Fragen, Antworten und Anekdoten zur Geschichte des FCK.

Beitragvon Thomas » 02.11.2021, 19:30


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Ein Stück Zeitgeschichte: Demir Hotic köpft das 2:0 für den FCK gegen Barcelona; Foto: Imago Images

​​Interview des Monats: FCK-Meisterspieler Demir Hotic, Teil 1/2
"Barcelona?! So etwas erlebst du nur einmal"


Am Samstag jährt sich das legendäre Spiel des 1. FC Kaiserslautern gegen den FC Bar­ce­lona zum 30. Mal. Demir Hotic war hautnah dabei, erzielte zwei Treffer gegen den später­en Cham­pions-League-Sieger. Im DBB-Interview erzählt er die ganze Geschichte.

Wer mit einer wohligen Gänsehaut und vielleicht auch einem Tränchen im Auge in unser Interview des Monats einsteigen möchte, dem empfehlen wir vorab dieses historische SWR-Video: "Das sind die Tränen des 1. FC Kaiserslautern".

Der Betze brennt: Demir Hotic, am 6. November 2021 ist es 30 Jahre her, dass Du mit dem 1. FC Kaiserslautern den FC Barcelona 3:1 geschlagen hast - und Ihr dennoch aus dem Europapokal der Landesmeister ausgeschieden seid …

Demir Hotic (59): Wirklich? Wenn Ihr mir das jetzt nicht gesagt hättet, hätt' ich nicht dran gedacht.

Der Betze brennt: Beschäftigt Dich dieses Spiel denn gar nicht mehr?

Hotic: Doch, natürlich. Ich sitze jeden Dienstag mit Gerry Ehrmann (damals im FCK-Tor; Anm. d. Red.) in der Sauna. Was meint Ihr, wie oft wir da dieses Spiel schon durchgegangen sind, vor allem die Sekunden vor Bakeros Treffer in der 90. Minute? Wer hätte wen da besser decken müssen? Hätte Gerry nicht vielleicht doch raus kommen müssen, um den langen Ball von Koeman abzufangen? Und, und, und ... Du kannst die Zeit halt nicht zurückdrehen. Das exakte Datum hätte ich jetzt aber nicht parat gehabt.

"Der Betze, die Bengalos, die Stimmung - Gänsehaut pur!"

Der Betze brennt: Was sind die ersten Bilder, die in Dir wach werden, wenn Du an dieses Spiel denkst?

Hotic: Die stammen von dem Moment, in dem wir ins Stadion einlaufen. Der proppenvolle Betzenberg, die Luft brennt, die Westkurve eine einzige Feuerwand, von Bengalos erleuchtet - für mich haben Bengalos immer zum Fußball gehört. Diese Stimmung, das ist Gänsehaut pur. Und dann beginnt das Spiel. Wir haben direkt Druck gemacht, ich habe die erste Chance, aber Zubizarreta (Andoni Zubizarreta, Weltklasse-Keeper von Barcelona und Spaniens Nationalteam; Anm. d. Red.) hält gut. Und dann kommen wir ins Marschieren ... Wir hatten Typen wie Bjarne Goldbaek in der Mannschaft, die konnten das. In diesem Spiel ist er über sich hinaus gewachsen, wie wir alle. So etwas erlebst du nur einmal.

Der Betze brennt: Hattet Ihr das Gefühl, dass die Spanier Euch unterschätzen?

Hotic: Ja, so ein bisschen schon. Barca-Trainer Johan Cruyff hatte ja schon vor dem Spiel sinngemäß gesagt: "Lasst die nur laufen, wir spielen Fußball." Aber dann haben wir die laufen lassen, und zwar hinter uns her. Die dachten bestimmt, irgendwann machen wir sowieso unsere Bude, und dann sollen die erstmal vier schießen. 

Der Betze brennt: An der Stelle müssen wir die Uhr jetzt mal kurz zurückdrehen. 1991 war für den FCK insgesamt das größte Jahr seit den Zeiten Fritz Walters: Als Fast-Absteiger der Vorsaison wart Ihr plötzlich ganz oben dabei und konntet Deutscher Meister werden. Ein markanter Tag war der 23. März 1991, das Gipfeltreffen auf dem Betzenberg gegen Bayern München, in dem Du auch eine wichtige Rolle spieltest ...

Hotic: Die Bayern gingen durch Roland Wohlfahrt früh in Führung und meinten, sie hätten uns schon im Sack. Aber in der 60. Minute konnte ich den Ausgleich erzielen: Jürgen Kohler (Weltmeister-Verteidiger in Diensten des FCB; Anm. d. Red.) wollte mich umhauen, aber ich war schneller und stahl mich an ihm vorbei. Stefan Kuntz erzielte dann fünf Minuten vor Schluss den Siegtreffer, da war buchstäblich die Hölle los. Wir holten uns an diesem Tag die Tabellenführung und gaben sie bis zum Ende nicht mehr her. Aber es gab noch viel mehr legendäre Spiele in dieser Saison: Das 3:2 gegen Karlsruhe, als Udo Scholz (langjähriger Stadionsprecher des FCK; Anm. d. Red.) verbal die Uhr zurückstellte (lacht), der Auswärtssieg in Bremen mit zeitgleicher Niederlage der Bayern in Wattenscheid, und natürlich zum Abschluss das 6:2 vor 40.000 mitgereisten Fans in Köln. Diese Erlebnisse wird keiner von uns jemals vergessen.

Der Betze brennt: Der Lohn dafür war die Teilnahme am Europapokal der Landesmeister, der in jener Saison erstmals in den heute bekannten Champions-League-Gruppen ausgespielt wurde. Vor der Gruppenphase musste man aber zwei Qualifikationsrunden überstehen. Der Auftakt gegen Etar Tarnovo aus Bulgarien lief problemlos, dann bescherte Euch das Los den FC Barcelona. Das Hinspiel im legendären Camp Nou ging mit 0:2 verloren. Auch das dürfte Dir unvergesslich geblieben sein, oder?

Hotic: Und ob. Schon die Anfahrt mit dem Bus vom Mannschaftshotel ins Stadion dauerte eine Ewigkeit. Dann das Stadion-Foyer, der Kabinentrakt - da hast du gespürt, jetzt bist du in einer anderen Welt angekommen. Anschließend Warmmachen auf dem Platz, vor den gigantischen Tribünen für bis zu 100.000 Zuschauer. Da sind zunächst aber gar nicht so viele Zuschauer im Stadion, in Spanien kommen die meisten erst kurz vor knapp. Zum Anpfiff sind's dann plötzlich 65.000. So viele waren es jedenfalls damals bei uns. 

"Trotz des 0:2 aus dem Hinspiel wussten wir: Am Betze geht das!"

Der Betze brennt: Und Ihr macht ein richtiges gutes Spiel, liegt dann aber doch 0:2 hinten. Und kurz vor Schluss hat Guido Hoffmann freie Schussbahn aufs leere Tor …

Hotic: Ja, ich hatte mich sogar schon abgedreht, als ich sah, dass er am Torwart vorbei war, so sicher war ich mir, dass der drin ist. Dann seh' ich die Reaktion der anderen, guck wieder hin - und kann es einfach nicht glauben: Der hat vorbeigeschossen. Hinterher haben wir noch bis drei oder vier Uhr zusammengesessen. Aber niemand hat Guido einen Vorwurf gemacht, so war das damals bei uns. Stattdessen ist uns klar geworden: Wir haben gut gespielt, wir können die packen, auch mit dem 0:2 im Rücken. Am Betze geht das. Stefan Kuntz hatte in den Tagen danach große Probleme mit dem Knöchel, hätte eigentlich gar nicht spielen dürfen, aber er wollte, unbedingt. Und Kalli Feldkamp hat ihn rangelassen. Auch das war damals noch so: Wenn der Kapitän spielen wollte, dann durfte er auch.

Der Betze brennt: In der 35. Minute schlug Kuntz dann eine Ecke. Mit dem linken Fuß, von der rechten Seite auf den kurzen Pfosten. Bis heute diskutieren Fans, ob du den Ball überhaupt mit der Stirn berührt hast, ehe er einschlug.

