Neuigkeiten und Pressemeldungen zum 1. FC Kaiserslautern.

Beitragvon Olamaschafubago » 05.05.2022, 18:02


Bei der Passmap der BVB U23 sieht man an dem fetten Dreieck zwischen Torwart und IV wie tief die Dortmunder lange gestanden sind. Ihr Plan war dann wohl, schnell über die Flügel zu kontern, was ihnen insbesondere über unsere rechte Seite oft gelungen ist. Bis zur Mittellinie fand erst mal gar kein Gegenpressing statt. Dann sind weder Boyd noch Hercher defensiv am Boden sehr zweikampfstark, Dortmund gewinnt die Zweikämpfe, rückt auf und dahinter tut sich für ihre technisch versierten Außenspieler dann (zu) viel Raum auf.

Eigentlich hätte das 0:1 auch schon viel früher fallen sollen, nämlich als Tomiak - de facto Rechtsverteidiger in ner Viererkette - gegen die giftige Nr. 22 von Dortmund mal wieder den Kürzeren zog und Klinge dann die Notbremse im 16er zieht. Auf der anderen, unserer "langsamen" Seite sahen auch Zuck und Winkler im 1:1 oft schlecht gegen den flotten, ballsicheren BVB-Nachwuchs aus. Das Timing und die Intensität unserer Zweikämpfe im Abwehrbereich war schon besser. Vielleicht fehlte mit Kraus da auch der Chef für die richtige Abstimmung, aber irgendwann hat man auch klar die Verunsicherung gesehen, dass bei Rückstand vor ausverkaufter Bude dann halt der Fokus auch mal im entscheidenden Moment flöten geht.

Wie wir dann bei Ballbesitz von hinten heraus im Aufbauspiel scheitern, hat @MarcoReichGott hier schon hinreichend dargelegt. Dortmund brauchte durch konsequentes Verschieben nur die Schaltstellen Ritter, Wunderlich und Hercher aus dem Spiel zu nehmen. Die aufgerückten Außenverteidiger erzeugen dann auch nach Ballverlust schneller Offensivdruck und von uns gibt es keine gefährlichen Steckpässe mehr, sondern nur noch Langholz auf den völlig belagerten Boyd. Auch Hanslik, der seine Stärke in den präzisen Pässen im letzten Drittel hat, sieht so kaum einen Ball. Wenn wir mal durchgekommen sind, haben wir dann z.B. Standards vergeigt, die in anderen Spielen halt reingingen und das Momentum zu unseren Gunsten verändert haben.

Und wenn die wenigen Chancen vorne nicht reingehen und der Gegner taktisch diszipliniert verteidigt sowie über starke, schnelle Flügelstürmer verfügt, sehen wir leider alt aus. Ironischerweise war diese defensive, abwartende Spielweise ja auch, was uns selbst erfolgreich gemacht hat.



Beitragvon Kohlmeyer » 09.05.2022, 13:30


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Taktik-Nachlese zum Spiel Köln-FCK
DBB-Analyse: Lautern hat den Ball, Köln den Matchplan


Nur eine Halbzeit Druck reicht dem 1. FC Kaiserslautern nicht, um bei Viktoria Köln die dritte Niederlage in Folge abzuwenden. Am Betzenberg dampft jetzt der Kessel. Die Tage bis zum ersten Relegationsspiel drohen zur Zerreißprobe zu werden.

Was ist nur geschehen nach dem grandiosen Derbysieg gegen den 1. FC Saarbrücken? Nach dem in Unterzahl herausgespielten 3:1-Sieg vor ausverkauftem Haus hätte der damalige Tabellenzweite doch eigentlich auf einer Euphoriewelle zum Saisonziel Aufstieg getragen werden müssen. Jetzt aber folgte bereits die dritte Niederlage in Serie. Auch wenn sich das 0:2 bei Viktoria Köln ein wenig anders gestaltete als das 1:2 beim SV Wehen Wiesbaden.

In dem Hexenkessel, den die eigenen Fans aus der kleinen Wiesbadener Arena gemacht hatten, schien es nämlich, als hätte sich das FCK-Team vom Anpfiff weg von der hausgemachten Hektik anstecken lassen - was in ein bisweilen druckvolles, insgesamt aber indifferentes Gebolze ausartete. In Köln jedoch schien es, als wollte die Elf von Marco Antwerpen betont kühl bleiben, trotz der abermals feurigen Heimspielkulisse, die 6.000 mitgereiste Anhänger in den Sportpark Höhenberg zauberten.

Die hintere Dreierreihe suchte nicht sofort den langen Ball auf den zentralen Stürmer Terrence Boyd - so, wie sie es jüngst auch beim 1:3 verlorenen Heimspiel gegen Borussia Dortmund II getan hatte. Stattdessen bevorzugte sie den Aufbaupass auf das eigentlich spielstarke Trio im zentralen Mittelfeld. Es zeigte aber ebenfalls sofort: Viktoria-Coach Olaf Janßen hatte sein Team darauf eingestellt. Marlon Ritter, Mike Wunderlich und Felix Götze spürten direkt einen Gegenspieler im Kreuz, sobald sie sich auf den Ball zubewegten.

Lorchs Terminator-Pass deutete das Unheil bereits an

Im Spiel gegen den Ball war der FCK zu der Grundordnung zurückgekehrt, mit der die längste Zeit der Saison erfolgreich war, von der er zuletzt aber abgekommen war: Fünferkette, davor eine Raute, davor ein Stürmer. Die Formation soll den Gegner dazu verleiten, den Ball an den Seitenlinien entlang zu spielen, wo er leichter gepresst werden kann. Doch auch darauf waren die Kölner vorbereitet: Sie vermieden den Pass an der Linie entlang und spielten lieber diagonal.

Nach zehn Minuten deutete sich das Unheil bereits an, und das sogar äußerst spektakulär: Viktoria-Abwehrmann Jeremias Lorch erkennt in der rechten Verteidigerposition eine perfekten Passweg zwischen gefühlt acht Roten Teufeln hindurch - dafür braucht es eigentlich einen Scanner-Blick, wie ihn weiland Arnold Schwarzeneggers "Terminator" hatte. Über den setzt Lorch den halblinks einlaufenden David Philipp ein, der nur das Außennetz trifft. Zuvor hatte fast ausschließlich der FCK das Leder. "Ballbesitz schießt keine Tore, das sage ich schon die ganze Saison", erklärt Marco Antwerpen nach dem Spiel. Wie wahr.

