Es ist mir im Traume der Ottmar Walter erschienen. Für mich einer der ganz ganz Großen. Immer im Schatten des Bruders gestanden, hatte er auf dem Platz nur eine Antwort, und die lautete: Tore, Tore, Tore. Und wenn der Kriegsgranatsplitter im Bein zwickte, hat er grade noch eins gemacht. Die Österreicher jammern immer noch wegen dem Halbfinale 1954.
Und er sprach:
„Betzebastion! Mach dich auf in die Pfalz! Der Betze, die Pfalz, sie brauchen euch!“
„Warum uns“, fragte ich.
„Du weisst doch wie die Pälzer sinn. Wenn es ein paar Spiele nicht läuft, wollen sie gleich einen guten Trainer los werden, und mosern gegen die Spieler, bis die keinen Balle mehr treffe. Und sinn gleich am kraine und peife…und kumme net uff de Betze“.
„Was isn´ kraine“?
„Ei flenne“.
„Ei sach´s doch gleich“.
Und weiter sprach er:
„Und deshalb brauchen wir euch Mainzer. Denn unter der Sonne gibt es keine größeren und schleimigeren Trittbrettfahrer des Erfolges als euch. Denn wenn die Pfälzer sehen, dass selbst die Mainzer in Lautern wieder ins Stadion pilgern, merken auch sie, dass der Erfolg zurück gekehrt ist. Und dann kommen sie voller Stolz auch wieder“.
Und was soll ich sagen? Recht hat er! Mein Vater, den kennt heute noch selbst in der Dorfkneipe am Altrhein, wo ich jetzt wohne, jeder über 70. Denn der hat damals, als die Leute noch tanzten, mit seiner Combo ganz Rheinhessen gerockt. Mit Fussball hatte der nichts am Hut. Da denke ich zurück an meine A-Jugendjahre, es war eine gespannte Stimmung als ich mit meinem damaligen Verein gegen den stänkernden Nachbarclub spielen durfte. Wir hatten richtig geile Spieler, top am Ball, die hatten in der B- Jugend noch stark auch gegen den FCK und M05 bestanden. Wir wollten die Meisterschaft, und der Verein wäre auch in der A-Jugend in der damals höchsten Spielklasse gelandet. Doch der Feind wollte dies nicht, alte Rivalität lies den altehrwürdigen Sportplatz mit immerhin 400 Zuschauern bevölkern. Wir hatten drei Trainer verschlissen, und der jetzige schätzte mich eher weniger, und legte sich die Taktik zurecht. Ich bekam die 10, und sollte aber als verdeckter Spielmacher die 6er Position begleiten. Dabei war meine Stärke, wenn ich die Stürmer vor mir frei gespielt habe. Immer in die Lücke zwischen die Verteidiger. Oder einfach drüber gelupft. Oder wie Wuttke gegen Spanien, an der Verteidigung vorbei und dann mit der Hacke auf den frei vor der Hütte stehenden Mitspieler aufgelegt. Herrlich. Das Spiel kippte damals in Richtung Gegner. Die Kameraden hatten mit dem hochmotivierten Feind, der alles aufgeboten hatte, deutlich Probleme. Die kauften uns den Schneid ab. So stand es bald 0:1. Wir waren eigentlich geschlagen, die Köpfe hingen. Da dachte ich zum Ende der ersten Halbzeit: Betzebastion! DU bist der Zehner im ehemaligen Fodaclub. Scheiß auf die Trainertaktik. Dreh auf! Und so wurde aus dem falschen Zehner der echte. Den Ausgleich nach sehenswertem Solo über den halben Platz machte ich selbst, in Halbzeit 2 folgten zwei Spitzenvorlagen die meine Männer verwerten konnten. Das vierte Tor für unsere Farben machten die Jungs selbst, denn 5 Minuten vor Schluss, durfte ich mir den Applaus der Auswechslung beim begeisterten Publikum abholen. Leider war weder ein Talentspäher vom FCK noch mein werter Altherr anwesend. Und was macht mein Erzeuger heute? Er glotzt jedes Scheißspiel von den verschissenen Nullfünfern. Die Instrumente verstauben im Keller, es muss ja 05 gegen Greuther Fürth geguggt werden, weil die ja erfolgreich in der ersten Liga sind und somit geglotzt werden müssen. Als die damals noch Zweitligist waren, zu meiner Zeit, da war Fussball völlig uninteressant.