Hotic: Klar hab ich! Wenn ich nicht dran gewesen wäre, wäre der viel weiter hinten runtergekommen. Aber das ist ja nicht alles, über das zu diesem Tor diskutiert wird. Zubizarreta, der Torwart, ist heute Sportdirektor bei Olympique Marseille und behauptet immer noch, dass ich ihn vorher gefoult hätte. Stimmt aber auch nicht. Ich hatte mich nur mal kurz an ihn angelehnt, aber nicht gerempelt und auch nicht geschoben.

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Genauso legendär wie das Spiel: Die brennende Westkurve gegen Barcelona; Foto: Imago Images

Der Betze brennt: Mit diesem 1:0 ging es dann in die Pause. Wie hast du die Minuten in der Kabine erlebt? 

Hotic: Ach, bei uns ging es da eigentlich nie so hektisch zu. Du kommst rein, bist erst einmal erschöpft und pitschnass, ziehst dein Trikot aus. Du versuchst, mal für einen Moment runterzukommen, andere werden kurz behandelt. Natürlich sagt dann auch der Trainer ein paar Worte, aber die hätte es in diesem Spiel eigentlich nicht gebraucht. Wir wussten, jetzt spielen wir auf die Westkurve, auf unsere Wand, auf unser Tor. Wir gehen jetzt raus und nehmen alles mit.

Der Betze brennt: Vier Minuten nach Wiederanpfiff gibts wieder Ecke. Diesmal stehst du am langen Pfosten.

Hotic: Ja, das war damals eigentlich auch eher mein Platz. Am kurzen Pfosten standen immer die langen Kerls: Reinhard Stumpf, Kay Friedmann, Wolfgang Funkel oder Tom Dooley. Ich lauerte am langen Eck auf die Kopfball-Verlängerung. Warum ich beim ersten Treffer auf den kurzen Pfosten gegangen war, weiß ich auch nicht mehr. Instinkt wahrscheinlich. Ich hab in meiner Karriere in 375 Spielen 89 Tore gemacht, in meinen 123 Spielen für den FCK 31 Mal, ich glaube, das schafft man nicht ohne eine gewisses Näschen für solche Situationen.

"Stoitchkov, Laudrup, Koeman, Witschge - das waren Weltklasse-Spieler"

Der Betze brennt: Diese Ecken auf den kurzen Pfosten galten damals als Eure Spezialität. Um mal kurz die Brücke in die Gegenwart zu schlagen: In dieser Saison verzeichnet der FCK endlich wieder mal eine vorzeigbare Trefferquote nach ruhenden Bällen, gerade auch nach Ecken auf den kurzen Pfosten. In den Jahren davor gelang nach Standards so gut wie nichts …

Hotic: Ja, da habe ich mir oft die Haare gerauft, die mit den Jahren immer weniger geworden sind. Ich verstehe das nicht: Das kann man doch trainieren! Unter Kalli haben wir das ohne Ende geübt: Wer steht am kurzen Pfosten, wer am langen, wer beim Torwart, wer schirmt nach hinten ab. Wir sind auch nie mit zwei Mann raus zum Eckball. Nur, wenn wir gemerkt haben, die anderen pennen, ist schnell mal noch ein zweiter rausgerannt. Mit Tempo, denn das war für uns die Hauptsache. Auch lange Einwürfe haben wir trainiert. Und zwar zunächst mit Medizinbällen, danach nämlich fühlte sich der normale Fußball ganz leicht an. Unser Spezialist damals war Uwe Scherr, der heutige Leiter unseres Nachwuchsleistungszentrums. 

Der Betze brennt: Zurück zu Barcelona. Es steht 2:0. Damit war Gleichstand in der Gesamtwertung erzielt, und ihr wart am Drücker. Was ging in diesen Momenten in den Barca-Spielern vor? Habt Ihr denen mal in die Gesichter geschaut?

Hotic: Nö. Wir hatten uns vor dem Spiel intensiv mit unseren Gegenspielern befasst. Wir wussten, wie wahnsinnig schnell der Hristo Stoitchkov war, wenn er über die linke Seite kam, oder Michael Laudrup auf der anderen Seite. Was der Ronald Koeman konnte, der Richard Witschge, die galten ja alle zurecht als absolute Weltklasse-Spieler. Oder Pep Guardiola, das war so ein ganz schmächtiges Kerlchen, das Handschuhe trug, da wolltest du kaum glauben, dass der so gut ist. Aber während des Spiels haben die uns nicht mehr interessiert. Wir haben an uns geglaubt. Und in diesem Moment waren wir alle hundertprozentig überzeugt: Wir können alles schaffen!

Der Betze brennt: Wie habt Ihr Euch damals denn auf Eure Gegner vorbereitet?

Hotic: Zum einen haben uns natürlich die Trainer mit Informationen versorgt. Neben Kalli gab es da ja noch Reiner Hollmann. Der war Co-Trainer, Torwarttrainer und in gewisser Weise auch unser Analyst, auch wenn wir den damals so nicht nannten. Aber wir haben uns auch selbst über unsere Gegenspieler informiert. Vor Spieltagen haben wir damals oft im Hotel Blechhammer übernachtet. Da sind Gerry und ich oft vor allen anderen aufgestanden, haben uns einen Espresso gemacht, sind ein wenig spazieren gegangen und dabei gemeinsam das anstehende Spiel durchgegangen. Und jeden Gegenspieler.

"Ich spreche heute noch mit Gerry über die Szene in der letzten Minute"

Der Betze brennt: In der 76. Minute erzielt Goldbaek das 3:0. Damit seid ihr weiter, Barca ist draußen. Hättet ihr anschließend vorstellen können, dass jetzt noch was schiefgeht?

Hotic: Ach, woher denn, nicht eine Sekunde haben wir mehr daran gedacht. Wir hatten sogar noch Chancen, das vierte zu machen. Wie hätten die uns noch gefährlich werden sollen? Vielleicht, wenn der Schiedsrichter ihnen geholfen hätte. So, wie der Engländer ein Jahr zuvor, als wir im Europapokal der Pokalsieger auf Sampdoria Genua trafen. Das Hinspiel auf dem Betze hatten wir 1:0 gewonnen, das Rückspiel verloren wir 2:0, weil der einen Elfer pfiff, der eine Frechheit war. Sampdoria hat danach übrigens den Pokal geholt, so wie auch Barca damals zum Titel durchmarschierte. Das hätten genauso gut wir sein können, beide Male.

Der Betze brennt: Und dann kam die 90. Minute. Freistoß Koeman, Kopfball Bakero …

Hotic: Komm, hör auf. Diese Szene hab ich mir danach nie mehr angesehen. Aber, wie schon gesagt: Ich habe mit Gerry viel darüber gesprochen, immer wieder. Wir hatten danach übrigens sogar noch eine Chance, das 4:1 zu machen. Nicht auszudenken, wenn das geklappt hätte. Wir waren eben einfach die Besten damals.

Der Betze brennt: Wie habt Ihr die Tage danach erlebt?

Hotic: Wir waren erst einmal ein paar Stunden tot, danach musste das Leben eben weitergehen. Nach Niederlagen haben wir uns damals eigentlich drei Tage lang kaum aus dem Haus getraut, nicht mal zum Bäcker, Brötchen holen. Nach diesem Spiel aber war's anders: Alle haben uns auf Schulter geklopft, uns wieder aufrichten wollen, und drei Tage später haben wir Hansa Rostock 3:0 weggeputzt. Das war natürlich unheimlich toll, das zu erleben. Aber wirklich glücklich machen konnte es mich nicht. Wenn du so eine Weltklasse-Mannschaft an die Wand geknallt hast und dann trotzdem ausgeschieden bist - der Stachel sitzt einfach zu tief.

2021 wurde die Auswärtstor-Regel abgeschafft - auch wegen Kaiserslautern

Der Betze brennt: Anfang dieser Saison hat die Uefa die Auswärtstor-Regel, die Euch damals das Genick gebrochen hat, abgeschafft. Zu denen, die sich am stärksten dafür eingesetzt haben, zählt Wanja Greuel, heute CEO bei Young Boys Bern. Ein Lautern-Fan, der damals, als 14-Jähriger, auf dem Betzenberg war. Er sagt, er habe unter diesem Ergebnis so sehr gelitten, dass er später jahrelang für die Abschaffung der Auswärtstor-Regel kämpfte. Euer Spiel hat somit bis in die Gegenwart nachgewirkt. Nach den neuen Regeln hätte der 3:1-Heimsieg nicht das Ausscheiden bedeutet, sondern es wäre auf dem Betzenberg in die Verlängerung gegangen. Was sagst du dazu?