Nach einer halben Stunde hat sich dieses Bild endgültig bestätigt: Die Lautrer haben öfter den Ball, die Kölner den besseren Matchplan.

Wieder Gegentreffer nach Ecke - diesmal sogar per Kopf

Und wie fällt der Führungstreffer? Eben nicht nach einem solchen Diagonalball, sondern über eine Standardsituation, denn so ist Fußball, in der Dritten Liga erst recht. Obwohl: Die Roten Teufel haben auch schon in Wiesbaden und gegen Dortmund Tore nach Ecken kassiert, warum sollten nicht aller schlechten drei sein? Weil dieses diesmal besonders bitter ist: Der Treffer wird direkt per Kopfstoß erzielt, dergleichen hat die immer noch beste Abwehr der Liga erst drei Mal hinnehmen müssen.

Marco Fritz nickt ein, die Ecke kam von Marcel Risse. Die 1,93-Meter-Kante hatte Olaf Janßen übrigens neu in die Startelf genommen, offenbar, um dem Gast im Luftkampf besser Paroli bieten zu können. Der 55-Jährige, der als Cheftrainer gar nicht so viele Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat, lag in diesem Spiel einfach mit allem richtig.

Die Demontage geht weiter: Sogar Wunderlich patzt

Damit nicht genug der Pfälzer Demontage: Nur zwölf Minuten später markiert Philipp das 2:0. Ausgangspunkt ist ein Ballverlust in der Lautrer Hälfte. Zwei Viktoria-Spieler schnappen sich, möglicherweise sogar ein wenig grenzwertig, ein Zuspiel Ritters auf Wunderlich. Wohlgemerkt: Ritter! Und Wunderlich! Zwei Säulen der Mannschaft, die maßgeblich verantwortlich sind für die bislang erfolgreich verlaufene Saison. Und zwei der ballsichersten sowieso. Eigentlich. Das trifft härter als der Zwei-Tore-Rückstand.

Wunderlich wird in der Pause sogar ausgewechselt. Und es bleibt nicht der einzige Sturz einer eigentlich für unverzichtbar gehaltenen Größe: In der 65. Minute holt Antwerpen Terrence Boyd vom Platz. Seit seinem Wechsel zum FCK im Winter der beste Torschütze des Teams. Obwohl es noch wie vor 0:2 steht und Boyd noch wenige Sekunden zuvor immerhin die Latte trifft.

Antwerpen tanzt bereits auf der Rasierklinge

Dazu erklärte der Trainer nach dem Spiel bei "Magenta Sport": "Wir hatten einige Spieler auf dem Zettel, die wir in der Halbzeit hätten auswechseln können. Und da war Terrence auch schon dabei, weil er nicht auf den Platz gebracht hat, was wir uns vorstellen. Von der Leidenschaft, von der Mentalität - das, was Kaiserslautern auszeichnet -, ist das einfach zu wenig."

Da weiß man nicht: Soll man diesen Trainer nun bewundern, für seinen Mut, konsequent zu handeln, wenn er von einem Schritt überzeugt ist, ohne Rücksicht auf Namen? Oder sich eher wundern über die Arglosigkeit, mit der er seinen Kritikern Öl ins Feuer gießt?

Vor ein paar Wochen noch mag er geliebt worden zu sein für seine offene und impulsive Art, die Dinge an und auszusprechen. Doch nach drei Niederlagen in Folge tanzt in Kaiserslautern jeder Trainer auf der Rasierklinge, egal, wie oft er vorher gewonnen hat, nicht einmal ein Otto Rehhagel ist davon vor über 20 Jahren verschont geblieben. Da kann jede Aussage zum Bumerang werden, etwa auch der Satz: "Der Gegner hat genau in die Räume gespielt, die uns weh tun." Das ist für die, die den Trainer bereits anzählen, nun keine ehrliche, selbstkritische Analyse mehr, sondern ein Eingeständnis: Antwerpens Art, Fußball zu spielen, ist "ausgeguckt", sein Trainer-Kollege hat ihn regelrecht "ausgecoacht".

Neuausrichtung zur Halbzeit: Mit Klingenburg und Sessa im 4-4-2

Jedenfalls kann man dem Trainer nicht vorwerfen, dass seine Umstellungen in der Halbzeit keinen konkreten Ideen folgten. Sie schlugen sich nur nicht im Ergebnis nieder. Antwerpen brachte René Klingenburg für Innenverteidiger Boris Tomiak und stellte auf ein 4-4-2 mit Raute um, in dem Klingenburg die Zehner-Position übernahm.

Und für Wunderlich kam Nicolas Sessa, zum ersten Mal wieder seit seinem Einsatz gegen den TSV Havelse vor sieben Wochen. Vermutlich setzte Antwerpen auf den Feintechniker, weil der sich auch auf engstem Raum durch zwei, drei Gegenspieler zu knoddeln vermag. An guten Tagen jedenfalls. Als Sessa jedoch schon in der 54. Minute beim durchaus aussichtsreichen Versuch, einen Freistoß aufs Tor zu zirkeln, ausrutschte, dämmerte bereits: Sessas Tag würde es nicht werden. Ebenso wenig wie der des FCK.

Die kuriose Vierfach-Chance in der 63. Minute müssen wir da gar nicht detailliert besprechen, die lässt sich ohnehin nur im Bewegtbild begreifen. Insgesamt machte die Mannschaft in der zweiten Halbzeit ohne Frage ordentlich Druck. Und das Engagement, das sie dabei an den Tag legte, zeigte: Es steckt immer noch Feuer in ihr, auch nach der dritten Niederlage noch. Sie hat übrigens ebenso nach dem dritten Gegentreffer im Dortmund-Spiel weiter entschlossen auf eine Resultatsverbesserung gedrängt. Auch in Wiesbaden marschierte sie bis zum Schluss, nur, ohne die rechten Mittel zu finden.

