Fragen, Antworten und Anekdoten zur Geschichte des FCK.

Beitragvon Thomas » 05.09.2017, 16:34


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Fotos: Archiv Hagen Leopold

Im Blickpunkt: FCK-Geschichte vor dem Spiel in Kiel
Als "de Ottes" und "de Baas" Störche waren

von Hagen Leopold

Am Samstag tritt der 1. FC Kaiserslautern erstmals zu einem Liga-Spiel bei Holstein Kiel ein. Eine interessante Verbindung zum Deutschen Meister von 1912 bietet die Fußballgeschichte dennoch: Zwei Mitglieder der Lautrer Walter-Elf spielten einst auch für die Störche. DBB-Gastautor Hagen Leopold erläutert die Hintergründe.

Seine erste Saison als Aktiver in der Ligamannschaft der "Roten Teufel" absolvierte Ottmar Walter 1941/42 in der Gauliga Westmark. Auf immerhin 17 Spiele und 15 Tore kam der gerade mal 17 Jahre alte Bruder von Fritz Walter. Im Mai 1942 sammelte Ottmar mit seinen Mannschaftskameraden vom 1. FC Kaiserslautern die ersten Erfahrungen in der Endrunde um die Deutsche Fußballmeisterschaft. Beim 7:1-Erfolg gegen den SV Waldhof Mannheim stürmte er auf Linksaußen und erzielte zwei Tore. Vierzehn Tage später, am 24. Mai, erfuhr die "Walter-Elf" die spielerische Überlegenheit der "Knappen-Elf" des FC Schalke 04. Mit 9:3 Toren fertigten die "Königsblauen" um Ernst Kuzorra und Fritz Szepan die Elf aus der Pfalz ab.

Wenige Wochen später, im Juli 1942 verschlug es den mittlerweile 18-jährigen Ottmar Walter in den hohen Norden. Um der unweigerlich bevorstehenden Einberufung zur Wehrmacht zuvorzukommen, meldete sich Ottmar als Freiwilliger zur Kriegsmarine. Zunächst war er im niederländischen Breda und in Den Helder stationiert. Während eines Lehrgangs in Kiel-Wik wurde Ottmar als sogenannter Kriegsgastspieler am 28. März 1943 erstmals in einem Freundschaftsspiel für Holstein Kiel zwischen den "Störchen" und dem FC St. Pauli eingesetzt. Das Spiel endete 10:1 für Kiel. Wieviele Tore Ottmar beisteuerte, ist leider nicht überliefert.

Holstein-Chronik: "Mit Ottmar Walter kam der Erfolg!"

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Ottmar Walter im Trikot von Holstein Kiel

Die Vereins-Chronik "100 Jahre Holstein Kiel" vermerkt jedenfalls zur Saison 1942/43: "Mit Ottmar Walter kam der Erfolg!" Und dies, obwohl dessen Gastspiel nur etwas mehr als dreieinhalb Monate dauerte.

Doch der Reihe nach: Bis heute bezeichnet man in Kiel diese Endrunde 1943 als den stolzesten Höhepunkt der Vereinsgeschichte nach der Deutschen Meisterschaft 1912. An jenem denkwürdigen 30. Mai 1943 wurden 18.000 begeisterte Zuschauer im überfüllten und teilweise zerstörten Stadion an der Projensdorfer Straße Zeuge, wie Holstein im Kieler Dauerregen im Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft den haushohen Favoriten Schalke 04 mit 4:1 vom Platz fegte. Die "Knappen" waren mit dem "Schalker Kreisel" um Fritz Szepan und Ernst Kuzorra seit 1937 ununterbrochen Endspielteilnehmer gewesen.

Ottmar Walter selbst merkte 2008 in einem Interview zu seiner Störche-Zeit an, dass er selten eine solche Kameradschaft wie in dieser Holstein-Truppe erlebt habe. "Im Holstein-Stadion konnte uns keiner schlagen. Ich glaube einfach, dass es immer auch eine Frage des Charakters und der Kameradschaft ist. Jeder muss bereit sein, das Letzte aus sich herauszuholen. Der Tag bleibt mir immer unvergesslich. Die Zuschauer auf den teilweise stark zerstörten Rängen konnten für zwei Stunden den Krieg vergessen. Ich glaube das konnte jeder im Stadion spüren."

Luftangriffe auf Kiel - und das Fußball-Aus für Holstein

Dieser Euphorie geschuldet war es umlaufende Meinung, dass der Schalke-Bezwinger automatisch nun auch Deutscher Meister werden müsse. Dies war jedoch trügerisch. Im Halbfinale am 13. Juni 1943 unterlagen die Störche vor 30.000 Zuschauern in der Hannoverschen Hindenburg-Kampfbahn dem Dresdner SC um Helmut Schön chancenlos mit 0:3. Laut Ottmar war das Nervenkostüm seiner Kameraden schwer angeknackst, da unmittelbar in der Nacht vor dem Spiel eingehende Nachrichten von schweren Luftangriffen der Alliierten auf Kiel berichteten und die Mannschaft sich in Sorge befand, ob Angehörige in Mittleidenschaft gezogen wurden.