Hotic: Das ist schön zu hören. Aber für uns kommt diese Regeländerung leider 30 Jahre zu spät.

Im morgen Abend erscheinenden zweiten Teil unseres Interviews erzählt Demir Hotic, wie er zum FCK kam, weswegen ihm nach vier Jahren als Profi klar war, dass er aus der Pfalz nie wieder weg wollte - und was ihn heute an seinem Verein ärgert.

Quelle: Der Betze brennt / Autoren: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 2 des Interviews: "Den FCK gibt’s noch, wenn wir alle tot sind" (Der Betze brennt)


Ergänzung, 03.11.2021:

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Interview des Monats: FCK-Meisterspieler Demir Hotic, Teil 2/2
"Den FCK gibt’s noch, wenn wir alle tot sind"

Teil 2 unseres Interviews des Monats: Demir Hotic erzählt, dass Barcelona nicht der einzige Stachel ist, der tief in ihm steckt. Der Meisterspieler von 1991 macht seinem Herzen Luft - und erklärt auch, was ihm heute am 1. FC Kaiserslautern missfällt.

Der Betze brennt: Demir Hotic, in Johannes Ehrmanns Buch "Wenn der Betze bebt" wurdest Du ebenfalls zu dem legendären Barcelona-Spiel interviewt. Da sagtest Du, so stolz Du auch wärst auf Deine Tore gegen Barca, Du hättest viel wichtigere geschossen.

Demir Hotic (59): Richtig. Mein Treffer zu unserem 1:0-Sieg in Stuttgart im März 1990 beispielsweise, der war doch viel wichtiger. Man darf nicht vergessen: Das war anderthalb Jahre vor dem Barcelona-Spiel, und wir spielten gegen den Abstieg. Vier Wochen zuvor hatte Kalli Feldkamp Gerd Roggensack als Trainer abgelöst, aber es lief noch nicht richtig. Es war erst unser zweiter Sieg nach vier Spielen unter dem neuen Trainer. Damit aber war die Wende eingeleitet: Von den nächsten fünf Partien gewannen wir nochmal vier, damit waren wir unten raus.

Der Betze brennt: Der Treffer gegen Stuttgart hatte für Dich bestimmt auch eine große persönliche Bedeutung. Du warst ja erst im Dezember 1989 vom VfB zum FCK gewechselt.

Hotic: Und in der Vorrunde hatte ich mit dem VfB auf dem Betzenberg gewonnen - und obendrein ein Tor geschossen. Klar, dass mich der Gerry [Ehrmann] erst mal rasieren wollte, als ich hier ankam. Bei Stuttgart war ich Teil einer Bombenmannschaft, mit Typen wie Karl Allgöwer, Asgeir Sigurvinsson und Guido Buchwald. Eigentlich gefiel es mir da, aber dann hat Trainer Arie Haan lieber Manni Kastl als mich aufgestellt. Das fand ich nicht gerecht. Also habe ich mir von Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder die Freigabe besorgt. Ich hatte auch andere gute Angebote, auch noch, als ich vom Betzenberg wegfuhr und ich dort bereits zugesagt, aber noch nichts unterschrieben hatte. Aber ein Handschlag zählt für mich wie ein Vertrag, das war immer so bei mir.

Als Foda nach Leverkusen wechselte: "Nichts da, Meister werden wir!"

Der Betze brennt: Als Du nach Lautern kamst, ging Wolfram Wuttke, der geniale, aber auch schwierige Spielmacher der Jahre zuvor.

Hotic: Ja, ein paar Trainingseinheiten habe ich noch mit ihm gemeinsam bestritten. Ich weiß noch, wie wir mal einen Cooper-Test machten und er überrundet wurde, weil er keinen Bock hatte zu laufen. Der Wutti war ein Riesenfußballer, aber ein Eigenbrötler, der sich einfach zu viel raus nahm. In dem Team, das anschließend zusammenwuchs, gab es so einen nicht. Da gab es nie Knatsch, nie Theater, kein Neid, keine Eifersucht. Ich hätte mir für jeden meiner Mitspieler ein Bein brechen lassen.

Der Betze brennt: Nachdem Ihr 1990 den Klassenerhalt gesichert hattet, seid Ihr zum Saisonabschluss nach Berlin gefahren. DFB-Pokal-Endspiel gegen Bremen ...

Hotic: Das war bis dahin das absolute Highlight meiner Karriere. Allein, wenn ich daran denke, wie viele Fans mit uns nach Berlin gefahren sind, das ganze Stadion, die ganze Stadt war rot-weiß. Wir hatten damals grüne Trainingsanzüge, in denen haben wir ausgesehen wie eine Karnevalstruppe. Ich weiß auch noch, wie wir vor dem Spiel im Olympiastadion trainieren wollten und die Bremer uns erstmal nicht auf den Platz ließen - deren Trainer hieß damals übrigens Otto Rehhagel. Da waren wir so sauer, dass wir es ihm anschließend im Spiel heimzahlten. Wir gewannen 3:2. Schon zur Pause führten wir 3:0, nach zwei Toren von Bruno Labbadia und einem von Stefan Kuntz.

Der Betze brennt: Und anschließend blieb die Mannschaft im Großen und Ganzen zusammen.

Hotic: Bis auf Franco Foda. Der wollte unbedingt zu Bayer Leverkusen. Mit denen wolle er Meister werden, hat er damals erzählt. Da sagte ich zu ihm: "Nichts da. Meister werden wir."

Der Betze brennt: Das hast Du nicht wirklich zu diesem Zeitpunkt schon gesagt, oder?

Hotic: Doch, klar! Das war natürlich halb Spaß und halb Ernst, aber ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass wir eine super Truppe haben und das gut passt. Sowas spürst du als Fußballer.

Der Betze brennt: Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt. Ein Jahr später hieltest Du mit dem FCK die Meisterschale in den Händen.

Hotic: Ich bin mit der Schale dann auch mal nach Düsseldorf gefahren, wo meine Eltern wohnten, und habe sie bei ihnen auf den Wohnzimmertisch gestellt. Zuvor war ich am alten Trainingsgelände der Düsseldorfer vorbeigefahren und habe sie dort vorgezeigt. Die Fortuna ist 1933 das letzte Mal Meister geworden. Damit war ich der Erste, der seitdem die Schale nach Düsseldorf geholt hatte (lacht). Anschließend habe ich sie bei mir unterm Bett versteckt - und dort vergessen. Zwei Wochen später rief einer von der Bank bei mir an und fragte: "Demir, wir suchen die Meisterschale, hattest du die nicht zuletzt"? Oh, das war peinlich.

"Für mich war der FCK kein Verein, sondern Familie"

Der Betze brennt: War Dir damals schon klar, dass Kaiserslautern Dein Lebensmittelpunkt bleiben würde, egal, wohin Dich Deine Karriere noch führen sollte?

Hotic: Das habe ich sehr schnell gewusst. Als ich gesehen habe, wie sich Leute hier samstags ins Stadion drängen, wie sich selbst alte Menschen jedes Mal den Berg hinauf schaffen, um kein FCK-Spiel zu versäumen, und sich dann wie kleine Kinder freuen oder bei einem nicht gewonnenen Spiel zutiefst betrübt sind - das hat mich wirklich berührt. Ich habe Fritz Walter kennenlernen dürfen, der wohnte ja wie ich in Alsenborn. Italia Walter hat mir manchmal Kaffee aufgebrüht. Mit Horst Eckel bin ich bis heute gut befreundet - das sind Dinge, die stecken ganz tief in meinem Herzen. Für mich war dieser FCK kein Verein, sondern Familie. Doch davon ist leider nicht mehr viel geblieben. Es ist einfach nur traurig, was aus unserem Verein geworden ist. Da komme ich nicht drüber weg.

Der Betze brennt: Für Dich persönlich fing der Ärger bereits an, als Kalli Feldkamp ging und Rainer Zobel als neuer Trainer kam.