Die Mannschaft ist wieder da, wo sie nach dem 8. Spieltag war

Mit dieser Leidenschaft kann also immer noch was gehen in dieser Saison, wenn sie wieder besser und genauer kanalisiert wird. Marco Antwerpen und seine Mannschaft stehen wieder dort, wo sie zu Saisonbeginn schon einmal standen, nach vier Niederlagen in sieben Spielen. Es folgte eine Woche der Neubesinnung, danach das spektakuläre Derby gegen Mannheim, in dem sie dem Gegner trotz zweier Platzverweise in der ersten Hälfte nach 90 Minuten ein 0:0 abtrotzten, was den Grundstein für den entscheidenden Richtungswechsel in dieser Spielzeit legte.

Wie sagte Marco Antwerpen im Winterpausen-Interview von Der Betze brennt:

"Was sich nach Magdeburg (der vierten Niederlage um siebten Saisonspiel; Anm. d. Red.) geändert hat, war, dass wir unsere Spiele mit einer ganz anderen Intensität führen, beispielsweise was Ballkontrolle, Passgenauigkeit und Umschaltmomente angeht. Das ist entscheidend." Der Re-Start hat einmal geklappt, dann ist er auch ein zweites Mal möglich.

Allerdings ist jetzt auch die Vereinsführung aufgefordert, Position zu beziehen. Jetzt bis zum ersten Relegationsspiel am 20. Mai die Gerüchteküchen weiter so brodeln zu lassen, wie sie bereits jetzt brodeln, wäre unerträglich. Für Mannschaft, Trainer und Fans.

Die xG-Grafiken: Die Timeline täuscht mal wieder

Zu den xG-Grafiken. Von dem "xG Total"-Ergebnis von 1.53 : 2.39 darf man sich nicht täuschen lassen. Den Hauptausschlag zugunsten des FCK verursacht die kuriose 63. Minute.

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Die Positions- und Passgrafik: Da der FCK zwei vollkommen unterschiedliche Halbzeiten in unterschiedlichen Formationen spielte, sollte sie eigentlich kaum aussagekräftig sein. Da sie aber schwerpunktmäßig die erste Hälfte abbildet, dokumentiert sie erstens gut die Rechtslastigkeit des Lautrer Spiels - und, wo sich der Ballbesitz hauptsächlich abspielte, hinten nämlich. Boyd und Redondo hängen dermaßen in der Luft, dass sie einem fast schon leid tun.

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Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Kölner: Sieht ingesamt besser aus.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon MarcoReichGott » 09.05.2022, 15:57


Die PAssgrafik fängt in meinen Augen die erste Halbzeit - und damit unser Problem - perfekt ein. Man beachte die vielen Linien von Götze und Ritter zurück zur 3er Reihe.

Genau so sah das im Positionsspiel im Fernsehen für mich nämlich auch aus. Götze und Ritter sind abwechslend zurückgekommen um im Zentrum den Ball von der 3er Reihe zu nehmen. Wie auch schon den Spielen zuvor ging dort ein Gegenspieler immer mit und setze den Zentrumsspieler direkt unter Druck. Und weil die gesamte restliche Mannschaft des FCK völlig statisch stand, erfolgte dann wieder der Pass zurück.

Eigentlich hat Antwerpen so aufgestellt wie ich mir das ja auch gewünscht hatte. Um so mehr hat es mich erschreckt wie statisch wir trotzdem im Spielaufbau waren. Weder sind die AVs mal eingerückt um sich als Spielstation in der Mitte anzubieten und die Linie für lange Bälle zu den Stürmern zu öffnen, noch haben Wunderlich und Redondo als Anspielstationen angeboten.

Den Verweis aus Sessa und den Freistoß kann ich nicht ganz verstehen. Sessa ist sicherlich nicht alles gelungen und hinten gabs wieder nach einem schlampigen Zuspiel eine richtige Schrecksekunde, aber er ist weite Wege in der Mitte gegangen und hat maßgeblich - zusammen mit Klingenburg - dazu beigetragen, dass unser Spiel deutlich dynamischer wurde. Ich persönlich hätte Sessa schon nach 20 Minuten für Redondo oder WUnderlich gebracht um hier zusätzliche Anspielstationen zu kreieren. Nach den Motto: Wenn wir es schon nicht über Positionsspiel schaffen Dynamik reinzubekommen, dann wenigstens nen quirligen Spieler da mal hinstellen, der ein bißchen Unruhe beim Gegner reinbekommt.

FÜr mich stellt sich leider nach dem SPiel die Systemfrage. Wir schaffen es im 5-2-3 gegen den Ball schon seit längeren nicht mehr den Gegner aus den gefährlichen Zonen wegzuhalten und momentan schaffen wir es nichtmals mehr vernünftig das SPiel aufzubauen, seitdem die Gegner nun alle den Matchplan kopieren unser Mittelfeld auch in unserer Hälfte schnell unter Druck zu setzen.

Insofern hat Antwerpen sicherlich in der zweiten Halbzeit dann auch eine richtige Antwort gegeben, es mal anders zu probieren und den Gegner damit auch aus dem Konzept zu bringen. So richtig ist der Kader aber natürlich nach wie vor nicht auf 4er Kette ausgelegt, weshalb eine Systemumstellung vor den zwei entscheidenden Saisonspielen nun nicht meine bevorzugte Lösungen ist..



Beitragvon Kohlmeyer » 22.05.2022, 12:00


Hier kommt unsere taktische und analytische Nachlese vom Hinspiel gegen Dresden:

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Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SGD
Die DBB-Analyse: Viele Änderungen, (noch) kein Ertrag


Tolle Kulisse, kaum Toraktionen, am Ende 0:0. Das Relegationshinspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Dynamo Dresden war reiner Abnutzungskampf. Wirklich offensiv war der neu formierte FCK nur auf dem Papier.

Einerseits schon mal gut: Dirk Schuster traut sich was. Wählte eine neue Grundordnung, weg von der Dreier-Abwehrkette, die sein Team unter Vorgänger Marco Antwerpen über vier Fünftel der Saison praktiziert hatte. Die Startelf gegen Dynamo formierte sich je nach Spielsituation in einem 4-1-2-3. Vorne durften Daniel Hanslik und Kenny Redondo erstmals mit Terrence Boyd gemeinsam ran, nahmen den Sturmtank in die Mitte. Hanslik links, Redondo rechts.