Im abschließenden Spiel um Platz 3 im Berliner Poststadion siegten die Störche am 26. Juli 1943 über Vienna Wien souverän mit 4:1, wobei auch "Ottes" einen Treffer beisteuerte. Gerne erinnerte Ottmar sich auch an den Folgetag, denn er und seine Kameraden durften als Ehrengäste dem Endspiel im Berliner Olympiastadion zwischen dem Dresdner SC und dem FV Saarbrücken (3:0) beiwohnen.

1943: Sepp Herberger lädt Ottmar Walter zur Nationalmannschaft ein

Großen Anteil am Erfolg der Störche hatte in Ottmars Augen auch Holstein-Trainer Seppl Esser, der vom Typ her einer wie Seppl Herberger gewesen sei. Apropos Herberger: Auch dem Reichstrainer blieb Ottmar Walters sportliche Entwicklung in Kiel nicht verborgen, so dass er eine erste Einladung zur Ländermannschaft aussprach. Die Kriegswirren sorgten jedoch dafür, dass es beim vorläufig letzten Länderspiel am 22. November 1942 in Pressburg gegen die Slowakei blieb. Ottmar Walter musste danach bis ins Jahr 1950 auf sein Fußball-Debüt für Deutschland warten.

Die zwischenzeitliche Renaissance von Holstein war in gewisser Weise ebenfalls dem Krieg geschuldet. Keine zwei Monate später, am 15. August 1943, verstärkte "Ottes" nunmehr nach neuerlicher Marine-Versetzung den Cuxhavener SV im Pokalspiel gegen den späteren Sieger LSV Hamburg und erzielte beim 1:3 den Gegentreffer. Bis Anfang 1944 spielte Ottmar Walter noch in einer ausnahmslos aus Gastspielern bestehenden Mannschaft des Cuxhavener SV im Gau Osthannover.

Der zweite Lautrer beim KSV: Werner Baßler - "de Baas"

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Werner Baßler im Trikot von Holstein Kiel

Weit weniger bekannt ist, dass ein gewisser Werner Baßler aus Kaiserslautern ebenfalls das Trikot der Störche trug. Auch "de Baas" wurde 1942 zur Marine eingezogen und absolvierte so die letzten beiden Runden 1942/43 für Holstein Kiel. Ferner half der Stürmer, 1943/44 die Gaumeisterschaft Schleswig-Holstein zu verteidigen. In der Saison 1943/44 konnte Baßler als "Urlauber" kurzzeitig sogar wieder mal für den FCK spielen. Im Tschammer-Pokal erreichten die Störche mit Baßler noch das Viertelfinale.

Zunächst setzten sich die Holsteiner in der Endrunde mit dem neuen Gastspieler aus der Pfalz noch gegen Mitte-Meister Dessau 05 mit 3:2 n.V. durch, schieden dann aber vorzeitig im Achtelfinale am 07. Mai 1944 gegen Hertha BSC (2:4) aus. Es sollte Holsteins letztes Endrundenspiel vor dem Zusammenbruch sein. Damit war auch Baßlers Gastspiel in Kiel beendet.

Nach zwischenzeitlicher Internierung in Marne (Holstein) kam Werner Baßler bereits im Juli 1945 aus der Gefangenschaft wieder heim nach Kaiserslautern und wurde Stammspieler der Walter-Elf.

Ottmar Walter erlebt nach Kriegsverletzung "kleines Wunder"

Um auch Ottmars Kriegsgeschichte außerhalb des Sportplatzes weiter zu erzählen: Schon in Kieler Tagen war der junge Ottes noch in der Marine-Ausbildung und als Besatzungsmitglied eines Torpedobootes fast immer in Alarmbereitschaft. Von einem entspannten Fußballerleben, wie der Begriff "Kriegsgastspieler" vielleicht suggerieren könnte, konnte keine Rede sein. Kaum zwölf Monate nach seinem letzten Spiel brach Ottmars Flottenverband ausgerechnet von Kiel zur Schicksalsfahrt Richtung England auf.

Im Ärmelkanal geriet man unter Beschuss und wurde schließlich versenkt. Ottmar berichtete mit bewegter Stimme: "Wir waren eine 119 Mann starke Besatzung. Der Torpedo-Volltreffer war eine Tragödie für uns, nur 34 Seeleute überlebten. Ich war einer der wenigen glücklichen Männer die sich retten konnten. Allerdings wurde ich erst im Lazarett wieder wach, dort wurden mir vier schwere Splitter aus dem rechten Bein entfernt. Mein erster Gedanke war sofort, ob ich jemals wieder Fußball spielen könne?"