Hotic: Auch zwischen Kalli und mir war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Vor dem Spiel gegen Nürnberg im Februar 1992 hat er mich mal draußen gelassen. Er sagte, ich bräuchte eine Pause, weil ich zuvor 40 Pflichtspiele am Stück gemacht hatte. Ich wollte aber unbedingt spielen, es ging doch gegen Nürnberg, wo mittlerweile Willi Entenmann coachte, mein ehemaliger Co-Trainer beim VfB Stuttgart. Nach zehn Minuten musste ich mich bereits warmlaufen, ich dachte schon, super, das wird vielleicht doch noch was. Gebracht hat mich Kalli dann aber erst vier Minuten vor Schluss, da führte der FCN bereits 3:1. Ich habe Thomas Vogel noch das 3:2 aufgelegt, dann war Abpfiff. Ich war stinksauer, und das hab ich Kalli auch gesagt. Der meinte nur, ich wär halt "ein sturer Bulgare." Ich antwortete: "Nee, Trainer, ich bin Jugoslawe."

Der Betze brennt: Und wie ging das aus?

Hotic: Eine Woche später stand ich wieder von Anfang an auf dem Platz, gegen den FC Bayern. Wir gewannen 4:0. Ich schoss ein Tor und legte eins auf. Und damit war alles vergeben und vergessen. So wurden damals unter Kalli die Dinge geregelt.

Der Betze brennt: Mit Zobel klappte das Vergeben und Vergessen dann nicht mehr so. Nach einem Zeitungsinterview, in dem Du Dich nicht gerade nett über ihn geäußert hattest, bist Du suspendiert worden.

Hotic: Ich hab immer nur meine Meinung gesagt. Auch meine Frau hat mich manchmal gefragt: "Du schadest dir damit doch nur selbst, warum tust du das?" Ich antwortete immer: "Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen?" Nach Kallis Weggang hätte man dessen Assistenten Reiner Hollmann zum Chef befördern sollen, damit wäre eine klare Linie erhalten geblieben. Aber nein, man holte lieber einen Trainer von auswärts. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch im Juniorenbereich wird so verfahren. Verstehe ich nicht.

"Ich habe gemerkt: Das ist nicht mehr meine Mannschaft"

Der Betze brennt: In die Türkei gewechselt bist Du dann aber erst zu Beginn der anschließenden Saison, als Zobel schon wieder weg war.

Hotic: Ja, für ihn war Friedel Rausch gekommen, das war ein toller Kerl, aber der Stachel saß mittlerweile zu tief. Während meiner Suspendierung hatte sich sogar Fritz Walter für mich eingesetzt, auch das habe ich ihm niemals vergessen. Ich erinnere mich aber auch noch an unsere 0:4-Niederlage auf Schalke. Hinterher lag Torsten Lieberknecht schwer verletzt und mit großen Schmerzen in der Kabine und niemand hat sich um ihn gekümmert. Ich, der suspendierte Spieler, hab ihn dann ins Krankenhaus gefahren. Das waren so Situationen, da habe ich gemerkt, das ist nicht mehr meine Mannschaft.

Der Betze brennt: Andererseits: Du bist für andere auch immer eine Reizfigur gewesen.

Hotic: Ja, das stimmt. Ich weiß auch nicht, woran das lag. Das begann schon in meiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers. Auch da haben die gegnerischen Fans schon gerufen: "Hotic, du Arschloch!" Ich hab das einfach positiv gesehen und mir gesagt: Sei stolz, anscheinend bist du der Einzige von deiner Mannschaft, den die kennen. Und mit unseren Fans hatte ich nie Probleme. Unsere Gegner haben mich vielleicht nicht immer gemocht, aber respektiert. Thorsten Fink von den Bayern hat mir mal erzählt, dass bei denen eine Mannschaftsbesprechung wegen mir mal 20 Minuten länger gedauert hat als geplant. Weil sie durchsprechen mussten, wie ich mich im Spiel bewege, wie ich meine Tore mache. Da war ich erst recht stolz.

Der Betze brennt: Später warst Du mal einige Zeit A-Jugend-Trainer beim FCK. Unter Cheftrainer Otto Rehhagel, der nicht gerade als großer Nachwuchsförderer bekannt war.

Hotic: Der Otto war schon ein Großer, aber eben auch sehr eigen. Ich hatte vier, fünf Jugendspieler, unter anderem Torsten Reuter, Mathias Abel und Michael Lehmann, die waren richtig gut. "Die müsst Ihr behalten", hab ich zum damaligen Boss Atze Friedrich gesagt. Der hat nur geantwortet:  "Ach, wenn du wüsstest, was wir gerade für den Djorkaeff bezahlt haben. Dagegen ist die A-Jugend doch nur Spaßgesellschaft." Da war ich sauer. Spaßgesellschaft? Meine Jungs machten nach jedem Spiel bevor sie gingen ihre Kabine sauber, auch auswärts, freiwillig. Weil ich ihnen gesagt hatte: "Ihr repräsentiert den 1. FC Kaiserslautern, benehmt euch entsprechend." In den Wochen davor hatten wir ein paar regionale Turniere gewonnen, die wir zuletzt nicht mehr gewonnen hatten. Spaßgesellschaft? Da war ich bedient.

"Was ist verkehrt daran, seine Meinung zu sagen?"

Der Betze brennt: Auch danach hast Du nie aufgehört, stets Deine Meinung zu sagen, ob auf Jahreshauptversammlungen, etwa 2007 gegen die damaligen FCK-Bosse Erwin Göbel und Dieter Buchholz, oder später in den Sozialen Medien. Beliebt hast Du Dich damit nicht bei jedem gemacht.

Hotic: Nochmal: Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen? Es geht mir ja nicht nur um mich, auch wie man mit anderen verdienten Spielern umgegangen ist, finde ich nicht okay. Von FCK-Familie ist da nichts mehr zu spüren. Aktuell ist mein größtes Problem bei denen da oben wohl meine Nähe zu Gerry Ehrmann.

Der Betze brennt: Hast Du Dich da nicht wenigstens gefreut, dass ihm vor dem Spiel gegen Würzburg nun eine angemessene Verabschiedung vor der Westkurve zuteil geworden ist?

Hotic: Ganz ehrlich? Ich habe Gerry sogar geraten, da nicht hinzugehen. Weil sich immer noch niemand bei ihm dafür entschuldigt hat, was ihm unter Trainer Boris Schommers widerfahren ist. Ich verstehe gar nicht, warum Gerry sich überhaupt von ihm hat nach Hause schicken lassen. Dazu war er doch gar nicht befugt. Ich hätte ihm gesagt, hol erst mal einen vom Vorstand, wenn du mich freistellen willst.

Der Betze brennt: Wie guckst Du Dir Spiele heute an? Gehst du noch ins Stadion?

Hotic: Mittlerweile nicht mehr. Ich bin während der Spiele hier am Hauptbahnhof im "Gleis 1", meinem Lautrer Stammlokal, und hinterher diskutierte ich mit den Fans. Ich verstehe so vieles da oben nicht. Nach drei Niederlagen wird der Trainer rausgeschmissen, dann kommt ein neuer und der macht wieder was ganz anderes. Du musst doch mal eine Philosophie entwickeln und einen Coach über vier, fünf Jahre arbeiten lassen. Gute, schnelle Spieler holen. Und maximal einen 25-Mann-Kader zusammenstellen, denn wenn’s mehr sind, gibt’s mit der Zeit Knatsch, das ist doch klar.

"Von der FCK-Familie ist nichts mehr zu spüren!"

Der Betze brennt: Trotz Deiner permanenten Kritik bist Du aber Lautrer mit Leib und Seele geblieben. Wie sehr wünschst Du Dir Deinen FCK wieder in der Bundesliga?

Hotic: Ach, mir würde es doch schon reichen, wenn der FCK mal wieder in der 2. Bundesliga spielen würde. Ich weiß, da gucken mich einige immer blöd an, denn mit solchen Aussagen baue man ja unnötigen Druck auf, heißt es dann. Aber im Sport muss man sich doch auch Ziele setzen. Guckt doch mal, wer heute zweitklassig spielt. Was wären das für Spiele: Schalke, Bremen, Nürnberg, Düsseldorf, und, und, und! Die würden wieder Fans nach Kaiserslautern bringen, die Stadt würde wieder aufblühen und alle wären zufrieden. Kaputt gehen wird unser FCK so oder so nicht. Den wird’s noch geben, wenn wir alle tot sind.