Zwei personelle Änderungen waren allerdings nicht dem Formationswechsel geschuldet. Philipp Hercher und Hikmet Ciftci fielen kurzfristig aus, wegen muskulären Beschwerden und eines Magen-Darm-Infekts. Für sie starteten Jean Zimmer auf der rechten Verteidigerposition, Julian Niehues auf der Sechs.

Die Überraschungen: Zimmer und Niehues für Hercher und Ciftci

Ob Schuster sich auch für eine Viererkette entschieden hätte, wäre Hercher fit gewesen? Hercher war als marschierender Schienenspieler im 3-5-2 der bisherigen Saison immerhin Top-Scorer, erzielte sechs Treffer und gab zehn Torvorlagen, da wäre er als rechter Verteidiger womöglich verschenkt gewesen. Wir wissen es natürlich nicht genau, gehen aber davon aus, dass der Trainer sich vor einem solchen Spiel schon früh auf eine Grundordnung festlegte. Der Hercher-Ausfall dürfte da keine Rolle gespielt haben, denn auch Zimmer liegt die Position weiter vorne mehr als die des reinen Rechtsverteidigers.

Für Ciftci wären auch Felix Götze und René Klingenburg denkbar gewesen. Schuster entschied sich überraschend für Julian Niehues, der in dieser Saison erst einen Startelf-Einsatz in der Liga verzeichnete. Seine Körpergröße von 1,95 Meter habe den Ausschlag gegeben, erklärte der Coach hinterher. "Vor den Standardsituationen und den Flanken der Dresdner hatten wir ein bisschen Bauchscherzen, weil wir uns von der Anzahl der Spieler mit dieser Körperlichkeit nicht so gut gesehen haben." Niehues sollte als Sechser "den Kontakt zur Viererkette halten".

Hälfte eins: Nicht überragend, aber Führungstreffer war drin

Trotz der gewollten und ungewollten Umstellungen begannen die Roten Teufel stark. Die vordere Dreierreihe positionierte sich gegen den Ball tief in der gegnerischen Hälfte, hätte aber aggressiver draufgehen dürfen. Denn wohin das hätte führen können, demonstrierte der aufgerückte Achter Marlon Ritter bereits nach neun Minuten. Da ertacklet er sich das Leder 25 Meter vor Dresdens Kasten, setzt nach Zusammenspiel mit Hanslik den anschließenden Schuss aber leider übers Tor.

Die Szene zeigte, was sich auch im folgenden in der Dynamo-Hintermannschaft immer wieder andeutete: Dem Gast, der die erste Hälfte auch noch vor der brodelnden Westkurve agieren musste, ging der Allerwerteste auf Grundeis, aber wie. Hätten die Roten Teufel ihn doch nur noch einen Tick feuriger auf die Hörner genommen.

So richtig Grund zur Klage bot die Torchancen-Produktion in den ersten 45 Minuten allerdings nicht. Dem wiedergekehrten "Capitano" Zimmer gelang aus dem Spiel heraus zwar nicht viel, doch leitete er mit zwei Einwürfen zwei gute Tor-Aktionen ein. Einmal setzt er Ritter ein, der aus halbrechter Position flach in die Mitte flankt, Boyd und Hanslik verpassen nur knapp. Das zweite Mal schickt Zimmer Redondo auf den Weg, dessen zu kurz abgewehrte Flanke sich Ritter im Rückraum schnappt, der halblinks in die Box eindringt und am kurzen Torpfosten Boyd anspielt. Dessen Direktabnahme fliegt übers lange Toreck. Redondo wird auch nochmal von Zuck über die linke Seite am Elfmeterpunkt aussichtsreich angespielt, sein Schuss wird jedoch abgeblockt.

Unterm Strich hatte der FCK nach 45 Minuten sicher kein Chancen-Feuerwerk abgebrannt, aber doch genug zustande gebracht, was in einem solchen Abnutzungskampf für den Führungstreffer reichen müsste. Und: Der Drittligist dominierte den Zweitligisten klar.

Dresden kommt auf - "nicht die richtigen Lösungen gefunden"?

Leider ließ sich dieses Bild nach der Pause nicht aufrechterhalten. Dresden kam auf, durfte mit einigen gewonnenen Zweikämpfen Selbstvertrauen tanken, setzte sich zwei Mal stark auf den Flügeln durch. Und Innenverteidiger Boris Tomiak verlor ein Kopfballduell gegen Dynamos Sturmtank Christoph Daferner, worauf sich FCK-Keeper Matheo Raab strecken musste - die beste Torchance des ganzen Spiels.

Weshalb beim FCK vorne immer weniger zusammenlief? Der Trainer erklärte es so: "Weil wir zu schlampig gespielt haben, nicht die richtigen Lösungen gefunden haben, die Zielstrebigkeit haben vermissen lassen, in den Abschlüssen, aber auch in der Box-Besetzung noch Luft nach oben."

Kommt alles hin, aber es stellt sich auch die Frage, ob dem Trainer zu seinem Team nicht noch ein paar Erkenntnisse fehlen, die sein Vorgänger in seiner 15-monatigen Amtszeit sammeln und auswerten durfte. Redondo als Rechtsaußen? Hat auch schon Antwerpen versucht. Funktionierte damals nicht so gut und klappte auch am Freitag nicht richtig. Der Linksfuß hatte seine besten Szenen, wenn er mal einen seiner gelegentlichen Positionswechsel vollzogen hatte.

"Schwungrad" rechte Seite außer Betrieb - weil Hercher fehlte?

Und welche positiven Effekte hatten sich nochmal ergeben, nachdem Antwerpen nach dem 7. Spieltag von Vierer- auf Dreierkette umgestellt hatte? Als Schienenspieler im 3-5-2 waren nicht nur Hercher, sondern auch Zuck besser ins Spiel gekommen als in der Viererkette. Die rechte Seite war nicht nur wegen Herchers Topform, sondern auch durch asymmetrisch eingesetzte Außenbahnspieler zum Schwungrad des FCK-Spiels geworden. Da Zuck sich tiefer positionierte als sein Gegenüber, wurde er öfter zum linken Verteidiger, so dass Tomiak phasenweise vom rechten Innenverteidiger zum Außenverteidiger mutierte und ebenfalls immer wieder beherzt nach vorne marschierte. Diese Momente fehlten nun. Sicher, Hercher war ausgefallen. Aber der schnelle Dominik Schad wäre als Double vielleicht besser geeignet gewesen als Zimmer, wäre die zuletzt etablierte Spielanlage beibehalten worden.

