Das Saarland. Unendliche Weiten. Dies ist die Geschichte von 5 ehemals jungen Menschen, jetzt leicht verlebt, die auf dem Weg sind, unbekannte Zivilisationen zu erkunden, sowie ihren Auftrag zu erfüllen: nämlich den FCK zum Sieg gegen Saarbrücken zu schreien.
Viele Lichtjahre von Mainz entfernt, dringt der Zafira in Galaxien westlich der Pfalz vor, die nie ein Mensch zu vor gesehen hat.
An Bord wie immer Käpt´n Baumhaus, weiter auf der Brücke der E-Town Reffhunter, sowie zwei Freunde vom Baumhaus. Die sind mit Bier in der Hand eingestiegen, haben erzählt und erzählt, das gleiche später auf der Heimfahrt. Und so weiß ich bis heute nicht, wie die überhaupt hießen.
Ob die überhaupt Namen hatten? Keine Ahnung – der rotweiße Schal reicht als Ausweis für die Männer aus Gay-Odernheim.
Wir auf dem Weg zum Spiel gegen die Maggi-Abhängigen.
„Nicht zu viel Gas geben“ sagt der Reffhunter aus E-town, einer meiner treuesten FCK Freunde, weil wir Betze Heimspiel haben.
Er heißt so weil er noch immer auf die reifere weibliche Jugend steht. Nur wird er älter und die Frauen sind dann noch älter. Nach so manchem Weinfest wacht er manchmal neben einer Schleiereule auf, aber solange es noch keine Mumien sind, ist es mir egal. Als er 18 wurde, sind wir mit seinem neuen Corsa nach Lautern zum Spiel gefahren. Meist auf der linken Seite, weshalb er als der eigentliche Erfinder der A63 gilt. Denn die gab es noch nicht. Bei einem Müllauto an einer Steigung bei Lohnsfeld überholte er alleine 20 Autos, nur um rechtzeitig beim FCK zu sein.
Der Betze hat uns schon damals total verrückt gemacht.
Und heute sollte eine neue Episode folgen.
Auf der Fahrt denke ich an meine Berührungspunkte mit dem Grenzland an der Saar, in dem so viele Rotweiße leben.
Eine Tante hatte ich dort, bei Saarbrücken. Eigentlich eine Freundin meiner Oma, aber uns allen sehr ans Herz gewachsen. Sie starb mit 86 als Kettenraucherin. Gauloise, die Stange wöchentlich im „Pöschoh“ frisch aus Luxenburg geschmuggelt, bzw. „mettholle“, wie man im Saarland sagt.
Es war eine wunderbare Frau, an die ich mich gerne erinnere.
Aber den ersten richtigen Feindkontakt mit den Schwarz-blauen, hatte ich während meiner wunderbaren Zeit beim Militär.
Als Patriot, was heute ja fast einem Schimpfwort gleicht, meldete ich mich, selbstredend so oft wie möglich, zu den Wochenend-Wachdiensten. In Landesverteidigung für den Kanzler Helmut aus der Pfalz, und weil wir nicht wussten, was der Jelzin in Moskau so treibt, wenn er mal wieder zu tief ins Vodkaglas geschaut hatte. Und so bekam ich öfter mal Spezialaufträge. Ich sollte innerhalb meiner sonntäglichen Patrolie einem Insassen aus unserem Militär-Gefängnis, zu frischer Luft verhelfen. Verurteilt, wegen „Totalverweigerung“. Und so fragte ich den Spiess:
„Herr Oberfeldwebel, was ist ein Totalverweigerer“?
„Einer, der weder Zivildienst noch Militär absolvieren will. Zur Erklärung, der Gefangene ist zudem Saarländer“ lautete die Antwort.
Ich konnte es nicht fassen. Ein Saarländer auch noch! Und so fragte ich den Spiess weiter:
„Herr Oberfeld, sollten wir den Dissidenten und Wehrzersetzer nicht sofort standesrechtlich erschießen, und ihn in den weitläufigen Wäldern des nahen Truppenübungsplatzes verscharren?“
Es konnte ja auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Saarländer ein Spitzel der Franzmänner sein könnte!