Der Betze brennt: Du verfolgst den FCK trotz allem immer noch sehr intensiv. Unsere Abschlussfrage: Was ist diese Saison noch drin, kann es klappen mit dem Aufstieg?

Hotic: Wenn die Schlüsselspieler nicht ausfallen, wie etwa ein Mike Wunderlich, dann glaube ich schon, dass der Aufstieg drin sein könnte. Der FCK bräuchte vielleicht noch einen echten Mittelstürmer, eine Kante für vorne drin. Dazu zwei schnelle rechts und links, die gute Flanken schlagen, Philipp Hercher gefällt mir da sehr gut. Auch defensiv steht die Mannschaft mittlerweile sehr stark, auch wenn ich Alex Winkler und Kevin Kraus für zu langsam halte, während Boris Tomiak mich sehr positiv überrascht. Jetzt kommen ein paar unangenehme Spiele gegen Saarbrücken, Wiesbaden, Dortmund II und so weiter. Wenn sie da gut punkten, dann sehe ich gute Chancen für die Mannschaft.

Der Betze brennt: Danke für die offenen Worte, Demir. Bis bald - im "Gleis 1", oder vielleicht doch mal wieder im Fritz-Walter-Stadion.

Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon Keulinho » 02.11.2021, 20:25


Sehr schönes Interview. In allen Belangen ist diese damalige Zeit im Fußball nicht mehr mit der Heutigen zu vergleichen. Fernab des sportlichen Erfolgs fehlen mir vorallem echte Typen beim FCK und diese Mentalität.

Weiß jemand, was Demir Hotic heute so treibt? Er scheint ja in der Nähe zu leben, wenn er wöchentlich mit Gerry in die Sauna geht. Kommt er noch ab und an ins Stadion?
Für immer Fritz-Walter-Stadion!



Beitragvon kriD1973 » 02.11.2021, 20:50


Ich ärgere und rege mich heute noch so über das Bakero Tor auf, genauso wie vor 30 Jahren oder sogar mehr.
Wer weiß was der verdiente Einzug in die 1. Champions League Saison der Geschichte uns noch beschert hätte und was für folgen das für den FCK gehabt hätte, sportlich, finanziell, usw.
Aber es gibt mehrere internationale FCK Spiele die mich immer noch aufregen: auswärts in Göteborg 1981, auswärts in Genau 1990, auswärts bei Alaves 2000...
In diesen drei wichtigen Spielen wurden wir jeweils vom Schiedsrichter verpfiffen.
Danke für diese ausführliche Interviews mit den Helden von damals: es waren schöne Zeiten.



Beitragvon FCKFreak » 02.11.2021, 22:00


an alle jüngeren FCK Fans die den Verein im Herzen tragen: Es tur mir fast schon leid für euch das ihr dieses Spiel nicht live erleben durftet. Und ich kann euch sagen das ich vor und nach diesem Spiel niemals ein besseres Fussballspiel gesehen habe!!!!

Wegen diesem Fussballspiel ging es mir tagelang schlecht und die Leute die es nicht verstanden haben warum das so ist wissen bis heute nicht was wirkliche Vereinsliebe ist und was es heisst ein Fussballherz für seinen Verein zu haben.



Beitragvon Thomas » 02.11.2021, 22:32


Keulinho hat geschrieben:Weiß jemand, was Demir Hotic heute so treibt? Er scheint ja in der Nähe zu leben, wenn er wöchentlich mit Gerry in die Sauna geht. Kommt er noch ab und an ins Stadion?

@Keulinho: Dazu kommt morgen ein bisschen was in Teil 2. ;) Aber um das schonmal vorweg zu nehmen, ja, Demir wohnt immer noch in/bei Kaiserslautern.

Danke für Euer Lob fürs Interview und Eure Erinnerungen bis hierher, gerne mehr davon!
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon RedPumarius » 02.11.2021, 22:51


Das absolut krasseste Spiele überhaupt. So eine Stimmung ist heute nicht mehr vorstellbar. Die West war ein infernalisches Flammen- und Rauchmeer und bei den Toren fiel man meterweit nach unten und rollte auf dem Boden abwärts. Das war schon gefährlich, aber genial. :daumen: :teufel2:



Beitragvon Betzegeist » 02.11.2021, 23:20


Hach ja... als 8-jähriger Steppke daheim vorm Fernseher mitgefiebert, gejubelt, gelitten.

Und die Auswärtstorregel noch nicht verstanden. Warum zieht Gerry die Handschuhe aus und geht vom Platz, obwohl es doch 3:3 steht... als ich es dann realisiert habe sind ein paar Tränchen gekullert. Und am nächsten Morgen in der Schule musste die Trauer erstmal mit dem Lehrer im Unterricht verarbeitet werden.

Es zwar zwar ein Sieg, aber trotzdem ist es für mich die Mutter aller Niederlagen.
Stagnation ist Rückschritt.
Nicht wahr, Thomas Hengen?



Beitragvon Hatschongelb » 02.11.2021, 23:45


Bei Demir Hotic denke ich auch immer noch an seinen Rauswurf nach dem Sportbild-Interview, in dem er über den damaligen Trainer sagte: „Zobel? Link und hinterfotzig“. Danach war für ihn Schluss beim FCK.



Beitragvon kriD1973 » 03.11.2021, 00:19


Gibt es eigentlich irgendwo komplette Match-Statistiken von diesem denkwürdigen Spiel?
Torschüsse insgesamt, Ballbesitz %, Schüsse aufs und neben das Tor, Freistöße, Eckbälle, Fouls, usw?
Hatte Barça nur diesen einen verfluchten, absurden, unglaublichen Torschuss bzw. Kopfball am Ende?

Das Koeman-Bakero Tor 1991 ist (fast) schlimmer als das Münch Tor in Leverkusen 1996 und als den Makiadi-Klimowicz Doppelpack in Wolfsburg 2006.
Der kollektive, emblematische, emotionale FCK-Albtraum und Schockmoment schlechthin.
So ungerecht, so unlogisch, so vollkommen gegen den Spielverlauf und gegen die Fussball-Romantik.
Werde heute Nacht schlecht schlafen...



Beitragvon Odenwalddevil » 03.11.2021, 12:04


Meine große Schwester war so lieb und hat mich damals nach KL gefahren. Mit 16 wäre das etwas schwierig geworden.

Wer damals nicht im Stadion oder zumindest vorm TV war kann das schwer nachvollziehen.
Stimmung Marke 2000. Zitat Dieter Kürten als im Hintergrund die Westkurve brannte. Heute würde man von Idioten, Chaoten etc. sprechen.

Kann mich im ganzen Spiel an keine große Chance der Spanier erinnern. Wir haben Barcelona quasi an die Wand gespielt. Beim 3 0 von Bjarne habe ich das Stadion noch nie so laut erlebt. Beim 3 1 noch nie so leise. Eine Stecknadel hätte man fallen hören können. Ich saß auf der Süd Höhe 16er mit Blick auf die Situation. Es gibt Nächte da spielt sich das noch im Kopf ab.

Eine brutale Leere bei allen Besuchern im Kopf. Gerade weil man die erstmalige Gruppenphase mit den Geldtöpfen verpasst hat. Barca wurde auch noch CL Sieger.

Am nächsten Tag wurde ich dann noch blöd von der spanischen Mitschülerin angemacht, da musste ich mich noch schwer zurückhalten.



Beitragvon Stefan231259 » 03.11.2021, 12:11


Und direkt nach Abpfiff sang ein brechend volles Stadion "Marmor, Stein und Eisen bricht - aber unsere Liebe nicht"
Ich hatte nie mehr eine solche Gänsehaut und geheult wie ein Schlosshund. Nicht wegen der Niederlage, sondern wegen dieses einmaligen Momentes.



Beitragvon bladde3.0 » 03.11.2021, 12:26


Betzegeist hat geschrieben:Hach ja... als 8-jähriger Steppke daheim vorm Fernseher mitgefiebert, gejubelt, gelitten.

Und die Auswärtstorregel noch nicht verstanden. Warum zieht Gerry die Handschuhe aus und geht vom Platz, obwohl es doch 3:3 steht... als ich es dann realisiert habe sind ein paar Tränchen gekullert. Und am nächsten Morgen in der Schule musste die Trauer erstmal mit dem Lehrer im Unterricht verarbeitet werden.

Es zwar zwar ein Sieg, aber trotzdem ist es für mich die Mutter aller Niederlagen.