Das ist natürlich alles nur Hätte-Wenn-und-Aber. Und auch insofern müßig zu diskutieren, als dass unter Antwerpen zuletzt ja drei Niederlagen hintereinander zu Buche standen, auf die Schuster ja reagieren musste - und dementsprechend Neues ausprobieren.

Ebenso wurde sichtbar, dass die lange Spielzeit in Verbindung mit dem schwülen Wetter schlicht und ergreifend an der Substanz der FCK-Akteure gezehrt hat. Insbesondere dem 36-Jährigen Mike Wunderlich gelang es nicht mehr, seine Schnelligkeitsdefizite mit guter Technik und gutem Auge zu kaschieren. Für Diskussionen sorgte auch die Nachspielzeit, in der die FCK-Hintermannschaft den Ball hintenrum laufen ließ, statt einen letzten langen Ball Richtung Strafraummitte zu schlagen. Man habe im Trubel unten auf dem Feld nicht das sekundengenaue Gefühl dafür, wie lange genau noch zu spielen sei, war hierzu im Anschluss als Erklärung zu vernehmen. Dass man in dieser beschriebenen Situation keinen Ballverlust und schnellen Konter mehr riskieren wollte, ist natürlich irgendwie nachvollziehbar. Aber hier hätte ein Hinweis von außen gut tun können, dass die Uhr runtergelaufen ist und nun die berühmte "letzte Aktion" versucht werden kann.

Noch ist nichts verloren - vielleicht muss es ein Standard richten

Was dennoch Mut machen sollte fürs Rückspiel am Dienstag? Unterm Strich hat der FCK hat den klassenhöheren Gegner trotz schwächerer zweiter Halbzeit dominiert, das kann er auch auswärts schaffen. Hinten stand in der selbst nach dem schlechten Saisonabschluss immer noch besten Hintermannschaft der 3. Liga endlich wieder die Null - zum ersten Mal seit sechs Spielen. Und Dynamo-Trainer Guerino Caprettis Wahrnehmung des Spielgeschehens am Freitag war so verpeilt, dass sie mit "Mut machen fürs Rückspiel" nur teilweise zu erklären ist. Fakt ist: Dresden hat nach wie vor im Jahr 2022 noch kein Spiel gewonnen. Und: Dirk Schuster ist hoffnungsvoll, dass Hercher am Dienstag wieder zur Verfügung steht. Hoffentlich ist er dann in offensiver Rolle zu sehen.

Zumindest ein Standard-Tor könnte mal wieder drin sein, denn da war der FCK in dieser Saison schon unter Antwerpen gut, und Schuster-Teams waren es schon immer. Im Hinspiel haben sie dem neuen Coach noch nicht so gut gefallen, wie er in hinterher einräumte: "Das haben wir im Training besser hinbekommen." Ein Spiel bleibt nun ja noch, um diese Stärke auch im Wettkampf auszuspielen.

Die Statistik-Auswertung: Die zweite Viertelstunde war die beste

Zu den Statistiken, diesmal ausschließlich in "wyscout"-Visualisierungen. Die xG-Timeline sieht den FCK klar im Vorteil, allerdings: Ein Endergebnis von 0.43 : 0.16 ist auch für Lautern kein Ruhmesblatt. Und das vor einer solchen Kulisse. Schade.

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Interessant ist es, die Entwicklung der Ballbesitzanteile und der Passgenauigkeit miteinander zu vergleichen. Lautern hatte in der zweiten Viertelstunde gar nicht mal öfter am Ball, war aber deutlich besser im Spiel und hatte seine stärkste Phase. Wie wir schon öfter festgestellt haben, ist Ballbesitz eben nicht alles. Unterm Strich hatten die Dresdner sogar mehr davon, 56 Prozent nämlich. Und trotzdem nur 0.16 xGoals zustande gebracht, das ist erbärmlich.

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Wesentlich aussagekräftiger: Die Visualisierung der Balleroberungen pro Minute. Auch da liegt der positive Ausreißer klar in der zweiten Viertelstunde - und spricht für sich.

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Die Positions- und Passgrafik: Bestätigt, dass Zuck seiner Rolle als wichtiger Aufbauspieler auch als linker Verteidiger treu geblieben ist. Etwas irritierend ist der Einbau der Einwechselspieler in die Grafik, die sorgen eher für mehr Verwirrung als für Erkenntnisse. Da sind Sander Ijtsmas Schaubilder übersichtlicher gestaltet.

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Zum Vergleich die Positions- und Passgrafiken der Dresdner: Ihr Spiel weist eine deutliche Linkslastigkeit auf. Da sind sie anscheinend besser besetzt. Dass die Roten Teufel über die linke Abwehrseite leichter zu knacken sind, hat sich nach Sachsen offenbar noch nicht herumgesprochen.

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

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Beitragvon MarcoReichGott » 22.05.2022, 12:38


Dass die Roten Teufel über die linke Abwehrseite leichter zu knacken sind, hat sich nach Sachsen offenbar noch nicht herumgesprochen.


Oder Schuster hat mit seiner Entscheidung einer 4er Kette mit Hanslik um die Außen zu doppelt eben ziemlich viel richtig gemacht. Vor welche Probleme uns Königsdörffer und Diawusie stellen können, haben sie immer mal wieder angedeutet. Dass man es geschafft hat sie über weitere Teile des Spiel aber rauszunehmen ist eben einer der HAuptgründe, weshalb wir letztlich das bessere Team waren.



Beitragvon Paul » 23.05.2022, 06:22


3 Dinge möchte ich hinzufügen oder nochmal unterstreichen:

1) Ich mag Zuck wirklich und glaube auch, dass er insgesamt eine wichtige Persönlichkeit auf dem Platz ist. Ich kann mich allerdings an keinen defensiven Zweikampf erinnern, den er gewonnen hätte. Da waren mehrfach 1:1 Situationen, bei denen er immer (!) den Kürzeren zog. Hat schlussendlich weniger bedeutet, weil Dresden nichts draus machte, aber potentiell sehr gefährlich. Das darf so im Rückspiel nicht wieder passieren!