"Im Grund geschah mir ein kleines Wunder: Auf einer Schreibstube sprach mich ein hochrangiger Offizier nach Einsicht meiner Karteikarte darauf an, ob ich mit Fritz Walter verwandt sein. Seine Überraschung war groß, als ich ihm mitteilte, dass Friedrich mein Bruder ist. Ein paar Tage später händigte mir dieser Offizier meine Entlassungspapiere aus, ich durfte zurück in die Heimat. Bis heute sehe ich das als echtes Wunder an. An diesem 2. Oktober 1946 ging es direkt per Schiff nach Hamburg, wo mich mein Bruder Friedrich in Begleitung von Herberger am Hafen abholte. Umgehend fuhren wir zurück nach Kaiserslautern. Auch wenn ich in den Jahren danach immer wieder schwere Probleme mit mit meiner Kriegsverletzung hatte, oft unter Schmerzen mit Kniebandage spielen musste, bin ich doch bis heute dankbar, dass ich entgegen ärztlicher Prognosen weiter Fußball spielen konnte. Ich hätte nach meiner Verletzung selbst nie daran geglaubt, noch 13 Jahre Hochleistungen bringen zu können."

Rückkehr nach Kaiserslautern und Wunder von Bern

Die Erfolge der Walter-Elf, unter anderem mit den Ex-Störchen Ottmar Walter und Werner Baßler, sind hinlänglich bekannt. Auf den Tag genau acht Jahre nach dem letzen Kriegs-Länderspiel 1942 stellte Bundestrainer Herberger Ottmar beim ersten Nachkriegsländerspiel am 22. November 1950 in Stuttgart gegen die Schweiz auf. Das erste von 22 Länderspielen, die vom WM-Titel 1954 gekrönt wurden.

Zum Autor: Hagen Leopold aus Neustadt an der Weinstraße ist Fußball-Historiker und Sachverständiger für Fußball-Memorabilia. Die Infos und die abgebildeten Fotos in diesem Artikel stammen aus seinem Archiv.

Quelle: Der Betze brennt
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)



Beitragvon bjarneG » 05.09.2017, 16:49


Sehr interessanter Bericht, danke dafür ! :daumen:



Beitragvon REDDEVIL1973 » 05.09.2017, 19:37


Genial solche Dinge zu erfahren :daumen:
Dankeschön auf 3 Punkte bei den Störchen :beer:



Beitragvon Betze_FUX » 05.09.2017, 19:39


Von Bomben zerstörte Ränge, Comeback nach Kriegsverletzung, Einberufung zur wehrmacht... wenn man Jetzt bedenkt das wir grade Diskussionen um Klatschpappen und dauergewedel führen wirkt das doch eher befremdlich. Vielleicht mal Zeit um inne zu halten und dran zu denken wie gut es uns wirklich geht...
"In Kaiserslautern immer auf die übertriebene Erwartungshaltung zu verweisen, ist vollkommener Quatsch. Ich vermisse es, dass man die Fans als Faktor begreift, mit dem Erfolg zu schaffen ist." - Kalli Feldkamp



Beitragvon DevilDriver » 06.09.2017, 08:05


Klasse Artikel. Sehr interessant.
Und genau diese Artikel machen dbb lesenswert.
:daumen:



Beitragvon Betze_FUX » 06.09.2017, 09:26


Es gibt nur leider sehr wenige davon!!!

NAachtrag: sorry ist blöd geschrieben! Gute Artikel gibt es durchaus einige auf DBB. Ich wollte mich eher auf die weniger lesenswerten Beiträge beziehen! Die werden mMn zählenmässig immer mehr. Und das immer schneller....
"In Kaiserslautern immer auf die übertriebene Erwartungshaltung zu verweisen, ist vollkommener Quatsch. Ich vermisse es, dass man die Fans als Faktor begreift, mit dem Erfolg zu schaffen ist." - Kalli Feldkamp



Beitragvon Kilmister » 06.09.2017, 13:23


Vielen Dank an Herrn Leopold und auch an Thomas fürs Einstellen - sehr interessant und gut geschrieben!
Don't forget them: they were Motörhead. And they played Rock'n'Roll!
https://www.youtube.com/watch?v=ODKAdOjx83Q



Beitragvon LDH » 06.09.2017, 21:09


Unglaublich was diese jungen Kerle damals durchmachten. Und alles was sie wollten war wieder nach Hause zu kommen und Fußball zu spielen.

Lob auch von mir für dösen tollen Artikel. Von solchen Geschichten könnte es gerne mehr geben.




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