So ging’s mir auch! Hab nicht verstanden, warum um mich herum lauter weinende Männer standen. Wir hatten doch gewonnen….



Beitragvon Redondo56 » 03.11.2021, 14:12


In der Tat > So etwas erlebst du nur einmal!
In meiner Erinnerung war das Stadion eine Stunde vor Anpfiff schon pickepacke voll. Seit 1988 FCK-Fan und über 30 Jahre Mitglied, das war mein FCK-Spiel der Spiele.
Ich habe Live Spiele erlebt > Wembley ausverkauft (Manu gegen Liverpool), Chelsea gegen Manu, etc. etc. Der 6.11.1991 auf dem Betze, diese Stimmung unerreicht!!
Selbst ein Ronald Koeman (Libero) hat Fehler gemacht, die Lautstärke im Stadion hat alle Kommandos übertönt.
Ich könnte noch Seiten füllen, über dieses fantastische Spiel und der FCK-Übermannschaft dieser Tage.
So ein Spiel, da bin ich sicher, werde ich uffm Betze nicht mehr erleben. Sehr sehr schade.



Beitragvon Paul » 03.11.2021, 14:47


Müsst ihr denn immer wieder von diesem Bakero anfangen? Tut immer noch weh.
Ein Spiel, dass den FCK auf den Punkt bringt.

Von der infernalischen Gänsehaut her kommt evtl. nur noch das 1:0 von Simpson und der einsetzende Regen mit.

Ich hab beides erlebt. Und dafür bin ich dankbar!
leer
Nur im Pälzer Bode hänn moi Haxe richdich Halt!
leer
unzerstörbar - NUR der F C K



Beitragvon Bambule » 03.11.2021, 14:51


Kann mich noch gut erinnern.
Nach dem 3:1 ein Kollektiver Schockzustand.
Dann wurde zum Trotz gesungen.
Das tollste und zugleich schlimmste Spiel das ich im Stadion erlebt habe.
Ich habe drei Tage gebraucht um mich halbwegs zu erholen



Beitragvon JG » 03.11.2021, 16:12


Im übrigen wird noch heute, wenn Barca in der letzten Minute ein Tor schießt, "Baakerooooo" gebrüllt.



Beitragvon Odenwalddevil » 03.11.2021, 17:33


Falsch. Es wird laut Kaiserslautern, Kaiserslautern gebrüllt...



Beitragvon Ahnbassa » 03.11.2021, 18:02


ich stand auch in der West, 8er Block
Kurz vor der 90. Minute schaut Bjarne direkt in den Block, lacht zu uns und ballt die Faust.
Das Bild geht mir nimmer aus dem Kopf.
Wir waren alle so sicher, das Ding ist durch.
Dann hat Markus Kranz in der Nachspielzeit noch das 4:1 auf dem Fuß. Er wäre heute unser Held, so ist er fast vergessen...

Nach dem Schlußpfiff habe ich kein Wort mehr gesprochen, erst früh bei der Arbeit wieder das nötigste.



Beitragvon Dr. diab. rub. » 03.11.2021, 18:13


Beim Lesen dieses Interviews hatte ich Gänsehaut. Hach, was kommen da für großartige Erinnerungen hoch.

Es sind diese Erlebnisse, durch die wir uns von Fans von Reiern Lynchen oder anderen Vereinen mit garantierten Dauererfolgsserien unterscheiden. Wir haben schon so manche schmerzhafte Niederlage erlebt, mussten uns danach wieder aufrichten und sind an solchen Erfahrungen gewachsen.

Und genau darüber definiert sich meiner Meinung nach die wahre Größe eines Vereins. Es sind nicht allein die errungenen Erfolge, sondern die Vereinshistorie als Ganzes, auch und gerade mit den Rückschlägen und der Art des Umgangs mit diesen.
Dies ist keine Signatur.



Beitragvon sascha1989 » 03.11.2021, 18:28


FCKFreak hat geschrieben:an alle jüngeren FCK Fans die den Verein im Herzen tragen: Es tur mir fast schon leid für euch das ihr dieses Spiel nicht live erleben durftet. Und ich kann euch sagen das ich vor und nach diesem Spiel niemals ein besseres Fussballspiel gesehen habe!!!!

Wegen diesem Fussballspiel ging es mir tagelang schlecht und die Leute die es nicht verstanden haben warum das so ist wissen bis heute nicht was wirkliche Vereinsliebe ist und was es heisst ein Fussballherz für seinen Verein zu haben.


Das unterschreibe ich zu 100%. Die Dynamik, der Dauerdruck, die Schnelligkeit im Spiel, die Wucht, die Dominanz in diesem Spiel - unvorstellbar. Für mich ist damals eine Welt zerbrochen mit 17 und ich war zwei Tage danach nicht in der Schule. Die wenigsten verstanden und verstehen das.



Beitragvon Odenwalddevil » 03.11.2021, 18:46


Wenn ich mir so die wichtigen Spiele mit meinem Stadionbesuch vergleiche, sollte ich wenn es um den Aufstieg geht nicht mehr ins Stadion.
- 1991 verpasste/verschobene Meisterschaft Gladbach
- 2010 verpasste/verschobener Aufstieg Rostock
- 2013 2x Relegation Hoffenheim
- 2015 verpasster Aufstieg Ingolstadt

Zum Glück war ich 2008 nicht im Stadion. Rühmliche Ausnahme 1990 Pokalfinale



Beitragvon ExilDeiwl » 03.11.2021, 19:21


Ich erinnere mich nur blass an das Spiel. Ich habe es vor dem heimischen Fernsehapparat verfolgt. Ich erinnere mich daran, dass es 3:0 stand und dann der Anschlusstreffer fiel. Als es dann hieß, dass der FCK damit ausgeschieden sei, konnte ich das gar nicht verstehen und fand das mordsmäßig ungerecht. Obwohl ich mit dem FCK damals noch um Welten nicht so viel zu tun hatte wie heute, war die Enttäuschung und das Unverständnis riesig.

Wenn ich heute auf diese Geschichte zurück blicke, dann denke ich mir schon ein wenig - das sind die Ungerechtigkeiten, mit denen der FCK inzwischen öfter umgehen muss. Wenngleich diese mit zu den größten Ungerechtigkeiten gehörte. Aber so waren damals die Regeln…
Nein, es geht mir NICHT um Hurra-Fußball!

🇺🇦 STOP WAR! FUCK PUTIN! 🇺🇦



Beitragvon Gerrit1993 » 03.11.2021, 19:56


Und hier kommt der 2. Teil unseres Interview des Monats. Viel Spaß damit :teufel2: :

Bild

Interview des Monats: FCK-Meisterspieler Demir Hotic, Teil 2/2
"Den FCK gibt’s noch, wenn wir alle tot sind"

Teil 2 unseres Interviews des Monats: Demir Hotic erzählt, dass Barcelona nicht der einzige Stachel ist, der tief in ihm steckt. Der Meisterspieler von 1991 macht seinem Herzen Luft - und erklärt auch, was ihm heute am 1. FC Kaiserslautern missfällt.

Der Betze brennt: Demir Hotic, in Johannes Ehrmanns Buch "Wenn der Betze bebt" wurdest Du ebenfalls zu dem legendären Barcelona-Spiel interviewt. Da sagtest Du, so stolz Du auch wärst auf Deine Tore gegen Barca, Du hättest viel wichtigere geschossen.

Demir Hotic (59): Richtig. Mein Treffer zu unserem 1:0-Sieg in Stuttgart im März 1990 beispielsweise, der war doch viel wichtiger. Man darf nicht vergessen: Das war anderthalb Jahre vor dem Barcelona-Spiel, und wir spielten gegen den Abstieg. Vier Wochen zuvor hatte Kalli Feldkamp Gerd Roggensack als Trainer abgelöst, aber es lief noch nicht richtig. Es war erst unser zweiter Sieg nach vier Spielen unter dem neuen Trainer. Damit aber war die Wende eingeleitet: Von den nächsten fünf Partien gewannen wir nochmal vier, damit waren wir unten raus.

Der Betze brennt: Der Treffer gegen Stuttgart hatte für Dich bestimmt auch eine große persönliche Bedeutung. Du warst ja erst im Dezember 1989 vom VfB zum FCK gewechselt.