2) Dresden ist die höherklassige Mannschaft und hat es zu einer, vielleicht 2 Torchancen in 90 Minuten geschafft. Das war schon sehr schwach und ich möchte da herauslesen, dass denen der Arsch auf Grundeis geht. Jetzt haben sie ihr Heimspiel im Rückspiel - ich kann mir aber gut vorstellen, dass der Druck da mental gewaltig ist. Hier würde ich mir wünschen, dass der FCK mutig auftritt. Sollten wir es schaffen, das erste Tor zu schießen, halte ich es für möglich, dass Dresden auseinanderfällt. Hercher wird das Zünglein an der Waage werden. Bauchgefühl!

3) Die 2.Halbzeit war m.E. deshalb nicht mehr gut, weil sich der FCK nicht mehr gut bewegt hat. Da standen fast alle recht statisch herum. Bei Einwürfen keine Anspielpositionen, alle haben sich etwas versteckt. War das die Angst vor dem Gegentor insgesamt oder einfach wirklich der Akku etwas leer? War irgendwie doch enttäuschend, denn Dresden hat ja auch daraus überhaupt kein Kapital geschlagen.


Hätte, wenn und aber... was wäre der Berg explodiert, hätten wir das 1:0 geschossen. Sehr schade, denn "alle in Rot" waren sehr bereit! Die gute Nachricht: wir sind es immer noch :teufel2:
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Nur im Pälzer Bode hänn moi Haxe richdich Halt!
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unzerstörbar - NUR der F C K



Beitragvon TreuDemFCK » 23.05.2022, 09:18


Ich war überrascht dass Kraus den rechten Part in der Innenverteidigung übernommen hat. Jemand Gedanken dazu?

Für das Rückspiel rechne ich nicht mit großen Änderungen. Die 11 die aufgelaufen sind haben jetzt deutlich mehr Matchpraxis in der neuen Formation als alle anderen. Hercher für Redondo, in der Hoffnung dass er genauso viel beim doppeln helfen aber nach vorne mehr bewirken kann. Ciftci könnte erneut unglücklich draußen bleiben, ich glaub nicht dass Schuster für ihn den Riesen Niehues oder den Vizekapitän Zuck (der seine Seite, warum auch immer, in diesem Spiel gut zu bekommen hat) opfert. Wenn dann könnte ich mir vorstellen Ciftci auf die 6 zu bringen, dafür Wunderlich raus und Ritter als hängende Spitze rein.



Beitragvon Kohlmeyer » 23.05.2022, 10:02


An Zuck werden sich wohl ewiglich die Geister scheiden. Defensiv hat er halt seine Schwächen, aber mit dem Ball ist er nunmal einer unserer wichtigsten Aufbauspieler, der kurze und lange Pässe spielen kann. Deswegen würde ich ihn auch morgen nicht draußen lassen.

Wenn Ciftci tatsächlich wieder hundertprozentig fit ist, würde ich ihn der Tat auch für Wunderlich bringen. So sehr ich den alten Fuchs mag, ich glaube, für diese Saison hat er einfach fertig. Und für das, was morgen angesagt ist, kommt er nicht schnell genug in die Zweikämpfe. Dagegen sind mit Ciftci ein paar Balleroberungen mehr im Mittelfeld drin.

Und rechts natürlich Hercher, aber auf der offensiven Position. In den letzten Spielen der vergangenen Rückrunde hatte er übrigens mit Zimmer hervorragend harmoniert.



Beitragvon FORZA85 » 23.05.2022, 17:03


Ich hoffe, unser Trainerteam wird nicht weiter vom Guardiola Syndrom infiziert.. obwohl es am Freitag schon spürbar begonnen hat..
Man merkt es einfach.. Theorie und Praxis sind 2 paar Schuhe. Die Ideen vieler Trainer sind gut. Spieler können es trotzdem nicht so schnell umsetzen, da doch alle Beteiligten es umsetzen müssen.. offensichtlich ist, dass die Aufnahmefähigkeit bei Spielern unterschiedlich ist.. und beim Mannschaftssport müssen eben alle mitziehen..



Beitragvon Kohlmeyer » 26.05.2022, 15:01


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Taktik-Nachlese zum Spiel SGD-FCK
Die DBB-Analyse: Ein Spiel wie Heavy-Metal-Konzert


Mal im Ernst: Hat in diesen Stunden irgendjemand Lust, sich das Aufstiegsdrama zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Dynamo Dresden nüchtern-sachlich erklären zu lassen? Allah gut, wir versuchen's mal.

Hätten Motörhead-Fans früher nach zwei Stunden Schwermetall-Beschallung darüber diskutieren wollen, welchen technischen Ansprüchen Lemmy Kilmisters Kunstfertigkeit am E-Bass nun tatsächlich genügt? Wohl eher nicht. Und dieses Spiel war, wie ein Kollege nach der Pause treffend formulierte, die fußballerische Entsprechung eines Heavy Metal-Konzerts. Da geht um Emotionen, nicht um Verstand, und nach den Aufstiegsfeierlichkeiten am Mittwoch ist heute auch noch Vatertag ... Wir bemühen uns dennoch um einen klaren Blick.

Wobei schon die grundsätzlichen Fragen müßig zu beantworten sind: Warum eigentlich hat der FCK dieses Spiel gewonnen? Und: War's "verdient"? Sagen wir mal so: Entschieden haben die Momente, in denen Lautern die besseren Individualisten am Start hatte.

Dergleichen ließ sich beispielsweise auch schon über das 1:0 der Roten Teufel beim VfL Osnabrück am 29. Spieltag sagen. Als ihnen in einer Partie, in der sie eigentlich unterlegen waren, dann doch der perfekte Angriff gelang, den die Gastgeber über 90 Minuten nicht zustande brachten: Hendrick Zucks perfekter langer Ball, Daniel Hansliks perfekt getimter Start von der Abseitslinie, die perfekte Flanke, Terrence Boyds perfekte Vollstreckung. Oder über den 2:1-Sieg bei Würzburger Kickers am 33. Spieltag, als der Abstiegskandidat seinem Gast eine halbe Stunde lang vehement zusetzte, ehe ihn Mike Wunderlichs technisch sauberer, präziser Schuss von der Strafraumgrenze auf die Siegerstraße brachte.

