Erstmal muss man zum Spiel gestern vielleicht auch noch einmal darauf hinweisen dass Unterhaltungswert & Qualität im Fußball oft nicht viel miteinander zu tun haben.
Oder anders gesagt: Wir haben gestern unser Spiel nach vorn nicht auf den Platz gekriegt, aber der Gegner trotz aller Bemühungen (s.u.) eben auch nicht. Ich bin zwischendurch fast eingeschlafen — die Jungs mussten trotzdem ganz schön hart ackern für meine Langeweile.
Was die Diskussionen um unsere Aufstellung & Taktik angeht:
Mit den letzten Transfers scheint klar, dass man sich dagegen entschieden hat unseren Ansatz aus der Relegation die erste Saison zur Konsolidation durchlaufen zu lassen und stattdessen versucht gleich einen Schritt Richtung mehr Kontrolle & Qualität zu machen. Ich bin da selbst absolut hin und her gerissen. Einerseits fühlte sich da schon echt sehr vieles in den ersten Spielen nach einer Welle an die man reiten kann. Andererseits kommen die meisten Spiele in denen wir die Verantwortung aktiv zu sein nicht einfach einem klar favorisierten Gegner zuschieben können (s. gestern) fast alle noch. Jetzt halt die Operation am offenen Herzen Anfang September. Möge der Teamspirit weiter mit uns sein…
Zum Spiel:
Wir haben aufgrund der letzten Transfers jetzt die Situation, zu viel Qualität im Z(O)M zu haben um weiter aus dem tiefen 4-2-3-1 zu agieren — zumindest wenn da kein Hot Shot die Bank wärmen soll. Dafür gab‘s gestern was zwischen offensiverem 4-2-3-1 & 4-1-4-1 (je nachdem wie & wo Klement als 8 gerade agiert hat), mit Niehues als Abräumer und Ritter dafür nun im linken Mittelfeld. Wir haben das aber bis zu Wunderlichs Auswechslung ziemlich asymmetrisch gespielt; links hat Ritter den Raum ganz außen praktisch durchgängig vermieden, die Idee war dass er den Sandhäuser RV ins Zentrum zieht und Platz für Durm schafft, der bei Ballbesitz eigentlich einen verkappten Linksaußen gegeben hat.
Das hat (gestern zumindest) ziemlich schlecht geklappt. Bis Ritter tatsächlich nach Wunderlichs Auswechslung auf die 8 ist (wo er dann um ein Vielfaches mehr gute Aktionen hatte als in den 60min zuvor) musste er oft wie Falschgeld als „hängende 8“ oder sowas im Schatten eines Mitspielers rumschleichen weil Wunderlich und bei Ballbesitz eben auch Klement die Halbpositionen im 10er-Raum besetzt haben und Ritter einfach nur überzähliges Personal in der Zone war. Dafür brauchten wir dann einen extrem wachen Kraus, extrem viele Meilen von Durm & manchmal pures Glück damit die Sandhäuser den offenen Parkplatz hinter Durm nicht bespielt gekriegt haben. In gewisser Weise hatten wir da das große Glück, das Sandhausen auch weiß wie dünn der 6er-Raum bei unserem Mittelfeld gestern besetzt war und deshalb den Plan hatte, deren aufrückende Außenverteidiger offensiv eher ins Zentrum bzw. die Halbräume rücken zu lassen als wirklich die Außen zu überlagern.
Angesichts dessen muss man sagen, dass Niehues defensiv gestern extrem stark war. Den hatte der Gegner als Sollbruchstelle ausgewählt — aber was der an (lebens-)wichtigen Balleroberungen im 1:1 hatte war schon echt stark. Dafür hat er dann aber auch unser Umschaltspiel lahmgelegt weil fast jeder schnelle Ball von ihm nach vorn direkt weg war, da hat’s dann auch ein paar Mal gut gebrannt. Hier war die Rolle von Klement spannend, weil der wenn Sandhausen hinten gut stand und ins Mittelfeldpressing ist bei unserem Aufbau einen sehr ballsicheren „Deep Playmaker“ a la Baumjohann 12/13 gegeben hat. Letztlich hieß das aber nach vorn: Schnelles Umschalten ging jedes Mal schief weil a) unsere aktiven Balleroberer (wie gesagt vor allem Niehues, aber Zimmers Spiel lief sehr ähnlich) fast jeden flinken Pass im Umschalten dem Gegner in die Füße gespielt haben oder eben b) Klement uns etwas Zeit und Sicherheit im Aufbau gegeben hat, dann aber nur eine statische & gut abgeschirmte Offensive vor sich hatte. Trotzdem: dass wir „b)“ — also Spiel beruhigen und Ball halten im Mittelfeld — jetzt überhaupt im Repertoire haben ist allein dem Einbau Klements zu verdanken. Ritter ist ein starker Dribbler, spielt oft tolle Pässe (und hat einen prima Schuss) — aber Klement ist noch einmal um einiges sicherer gegenüber gegnerischem Pressing.
Insgesamt haben wir uns jetzt für Entwicklung (und damit Übergangsphasen) entschieden. Wir haben ein paar Stärken dazu gewonnen, aber dafür auch an Klarheit im Ansatz verloren. Persönlich finde ich die Entwicklung spannend, aber kann mir nicht vorstellen, dass wir ohne richtige offensive Außen (Redondo/Opoku bzw. Hercher/Zolinski) überhaupt Klements Potential als tiefer Spielmacher nutzen können. Ritter als „falsche 7“ wie gestern würde ich ungern nochmals sehen. Das heißt dann, dass man entweder auf ne richtige 6 verzichtet (wie gegen Magdeburg schon mit erwartbar schlechtem Resultat versucht, das geht nicht mit Viererkette) oder eben im Trio Ritter/Klement/Wunderlich rotiert (und selbst dann muss man hoffen, dass Niehues bzw. Ciftci das auf der 6 konstant hinbekommen).
Ich hoffe Rotation ist eine Option (Mike wirkte etwas on edge nach dem Wechsel…). Ansonsten kommen wir schnell in die kuriose Situation dass uns eine Sperre/Verletzung im ZM potentiell stärker macht, weil wir nur dann nach System und nicht nach Namen aufstellen können.
Was mir aber wichtig ist: Sorry, ich finde das war ein superhässliches Spiel ohne emotionale Punches — aber bei weitem von der Leistung nicht sooo schlecht wie es gemacht wird. Und ich bin voll bei Marky & Boyd: Dass wir uns überhaupt gerade als „Frischlinge“ Gedanken wie die oben in der (entspannten) Situation in der wir gerade sind machen dürfen ist einfach nur ein teuflisch schönes Geschenk