Hotic: Und in der Vorrunde hatte ich mit dem VfB auf dem Betzenberg gewonnen - und obendrein ein Tor geschossen. Klar, dass mich der Gerry [Ehrmann] erst mal rasieren wollte, als ich hier ankam. Bei Stuttgart war ich Teil einer Bombenmannschaft, mit Typen wie Karl Allgöwer, Asgeir Sigurvinsson und Guido Buchwald. Eigentlich gefiel es mir da, aber dann hat Trainer Arie Haan lieber Manni Kastl als mich aufgestellt. Das fand ich nicht gerecht. Also habe ich mir von Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder die Freigabe besorgt. Ich hatte auch andere gute Angebote, auch noch, als ich vom Betzenberg wegfuhr und ich dort bereits zugesagt, aber noch nichts unterschrieben hatte. Aber ein Handschlag zählt für mich wie ein Vertrag, das war immer so bei mir.

Als Foda nach Leverkusen wechselte: "Nichts da, Meister werden wir!"

Der Betze brennt: Als Du nach Lautern kamst, ging Wolfram Wuttke, der geniale, aber auch schwierige Spielmacher der Jahre zuvor.

Hotic: Ja, ein paar Trainingseinheiten habe ich noch mit ihm gemeinsam bestritten. Ich weiß noch, wie wir mal einen Cooper-Test machten und er überrundet wurde, weil er keinen Bock hatte zu laufen. Der Wutti war ein Riesenfußballer, aber ein Eigenbrötler, der sich einfach zu viel raus nahm. In dem Team, das anschließend zusammenwuchs, gab es so einen nicht. Da gab es nie Knatsch, nie Theater, kein Neid, keine Eifersucht. Ich hätte mir für jeden meiner Mitspieler ein Bein brechen lassen.

Der Betze brennt: Nachdem Ihr 1990 den Klassenerhalt gesichert hattet, seid Ihr zum Saisonabschluss nach Berlin gefahren. DFB-Pokal-Endspiel gegen Bremen ...

Hotic: Das war bis dahin das absolute Highlight meiner Karriere. Allein, wenn ich daran denke, wie viele Fans mit uns nach Berlin gefahren sind, das ganze Stadion, die ganze Stadt war rot-weiß. Wir hatten damals grüne Trainingsanzüge, in denen haben wir ausgesehen wie eine Karnevalstruppe. Ich weiß auch noch, wie wir vor dem Spiel im Olympiastadion trainieren wollten und die Bremer uns erstmal nicht auf den Platz ließen - deren Trainer hieß damals übrigens Otto Rehhagel. Da waren wir so sauer, dass wir es ihm anschließend im Spiel heimzahlten. Wir gewannen 3:2. Schon zur Pause führten wir 3:0, nach zwei Toren von Bruno Labbadia und einem von Stefan Kuntz.

Der Betze brennt: Und anschließend blieb die Mannschaft im Großen und Ganzen zusammen.

Hotic: Bis auf Franco Foda. Der wollte unbedingt zu Bayer Leverkusen. Mit denen wolle er Meister werden, hat er damals erzählt. Da sagte ich zu ihm: "Nichts da. Meister werden wir."

Der Betze brennt: Das hast Du nicht wirklich zu diesem Zeitpunkt schon gesagt, oder?

Hotic: Doch, klar! Das war natürlich halb Spaß und halb Ernst, aber ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass wir eine super Truppe haben und das gut passt. Sowas spürst du als Fußballer.

Der Betze brennt: Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt. Ein Jahr später hieltest Du mit dem FCK die Meisterschale in den Händen.

Hotic: Ich bin mit der Schale dann auch mal nach Düsseldorf gefahren, wo meine Eltern wohnten, und habe sie bei ihnen auf den Wohnzimmertisch gestellt. Zuvor war ich am alten Trainingsgelände der Düsseldorfer vorbeigefahren und habe sie dort vorgezeigt. Die Fortuna ist 1933 das letzte Mal Meister geworden. Damit war ich der Erste, der seitdem die Schale nach Düsseldorf geholt hatte (lacht). Anschließend habe ich sie bei mir unterm Bett versteckt - und dort vergessen. Zwei Wochen später rief einer von der Bank bei mir an und fragte: "Demir, wir suchen die Meisterschale, hattest du die nicht zuletzt"? Oh, das war peinlich.

"Für mich war der FCK kein Verein, sondern Familie"

Der Betze brennt: War Dir damals schon klar, dass Kaiserslautern Dein Lebensmittelpunkt bleiben würde, egal, wohin Dich Deine Karriere noch führen sollte?

Hotic: Das habe ich sehr schnell gewusst. Als ich gesehen habe, wie sich Leute hier samstags ins Stadion drängen, wie sich selbst alte Menschen jedes Mal den Berg hinauf schaffen, um kein FCK-Spiel zu versäumen, und sich dann wie kleine Kinder freuen oder bei einem nicht gewonnenen Spiel zutiefst betrübt sind - das hat mich wirklich berührt. Ich habe Fritz Walter kennenlernen dürfen, der wohnte ja wie ich in Alsenborn. Italia Walter hat mir manchmal Kaffee aufgebrüht. Mit Horst Eckel bin ich bis heute gut befreundet - das sind Dinge, die stecken ganz tief in meinem Herzen. Für mich war dieser FCK kein Verein, sondern Familie. Doch davon ist leider nicht mehr viel geblieben. Es ist einfach nur traurig, was aus unserem Verein geworden ist. Da komme ich nicht drüber weg.

Der Betze brennt: Für Dich persönlich fing der Ärger bereits an, als Kalli Feldkamp ging und Rainer Zobel als neuer Trainer kam.

Hotic: Auch zwischen Kalli und mir war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Vor dem Spiel gegen Nürnberg im Februar 1992 hat er mich mal draußen gelassen. Er sagte, ich bräuchte eine Pause, weil ich zuvor 40 Pflichtspiele am Stück gemacht hatte. Ich wollte aber unbedingt spielen, es ging doch gegen Nürnberg, wo mittlerweile Willi Entenmann coachte, mein ehemaliger Co-Trainer beim VfB Stuttgart. Nach zehn Minuten musste ich mich bereits warmlaufen, ich dachte schon, super, das wird vielleicht doch noch was. Gebracht hat mich Kalli dann aber erst vier Minuten vor Schluss, da führte der FCN bereits 3:1. Ich habe Thomas Vogel noch das 3:2 aufgelegt, dann war Abpfiff. Ich war stinksauer, und das hab ich Kalli auch gesagt. Der meinte nur, ich wär halt "ein sturer Bulgare." Ich antwortete: "Nee, Trainer, ich bin Jugoslawe."

Der Betze brennt: Und wie ging das aus?

Hotic: Eine Woche später stand ich wieder von Anfang an auf dem Platz, gegen den FC Bayern. Wir gewannen 4:0. Ich schoss ein Tor und legte eins auf. Und damit war alles vergeben und vergessen. So wurden damals unter Kalli die Dinge geregelt.

Der Betze brennt: Mit Zobel klappte das Vergeben und Vergessen dann nicht mehr so. Nach einem Zeitungsinterview, in dem Du Dich nicht gerade nett über ihn geäußert hattest, bist Du suspendiert worden.

Hotic: Ich hab immer nur meine Meinung gesagt. Auch meine Frau hat mich manchmal gefragt: "Du schadest dir damit doch nur selbst, warum tust du das?" Ich antwortete immer: "Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen?" Nach Kallis Weggang hätte man dessen Assistenten Reiner Hollmann zum Chef befördern sollen, damit wäre eine klare Linie erhalten geblieben. Aber nein, man holte lieber einen Trainer von auswärts. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch im Juniorenbereich wird so verfahren. Verstehe ich nicht.

"Ich habe gemerkt: Das ist nicht mehr meine Mannschaft"

Der Betze brennt: In die Türkei gewechselt bist Du dann aber erst zu Beginn der anschließenden Saison, als Zobel schon wieder weg war.

Hotic: Ja, für ihn war Friedel Rausch gekommen, das war ein toller Kerl, aber der Stachel saß mittlerweile zu tief. Während meiner Suspendierung hatte sich sogar Fritz Walter für mich eingesetzt, auch das habe ich ihm niemals vergessen. Ich erinnere mich aber auch noch an unsere 0:4-Niederlage auf Schalke. Hinterher lag Torsten Lieberknecht schwer verletzt und mit großen Schmerzen in der Kabine und niemand hat sich um ihn gekümmert. Ich, der suspendierte Spieler, hab ihn dann ins Krankenhaus gefahren. Das waren so Situationen, da habe ich gemerkt, das ist nicht mehr meine Mannschaft.

