.
Stadt und Land bekräftigen zwar, die gemachten Zusagen zum Stadionbau einzuhalten, darüber hinausgehende finanziellen Mittel werden aber strikt ausgeschlossen.
In diese Phase platzt die Meldung von der geforderten Steuernachzahlung, nachdem Jäggi die Ergebnisse des PWC-Gutachtens zuvor “veröffentlicht” hatte.
Im Vorfeld des Sanierungsgipfels geht es dann Schlag auf Schlag:
- Überall in den Medien wird nun über Steuerhinterziehung des Vereins berichtet und diskutiert.
- Jäggi erklärt, man müsse nun die Steuernachzahlung “in den Sanierungsplan einrechnen”.
- Die Gläubigerbanken erklären, dass neue Kredite nur gewährt werden könnten, wenn diese durch öffentliche Bürgschaften abgesichert würden.
An dieser Stelle möchte ich noch zwei Passagen des oben erwähnten Berichtes der “Rhein-Zeitung” vom 04.02.2003 anführen:
"Land greift roten Teufeln unter die Arme (...) "Es wird kein Sanierungskonzept geben, bei dem der Verein Eigentümer des Stadions bleibt", erklärte Finanz-Staatssekretär Ingolf Deubel (SPD) am Dienstag in Mainz bei einer Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses. Es komme nur ein Verkauf oder die Gründung einer Betriebsgesellschaft für das Stadion in Frage. (...) Die derzeitigen Verbindlichkeiten des Vereins schätzte Deubel auf etwa 33 bis 34 Millionen Euro. Nach Fertigstellung der ersten Ausbaustufe des Stadions lägen sie dann bei rund 43 Millionen Euro."
Letztlich kommt es dann zu der Einigung mit dem folgenden Ergebnis:
Der FCK ist nun ohne Vermögen, aber auch ohne Schulden, und die Verpflichtung des Vereins, die Mehrkosten beim Stadionumbau zu übernehmen, fällt ebenfalls weg. Da noch Verpflichtungen in Form von Lizenzspielerverträgen bestehen, die dazu führen würden, dass sich sofort neue Schulden anhäufen – der Spieleretat ist ja deutlich höher als die gesicherten Einnahmen – ist auch die Zusage enthalten, dass diese kalkulierten Verluste bis zum Sommer 2005 jeweils ausgeglichen werden. Dies macht aber auch eine konsequente Reduzierung des Spieleretats notwendig (Stichwort Sparpolitik).
Die bestehenden Darlehen gehen auf die neu gegründete Stadion-Betreibergesellschaft über (übrigens ist an dieser nicht, wie von mir fälschlicherweise mal behauptet, auch das Land beteiligt), diese hat als wesentliche Einnahmequelle die Stadionmiete des Vereins, womit der Kapitaldienst an die Gläubigerbanken bestritten werden muss. Welche weiteren Zugeständnisse, über die bestehenden Zusagen hinausgehend, von Stadt und Land am Ende noch gemacht wurden (Zuschüsse oder Bürschaften für Bankkredite), habe ich nicht gefunden. Die Gläubigerbanken waren jedenfalls zufrieden, deren Gremien haben alle Vereinbarungen genehmigt.
Einige Wochen später wird auch die Nachzahlung von 8,95 Millionen Euro an das Finanzamt (“Tatsächliche Verständigung”) vermeldet.
Fehlt noch die Entscheidung der DFL über die Bestrafung des Vereins (3-Punkte-Abzug und Zahlung von 125.000,-EUR) und die Akzeptierung durch den FCK.
Gruß, Geist
Edit: Folgende Korrektur habe ich vorgenommen: Die Nachricht von der geforderten Steuernachzahlung und Jäggis Äußerung, dass dies noch ins Sanierungskonzept eingerechnet werden müsse, erfolgten zwar vor der abschließenden Einigung, die Meldung über die “Tatsächliche Verständigung” mit dem Finanzamt und Zahlung von 8,95 Mio kam aber erst etwas später.