Dies verneinte der Spiess. Selbst im Kriegsfall wäre dies als völkerrechtlich problematisch einzustufen, und mit den Froschfressern, dem Erbfeind, waren wir ja auch endlich im Frieden und gemeinsam in der Nato.
Außerdem ginge der Verweigerer einem geregelten Arbeitsdienst unter der Woche nach.
Und so hatte ich eine heikle Mission an der Backe. Vorsicht war immer geboten, denn z.B. die RAF gab damals noch keine Ruhe und schreckte auch nicht vor Morden an Soldaten, der Waffen wegen, zurück. Und so wurde mir der Saarländer aus der Arrestzelle übergeben. Wir gingen los. Der Gefangene vorne weg, ich mit Elvira, meinem G3, im Anschlag hinter her.
Nach der ersten Kurve hieß ich den Saarländer, halt zu stehen, worauf er dem Befehl auch nach kam. Von hinten näherte sich mein Mund seinem Ohr.
„Hör mal Freundchen, ich habe die Waffe durchgeladen und entsichert. Außerdem ist dies jetzt meine letzte Streife, und ich habe viel Kaffee getrunken, und somit ist mein Finger am Abzug etwas zittrig...wenn du verstehst was ich meine. Am besten, du schaust erst gar nicht den Kasernenzaun an, über den du gerne in die Freiheit klettern würdest….es könnte womöglich ein unglaublich kurzer Ausflug für dich werden“.
Der Wald der Kaserne war weitläufig. Mein Patient war brav und lief vorneweg ohne Mucken. Unterwegs fanden wir leere Flugabwehrbehälter, was mir später noch einen Besuch des MAD einbringen sollte. Und nach 2 Stunden endete unsere Runde. Doch ich lief nicht den üblichen Weg zurück. Vor meinem Kompaniegebäude befahl ich dem Kerl, vor mir hinein zu gehen. Unsicherheit überkam den Mufländer. Und Schweißperlen bildeten sich unter dem schwarzen Haupthaar des kleinen Saarländers. Mit meinen Worten „wahre Liebe gibt es nur unter Männern“ stieg er vor mir die Stufen hoch in meine Stube hinauf. Pure Angst zeigte sich in den Augen meines Gefangenen. Sollten nun die letzten Minuten seiner analen Jungfräulichkeit angebrochen sein? Lag womöglich in dieser Höllenstube nicht schon die Seife für ihn auf dem Boden? Nein. Ich legte die Waffe weg, setzte mich, und befahl dem Saarländer, der eben noch wenigstens auf genug Gleitcreme gehofft hatte, eine der 0,5L Flaschen Bit aus dem Kühlschrank zu holen. Und mein Gefangener trank eine, zwei, drei Flaschen innerhalb kürzester Zeit. Wie einer, der in der Wüste auf Wasser in einer Oase gestoßen war.
Noch nie habe ich einen Menschen mit einer derartigen Inbrunst kühles Bier trinken gesehen. Denn seit Monaten hatte er die Gelegenheit dazu nicht gehabt. Belohnung musste sein, und auch wenn ich seine Einstellung nicht teilte: Er wollte keinen Dienst machen, nur weil er mal als deutscher Staatsbürger auf die Welt kam. Es Bollesje, wie wir in Mainz sagen, war für ihn die Folge. Und der Typ hat es all die Monate durchgezogen: kein freier Abend, kein freies Wochenende. Und das hat Schneid und es verdiente somit auch meinen Respekt. Und das war die erste nähere Begegnung mit einem Saarländer für mich.
Und jetzt stehen wir in der West, und schauen auf die blauschwarze Horde von Lyonersüchtigen.
Es ging eigentlich glatt, einer im Rollstuhl bahnte uns den Weg durch die Massen, bei den Frauen anstehend gab es auch eine Herrenreihe, und so waren wir schnell im Aufzug ganz hoch.
Was für ein Blick über die Stadt Kaiserslautern! Oh erhabener Betzenberg!