Der Betze brennt: Andererseits: Du bist für andere auch immer eine Reizfigur gewesen.

Hotic: Ja, das stimmt. Ich weiß auch nicht, woran das lag. Das begann schon in meiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers. Auch da haben die gegnerischen Fans schon gerufen: "Hotic, du Arschloch!" Ich hab das einfach positiv gesehen und mir gesagt: Sei stolz, anscheinend bist du der Einzige von deiner Mannschaft, den die kennen. Und mit unseren Fans hatte ich nie Probleme. Unsere Gegner haben mich vielleicht nicht immer gemocht, aber respektiert. Thorsten Fink von den Bayern hat mir mal erzählt, dass bei denen eine Mannschaftsbesprechung wegen mir mal 20 Minuten länger gedauert hat als geplant. Weil sie durchsprechen mussten, wie ich mich im Spiel bewege, wie ich meine Tore mache. Da war ich erst recht stolz.

Der Betze brennt: Später warst Du mal einige Zeit A-Jugend-Trainer beim FCK. Unter Cheftrainer Otto Rehhagel, der nicht gerade als großer Nachwuchsförderer bekannt war.

Hotic: Der Otto war schon ein Großer, aber eben auch sehr eigen. Ich hatte vier, fünf Jugendspieler, unter anderem Torsten Reuter, Mathias Abel und Michael Lehmann, die waren richtig gut. "Die müsst Ihr behalten", hab ich zum damaligen Boss Atze Friedrich gesagt. Der hat nur geantwortet:  "Ach, wenn du wüsstest, was wir gerade für den Djorkaeff bezahlt haben. Dagegen ist die A-Jugend doch nur Spaßgesellschaft." Da war ich sauer. Spaßgesellschaft? Meine Jungs machten nach jedem Spiel bevor sie gingen ihre Kabine sauber, auch auswärts, freiwillig. Weil ich ihnen gesagt hatte: "Ihr repräsentiert den 1. FC Kaiserslautern, benehmt euch entsprechend." In den Wochen davor hatten wir ein paar regionale Turniere gewonnen, die wir zuletzt nicht mehr gewonnen hatten. Spaßgesellschaft? Da war ich bedient.

"Was ist verkehrt daran, seine Meinung zu sagen?"

Der Betze brennt: Auch danach hast Du nie aufgehört, stets Deine Meinung zu sagen, ob auf Jahreshauptversammlungen, etwa 2007 gegen die damaligen FCK-Bosse Erwin Göbel und Dieter Buchholz, oder später in den Sozialen Medien. Beliebt hast Du Dich damit nicht bei jedem gemacht.

Hotic: Nochmal: Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen? Es geht mir ja nicht nur um mich, auch wie man mit anderen verdienten Spielern umgegangen ist, finde ich nicht okay. Von FCK-Familie ist da nichts mehr zu spüren. Aktuell ist mein größtes Problem bei denen da oben wohl meine Nähe zu Gerry Ehrmann.

Der Betze brennt: Hast Du Dich da nicht wenigstens gefreut, dass ihm vor dem Spiel gegen Würzburg nun eine angemessene Verabschiedung vor der Westkurve zuteil geworden ist?

Hotic: Ganz ehrlich? Ich habe Gerry sogar geraten, da nicht hinzugehen. Weil sich immer noch niemand bei ihm dafür entschuldigt hat, was ihm unter Trainer Boris Schommers widerfahren ist. Ich verstehe gar nicht, warum Gerry sich überhaupt von ihm hat nach Hause schicken lassen. Dazu war er doch gar nicht befugt. Ich hätte ihm gesagt, hol erst mal einen vom Vorstand, wenn du mich freistellen willst.

Der Betze brennt: Wie guckst Du Dir Spiele heute an? Gehst du noch ins Stadion?

Hotic: Mittlerweile nicht mehr. Ich bin während der Spiele hier am Hauptbahnhof im "Gleis 1", meinem Lautrer Stammlokal, und hinterher diskutierte ich mit den Fans. Ich verstehe so vieles da oben nicht. Nach drei Niederlagen wird der Trainer rausgeschmissen, dann kommt ein neuer und der macht wieder was ganz anderes. Du musst doch mal eine Philosophie entwickeln und einen Coach über vier, fünf Jahre arbeiten lassen. Gute, schnelle Spieler holen. Und maximal einen 25-Mann-Kader zusammenstellen, denn wenn’s mehr sind, gibt’s mit der Zeit Knatsch, das ist doch klar.

"Von der FCK-Familie ist nichts mehr zu spüren!"

Der Betze brennt: Trotz Deiner permanenten Kritik bist Du aber Lautrer mit Leib und Seele geblieben. Wie sehr wünschst Du Dir Deinen FCK wieder in der Bundesliga?

Hotic: Ach, mir würde es doch schon reichen, wenn der FCK mal wieder in der 2. Bundesliga spielen würde. Ich weiß, da gucken mich einige immer blöd an, denn mit solchen Aussagen baue man ja unnötigen Druck auf, heißt es dann. Aber im Sport muss man sich doch auch Ziele setzen. Guckt doch mal, wer heute zweitklassig spielt. Was wären das für Spiele: Schalke, Bremen, Nürnberg, Düsseldorf, und, und, und! Die würden wieder Fans nach Kaiserslautern bringen, die Stadt würde wieder aufblühen und alle wären zufrieden. Kaputt gehen wird unser FCK so oder so nicht. Den wird’s noch geben, wenn wir alle tot sind.

Der Betze brennt: Du verfolgst den FCK trotz allem immer noch sehr intensiv. Unsere Abschlussfrage: Was ist diese Saison noch drin, kann es klappen mit dem Aufstieg?

Hotic: Wenn die Schlüsselspieler nicht ausfallen, wie etwa ein Mike Wunderlich, dann glaube ich schon, dass der Aufstieg drin sein könnte. Der FCK bräuchte vielleicht noch einen echten Mittelstürmer, eine Kante für vorne drin. Dazu zwei schnelle rechts und links, die gute Flanken schlagen, Philipp Hercher gefällt mir da sehr gut. Auch defensiv steht die Mannschaft mittlerweile sehr stark, auch wenn ich Alex Winkler und Kevin Kraus für zu langsam halte, während Boris Tomiak mich sehr positiv überrascht. Jetzt kommen ein paar unangenehme Spiele gegen Saarbrücken, Wiesbaden, Dortmund II und so weiter. Wenn sie da gut punkten, dann sehe ich gute Chancen für die Mannschaft.

Der Betze brennt: Danke für die offenen Worte, Demir. Bis bald - im "Gleis 1", oder vielleicht doch mal wieder im Fritz-Walter-Stadion.

Quelle: Der Betze brennt / Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Barcelona?! So etwas erlebst du nur einmal" (Der Betze brennt)



Beitragvon K » 04.11.2021, 09:11


Der STERN griff dieses Spiel vor zehn Jahren mit folgender Meldung auf:
„Momente, die die Geschichte verändert haben“.

Wie wahr!
„Jeder deutsche und europäische Fußball-Kenner weis:

Ohne 1. FCK, Fritz Walter, Fritz-Walter-Stadion und Betzenberg fehlen dem Deutschen Fußball und
dem DFB die entscheidenden Teile ihrer Identität.“



Beitragvon Bergerbetze » 04.11.2021, 10:50


@K

Geiler Bericht!

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Mit 3:0 führten die Roten Teufel bereits auf dem Betzenberg, in einer Atmosphäre, die von spanischen Medien als "feindselig" bezeichnet und von Lauterer Fans als "Nacht der 100 Bengalos" gefeiert wurde. So ändern sich die Zeiten. Damals galten bengalische Feuer in Deutschland als Zeichen für perfekte Europacupstimmung, heute als schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde.

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FCK-Trainer Karl-Heinz Feldkamp schüttelte fassungslos den Kopf, Gerry Ehrmann - selbst schuld an einem Gegentor im Hinspiel - stauchte alles zusammen, was nicht niet- und nagelfest war.
:nachdenklich:




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