Aber egal, wir schweifen ab. Und so wurde das Baumhaus reaktiviert, er hatte die tolle Idee wir parken oben am Betze, denn er war so platt noch von einer wilden karnevalistischen Eisgrubfeier, wo er einen ganz großen Auftritt als Pornostar hatte. Als Verkleidung natürlich. Das muss ich hier schreiben, denn seine Holde liest ja hier immer mit. Und wir wollten den ruhigen heute machen, denn gegen Verl.Was sollte da passieren ? Nur der Einlass wieder eine einzige Katastrophe. Es sollen mehr Leute kommen, aber die kommen erst gar nicht rein, weil die drei Grabscher vom Einlass hoffnungslos überfordert sind. Aber egal. Wir sind drin und es erfolgt die nächste Überraschung. Wir sitzen im Eltern-Kinder-Block. Was gar kein Problem war, denn mit dem zarten Oberlippenbart von meinem Counterpart sieht Herr Baumhaus aus wie gerade 14.
Spiel geht los, und ich hoffe aufgrund der vielen Kinder und einsamer Mütter um mich herum, dass ich mich im Zaum halte. Doch leider wird nichts draus. Unsere 11 Pflegefälle spielen einen Frühlingsfussball mit Gänseblümchensuche auf dem Platz. Wir rasten aus. Die Unsicherheit der Gästeabwehr können wir spüren, doch statt Forechecking machen unsere Farben nichts.
Immerhin brüllen wir Zuck zu 2 Aktionen, heraus springt allerdings nichts. Doch wir können nicht alles machen. Drüben versagt die sonst so lautstarke West komplett, und dem Gegner gelingt das 0:1. Verl? Mechtersheim? Wo ist da der Unterschied? Wir werden aggressiver, und im Betze-Kinder-Block wird es ruppiger. Als ich den Schiedsrichter verbal attackiere, schauen mich große Kinderaugen entsetzt an. Als der gegnerische Keeper auf Zeit spielt, tille ich komplett aus. Es ist so weit: Die mein Kampfgeschrei hörenden Kinder beginnen zu weinen, aber so ist das nun mal. Nur die Harten kommen in den Garten. Kinder, die eher weich und schwach sind, bleiben in der Stadt unten und bekommen ein schwarzgelbes BVB-Shirt. Wenn sie dazu noch übergewichtig sind, bekommen sie das blaurote Erfolgsleibchen des FC Bayern. Wer also will, das sein Kind nicht verweicht, der bringt es früh auf den Betze. Und so erklären die Mamis und die Papis, der dicke Mann in der ganzjährlichen Bud-Spencer-Verkleidung da muss so brüllen, damit der Betze wieder in altem Glanz erstrahlt.
Hendrik, schreie ich, wenn du den Eckball auch noch vergeigst, dann ist der Deibel los. Und er vergeigt ihn nicht. Und der göttliche Winkler, ausgemustert, und jetzt die Ruhe selbst in der Innenverteidigung, hält die bayerische Rübe dran. Drin. Das wird noch was.
Halbzeit, Menschen drängeln sich an mir vorbei und wenn sie wieder kommen raube ich einige Pommes von deren Tellern. Antwerpen stellt um, Cifci sorgt von nun für ein sauberes Aufbauspiel von hinten heraus, Götze als Leitfigur macht da vorne Dampf. Und endlich ist der Betze hellwach. Angriff auf Angriff rollt, und hinten hält Winkler mit Kraus den Laden dicht. Verl ist vorne stark, doch es gelingt uns, unsere Jungs näher an die Gegner ran zu brüllen, und auch Kleinkinder rufen FCK! FCK! FCK!
Als dann der Kinderchor dann mein Lied „Schiri, du A...loch“ mit intoniert, da bin ich doch ein bisschen ergriffen, ich hätte doch Kindergärtner werden sollen. Doch so ist der Betze, und er wird der Betze sein, auch wenn ich irgendwann mal die Radieschen von unten anstarren werde. Dank unsres wunderbaren Nachwuchses in rot-weiss.
Da kommt Ritter, ein ganz großer Gänseblümchenpflücker der ersten Halbzeit, auf halb links an den Ball. Lauf rufe ich, gib nicht ab, lauf, alleine, die überläufst du. Genau wie ich damals im Derby.