Weil ich mich im Spiel immer so aufrege und spucke, wenn ich schimpfe, bekamen alle um mich herum weiße Ponchos, wohl wegen meines Speichels.
Dann die Gedenkminute für Daniel. Und da fällt mir auf, dass auch die Blauschwarzen drüben, Ruhe halten. Das finde ich gut. Denn bei aller Rivalität: im Grab sind wir am Ende alle gleich.
Nach der Choreo geht es los. Böller von drüben, Raketen und eine landet sogar irgendwo im Block.
Fahrlässig, gesundheitsgefährdent, ja. Aber irgendwie, kein Derby ohne. Geil ist das leider schon.
Rauchschwaden, Hassgesänge. Anstoß.
https://www.youtube.com/watch?v=M1d9sDxxYP8
Der Ball rollt gut in Reihen der Saarbrücker. Doch unsere Jungs haben Zugriff aufs Spielgeschehen.
Der Reffhunter, das Spitzohr, schwört auf Beefy das Jammerorakel, mir gibt Zuversicht, dass Baumhaus und ich richtige Punktegaranten sind, wenn wir live dabei sind.
Hanslik mit der ersten Chance. Er scheitert knapp an Batz, der Hassfigur des Dreigestirns in rot hinter mir. Auch Zeitz hassen sie. Und als der Erste was mit „mettholle“ erzählt, drehe ich mich um und sage „aber aus der Pfalz kommt ihr nicht“.
Richtig vermutet. Die Jungs sind Fischer vom saarländischen Bostalsee. Der eine redet nichts weil er die ganze Zeit emotional angespannt ist. Die anderen zwei, Christian und Sascha, sehen beide aus wie Mark Forster, und ein Spruch folgt dem nächsten.
„Ich kann die Saarländer da unten nicht leiden, obwohl ich selber einer bin…“ sagt der eine. Der andere stimmt zu, und er klärt uns auf, weshalb sie auf Seiten des FCK stehen.
„Weil wir Vorderzähne haben“ ist seine lapidare Antwort.
Als wir uns als Mainzer outen, die stets beim FCK waren, sind wir uns sympathisch.
Da fällt Ritter und ich bin mir von oben in der West sicher, das ist ein klarer 11er. Später in der Zeitlupe ist die Entscheidung eher als glücklich zu bewerten. Boyd scheitert aber Hanslik netzt im Nachsetzen.
Das passt. Der FCK ist Herr im Ring, auch wenn die Saarbrücker hin und wieder einen guten Abschluss setzen können. Meist ist Raab die Endstation. Doch dann der blöde Tritt von Kraus, rot scheint mir von so weit oben zunächst überzogen, doch die Entscheidung steht.
Meine Saarländer hinter mir jubeln, und ich frage
„Ihr habt schon gemerkt dass jetzt einer von uns geht“?
Ja sagen die, aber sie haben jetzt schon die Dramaturgie im Auge. Eine Niederlage gegen einen FCK in Unterzahl, dass ist für die beiden Mark-Fosters das Schönste überhaupt.
Es geht in die Halbzeit. Würde die Lautrer Mannschaft über die Zeit bestehen? Nein. Der Kopfball gegen Raab wird lang und länger, und unnötigerweise ist das Ding drin. Shit. Doch nun Dresden in der Relegation? Oder am Ende gar nichts? Die Derbyniederlage droht.
Die Bostaler hinter mir haben eh 2:1 getippt. Der Baumhaus ist nervös. Doch unsere Farben stemmen sich gegen die Überzahl. Und kassieren Fouls, die nicht mal mit gelb geahndet werden. Und schon bin ich wieder völlig auf der Palme. Jede schwache Aktion der Saarländer wird von mir mit lauter Häme gegen den Gegner bedacht. Umgekehrt wird lauthals jeder Ballgewinn unserer Spieler gefeiert. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib. Und siehe da: das Wunder geschieht.