Der Magic Moment: Ritters langer Marsch durchs Mittelfeld

Diesmal war's Marlon Ritters langer Lauf durchs Mittelfeldzentrum, den ein vertikaler Wolfram-Wuttke-Gedächtnispass Richtung Strafraumgrenze abschloss, wo Routinier Wunderlich raffiniert auf Hanslik ablegte und dieser den Ball überlegt an Dresdens starkem Keeper Kevin Broll vorbeischob. Der Treffer fiel zu diesem Zeitpunkt insofern nicht "unverdient", als dass er Lauterns stärkste Viertelstunde des gesamten Spiel krönte. Denn in den 15 Minuten nach der Pause hatte der Gast die strukturierten Angriffe gefahren, und Boyd hatte nach Kopfball und Zuck-Ecke die bislang beste Tormöglichkeit der Partie geschaffen, die Broll mit schnellem Reflex abwehrte.

Wie stark der FCK in dieser Viertelstunde im Spiel war, zeigen auch diese "wyscout"-Grafiken. Die Roten Teufel fuhren deutlich mehr Angriffe pro Minute, verschoben sich geradezu brachial nach vorne, und auch die Pressing-Intensität war höher als die der Gastgeber.

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Ansonsten gibt es kaum statistische Werte, die für den FCK sprechen. Außer ein paar wenigen, die möglicherweise aber entscheidend waren. Hier mal ein Blick auf die allgemeine Mannschaftsstatistik.

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Wir sehen Dresden bei allen Werten vorne. Nur bei "Schüssen aufs Tor" und "innerhalb des Strafraums" liegt der FCK einen Tick besser. Zufall? Oder "Glück"?

Ebenfalls interessant die genauere Aufschlüsselung der Ballbesitz-Werte. Auch hier ist Dynamo überall besser, außer bei "Ballbesitze, bei denen der gegnerische Strafraum erreicht wird". Da liegen beide Teams gleich.

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Die Intensität und die Dramatik des Spiels insgesamt betont am besten das x-Goals-Endergebnis: 3.52 : 2.98 für Dresden. Das Hinspiel endete 0.43 : 0.16. Das ist jeder weitere Kommentar überflüssig. Hier die xG-Timeline.

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Dresdens Stärken: Die Ecken und die linke Seite

Torgefahr beschworen die Gastgeber in erster Linie nach Eckbällen herauf. So gestalteten sie die finalen zehn Minuten vor der Pause zu ihren Gunsten, so beschworen sie in der Schlussphase immer wieder Gefahr herauf, sieht man von der Großchance des eingewechselten Panagiotis Vlachodimos ab, die Matheo Raab bravourös vereitelte. Vor Ecken gingen die Dresdner ähnlich vor, wie es der FCK diese Saison häufig tat: Sie postierten ihre großgewachsenen Spieler am kurzen Eck und am Torhüter, um diesem die Bewegungsfreiheit zu nehmen. Raab, mit 1,86 Metern Körpergröße ohnehin kein Ungeheuer, bekam dadurch öfter Probleme beim Zupacken.

Und wie schon beim Hinspiel bekam der FCK seine rechte Abwehrseite wesentlich schlechter in den Griff als seine linke. Was an der Qualität der Gegenspieler gelegen haben mag. In der ersten Hälfte orientierte sich der hochtalentierte Ransford-Yeboah Königsdörffer über die Seite, in der zweiten der technisch starke Vlachodimos.

Keiner kritisiere den Capitano - "Man of the Match": Hanslik

Man könnte natürlich auch Jean Zimmers fehlende Spielpraxis anführen, aber mit Negativkritik wollen wir uns nach einem solchen Spiel zurückhalten. Nach so langer Pause und nur 14 Minuten Spielpraxis vor vier Wochen in Wiesbaden ausgerechnet in diesen beiden Hammer-Spielen über die volle Distanz ranzumüssen, war sicher keine optimale Wiedereingliederung für den "Capitano". Dass er sich der Verantwortung stellte und sich bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit reinhaute, sagt genug über ihn aus.

Dass für Dresden über rechts weniger lief, lag aber auch daran, dass Hendrick Zuck auf diesem Flügel unser "Man of the Match" zur Seite gestellt war: Daniel Hanslik überragte nicht nur wegen seines Führungstreffers, sondern ebenso mit aufopferungsvoller Defensivarbeit. Unvergessen bleiben wird die Szene Mitte der ersten Halbzeit, als er sich nach einem gewonnenen Zweikampf an der eigenen Torauslinie selbst abfeierte. Das Symbolbild dieses Spiels.

Hanslik machte seinen Job auf der linken Seite so gut, dass Dirk Schuster ihn auf diesem Posten auch beließ, als er Kenny Redondo für Wunderlich brachte. In dem 4-4-2, in das der Trainer seine bis dato zwischen 4-2-3-1 und 4-1-4-1 chargierende Grundordnung ummodelte, hätte "von Haus aus" eigentlich der gelernte Stürmer Hanslik den Platz neben Boyd einnehmen müssen. Stattdessen übernahm Redondo diesen Part, der für ihn so ungewohnt nun auch nicht mehr ist. Was er bewies, in dem er Boyd die Großchance zum 2:0 auflegte und in der Nachspielzeit den möglichen zweiten Treffer nur knapp verpasste.

Den besorgte kurz darauf Philipp Hercher auf Vorlage des eingewechselten Simon Stehle. So dass sich die Leihgabe aus Hannover, für die die Zeit beim FCK äußerst unbefriedigend verlief, wenigstens noch einen unvergesslichen Saisonabschluss gönnte. Ein kleines Happy End inmitten des ganz großen.