Das sind die Momente, die nur dir gehören. Lauf, zieh! Als hätte er´s erhört, zieht er das Ding komplett durch. Und tunnelt den Torhüter von Verl als Sahnehäubchen. Was für ein Solo! Der Betze eskaliert komplett. Tor des Monats. Ganz klar. What a goal!
Diego Maradona gegen England, Owairan gegen Belgien, Ritter gegen Verl, kein Unterschied!
https://www.youtube.com/watch?v=1wVho3I0NtU
Kinder fliegen durch die Luft, Männer weinen, und alleinerziehende Mütter werfen ihre BHs von sich. Jubel pur. Als ich einen BH zurückgebe, stelle ich fest, dass der Besuch hier im Block auch was für Singles ist.
Schon in der Halbzeitpause, als der wundervolle Toibasch seine Laudrehymne singt, die der musikalisch völlig indisponierte Baumhaus mit den Worten „der singt wie mein toter Pappagei“ zu meinem Unwillen quittiert, hatte ich gemerkt, huch, hier ist man einem Flirt auf weiblicher Seite mitunter gar nicht ganz abgeneigt.
Eine Dame im besten Alter schaut mir tief in die Augen. Blicke erwiedern sich. Und ich weiss, sie weiss, was ich denke, nämlich „in einem alten Kappelchen kann man auch noch eine Messe halten“.
Und sie weiss, dass ich weiss, was sie denkt, nämlich „auch ein alter Küster lässt noch einmal die Woche die Glocken läuten…“. Ach ja. Man sollte öfter mal fremd gehen, mal andere Haut, Erotik und Zärtlichkeit spüren. Doch leider endet dies meist mit Schreierei beim hauseigenen Weibsvolk, und zerdeppertem Porzellan, und so lassen wir das lieber. Es geht um Fussball. Und unser Kinderblock steht wie ein Mann hinter dem FCK. Kaum dass der Niehues sich nicht nah genug an den Gegner wirft, kreischen wir ihn zur Blutgrätsche. Wir sorgen für den Daueralarm in der Abwehr, und so lange wir unsere Reihen anfeuern, sind wir alle wie die Palladine im In-Fight für den FCK. Und hoffen, unsere Westkurve drüben tut es uns lautstark gleich. Halleluja! Es läuft. Auch die 48 Verler mit ihrem nervsägendem Trommler ergeben sich in der Niederlage.
Magst du ruhig ruhen Ottmar. Wir halten unsere heiligen Linien wie die Schweizer Garde und stehen zum FCK. Es war recht, dass wir da waren. 3 Punkte auf dem Weg nach oben. Der FCK wühlt sich langsam heraus aus dem Dreck der Bedeutungslosigkeit. Wir steigen auf. Gott will es. Und wir steigen danach direkt wieder auf. Und dann wollen wir wieder vorne dabei sein. Amen ich sage euch: Und wenn wir wieder international sind, und dann Alaves wieder vor die Flinte kriegen, dann klatschen wir die ab. Mit Real geben wir uns nicht lange ab, und wiederholen die Erfolge von damals. Und dann nageln wir Barcelona an die Wand, und zwar an den Eiern. Diesmal entkommen sie uns nicht. Der himmlische FCK mit seinen Teufelsspielern kommt unaufhaltsam hoch und wir sind dabei. Hurra!
Grüße gehen raus an Alex, einen wunderbaren menschlichen Langhaardackel mit FCK Beanie aus dem schönen Bingen, der uns die Wartezeit im Auto bei der Abfahrt nach Hause verkürzt. Noch ein Rheinhesse, der liebend gerne zum Betze pilgert, um die Pfalz und den FCK mit uns allen wieder nach oben zu führen. Denn ihm war im Traume der Kohlmeyer erschienen. Ein Supertyp, der Binger, und ich hoffe wir sehen uns im Mai im Schorlegewitter wieder. Wir haben Verl besiegt! Was soll uns jetzt noch aufhalten? Und wieder geht ein Tag in der schönen Pfalz zu Ende, bei den guten Menschen, wo es menschelt und wo es den wunderbaren FCK gibt.
https://www.youtube.com/watch?v=ClH1DHxJdUM