Mit jeder Aktion wird der numerisch überlegene Gegner unsicherer. Unsere Jungs sind heiß. Raab hat ihn, Raab schlägt den Ball nach vorne. Und Boyd, vorne ein Tier, tankt sich durch. Batz geschlagen, 2:1 für uns, eine Jubelexplosion ist entfacht vor der Westkurve. Mein T- Shirt ist ausgezogen, wir fallen uns in die Arme.Tja – so macht man aus Scheiße Tore, Herr Zeitz!
Wie Klose bei der WM 2010 gegen England.
Und die Saarbrücker kacken sich ein aus Angst vor der Niederlage, trotz Überzahl.
Das Momentum ist bei uns.
Meine saarländischen Freunde bieten mir einen Schluck Korn an, den sie wohl rektal mitgeführt haben.
Ich finde, Redondo muss kommen, denn Räume tun sich auf. Und Redondo kommt. Eine wunderbare Kombination über Ritter und Hercher lässt Kenny völlig frei vor dem Tor auftauchen. Und Kenny trifft. 3:1. Das hatte ich mir schon vorher so gedacht, denn gegen den FCS hatte der schon im Hinspiel getroffen.
Während alles um mich herum springt, gebe ich den Salzsäulenjubel, und stehe nur da mit einer nach oben gestreckten Faust.
„Jetzt muss noch de Klingeborsch kumme, der träht noch zwääh vun dene kabutt…“ rufen die Saarländer hinter mir. Herrlich. Ich aber will das 4:1. Die Niederlage für den FCS muss perfekt sein. Doch Gutmensch Kenny will es nicht übertreiben, und so verzieht er freistehend nach tollem Sprint. Den Ball hatte ich schon sicher drin gesehen. Dann werden die übertölperten Saarländer endlich erlöst. Abpfiff. Der Jubel ist frenetisch und kaum zu halten.
Wir besingen mit unseren rotweißen Freunden von der Saar den Sieg in Unterzahl! Weiße Tücher ! Schönen Gruß – auf Wiedersehen. Aber nicht mehr in der 3. Liga, bitte! Einen schönen längeren Bericht hat der SR gebracht.
Zum genießen hier:
https://www.youtube.com/watch?v=MUdroeIb-xU
Mainzer, Rheinhessen und Saarländer, gefangen in der Faszination Betze, die heute um ein denkwürdiges Kapitel reicher wurde. Und ich bin mir sicher: wir haben hier und heute deutlich einen Klassenunterschied zwischen zwei Mannschaften gesehen. Der dezimierte Pfälzer Osterhase hatte tatsächlich noch 3 ganze Eier ins schwarzblaue Nest gelegt. Unglaublich!
Derbysieger hey, hey…
https://www.youtube.com/watch?v=w9G-_qZ7YTE
Wir sitzen bei Maria aus Bahia, im Pub in Eselsfürth, und trinken was Kaltes aus Irland. Der Baumhaus und ich feiern den dritten Sieg unserer Anwesenheit in Folge. Meine Gedanken für die Restspiel sind positiv. Unsere Stürmer treffen nun alle. Das ist im Endspurt perfekt. Dazu haben wir noch starke Möglichkeiten mit Götze, Klingenburg und Zimmer in der Hinterhand.
Völlig ausgelaugt und da wir noch was auf den Sieg getrunken hatten, und ich dazu noch unglücklich gestürzt war im Klo, und auch noch von den Kameraden Baumhaus und Reffhunter gestützt werden musste. Und so wurde auch nichts mehr aus unserem geplanten österlichen Besuch bei den horizontalen Häschen. Ich war dazu irgendwie nicht mehr ganz in der Lage. Das Spiel hatte aber auch Körner gekostet.
https://www.youtube.com/watch?v=k1bl8JLKG0Q
Und wieder geht ein wunderbarer Tag in Pfalz zu Ende, der diesmal von sehr lustigen Saarländern geprägt war. Mission erfüllt. Und so drehen wir den Kurs unseres Raumschiffs gegen das nächste Ziel: den SV Wehen aus dem hochnäsigen Wiesbaden. Den nächsten Dreier klar im Visier.