Ebenfalls entscheidend: Das Dresdner Sechser-Pech

Eines wollen wir nicht vergessen: Dass der FCK mit Ritters perfekt vorgetragenem Angriff durchs Mittelfeldzentrum auf die Siegerstraße geriet, war auch einem ungeheuerlichen Pech der Dresdner geschuldet. Nach Michael Akoto und Paul Will, die bereits im Hinspiel verletzt raus mussten, musste Dynamo-Trainer Guerino Capretti nach nur 30 Minuten auch noch Yannick Stark vom Platz holen. Drei Ausfälle auf der Sechs in so kurzer Zeit lassen sich 1:1 kaum ersetzen, Capretti improvisierte, zog Zehner Patrick Weihrauch zurück und brachte den einstigen Lautrer Jugendspieler Oliver Batista Meier.

Dass es da zu Abstimmungsproblemen im Mittelfeld kam, ist kein Wunder. Kämpferisch hat sich das in diesem Jahr viel gescholtene Dynamo-Team zumindest in dieser Partie nichts vorzuwerfen.

Zweite Liga, wir kommen: Der Kern ist gut, auf jeden Fall

Dass der Drittligist in den entscheidenden Momenten die bessere individuellere Qualität auf dem Platz hatte als der Zweitligist, darf bereits Mut für die kommende Spielzeit machen. Natürlich braucht es noch die ein oder andere Verstärkung und es müssen mit dem bestehenden Personal noch etliche Vertragsangelegenheiten geklärt werden. Aber der Kern dieses Kaders ist durchaus zweitligareif. Sonst wäre er ja auch nicht aufgestiegen.

Für Komplettisten hier noch die Positions- und Passgrafiken, die unserer Meinung nach diesmal aber keine großen Aufschlüsse bieten. Hier die des FCK:

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Und hier die der Gastgeber:

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Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Ãœbersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage



Beitragvon reklov » 26.05.2022, 15:34


Die XG-Grafik kann ich nicht nachvollziehen. Danach hatten wir in der 10. Spielminute die größte Torchance, größer als bei den Toren oder der Boyd-Chance die einem verschossenen Elfmeter ähnlich war.



Beitragvon FORZA85 » 26.05.2022, 16:05


Auch wenn es zum 1:0 geführt hat, ich empfinde den Laufweg von Hanslik als falsch. Anstatt zu kreuzen, läuft er auf Wunderlich zu. Er hätte zentral aufs Tor laufen müssen. So wurde es eng, aber dank Wunderlichs Qualität ging es gut.
Bei dieser Szene wundert mich auch der untypische Sprint von Kraus, der sogar Boyd überholt hat. Taktische Vorgabe von DS?



Beitragvon Begbie1980 » 26.05.2022, 17:52


Die Laufwege fast aller FCK Spieler waren beim 1:0 falsch. Gott sei Dank. :wink:
www.fussballromantiker.com

Warst du mal im Stadion von Kaisers­­lautern beim Fußballspiel? Das ist die Hölle! Da denkt man immer, man kriegt sofort in die Schnauze gleich."

Olli Schulz, Sänger und Moderator in einem Interview beim RBB



Beitragvon BB » 26.05.2022, 19:56


FORZA85 hat geschrieben:Bei dieser Szene wundert mich auch der untypische Sprint von Kraus, der sogar Boyd überholt hat. Taktische Vorgabe von DS?


Über den Sprint von Kraus habe ich mich im Spiel auch gewundert und mich erst einmal gefragt, was dass denn nun soll. Aber wenn man sich den Angriff nochmal anschaut, wage ich zu behaupten, dass das Tor nicht fällt, wenn Kraus den linken Innenverteidiger von Dresden nicht durch seine Präsenz am langen Pfosten bindet. So kommt der IV gegen Hanslik zu spät. Also alles richtig gemacht. :teufel2: Das kam also zu der Defensivleistung von Kraus, die ich unglaublich stark fand, noch dazu. Top Spiel von ihm.
"Denn solche Hass kann nur entstehen, wenn da ist unbändige Liebe."



Beitragvon SuperMario » 26.05.2022, 22:04


Das habe ich vorhin zu meiner Ältesten auch gesagt: dass es wohl das beste Spiel von Kraus war, seit er bei uns spielt. Defensiv bärenstark. Und eben auch offensiv ein paar Mal präsent. Wie auch beim besagten 1:0.
Cogito, ergo sum!



Beitragvon Paul2007 » 27.05.2022, 09:21


Gemäß dieser Statistiken erscheint der Sieg ja eher glücklich. Jedoch muss man auch sehen, dass wir bis zum 1:0 in fast allen Bereichen vorne lagen. Und irgendwie ging es in der Serie ja auch darum wer das erste Tor schießt.

Natürlich hatten wir dann viel Glück, dass der Ausgleich nicht gefallen ist (und guten Kampf der Abwehr und gute Tat von Raab). Aber irgendwie ist es doch auch logisch, dass Dresden mehr macht nach dem Rückstand.

Und wenn Boyd das 2:0 macht, zittern wir nicht mal so lange :)



Beitragvon Betzefan1963 » 15.06.2022, 17:11


Mal im Ernst: Hat in diesen Stunden irgendjemand Lust, sich das Aufstiegsdrama zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Dynamo Dresden nüchtern-sachlich erklären zu lassen? Allah gut, wir versuchen's mal.

Hätten Motörhead-Fans früher nach zwei Stunden Schwermetall-Beschallung darüber diskutieren wollen, welchen technischen Ansprüchen Lemmy Kilmisters Kunstfertigkeit am E-Bass nun tatsächlich genügt? Wohl eher nicht. Und dieses Spiel war, wie ein Kollege nach der Pause treffend formulierte, die fußballerische Entsprechung eines Heavy Metal-Konzerts. Da geht um Emotionen, nicht um Verstand


Genauso ist´s bei HEAVY METAL,......oder wie ich immer sage: "Knüppel vor die Stirn". Wahrscheinlich ist das auch der Grund warum ich über Deep Purple, Rainbow usw irgendwann bei Iron Maiden und Konsorten hängenblieb. Das fetzt,....und genauso hat mich der Betze mit seinen Spielern in meiner Jugend inspiriert. Gegner,.....wollt ihr Punkte,.....kämpft bis aufs Messer. Besser konnte der FCK gegen Dresden nicht rocken / metallen. :skull: :skull: :skull:

Up the IRONS




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